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Liebseligkeit
 

Liebseligkeit
All Liebe
Traumlieben
Omen
Maiwandel
 

Liebseligkeit

                  I.

Zu Ende ist nun das Märchen,
Kein Titelchen fehlet mehr:
Ein traurig einsames Pärchen,
Das steht nun in Liebesverkehr!

Von Deinen sonnigen Blicken,
An Deinem erfrischenden Hauch,
Wie wird sich Alles erquicken
Und heben am Lebensstrauch;

Wie wird er Knospen austreiben
Und Blüten an jedem Reis,
Wie wird das Lenzvöglein schreiben
Um ihn den schimmernden Kreis;

Wie wird es hallen und klingen
In seinem innern Raum;
Wie wird ihn die Nacht umschwingen,
Erfüllen mit schönem Traum!

Auch Dich wird es mächtig erheben —
Ein Herz, ein brennendes Dein!
Ein volles, rollendes Leben,
Das rollet für dich allein!

                  II.

Und nun ich hab mein Lieb geminnet,
Hängt es an mir mit Lust und Treue,
Und was sie hört und sieht und sinnet,
Erzählt mir leis die annoch Scheue,
Seit sich der Liebesstrahl
Auch Ihr ins Herze stahl.

Das sind denn seltsame Geschichten!
Oft wie aus einer Kinderfibel,
Oft hohes, feierliches Dichten,
Wie Psalm und Cantus aus der Bibel,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.

Und seit es ist, da dichten, kosen
Wir stets mit erstem Morgenschimmer,
Und oft, wenn schon die Purpurrosen
Des Abends glüh'n, noch immer, immer,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.

Ein Trunkner schwank' ich hin durch's Leben,
Nicht fragend, was die Menschen meinen,
Nicht sorgend, was die Parzen weben,
Zufrieden, daß noch Sterne scheinen,
Seit sich der Liebesstrahl
In Liebchens Herze stahl.

                  III.

Ihr Auge leuchtet sonnig,
Dabei so bläulich traut;
Wie Bachgelispel wonnig
Erklingt der Rede Laut.

Wie flüssig Gold umwallet
Ihr Antlitz reiches Haar;
Die Händchen lustgeballet
Sind wie ein Rosenpaar.

Süßduftig ist Ihr Mündchen
Wie Erdbeerlein im Wald —
O, Stündchen, holdes Stündchen
Der Lese komme bald!

Ihr Leib ein Lilienstengel,
Der hoch und schwank sich hebt,
Weiß Gott, wie dieser Engel
Auf dieser Erde webt
. . . . !

Und denkt, der Engel
Mit süßem Erdbeermunde,
Der weilt und waltet
Mit mir im Herzensbunde;
Die Blumenweiche,
Goldlockenreiche,
Die wünscht und hoffet
Mit mir das Gleiche;
Ja, die so wonnig
Spricht und so sonnig
Blickt aus Blauäugelein,
O faßt es — die ist mein!

                  IV.

Du bist so jugendlich wohlgetan,
So zierlich bist du und reizumwoben,
Wie junge Blümlein im Wiesenplan,
Die sich im Hauche des Mai's erhoben.
Drum blickt so trunken mein Aug dich an
Und schlägt mein Herz in freudigem Toben,
Daher die Seligkeit, wenn ich ersann
Ein neues Lied dich Schönste zu loben!
O ströme, mein Lied, unaufhaltsam,
Entström' wie es dich treibt aus der Tiefe:
Sanft stürmend und lieblich gewaltsam,
Und wecke, wenn etwa noch Eine schliefe,
Der Wonnen Eine und Letzte von allen,
Erweck' sie zu Ihrem Wohlgefallen!

                  V.

Oft mache ich nur Federprobe
Zum Zeitvertreibe,
Und sieh, es ist zu deinem Lobe,
Allwas ich schreibe.

                  VI.

Wie siehet wohl mein Herze aus
Seit du mich liebest — rat'!
Wie ein geschmücktes Königshaus
In ferner Gangesstadt.

Rundum ein Rosenhain als Wall,
Worin ein Engel liegt,
Den eine muntre Nachtigall
In süßen Schlummer wiegt.

