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Gedichte 2
 
An einen Jüngling
Die Zeit
Die Sterblichkeit
Der Chronographist
Auf meinen Vogel
Die Grasmücke an ihre Wohltäterin
Die Lerche
Mutterlehren

 


An einen Jüngling

MDCCLXIV.

Mein junger Freund! die schnellen Jahre weichen.
Des Lebens Lenz ist kürzer, als man glaubt.
Der Wangen Zier, die Morgenrosen gleichen,
Kaum aufgeblüht, wird von der Zeit geraubt.
Und dennoch nimmt kein andrer Wunsch dich ein,
Als wohlgeputzt und schön zu sein.

Pomadeduft und Pudersturm umschweben
Dein Haupt, das noch von Krausezangen raucht.
Wer kann Geduld so lang zu sitzen geben,
Als ein Friseur um schön zu krausen braucht?
Wer, als der Wunsch sich schön gekraust zu sehn,
Noch eh man will zu Bette gehn?

Wie niedlich glänzt von deinem kleinen Hute,
Den erst dein Schnitt zur Artigkeit gebar,
Das Quästchen her! Du drückst ihn nun mit Mute
Den Kopf hinauf. Er sieht dein lockig Haar.
Er staunt es an. Sein aufgesperrter Mund
Macht jedem sein Entzücken kund.

Wie lockt das Band, um deinen Hals gezogen,
Sobald ein West vertraut durch selbes rauscht!
Dein Krägelchen! wer ist ihm nicht gewogen
Dem Hinterhalt', in dem die Charis lauscht!
Des Aufschlags Reiz, der Knöpfe Reih' und Zahl,
Die siegen täglich hundertmal.

Wie klingt die Welt der goldnen Kleinigkeiten,
Die von der Uhr an blankem Stahle fließt!
Dir folgt Geruch, der Anmut zu verbreiten
Aus Pölsterchen und Fläschchen sich ergießt.
O Wert, der sonst nur tote Fürsten ziert!
Mein Freund ist lebend balsamiert.

Wer spricht, wie du, von Agrémens, Chemisen,
Von à la Grecque, Eau sans pareil, Joujoux?
Wer wählt so reif die Farbe für Soubisen,
Für Rodingots, für Polissons, wie du?
Wer trägt Chignons — doch still, du fremd Geschwirr!
Die deutsche Muse bebt vor dir.

Freund! waren die, vor derer Mut' im Kriegen
Gerechte Furcht das Capitol umflog,
Die schöner Ruhm, und edle Lust zu siegen,
Und Frömmigkeit nach Palästina zog,
Vor derer Faust sich Stambul oft gebückt,
Freund! waren die, wie du, geschmückt?

Wirf deinen Blick, wo Schauer ihn empfangen,
Wo dein Geschlecht in Marmorurnen ruht,
Hin in die Gruft! Der Ahnen Bilder prangen
Geharnischt dort, und du — du bist ihr Blut?
Wie, wenn ein Schall aus ihrer Asche bricht,
Und zeuget laut, du seist es nicht?

Ihr Namen tönt in ewigen Geschichten;
Die Nachwelt horcht, und spricht ihn heilig nach.
Das Vaterland, der Zeug erfüllter Pflichten,
Wird jedesmal zum neuen Danke wach.
Dies gibt nicht Pferd, nicht Wagen, noch Frisur,
Vernunft und Tugend gibt es nur.

Gott untertan, erfüllt von Fürstenliebe,
Durch Wohltun groß, und alt durch Mäßigkeit,
Freund' ohne Falsch, Bezwinger ihrer Triebe,
Im Rate klug, und unverzagt im Streit',
Erkenntlich, treu, gerecht zugleich, und mild;
Dies, Freund! ist deiner Ahnen Bild.

Von ihnen kommt dein Adel, deine Güter.
Grab jeden Zug tief ins Gedächtnis ein,
Und laß ihr Bild in Zukunft deinen Hüter,
Dein bestes Erb, und deinen Spiegel sein.
Ja, nimm, o Freund! der Ahnen Moden an,
Du wirst gewiß ein schöner Mann.

