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Urlaub und Fremde
 

Beim Scheiden In der Fremde Heimkunft

Beim Scheiden

Da steh' ich — und soll fort! —
Gebannt steh' ich, gehemmt,
Wie oft das gute Wort
Bei stillem Zorn sich stemmt.

Geh' fort, mein Fuß, ach geh',
Zu End' ist Tanz und Spiel,
Geh' fort trotz Angst und Weh,
Hier ist nicht unser Ziel!

Ach unser Ziel, das steckt
So fern von da, so fern,
Von Nebeln überdeckt
Ein zweifelhafter Stern!

Doch läg' es noch so fern
In düst'rem Nebelschein,
Und blieb' ich noch so gern,
Es muß errungen sein!

Sei stark, du meine Hand
Und schwer, wie schweres Blei,
Der Liebe Zauberband,
Das reiße jetzt entzwei!

Sei stark auch du, mein Herz,
Und hart, wie harter Stahl,
Besteh' den eignen Schmerz
Zu lindern fremde Qual!

Und nun mit Gott, rasch fort,
Die Welt hinauf, hinab —
Getauscht nur für den Hort
Soll sein mein Wanderstab.

Ein Rößlein im Galopp —
Das soll dein Zeichen sein! —
In sausendem Galopp
Sprengt dann zum Tor herein

Geritten im Galopp,
Ein Reiter schmuck und fein,
Der ruft: Herzliebste, topp,
Nun bin ich da und — Dein!

*    *   *

Ach, könnt' ich nur indessen
In Deiner Seele Grund
Bis zu der großen Stund
Mein Angedenken pressen!

Ich zöge leichten Sinnes
Dahin landaus, landein,
Ob Sturm, ob Sonnenschein!
Ganz sicher des Gewinnes.

Und was ich hätt' errungen
An Gut und Ruhm und Zier,
Das brächt' ich Alles Dir,
Dem Herzen unbezwungen!

Und nun, so sei's geschieden,
Du liebes Herz, ade!
Gib mir das ganze Weh,
Dir bleibe Himmelsfrieden!

In der Fremde

                     I.

Schlägt im Busen, im weltenweiten
Ach, ein Herz voll Verlangen,
Möchte meine Arme ausbreiten
Eine Welt zu umfangen —

Meine Welt in mailicher Pracht,
Wo schwere, duftige Rosen,
Hold von Liebesgeistern bewacht,
Mit keuschen Lilien kosen —

Wo zwei Sterne, zwei silberhelle
Mich so huldig beschauen;
Wo aus rosiger Wunderquelle
Liebe rauscht und Vertrauen —

Du mein mailiches Eigentum,
Mein junges Liebchen, mein Leben!
Könnt' ich atmen um Dich herum,
Was wollt' lassen und geben!

Nur so lang, wie im Odemzuge
Möcht' ich seh'n Dich und fragen
Nur drei winzige Wort' im Fluge;
Nur drei Worte Dir sagen!

Himmel! diese einzige Gunst,
Dies eine Glück mir gewähre,
Daß der Sehnsucht lodernde Brunst
Mein armes Herz nicht verzehre.

                     II.

Geh' ich oft betrübt und bang,
Weil ich nicht beim Liebchen bin,
Meilenweit am Fluß entlang,
Ist die Rückkehr mein Gewinn.

Bin gebunden, bin gehalten,
Da und dort, wo ich nicht heim,
Wo ich unter Truggestalten
Schwer den Traum des Lebens träum'.

Drum ist stockend stets mein Gang,
Ähnlich meinem Lebensglück,
Und in Sätzen kurz und lang
Wandle ich zur Stadt zurück.

Dann noch einmal vor den Toren
Seufze ich zum Himmel auf:
"Wieder, ach, ein Tag verloren
Aus dem Liebelebenslauf!"

                     III.

Von der Eiche schaurigem Wipfel
Hörst du Seufzer weh'n,
Auf des Berges schimmerndem Gipfel
Siehst du oft mich steh'n

Siehst mich, bis die Augen vergehen,
Schau'n ins Abendrot,
Bis sie beide im Wasser stehen
Tief vor Liebesnot;

Horchen, wie die Vögel sich letzen
Unten in dem Hain,
Bis sie mich in Wirbel versetzen
Zwischen Sein und Schein.