Doch wer der holde Engel ist
Weißt du auf keinen Fall,
Natürlich — weil du selbst es bist,
Und ich die Nachtigall.

                  VII.

So sicher bin ich nie gewesen,
So sicher, wie ich einmal bin:
Wie Einer, der vom Tod genesen
Geh ich voll Mut durchs Leben hin —
Von Deiner Augen Sonnenstrahlen,
Von deiner Worte Zauberzahlen
Bin ich so fest und wunderbar,
Wie Siegfried, der Gehörnte war.

Mich fliehen Wölfe, Bären, Schlangen,
Mich schont im Wald die "Böse Fee;"
Kein Unhold trägt nach mir Verlangen,
Kein Ungetüm in Sumpf und See —
In Deiner Arme Rosenkranze,
Umkreist von Deinem Elfentanze,
Bin ich so fest und wunderbar,
Wie Siegfried der Gefeite war.

Und glaubet! selbst Siegfried, dem Degen
Gehörnet wenn auch und gefeit,
Böt' ich um meiner Liebe wegen
Nicht allzu leichten Strauß und Streit:
Beschirmt von unsrer Liebe Geister
Würd' ich selbst dieses Reckens Meister,
Und hingestreckt von meiner Hand
Läg' er todwund im roten Sand.

                  VIII.

Wie die frommen Lämmer weiden
Auf der grünen Frühlingshut,
Also weiden meine beiden
Augen auf dir wohlgemut.

Und die Lämmer, wo sie gestern
Just ein Blümchen abgepflückt,
Finden heut von seinen Schwestern
Doppelt reich den Platz geschmückt.

Aus den Augen fiel seit langen
Tagen Ein Blick nur auf mich,
Und es zeigten auf den Wangen
Nur zwei Rosenknospen sich. —

Kaum doch hatte ich empfangen
Jenes ersten Blickes Gruß;
Und die Röslein auf den Wangen
Wärmte kaum mein erster Kuß:

Als sie täglich sich vermehrten
Wunderbar von Stund zu Stund,
Jeder wirbt und bringt Gefährten,
Und so mehret sich der Bund.

Und in diesem Lustgewimmel
Taumelt nun mein Herz herum —
Das war wohl dein schönster Himmel,
Hellas! dein Elysium.

                  IX.

In meiner Launen Wildgehege
Schweift Sie umher in Amazonentracht;
Und hat viel Wege schon und Stege
Unholde froh, unsichre frei gemacht.

Durch Ihrer Arme weich Umfangen,
Durch Ihr Gekos' und sanftes Minnespiel
Ist äußre Rauheit mir vergangen,
Worin ich irrend mir so wohlgefiel.

Voll Blumen steht der kahle Hügel
Des Herzens, seit Ihr Liebeshauch ihn wärmt,
Dem Geiste wuchsen starke Flügel,
Auf denen er das weite All durchschwärmt.

So lieblich bin ich umgestaltet,
Daß ich mich selbst bestaun' in holder Scheu:
Der tolle Kopf wird streng verwaltet,
Das wellenweiche Herz hält fest und treu.

                  X.

Es ist ein muntres Tier,
Das flüchtig kommt und fleucht
Im dunklen Waldrevier,
Das ganz dem Liebchen gleicht.

Ich weiß ein Vögelein
Im grünen Auenreich,
Das singt so schön und fein,
Ganz meinem Liebchen gleich.

Oft glänzt am Firmament
Ein Stern im hellsten Schein,
Doch wer mein Liebchen kennt,
Sieht nur Ihr Äugelein.

Von Blumen schweig' ich ganz,
Da kann kein Zweifel sein,
Die gleichen stets an Glanz
Und Duft dem Liebchen mein.

Und sage nur zum Schluß:
Was je für schön ihr nahmt
War stets in Form und Guß
Dem Liebchen nachgeahmt.

                  XI.

Dort stürmt ein Haufe Demagogen
In toller Wut hinab das Land,
Die Brust bewehrt mit Pfeil und Bogen
Das blanke Mordbeil in der Hand.