Die Zeit
MDCCLXI.

Der der Schöpfung Gebot über den Abgrund sprach,
Und aus trächtigem Nichts staunende Wesen rief,
Sprach zur werdenden Zeit, als sie vor ihm erschien:
"Du nimm Flügel, und raste nie!"

Sie nahm Flügel, und flog, und der geschwinde Pfeil,
Und der streifende Nord, und der gestürzte Strom
Blieben müde zurück. Selbst der Gedanken Flug
Keichet arbeitsam hinter ihr.

Dennoch schilt sie der Tor, wenn er gesellschaftlos,
Überlassen sich selbst, lange Sekunden zählt,
Dennoch schilt er sie träg, wenn ihm dann auf sich selbst
Mancher schaudernde Blick entfährt.

Wenn ums goldene Bett schwarze Phantomen stehn;
Wenn sein zagender Geist Dörner auf Schwanen fühlt,
Und der lautere Ruf seines Gewissens itzt
Durch die nächtliche Stille tönt.

O dann wünscht er den Tag, welcher den Musenfreund
Schon vom Abendrot' her, seiner uneingedenk,
Tief verloren ins Meer weiser Betrachtungen,
Bei der wachenden Lampe findt.—

Aber schilt er auch dann, flüchtige Zeit! dich träg,
Wann im Tore des Tods ihm die Verwesung winkt,
Und vom Staube sein Geist wartender Ewigkeit
Ahnungvoller entgegen bebt?

Wann das, was er verlebt, klein wie ein Atomus,
Sinds Jahrhunderte schon, dennoch ein Atomus,
Den im luftigen Raum' irrend ein Nord verhaucht,
Vor der schwitzenden Stirne schwebt?

O dann haßt er den Wahn, der ihn so lang betrog,
Der den flatternden Sinn Jahre vertändeln hieß;
Dann erst sieht er den Wert eilender Stunden ein,
Wünscht sein Leben zurück — und stirbt.

Zeit! unschätzbares Gut! Weise nur kennen dich;
Sie nur geizen nach dir. Jeglicher Augenblick
Fließet Weisen gebraucht. Weisen nur ist bewußt,
Was oft eine Minute lehrt.

Freund! die längere Zeit, die sich der Tor vertreibt,
Der ins fünfzigste Jahr buhlet und schwelgt und spielt,
Freund! o sage, warum gab sie der Himmel nicht
Schlegeln, Brawen und Cronegken?

Die Sterblichkeit
MDCCLXV.

Vertraute Quelle! die du mir in mein Lied
Schon öfter stimmtest! Quelle! wie gäh bedeckt
Ein kühner West mit falben Blättern
Deine gekräuselte Silberfläche!

Zu welcher Ahnung weckt mich ihr schneller Fall!
Sind dies die Blätter, welche der Lenz gebar?
Des Haines Zier, des Müden Schatten
Waren sie! — sind nun ein Spiel der Winde.

Gedanke! mächtig füllst du die Seele mir!
Sie fleußt mir über! Sterbliche! Sterbliche!
So fallen wir! In diesen Blättern
Schwimmt mir der Menschlichkeit Los vor Augen.

Entwölkt bestrahlt uns itzo des Glücks Planet.
Der West des Ruhmes kühlet und hebet uns.
Uns tränkt ein Tau von Lebensfreuden.
Glückliche Blätter! und nun!—Wir fallen!

Nicht Glanz der Ahnen, Wiegen, die Purpur deckt,
Nicht Lenz des Alters, wenn ihn die Schönheit auch
Mit allen Künsten unterstützet,
Bittet den kommenden Tod zurücke.

Ihm stockt die Weisheit, lallt die Beredtamkeit,
Der Mut erblaßt ihm. Hoher Trophäen Stolz
Beginnt vor ihm in Schutt zu sinken;
Kronen erbeben und Throne wanken.

Du selbst, o Tugend! alles Vermögende!
Du selber rettest deine Verehrer nicht!
Der Staub des Böswichts und des Frommen
Mischet sich unter des Wandrers Tritten. —

Noch heute saß Er, erster Monarch der Welt,
Der besten Gattin zärtlichstes Augenmerk,
Umgeben von geliebten Kindern,
Würdig Äonen hinan zu leben.