Sind mir dann die Augen vergangen,
Flirrt es wunderbar:
Bald wie Liebchens rosige Wangen,
Bald wie goldnes Haar.

Gar Ihr süßes, liebliches Flüstern
Klingt mir an das Ohr,
Aus den dunklen Föhren und Rüstern,
Aus dem Busch hervor.

Liebchen, Liebchen! hörst du mich jammern
Dann mit dumpfem Schrei,
Siehst den Baum gewaltig umklammern
Mich in Schwärmerei.

Bis das Aug' die Träne gesogen,
Bis der Waldchor schweigt,
Bis empor aus des Wahnes Wogen
Das Bewußtsein steigt.

                  IV.

Mein jäher Wunsch oft ist,
Da Du mir ferne bist,
Zu wissen, was Du just
Zur Stunde denkst und tust?

Ob Du in Träumen liegst
Und Dich in Wonnen wiegst,
Daß ich mit Herz und Sinn
So ganz Dein Liebster bin?

Ob Dir nicht öfter leid,
Daß ich kein Ehrenkleid
Anhab', kein Gräflein bin,
Nur "Minnehold" schlechthin?

Daß ich nicht höher schoß,
Kein Land hab' und kein Schloß;
Daß mich nicht Schönheit schmückt,
Die jedes Aug' entzückt?

Ob Dir nicht jezumal
Ein warmer Augenstrahl
Gen einen Andern fährt,
Der stille Minne nährt?

Ob Dir kein mild'res Wort
Entlockt manch' mildes Wort:
Ob doch mit steter Treu
Dein Herz mein eigen sei?

Das wüßt' ich oft so gern,
Weil ich einsam und fern
Voll Sehnsucht und voll Weh
Im weiten Land umgeh'.

                  V.

Doch wie ich so voll Weh
Im weiten Land umgeh',
Wird mir das Sprüchlein wach,
Das einst die Liebste sprach.

Sie sprach: — es war schon Nacht
Und Mond und Stern voll Pracht
Sah nieder auf das Land;
Sie griff um meine Hand

Und sprach: — So lang der Mond
Die heil'ge Nacht besonnt
Und ihn mein Auge schaut,
Bleib' ich Dir zugetraut!

Und Du? — mich fröstelte,
Mein Leib erzitterte
Im Klang der Lust — und Du,
Was schwörest Du dazu?

Wenn längst des Mondes Schein
Verlosch, bin ich noch Dein,
Dein, wenn die Sterne lang
Die alte Nacht verschlang!

Sprach ich. — Da war's mit Eins
Um mich voll hellen Schein's
Und was ich hört' und sah,
Das kommt dem Wunder nah:

Der stille Mond, der sprang,
Die taube Erde sang,
Das rege Herz, das stand,
Der kluge Kopf empfand.

Drauf war der hohe Akt:
Des Zeitstroms Katarakt
Stand still und glutdurchhaucht,
Darein nun ward getaucht —

So wie man stählet Erz —
Mein und der Liebsten Herz,
Dann schnell von mag'scher Hand
Gezogen aus dem Brand!

Da schlug in höh'rer Lust
Ein jedes in der Brust,
Und eins für's andre schlägt,
Wo auch die Brust es trägt.

                     VI.

O, daß die Schrift erfunden,
Und daß es Post und Boten gibt!
Sonst stürb' an Sehnsuchtswunden
Manch' armes Herz, das ferne liebt.

Ich wäre selbst verschieden,
Gewiß des Kummers Beute schon,
Denn aller Trost und Frieden
Ist längst in Seufzern mir entflohn.

Doch fehlte Schrift und Bote,
Ich zöge dann von Liebchens Ort
Um's Gold im Morgenrote
Nicht über Steinwurfweite fort!

So aber kann ich schreiben,
Wie mir um's treue Herze sei,
Und fleh'n, Sie möge bleiben
Dem treuen Herze hold und treu.