Es geht ihr Fluch und grauses Toben
Die Herrn von "Gottes Gnaden" an:
Ich kann ihr wildes Tun nicht loben —
Bin stets der treue Untertan!

Nur darin etwas unterschieden,
Daß Du bist meine Königin,
Die mich in tiefsten Liebesfrieden,
Regiert nach eignem Herzenssinn.

*    *   *

Und wer mich macht zum Proselyten,
Dem geht es ebenso dabei:
Er mag da schelten, drohen, bitten,
Mir ist es gleich und einerlei:

Ich glaube an den Geist der Liebe,
Der mir aus Dir zu Herzen spricht;
Ich glaub' und hoff' auf ihn und übe
Mit Lust der Liebe süße Pflicht.

                  XII.

So innig in dich
Bin ich eingegangen,
So innig von dir
Wurde ich empfangen:
Zwo irre, lechzende Flammen
Vermochten's und glühten zusammen.

So inniglich weich
Ist dein Herzensbette,
So inniglich sanft,
Der es nahm zur Stätte:
Zwei Tropfen, die einsam schwammen,
Vermochten's und quollen zusammen.

Und weil du dein Herz
Mir dargibst zur Wohnung,
So sinne ich nach
Um gerechte Belohnung:
Umhüll' dich mit meinem Namen,
Dann sind wir als — Eins beisammen.

                  XIII.

Wie war denn das, Herzliebster, sag',
Eh ich dich recht erkannte
Und dich Herzliebster nannte,
Wurd' ich bei deinem Anblick zag?

Ich war verwirrt, verstimmt, zerstreut,
Ja ängstlich und beklommen
Sobald du angekommen,
Und heimlich war ich doch erfreut!

Dann, wenn du gingst, da war es so:
Es war, als sei mein Frieden
Zugleich mit dir geschieden,
Und heimlich war ich wieder froh.

Ich hoffte dich, ich wünschte dich,
Ich stand am Söller Spähe,
Doch merkt' ich deine Nähe,
So war ich blöd und ärgerlich.

Mir war dein Anschau'n bittre Last;
Doch war ich eifersüchtig,
Wenn du nur einmal flüchtig
Wo andershin gesehen hast.

Mit Einem Wort, es war recht arg:
Ich meinte dich zu hassen
Und mußte dich umfassen,
So sehr ich's mir und dir verbarg.

*    *   *

Das spielet nach zwei Seiten:
Es war der Herzen Streiten,
Und mein allmälig Siegen —
Des Deinen mit dem meinen,
Des meinen mit dem Deinen —
Wollt' Keines gern erliegen.

Ja Keines wollt' erliegen,
Und wollte Jedes siegen;
Es ist das Überwinden
Im Felde wie im Herzen,
Im Ernste wie beim Scherzen
Ein stolzes Lustempfinden! —

"Und ist dann Eins erlegen?"
Ja wohl, zu beider Segen!
Auf daß nach Kampfesnöten
Der halb erschöpfte Sieger
Und ganz erschöpfte Krieger
Versöhnt die Hand sich boten —

Die Hand zum ew'gen Bunde:
Daß Eins des Andern Wunde
Mit Liebebalsam heile;
Und bis zum letzten Tage
Geduldig Lust und Plage
Eins mit dem Andern teile.

                  XIV.

Sag', mein Lieb, was soll ich werden,
Soll ich streben nach der Höh',
Wo ich ohne Rangbeschwerden
Ganz allein und einzig steh'?

Soll ich zielen nach der Mitte,
Wo man Fest- und Fasttag hält,
Ob der Zweite oder Dritte,
Wenn uns nur die Not nicht quält?

Soll ich nach der Freiheit ringen
Adlern hoch in Lüften gleich;
Oder soll ich mich verdingen
Einem Herrn im Kaiserreich?

Sag, was willst Du, daß ich werde,
Denn ich werde, was du willst —
Traun! mein sei die halbe Erde,
Wenn Du ernstlich es befiehlst.

Denn mein Herz ist nur zu stillen
Durch dein vollstes Glück allein,
Alles, Alles deinetwillen
Oder — nicht dein Liebster sein!