Noch tönten Hymens Lieder ihm sanft ins Ohr,
Und plötzlich röcheln Töne des Tods darein.
Sein Tag verlischt. Zum letztenmale
Segnet sein brechender Blick die Völker. —

Noch heute sah dein sittsames Augenpaar
Den Reiz des Herbstes, Bester der Jünglinge!
Im frohen Haufen gleicher Freunde
Zog dich die Liebe zur Jagd ins Grüne.

Da flog dein Unglück. Ach, du versahst es nicht!
Ein Blei! Die Schöpfung wurde zur Nacht um dich,
Und eines deiner holden Augen
Schloß sich in ewige Finfternisse.

Gewiß des Grabes wallen wir, ungewiß
Der schwarzen Stunde. Menschen! kein Augenblick
Ist seines Folgers Bürge. Nebel
Schweben auf jeglicher Spur der Zukunft.

O glücklich, welcher seine Bestimmung denkt,
Ein Teil des Ganzen willig die Stelle füllt,
Zu der ihn jener auserwählte,
Welcher ihn aufschuf und liebt und lohnet!

Er zählt sich sorgsam jeden der Tage vor,
Und jeder sieht ihn besser und ähnlicher
Dem unerschaffnen Muster, jeder
Glänzet bezeichnet mit Menschenliebe.

Erscheint der Abend, gibt er sich Rechenschaft,
Und scheut den Zeugen seiner Gedanken nicht,
Und spricht vergnügt zu sich: "Ich lebte!
Schlummer! umwalle mein Aug! Ich lebte!"

Zu folgen willig, wann die Natur gebeut,
Schon lange Freund des Todes, erwartet er
Mit sichrem Lächeln jene Stunde,
Welche zu seiner Entbindung eilet.

Der weise Kaiser, welcher ein irden Rom
In stolzen Marmor prächtig verwandelte,
Sprach, als der Augenblick des Scheidens
Nahte, zum Ohre betränter Freunde:

"Vertraute! sagt mir: hab' ich sie wohl gespielt
Die Rolle meines Lebens?" Sie seufzten: "Ja!"
"So klatschet!" rief er, schloß den Vorhang,
Atmete sanfter, und schied zufrieden.

Der Chronographist
MDCCLXII.

Manche machen so viel Wesen,
Wenn sie Poesien lesen.
Ich begreife nicht warum?
Was sind aller Dichter Werke?
Ich, ich setze meine Stärke
In ein Chronographicum.

Mag doch Stax beim Hübner fluchen,
Silben zählen, Reime suchen;
Was entgehet mir darum?
Ich muß seines Fleißes lachen;
Er kann Epopöen machen!
Ich? ein Chronographicum.

Wenn ein Namenstag erscheinet,
Um ein Grab die Freundschaft weinet,
O da bleib' ich niemals stumm!
Wird ein Fürstenkind geboren,
Hat der Feind die Schlacht verloren,
Flugs ein Chronographicum.

Zeigt sich mir ein neu Gebäude,
Sprech' ich oft mit Herzeleide:
Unsre Zeiten werden dumm!
Übers Tor ist nichts geschrieben!
Kann ein Frontispice belieben
Ohne Chronographicum?

Sind Altäre, sind Trophäen,
Ist ein Traurgerüst zu sehen,
O da guck' ich um und um.
Andre mag die Kunst entzücken,
Ich such' unter Meisterstücken
Nur ein Chronographicum.

Hör' ich einen Namen nennen,
Gleich beginn' ich auf zu brennen.
Lüstern denk' ich ihn herum.
Nur ein M — ein D — Gewonnen!
Dieser Namen ist ersonnen
Für ein Chronographicum.

Und so soll im Letternhaschen
Einst der Tod mich überraschen.
Doch dies sei mein letzter Ruhm,
Daß er mich nicht eh bezwinge,
Bis ich noch mein Sterbjahr bringe
In ein Chronographicum.