Kann sagen Ihr und fragen,
Was in der weiten Welt geschieht,
Und was sich zugetragen
Bei Ihr, seit Sie mich nimmer sieht?

Kann schreiben und Sie necken
Als hätt' ich dies gehört und das,
Kann schreiben und Sie schrecken,
Als gäb' es mit mir selber was.

Mein ganzes Herz ausgießen,
Gar weinen kann ich ins Papier,
Ein Löckchen Haar beischließen,
Das mehret keine Postgebühr.

Das Alles kann ich treiben
Und schreiben; treib' und schreib' es auch:
Das Liebesbriefchenschreiben
Ist doch ein schöner alter Brauch!

                     VII.

Im Posthof weile ich am Schalter,
Wo man die Briefe gibt hinein,
Wie an der Blume weilt der Falter —
Mein Brief darf nicht der erste sein!

Sieh, ein Hebräer kommt und wälzet
Hinab sein mächtiges Packet;
Dann kommt ein Dandy angestelzet
Mit einem zierlichen Billet.

Commis', Lakaien, Mägde, Buben,
Leicht aufgeschürzt, wie sie zu Haus
In ihren Buden geh'n und Stuben,
Die packen hier ihr Krämchen aus.

Und husch! wirft Eines nach dem Andern
Sein Briefchen in die Kastengruft —
Ein Weilchen Ruh', dann heißt es wandern,
Die Peitsche knallt, das Posthorn ruft —

Nach Ost und West, nach beiden Polen,
Dahin nach allen Radien,
Müßt Kunde bringen, Kunde holen
Aus allen Lebensstadien!

Jetzt schwankt daher mit Gramgebärde
Ein Jüngling — sieh, ein Sämann streut
Sein Körnlein zagend in die Erde,
Fast hat die Aussaat ihn gereut!

Der Brief — wem der wohl zugehöret?
Doch sieh! ein herzig Mägdlein naht,
Ei, ei, das hat die Lieb' betöret,
Wie rot es ward, wie scheu es tat!

Die Lieb' betört! — mit Blitzesschnelle
Dann fliegt mein Briefchen auch hinein,
Daß es sich engstens beigeselle
Die Liebespein der — Liebespein!

                     VIII.

Wenn dann mein Herz in Sehnsuchtsgluten
Sich hat versenget und verbrannt,
Da kommt auf einmal von der Guten
Ein zartes Brieflein eingesandt —
     Ein Brief! ein Brief!
     Ertönet jede Leibesfiber,
     Des Lebens Elemente klingen,
     Die Pulse hüpfen froh und singen:
     Ein Brief! ein Brief!
     Ein ganzer Himmel zieht vorüber.
     Gepresset an den Mund,
     Gedrücket an die Brust,
     Ist mir schon magisch kund
     Des Briefes inn're Lust. —

Und erst, wenn schon verrauschet
Der Sturm, erbrech' ich das Sigill
Und stelle mich schön unbelauschet,
Und lese tiefgeheim und still.

Auf daß in Keines Ohren dränge
Des süßen Liebeshauches Weh'n;
Damit es Niemand's Aug' gelänge
In meinen Bildersaal zu seh'n.

Ein güld'nes Kästchen wenn ich hätte
Besetzt mit Steinen auf und um,
Das müßte sein die Liegerstätte
Für Liebchens Evangelium.

                 IX.

Ein Bild, so weich und licht
Wie purer Sonnenstrahl,
Kommt vor mein Angesicht
Des Tag's vielhundertmal.

Jetzt kommt es aufgetaucht
Als Aug', mildblau und schön;
Dann rosig hingehaucht
Auf sanfte Wangenhöh'n.

Drauf kommt es golden gar
In leichtem Wellenschwung,
Und spinnt vom Haupt als Haar
Sich in die Niederung.

Dann bricht korallenrot
Es wie ein Blümchen auf,
Das nie den Kuß entbot,
Wo keiner ruht noch drauf —

Doch hei, was sag' ich — nein!
Es ist nicht so, nein, nein!
Einmal beim Mondenschein
Tat ich's und — hieß Sie mein!