Sprach die Liebste: Deinem Triebe
Folge und sei Mensch und Christ!
Ich will nichts als deine Liebe
Und dein Leben, wie es ist.

                  XV.

"Weß' ist denn der Tag im rosigen Schein,
Weß' die Nacht?" — Tag und Nacht sind mein!
Doch der Tag, der mein, die ambrosische Nacht
Sei Liebchen, Dir zum Präsent gemacht!

"Weß' ist denn der Kopf, der Gedanken Hain,
Weß' das Herz?" — Kopf und Herz sind mein!
Doch der Kopf, der mein, so der Wünsche Schacht
Sei Liebchen, Dir zum Präsent gebracht!

"Weß' ist denn dein Name so rühmlich und rein,
Weß' dein Gut?" — Gut und Ruf sind mein!
Doch das Gut, das mein, der erkämpfte Ruhm
Gehört Dir, Liebchen als Eigentum!

Aus Dir kam die Liebe, die Alles schuf,
Die Gedanken, das Gut und den schönen Ruf;
Darum Alles, was mein jetzt ist und wird sein,
O, trautes Liebchen, sei dein, sei dein!

                  XVI.

Sie blicket heraus, Sie blicket herab
Mit leuchtendem Blick auf die Straßen,
Bis ich sanft winke mit Augen und Stab
Der holden, jungfräulichen Blassen.
Mein Auge spricht, es winket der Stab:
"Komm' auf ein Wörtlein herab, herab!"

O, süßestes Wort, das ich dann flöße,
O Blick, o Druck, den ich blicke und drück',
O, meiner Wonnen unendliche Größe —
Gibt Alles versüßt und doppelt zurück!

                  XVII.

"Was tätest du wohl wenn du mich nicht hast?"
Ich weiß es nicht und mag's nicht ersinnen;
Doch sieh, was muß ohne Segel und Mast
Ein Schiff auf wüstem Meere beginnen!

Nun aber, wenn ich dir fehlte, wie dann?
"Ich weiß es nicht und mag's nicht erforschen:
Sieh dort am Felsen die Zeder an,
Einsam wie sie steht, so muß sie vermorschen!"

                  XVIII.

Horch, wie das Schwälblein schwärmt!
Sagt sie;
Fühl', wie die Sonne wärmt!
Sag' ich.
Die Schwälblein aus ihren Lippen,
Die singen ein Liebeswort,
Ruh'n auf eburnen Klippen —
Auf ihren Zähnen — dort.
Der Strahl aus dunklem Grunde
Ist — meiner Augen Strahl:
So letzen mit Aug' und Munde
Wir uns unzähl'ge Mal.

                  XIX.

"Komm' doch zu mir herauf!"
""Nein, Schatz, ich bleib' Parterre;
Komm' Du zu mir herab!""
"Die Hälfte Weg's, nicht mehr."

Dann eilt sie fliegend herab;
Ich fliege eiligst hinauf,
Und seht, dieser Flug und Trab
Ist all unser Lebenslauf!

                  XX.

"Wo bist Du denn am weichsten?"
Wo Du am härtesten bist:
Am Kopf!
"Wo bist Du denn am reichsten?"
Wo Du am ärmsten bist:
Im Herzen!
"Wo bist Du denn am zähsten?"
Wo Du am brechlichsten bist:
Im Treusein!
"Was tut Dir denn am wehsten?"
Was Dir ein Spaß nur ist:
Der Zank!
"Wann ist Dein Herz am vollsten?"
Wenn Dein's am leersten ist:
Bei Dir;
Denn immer treibst Du's am tollsten,
Wie selbst Dein Ausspruch ist —
Bei — mir!

So zanken wir; doch unser Streit
Nimmt stets dasselbe Ende:
Gäh schlägt es um in Zärtlichkeit,
Dann drücken sich zwei Hände.

                  XXI.

O, du junges, süßes Leben,
Holdes Maienröslein Du!
Bist zum Lieben mir gegeben,
Mein zur Unruh' und zur Ruh'.

