Wiens Befreiung1
Willkommen, Herbsttag, Freund der Lieder,
Und froher Bardenarbeit hold!
Hier blick' ich von dem Hügel nieder.
Wie glühet deiner Türme Gold,
O Vindobona! durch den Schleier
Der leichtgeschürzten blauen Duft!
Wie prächtig ist die Morgenfeier,
Wie ruhig Erd' und Luft!
Wie lieblich schweift das Grün der Reben
Bis an der Wälder Schwarz hinan!
Dort, wo sich Winzerhütten heben,
Wie munter grüßt den Tag der Hahn!
Wie nahe rauschet im Gestäude
Des Rebhuhns, und des Hasen Scherz!
Wie fröhlich bläst der Hirt zur Weide!
Wie ruhig ist mein Herz!
So feiertest du diesen Morgen nicht,
O stille Gegend! einst, als weit und breit
Dich der beschnittnen Mondenträger Heer
Vom Osten ausgeströmet übergoß,
Ein hager, gelb und unbarmherzig Volk
Auf Raub und Brand und Menschentod bedacht,
Im wilden Allahrufe, brausenden
Getrabe seiner Rosse, donnernden
Getümmel seiner Pauken, dräuenden
Geklirre seiner Ketten, auf die Zahl
Der schweren Wagen mauerstürzendes
Geschosses trächtig, auf den düstren Staub
Des höckerigen Lastgetieres stolz.
Ach stille Gegend! damal wie verstellt!
Wie voll des Angstgeheules und des Bluts
Von deinen Eingebornen, und des Dampfs,
Der aus der Hütten Glut zum Himmel schlug!
Und dir, wie war dir, harrende Kaiserstadt!
An diesem Morgen? hohe Beängstigte!
Wie war dir? Können Bardenharfen
Deine Gefühle dem Enkel singen?
Zwar stand in dir der dringenden Kriegesflut
Ein kühner Fels entgegen, ein Stahremberg,
Und deiner Söhne Mund und Eisen
Hatte dir Treue des Tods geschworen;
Doch eherne Rachen spieen Erschütterung
Auf deine Türme, stürzten die Mauern ein,
Und furchtbar warf der nahe Roßschweif
Auf die geborstene Feste Schatten;
Und Stambuls Horden, hungrigen Wölfen gleich,
Die durch der Hürden sinkende Tore schon
Die Lämmer sehn, umknirschten deine
Trümmern mit hitzigem Räuberzahne.
Wie drängend fliegen feurige Seufzer auf
Von deinen Höhen, wehten zu dir herab
Die Seufzer deines frommen Leupolds
In dem Geleite der Donaulüfte!
Doch deine Retter waren noch ferne, noch
Weit hinter jenem Berge2.
Sie zögerten.
So ward es Nacht, die schwerste, bängste,
Letzte der Nächte, so ward es Morgen!
Auf, Kaiserstadt! auf! zum Berge den Blick,
Zum höchsten der Berge den gierigen Blick!
Was glänzet hervor am Rande des Hains?
Sinds Waffen? Sinds Retter? —Sie sinds!
Hilf Himmel! ein Zug, ein mächtiger Zug,
In schrecklicher Breite vom Tage bestrahlt!
Wie wallen in Luft die Adler! Wie rast
Der Pauken und Hörner Gemeng!
Der mutige Fürst der Söhne von Lech,
Der Bojer und Sachsen Gebieter ist hier;
Sie boten die Hand dem tapferen Karl,
Der Österreichs Heere befiehlt.
Sie ziehen heran ein Sinn und ein Herz
Zu schlagen und siegen fürs Erbe von Teut.
Schon wälzet der Krieg den rauschenden Strom
Ins hangende Rebland herab.
Aus Tiefen hervor, der Rächer ist da!
Beschorene Räuber von Osten! hervor!
Das Rebland hinan! Da kommt er der Strom!
Nun gilt es kein Schonen! hinan!
Erwartendes Wien! wie bebte dein Herz,
Als itzo der düstere Kampf sich verworr,
Der Heere Geschrei, des Ärzes Gebrüll
An deinem Getürme sich brach.
Die Wolke des Tods die zog sich heran
Vom Fuße der Berge zur Fläche, wo Raub
Der Länder gehäuft, und köstlicher Troß
In Zelten der Wütriche lag.
Noch bebte dein Herz, erwartendes Wien!
Denn grimmig war unter der Wolke der Strauß,
Das Sinken war groß. Verzweiflung und Mut
Die wogen einander sich auf.
Doch itzo berührt die Schale des Muts
Der Finger Allvaters. Erwartendes Wien!