Gräber, die mit Spieß und Stangen,
Wappen, Helmen, Fahnen prangen,
Sind der Helden Eigentum.
Dichtergräber mögen glänzen
Mit ersungnen Lorbeerkränzen!
Mir ein Chronographicum!

Auf meinen Vogel
MDCCLXIII.

Kleiner Sänger! meine Freude!
Zeuge meiner Einsamkeit!
Meiner Ohren Lust und Weide!
Dir sei dieses Lied geweiht.
Allerliebstes Vögelchen!
Was dein Herr in dreien Jahren
Rühmliches an dir erfahren,
Soll die Welt in Reimen sehn!

Andre mögen Menschen loben!
Menschen sind des Lobs gewohnt.
Ihr habt Den, und Die erhoben,
Dichter! ward ihr auch belohnt?
O mir blüht ein besser Glück!
Was ich singe dir zu Ehren,
Dieses singst du mir Homeren
Zehnfach, mein Achill! zurück.

Nun so fang' ich an zu dichten.
Panegyrisch sei mein Flug!
Du sollst Menschen unterrichten,
Liebes Tier! ists dir genug?
Soll mir in mein Lobgedicht
Manchesmal der Satyr lachen,
Ha, wie kann ichs anders machen?
Menschen — sie belohnen nicht!

Bei dem ersten Morgenschimmer
Bist du schon, mein Vogel! reg.
Deine Kehle füllt das Zimmer,
Singt mir meinen Schlummer weg.
Dieses kann Dorinde nicht.
Soll so früh der Schlaf entweichen?
Zarten Dingern ihres gleichen
Wird es erst am Mittag licht.

Fern, mein Schwarzkopf! von dem Zwange,
Der die Fähigkeit entehrt,
Bleibst du stets bei dem Gesange,
Den dich die Natur gelehrt.
Dieses kann Alzindor nicht,
Der, fürs Fabelreich geboren,
Zu der tauben Mitwelt Ohren
Nur in Hexametern spricht.

Gelbe Rüben, Ameiseier,
Nüßekerne liebst du nur.
Deine Speisen sind nicht teuer,
Und dein Koch ist die Natur.
Dieses kann Dermestes nicht.
Speisen, die man deutsch kann nennen,
Welche nicht das Blut verbrennen,
Nein! die sind nicht sein Gericht!

Wenn dich bei beliebter Muse
Sonnenstrahl und Bad erfreut,
Stehst du gern auf einem Fuße,
Und so stehst du lange Zeit.
Dieses kann Florindo nicht.
Sein Beruf ist hüpfen, flattern,
Sein Verbeugen, trillern, schnattern.
Gecken! nehmet Unterricht!

Dir ist nur Ein Kleid beschieden;
Jährlich legst du selbes ab,
Mit der Farbe wohl zufrieden,
Welche dein Geschlecht dir gab.
Dieses kann Narzissus nicht,
Der bei seines Kopfes Leere
Um Verdienst, um Rang und Ehre
Stets mit neuen Kleidern ficht.

Nach der Klugheit altem Rate
Liebest du dein eigen Haus;
Wenn ichs dir auch frei gestatte,
Hüpfst du selten nur heraus.
Dieses kann Kleander nicht:
Jedes Tags auf allen Gassen
Sich, den Stadtfreund, sehn zu lassen,
Hält er für des Wohlstands Pflicht.

Wenn der Alten Geist mich lehret,
Und ich einsam denken kann,
Schaust du, ganz in dich gekehret,
Stundenlang mich schweigend an.
Dieses kann Seline nicht,
Die mit ihrem Klappermunde
Oft in einer Viertelstunde
Kluge zehnmal unterbricht.

Allzeit folgest du dem Triebe,
Den dir jener eingesenkt,
Der voll Weisheit und voll Liebe
Seiner Schöpfung Wohl bedenkt.
Dieses kann — vielleicht dein Herr?
Nun ja — wenn er, wie er sollte,
Die Vernunft stets hören wollte;
Doch — zuweilen fällt es schwer.

 

Die Grasmücke
an ihre Wohltäterin

So ist es, edle Frau! dir nicht genug,
Durch Wohltun Menschen zu entzücken,
Und nährt dein selten Herz darüber noch den Zug,
Auch fromme Tiere zu beglücken?