Kann mich letzen, kann mich laben,
Kann mich freuen Nacht und Tag,
Kann auch meinen Jammer haben,
Wenn ich ihn nur haben mag.

Kann dein Bildnis küssen, herzen:
Schwelgen in Liebseligkeit;
Kann in Herzeleid und Schmerzen
Mich versenken jederzeit.

Kann Dich treu und zärtlich hegen,
Deines Lebens Wonne sein,
Kann Dir rauben Glück und Segen,
Stürzen Dich in Not und Pein.

Alles kann ich aus Dir schaffen,
Ganz gegeben bist Du mir;
Doch ich lege meine Waffen
Und mich selbst zu Füßen Dir!

Was dann Du mir zu Gefallen
Tun willst, gib Dir Liebe ein —
"Ach, Herzliebster, hold in Allen
Sanft und zärtlich will ich sein!"

Bist ja, o, du junges Leben,
Muntrer Frühlingsvogel Du!
Mir zur Liebe dargegeben —
Trotz der Unruh' meine Ruh'!

                  XXII.

Sieht Holde, Dich mein Aug nur an,
So wird mir froh und wohl zu Mute:
Das hast Du mir wohl angetan
Du Mienenholde, Herzensgute!

Du bist fürwahr so hold, so mild,
So süßerquickend ist Dein Lächeln,
Wie Nachts das traute Mondenbild,
Im Mai der Rosendüfte Fächeln!

Drum laß, o Mienenholde, mich
Dein reizend Antlitz stets genießen,
Und laß, o Herzensgute, Dich
Mein stetes Anschau'n nicht verdrießen!

                XXIII.

Am Tage war's nicht viel,
Da waren wir zu scheu
Zum trauten Minnespiel,
Zum Geben Treu um Treu.

Sprach Sie mich jählings an,
Gab's mit der Antwort Not:
Sah ich Sie schärfer an,
Ward gleich die Wange rot.

Doch wenn der Abend kam
Mit seiner Dämmerung,
Verging die blöde Scham
Und löste sich die Zung'.

Da tat sich auf das Herz,
Das lang verrammelte,
Und brach hervor der Scherz,
Der angesammelte:

O sieh, der Abendstern,
Ruft Sie, wie schön er glänzt!
Und sag', hast Du mich gern?
"O, Herzchen, unbegrenzt!"

Er heißt auch Liebesstern —
Scherz' ich — und Hesperus —
Hast Du wohl auch mich gern?
Die Antwort ist — ein Kuß!

Steigt dann der Mond empor,
Geschieht ein Sternenfall,
Erstrahlt ein Meteor,
Schlägt eine Nachtigall —

Wir nehmen Alles an,
Wir deuten Alles so,
Als sei's für uns getan,
Fragt Keines — wie noch wo?

Ruft keines hu! noch ha!
Wir wissen doch darum:
Gott gab der Liebe ja
Die Welt als Eigentum!

                  XXIV.

Und weißt Du wieviel Geister sind
In eines jeden Menschen Leib?
Du glaubst nur Einer, holdes Kind!
Der Liebegeist, dein Zeitvertreib.

O glaube das, ob's falsch auch sei,
Und hab' des Glaubens fleißig acht!
Nur wisse auch: ich fühle zwei,
Doch ist erst Einer aufgewacht.

Und Beide können — das ist schlimm!
Nie friedlich bei einander sein:
Sie hassen sich wie Lieb' und Grimm
Und dringen wütend auf sich ein.

Und Einer muß zu Grunde geh'n,
Muß, muß, da ist bei Gott Pardon! —
Da fiel Sie mir mit bangem Fleh'n
Ans Herz und rief: "O schweig' davon!

O schweig' davon, erweck' ihn nicht,
Mir graut, dein Reden ruft ihn wach!"
Herzliebste, nein, solch' Reden nicht,
Sein Auferweckungsruf heißt: — Ach.

Das fluch- und racheschwang're — Ach!
Doch dieses, noch so leis und schwach,
Durchzittert hell sein Schlafgemach
Und rüttelt schnell den Schläfer wach.