*    *   *

Und seit ich's tat und mein Sie hieß,
Trieb mich aus Dorf und Stadt
Zu Bergen grün und Ebenen
Die süße Freveltat.

Und seit ich's tat und hieß Sie mein,
Geh' ich der Ruhe bar
Am Bergen grün und Ebenen
Ein herzzerstückter Narr.

Ich küßte Sie und hieß Sie mein,
Sie Allerschönst' im Land!
Triumph, ihr Berg' und Ebenen,
Daß ich mich unterstand! —

*    *   *

Des Tags vielhundertmal
Schwebt vor mein Angesicht,
Wie purer Sonnenstrahl
Ein Bild so weich und licht.

Ihr blauen Äuglein, ihr,
Was wollt ihr denn, sagt an?
Ein Weilchen schau'n an dir,
Du herzenslieber Mann!

Ihr roten Wänglein, ihr,
Was wollt ihr denn, sagt an?
Ein Weilchen glüh'n an dir,
Du jugendwarmer Mann!

Und du, mein Blümchen, du,
Was willst doch du bei mir?
Mein Duft bringt dir die Ruh',
Die du verloren hier!

                     X.

Ach, ist's denn nicht genug,
Daß ich mit Liebesschmerzen
Und stillen Eifers Sorgen
Dich trage tief verborgen
Mit mir herum im Herzen —
Ist es denn nicht genug?

Und sieh, mein teures Lieb!
Du kommst mir allerwegen
In Deiner Anmut Prangen
Bald sinnend ernst gegangen,
Bald tanzend froh entgegen —
Warum denn teures Lieb?

Ich weiß ja wo Du bist
Und kann, wenn meine Wunden
Im Schmerz der Sehnsucht bluten,
Hineilen zu Dir Guten
In etlich Tag' und Stunden —
Ich weiß ja wo Du bist!

Heimkunft

                     I.
             An mein Herz

Sieh doch, mein Herz, wie sonderbar
Du bist, als ich noch ferne war,
Da triebst du ohne Rast und Ruh',
Kaum bin ich da, so schweigest du.

Ich wandle Säle ein und aus,
Besuche Hof und Gartenhaus,
Die Laube, sonst so lieb und traut —
So brause doch, Herz, schlage laut!

Jüngst hieß es, daß Sie fragt nach mir,
Da sprangst du aus dem Busen schier;
Nun bin ich da und du vergißt
Zu fragen, wo Herzliebchen ist!

Der Rappe stand in Schaum und Schweiß,
So jagt' ich ihn auf dein Geheiß;
Und nun du bist am Gnadenort,
Ist all dein heißes Sehnen fort.

*    *   *

Sieh, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt;
Selbst noch im weiten, weiten Meer
Kämpft rastlos fort das Wellenheer!


                     II.
        Des Herzens Antwort

Mir ist es ja schon Hochgenuß,
Wenn ich nur bin, wo Liebchens Fuß
Die Gräser sanft und Blümlein bog,
Wo Es geblickt und Odem sog.

Ach, Berge, Bäume, Busch und Strauch,
Ach, Blumen, Gräser, Kohl und Lauch,
Seid mir willkommen, seid gegrüßt
An mich gedrückt und heißgeküßt!

Mein Liebchen hing die lange Zeit
An euch mit Lieb' und Zärtlichkeit,
Seid gut, und gebt ein kleinstes Stück
Mir eures großen Glück's zurück!

"Zurück, zurück!" scholl's fern und nah,
Und Berg' und Bäume nickten: Ja!
Es nickte Blümlein, Lauch und Kohl,
Das tat dem Herze herzlich wohl! —

*    *   *

Ei, Quell und Bächlein drängt und eilt
Und Fluß und Strom geht unverweilt —
Dem Meere zu, dem Meere zu,
Darein versenkt — ist Ruh', ist Ruh'!


Der ems'ge Schlängelgang ist aus,
Man sieht sich um im großen Haus,
Das kleine Würmlein wird zum Wurm
Und kennt hinfort nur mehr den Sturm:
Da freilich ist es fürchterlich,
Bäumt zischend auf gen Himmel sich,
Sonst wiegt und wogt es nur in Lust
Und drückt den Himmel an die Brust.