Heut werd' ich munter, blick' hinaus
Aus meinem Bauer. Sieh, da steht vor mir ein Haus,
Ein Haus! Und stünd' es auf dem Graben.
So würd' es allen Beifall haben,
Und stünd' es auf dem Stock' am Eisen,
So würdens alle Kenner preisen,
Und kurz, es könnt' in allen Gassen
Ein Herrschafthaus sich nennen lassen.
Der erste Stock von rotem fremden Holze
Sehr künstlich à l'antique geschnitzt,
Auf welchem ein Gewölb in vollem Stolze
Des hellsten Silberdrahtes blitzt.

Ich staun' es an. — "Dies Haus ist dein.
Geh, lieber Sänger! geh hinein!"—
So sprach mein Herr. Ich hab' ihn gern,
Und wünsche keinen andern Herrn.
Zwar ist mein Bauer herzlich alt,
Und all mein Hausgerät von mißlicher Gestalt;
Zwar werden ihm die frischen Ameiseier,
Im Sommer bald genug zu teuer;
Doch, weil er felbst genügsam lebt, wie ich,
So duld' ichs gern und tröste mich;
Denn, wo man lehrt und tut,
Dort gehn die Sachen immer gut.

So dacht' ich im Hineinspazieren,
Und wollte fortphilosophieren.
Wie? dacht' ich: weicht mein Herr heut von der Regel ab,
Die er sich selbst, und seinen Tieren gab?
Mir so ein prächtig Haus? Macht er sein Testament?
Doch er, der alle meine Mienen kennt,
Nahm lächelnd meinen Zweifel hin,
Und nannte dich des Hauses Geberin.

Ja, beste Frau! wenn ich, wie Schwester Nachtigall,
Und Tante Lerche, wäre,
Die deine Gnadenhand schon lange selbst ernährt,
Dann wär' ich etwa dieser Ehre,
Und des so schönen Hauses wert.
Allein dies eben ist der Fall;
Denn fast das ganze Jahr erschallet ihre Kehle;
Doch ich, bei meiner kleinen Vogelseele,
Ist nur ein halbes Jahr herum,
Ich werde, wie die Mauer, stumm.
Kaum konnt' ich so viel Kräfte sammeln,
Um meinen Dank in Prose dir zu stammeln.

Es hangen Reime zwar daran;
Doch — im Vertraun — dies hat mein Herr getan.

Itzt also nur gereimte Prose.
Doch kehrt der Frühling, blüht die Rose,
Wird meine Kehle wieder rein,
Dann will ich meinen Dank dir singen,
Dann sollen des Gesanges Schwingen
Der höchsten Ode Schwingen sein.

Die Lerche
aus der Unterwelt, an ihre Gebieterin

Weit über mein Geschlecht in Liederkunst erfahren
Besaß ich in beglückten Jahren
Der besten Fürstin Zärtlichkeit.
Doch großes Glück bleibt niemals unbeneidt.
Des Todes Hand verschnüret mir das Kehlchen,
Und nun sieht im Elisium
Mein tönereiches, trautes Seelchen
Sich nach dem lieben Sperling' um,
Den einst Catull so schön besang;
Den will ich zum Gespielen wählen,
Der soll mich hören tagelang
All mein genossen Glück erzählen.
Und hör' ich dann ein freundlich Ach!
So sag' ich: Tröste dich! Kurz war mein Leiden.
Die beste Fürstin sah gerührt mich scheiden,
Und klaget ihrer Lerche nach.

Mutterlehren
an einen reisenden Handwerksbursch

Mein Sohn! sprach Gertraud schwer von Jahren:
Du zeuchst von mir.
Auf Reisen wirst du viel erfahren.
Ach, merk' es dir!
Die Lehren aus der Mutter Munde
Schlag nicht in Wind!
Du bist (gesagt zur guten Stunde!)
Ein Sonntagskind.

Führt einst um Mitternacht die Reise
Dich durch den Wald,
So kreuze dich, und horche leise,
Wenns Hifthorn schallt.
Dann mußt du dich zur Erde werfen.
Nur nicht verzagt!
So wird sie dir nicht schaden dürfen
Die wilde Jagd.