Drauf, augenblicklich riesengroß,
Erhebt er sich mit Zorngestrampf,
Ergreift und spannet sein Geschoß
Und rüstet sich zum Todeskampf.

Dann wird des Herzens Blumenland
Ein blutgetränktes Leichenfeld,
Gestürzet wird, was heilig stand,
Was niederlag, wird aufgestellt —

Die zwei — hier hätt' ich sie genannt
Zu meines Liedes Sinn und Schluß,
Da ward mir gäh das Wort verbrannt
Mit einem heißen Bittekuß.

Traumlieben

Ich harre Dein,
Mein trautes Lieb,
Im Myrtenhain
So bang und trüb.

Ich harre Dein
So trüb und bang
Im Myrtenhain
Schon tagelang.

Wohl saust der Wind,
Der Regen fällt,
Die Wege sind
Gar schlecht bestellt.

Und Dein Gesicht
Ach, ist so fein:
Pur Rosenlicht
Und Lilgenschein!

Wie Zephirkuß,
So zärtlich weich,
Berührt Dein Fuß
Das Blumenreich —

Doch Liebste, sieh!
Ein liebevoll
Gemüt scheut nie
Des Himmels Groll.

Geht wohlgemut
Und hochbeseelt
Trotz Wetterswut
Durch alle Welt —

*    *   *

Ich war versunken in tiefen Traum,
Da naht es leise wie Blatt und Flaum,
Als Flaum und Blatt
Noch leiser trat
Mein Liebchen zu mir im Raum.
Sie haucht mich wach mit zärtlichem Kuß,
Sie singt mich wach mit lieblichstem Gruß,
Ihr Hauch und Sang
Übt süßen Zwang:
Macht Kummer zu Hochgenuß!

Sie spricht ein inniges, warmes Wort,
Das scheucht mir Zweifel und Sorge fort,
Für Sorg' und Wahn
Läßt Sie empfah'n
Mein Herz den Glaubenshort.

Drauf schlägt Sie an's Herz ein gülden Schloß,
Und stellt zwei Wächter hin riesengroß,
Das Schloß, die zwei
Bewachen treu
Den Schatz im tiefen Geschoß. —

Doch, wer sie sind die mächtigen Zwei
Und was das Schloß, das güld'ne sei?
Das zeigt kein Licht,
Das hört sich nicht —
Ist mit dem Traume vorbei.

Maiwandel

             I.

Geh', Liebste, geh',
's Ist nicht verfrüht,
Sieh, Alles blüht —
Die Kirsch und Schleh',
Der Mohn und Klee,
Und Duft versprüht
Die Kress' am See!
Spazier'
Mit mir
Zu Tal und Höh',
Zu Höh' und Tal,
Weil Alles glüht
Im Farbenstrahl,
Weil nichts mehr fahl
Und lebensmüd! —
Du blühst ja auch
Nach Frühlingsbrauch:
Bist rot und blau
Wie Feld und Au;
Strahlst weiß und golden
Wie Blumendolden!

Das Vöglein singt
Im Hag so sehr,
Der Falter schwingt
Sich nebenher;
Das Käferlein,
Die Biene auch
Umsummt im Hain
Den Blütenstrauch;
Die Winde weh'n
So mild und lau,
Die Blumen steh'n
Im Morgentau —
Horch — flöten und geigen
Zum Wesenreigen!

Drum, Liebste, geh'
Nicht säum', nicht säum',
Mich drängt es sehr
Zu Tal und Höh',
Ich kann daheim
Nicht weilen mehr!

                  II.

Und wie wir durch die Felder gingen,
Da war um uns ein Lieberingen,
Dazu ein Singen und ein Klingen,
Dabei ein Klettern und ein Springen,
Ein Senken, Schwenken, Wirbeln, Schwingen,
Ach, ein unendliches!

Und wie wir durch die Auen zogen,
Da war um uns ein Blumenwogen,
Und über uns ein Blütenbogen,
Da ward gerastet und geflogen,
Geliebkos't ward da und gesogen
Ach, so unendlich süß! —

             (Arie I.)

Laß dich lieben, o Holde!
Und liebe mich auch,
Es ist ja im Maien
So Weltenbrauch.