Zur Donau den Blick! Dort stäubet die Flucht
Die bebenden Ebnen hinab
Mit starrendem Aug', in keuchender Angst,
Auf Waffen und Leichen und Plunder gestürzt,
Und hinter sich her den wogigen Stahl
Geflügelter Söhne von Lech,
Und hinter sich her des reisigen Zeugs
Ergrimmte Geschwader in Eisen gekleidt —
Halt, Saitensturm! So wagt ein Hauch des Wests
Dem Sturme nachzubrausen, welcher itzt
Den Espenhain zerbrach; so wagtest du
Dem Freudensturme nachzutönen, der
Aus allen Toren Wiens ins Freie blies,
Als Stambuls Horden flohn, als Leupold kam,
Allvaters Günstling Leupold, als der Kreis
Der hohen Sieger grüßend ihn umstand,
Und Lob, Belohnung, Beut' und Überfluß
Durch Stadt und Heer in vollen Strömen ging.
Heut war der große Tag. Es mangelten
Noch sieben Herbste zum Jahrhunderte,
Da Sined ihn besang. Wien feiert ihn
In jeder Pracht, so oft die Traube reift,
Und denket: Ohne diesen Tag vielleicht
Hätt' ich Theresien und Joseph nicht.
Und du, o stille Gegend! gib den Dank,
Den eben itzt der frohe Donnerknall
Von allen Mauern Wiens ins Runde spricht,
Von deiner Berge schwarzen Hainen, und
Dem grünen Weingelände laut zurück.
1) Gesungen am Jahrtage. Der
Standort des Sängers waren
die Hügel über dem
Dorfe Ottakring.
2) Dem sogenannten Kahlenberge.
Lied an Wien1
Entfernt von dir, in Staub und Dampf gehüllet,
Den Schwall von Tausenden um sich,
Wenn Rosse brausen, Eisen klirret, Erz erbrüllet,
Denkt Joseph doch an dich,
An dich, wenn Schlaf und Rast am grauen Morgen
Von seinem Heldenlager fliehn,
In Mitte schwerer, endeloser Völker Sorgen
An dich, sein heimisch Wien!
Er denkt: O du der deutschen Städte Krone!
Glänzt irgend noch ein Edelstein,
Der soll von deinem Fürsten, deinem Freund' und Sohne
Dir eingesetzet sein!
Er denkt. Und eine sanfte Straße führet
Um dich in weiten Schranken her.
Nun fleugt das goldne Rad. Des Landmanns Achse spüret
Kaum halb die Lasten mehr.
Und ebne Pfade von den Toren leiten
Zur Straße deiner Wandler Fuß,
Die Pfade weiß, und für das Aug von beiden Seiten
Des holden Grüns Genuß.
Er denkt. Und an des Kaiserstroms Gestaden
Vom Wellentaue froh benetzt
Laubt sich ein Hain empor,2
ins Abendkühl zu laden
Die Menschheit, die Er schätzt,
Wenn sie nach langem, ernstem Taggeschäfte
Zum offnen, heitren Himmel ringt,
Dann der Geliebten Blick, des Freundes Anspruch Kräfte
Der müden wieder bringt.
So, Vindobona! Krone deutscher Städte!
So schmücket Joseph deinen Tag.
Wie, wenn auch deine Nacht des Herrschers Sorgen hätte? —
Ha, wenns ein Lied vermag,
Wenns Harfen können, Sined! o so feire
Der neuen Herrschersorgen Wert,
Die weitgestreute Flammenpracht, die diese teure
Gewünschte Nacht verklärt.
(Ja teuer und gewünscht! Theresen Namen
Macht sie dem schönsten Tage gleich,
Mit der auf dich Allvaters größte Segen kamen,
Beglücktes Österreich!)
Wie lieblich blinken wacher Lichter Reihen,
So weit der Blick sich weiden kann!
Der Sternenhimmel scheint sich seines Bilds zu freuen,
Und lächelt mild es an.
Und selbst auf engen, abgelegnen Stegen
Lustwandelt nun die Sicherheit.
Wie kann ihr arge List in Zukunft Stricke legen,
Die nur im Finstern dräut!
So, Kaiserstadt! so lebhaft stets umschwebet
Dein Angedenken Josephs Thron.
So ziert dich Der, der nur dem Untertane lebet,
Dein Fürst, dein Freund und Sohn.
O ruf aus aller deiner Kinder Kehlen:
Mein Kaiser, meine Lust und Zier!
So brennt die Nacht. So brennen Jener unsre Seelen,
Die Dich gebar, und Dir!
1) Als am Vorabende des
Theresientages die neue Beleuchtung
der Esplanade
und der Vorstädte begann.
2) Der herrliche Augarten.
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