Der Böse treibt bei manchen Flüßen
Auch oft sein Spiel;
Drum wirst du dich hübsch kreuzen müßen,
Nie wirds zu viel.
Er schreit (so sagt mir meine Base
Was willst du mehr?)
Er schreit gewaltig durch die Nase
Am Ufer her.

Oft fährt er dir auf offnen Straßen
Die Post, mein Sohn!
Du mußt ihn immer fahren lassen.
Nur weit davon!
Man hört der Peitsche leibhaft Knallen.
Des Posthorns Ton.
Wer frevelt, muß in Sümpfe fallen.
Du nicht, mein Sohn!

Sollst du bei Nacht durch Felder reisen,
Nimm dich in Acht!
Da pflegt ein Licht den Weg zu weisen,
Das irre macht.
Oft tanzen sie in bunter Menge
Ums Hochgericht.
Entferne dich von dem Gepränge,
Und frevle nicht!

Auf Äckern wird dir oft begegnen
Ein Feuermann.
Dann hilft kein Beten, und kein Segnen!
Er rauscht heran.
Du mußt ein ander Mittel suchen
In dieser Not.
Ein Feuermann weicht nur durch Fluchen.
Verzeih dirs Gott!

Aus zweenen sieht man einen werden,
Aus einem zween,
Die bald mit zornigen Gebärden
Zum Kampfe gehn.
Es flammt! o welche Gegenwehre!
O welcher Kampf!
Der laue Christ (den Gott bekehre)
Nennts einen Dampf.

Erscheint dir ein Palast von weiten
In vollem Glanz,
Es ist (o laß dich nicht verleiten!)
Ein Hexentanz.
Denn würde dir dabei entrinnen
Ein Wort von Gott,
Schnell wäre der Palast von hinnen,
Du tief im Kot.

Im Gasthof ist der Alp zu scheuen.
Er schleicht daher.
Und liegt er nun, man kann nicht schreien.
Er drückt so sehr.
Wirf, wenn er kommt, geschwind ein Küßen
Vom Bett' ihm zu!
Er wird darauf sich setzen müßen,
Dann hast du Ruh.

Mein Sohn! ich will dir nichts vergrößern,
Doch hüte dich!
Itzt sag' ich dir von alten Schlößern.
Dort meldt es sich.
Gespenster ohne Kopf erscheinen
Sechs Ellen lang.
Man hört um zwölf Uhr kläglich weinen
Im öden Gang.

Oft hört man an der Türe klopfen.
Wer wird es sein!
Man bebt und schwitzet große Tropfen,
Und sagt — Herein!
Da kommts, als ein Barbier, ins Zimmer,
Und man erstarrt.
Mein Urgroßvater sagt' es immer.
Ihm schors den Bart.

Wie wollen wirs auch anders haben?
Nur dies bedenkt!
So mancher Schatz liegt hier begraben,
Und tief versenkt.
Drum hat der Böse seine Possen,
Und schreckt uns ab.
Doch, liebes Kind! bleib unverdrossen,
Und such' und grab!

Oft liegt ein Schatz auf freien Wegen,
Und brennt, wie Glut.
Sei flink ein Heiltum drauf zu legen!
Dein ist das Gut!
Studierte wissen noch ein Mittel,
Ein schön Gebet.
Ich glaube fast, daß auf dem Titel
Sankt Christoph steht.

Jüngst hab' ich dir vom schweren Wagen,
Mein Sohn! erzählt.
Ich soll dir noch vom Teufel sagen,
Der Schildwach' hält,
Von schwarzen Katzen mit drei Füßen —
Doch seis genug!
Du wirst es selbst erfahren müßen,
So wirst du klug.

Traun! Mutter! sprach der Sohn vermessen:
Ihr seid gereist!
Doch habt ihr einen Geist vergessen,
Den Branntweingeist.
Ich seh', er fährt aus eurem Munde.
Ich bin nicht blind,
Und wär' ich auch (zur guten Stunde)
Kein Sonntagskind.