Laß dich küssen, o Traute!
Und küsse auch mich,
Liebkoset ja Alles
Im Maien sich.

Laß dich umarmen, o Herz!
Und umarme mich fest,
Weil ja Keines vom Andern
Im Maien läßt.

Lasset uns lieben, lieben,
Ja lieben mit Kraft,
Weil der milde Gebieter,
Der Mai es schafft! —

Und wie wir dann den Wald betraten,
Da gab's in seinem braunen Schatten
Nur Freier rings und sel'ge Gatten;
Und Jeglich ging so gut von statten:
Die Väter fanden Kinderpaten,
Die Mütter weiches Moos und Matten,
Und all die Waldgeschöpfe taten
Ach, so unendlich lieb! —

Und wie wir bald am See ankamen,
Da war ein Blitzen und ein Flammen,
Süß liebgepaart und eng beisammen,
Um Angel unbesorgt und Hamen,
Die tausend Fisch' und Fischlein schwammen,
Es spielten ihre Liebesdramen
Die Bräute hold mit Bräutigamen —
Ach, so unendlich schön! —

       (Arie II.)

Dir in den Armen,
Du mir am Herzen,
Dem liebenden, warmen,
Wo gäb' es da Schmerzen!
Die Seelen sind Bronnen,
Nur muß da für Wellen
Ein Meer von Wonnen
Den Tiefen entquellen.

O Leben, o Lieben,
O Lieben, o Leben,
Wer soll dich nicht üben
Gott dankergeben!

Und wie wir spät die Stadt beschritten,
Da gab es lauter steife Sitten,
Da ward gestreichelt und gestritten,
Da ward gefahren und geritten,
Da ward geschwelgt und notgelitten,
Der Frühling rings und das inmitten —
Ach, wie unendlich schal!

All-Liebe

O, Alles nah und fern
Hab' ich so lieb und gern,
Seit sich ins Herz begeben
Der Liebe Wunderleben!

Das Vöglein, das den Lenz besinget,
Was froh im Feld und Walde springet:
Was in der Flut, im Staube schaltet,
In Tropenglut, im Polfrost waltet,
    O, Alles nah und fern
    Hab' ich so lieb und gern!

Das Gras, der Erde grünen Teppich,
Den stolzen Baum umrankt von Eppich,
Der Blumen Königin, die Rose,
Das Ährenfeld, die duft'gen Moose —
    O, Alles nah und fern
    Hab' ich so lieb und gern!

Den Kieselstein, den Wellen küssen,
Den hohen Fels, den Wolken grüssen,
Die Erze tief im Bergesdunkel,
Den wunderbaren Lichtkarfunkel,
    O, Alles nah und fern
    Hab' ich so lieb und gern!

Die weite Welt in festem Baue,
Das sie umspannt, das Zelt das blaue,
Das Feuer in dem leichten Schwunge,
Das Wasser mit der Plauderzunge —
    O, Alles nah und fern
    Hab' ich so lieb und gern!

Doch Eins lieb' ich vor Allen innig,
Das ist mein Liebchen hold und minnig,
Das mir das süße Wunderleben
Der Liebe hat ins Herz gegeben —
Das hab' ich nah und fern
Gar über Alles gern!

Omen

Seit ich mich gab der Liebsten hin,
Gehört Ihr auch mein Streben,
Ich muß im Kreise um Sie ziehn,
Ein Mondgang ist mein Leben.

Ich sende meinen Blick ins All,
Ich send' ihn aus auf Erden,
Ob ich auf meinem Gang einmal
Doch könnte irre werden?

O nein, o nein, ich werd' es nicht,
Durch Liebesblicke, Liebeshulden
Verwandelt Sie mein Recht in Pflicht,
Mein Tun in süßes Dulden.

Und weil es ist, so sei es dann,
Ein Narre, der da grübelt,
Ein Narre auch der weise Mann,
Der mir mein Tun verübelt!

Doch hei, mein Lieb, was war es just —
Scholl's nicht wie höhnisch Lachen;
Was gab den Stich durch meine Brust,
Den schmerzhaft siebenfachen?!