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Motto:
 

Wie sich's traf und wie sich's trifft,
Verschied'nes kannst du finden.
Heut' schrieb ich es mit Bleienstift,
Und morgen dann mit Tinten.
 

Lyrisch-Didaktisches 1
 

Servilius
Sechs Frühlinge
Waldblümlein
Menschensinn
Das Wunderlied
An das Geld
Die Temperamente
Geckenlied
Letzter Wille
Simplizitäten für simple Dichter
Gleichgewicht
Klarer Nachthimmel
Unbestand
Samson

 

Servilius

Vorlied

Wie soll ich Euch mein Liedchen singen?
So frug ein artig Gimpelein
Die Leute, die vorübergingen
An seinem Baum im Buchenhain.

"Mir sollst du brüllen, wie die Stiere,
Wenn sie gemut sind auf dem Feld;
Mir wie die lieben andern Tiere,
Die ausgeprägt sind auf dem Geld."

"Mir magst du meckern, wie ein Böcklein;
Mir sollst du gackern, wie ein Huhn;
Mir mußt du schellen, wie ein Glöcklein,
Mir juhen, so wie Uhu juh'n."

"Mlr sollst du wie der Donner rollen;
Mir girren fein nach Taubenart;
Mir wiehern gleich dem Hengst, dem tollen;
Mir schnarren, wie der Blasbalg schnarrt."

"Mir sollst du grunzen wie ein Ferkel,
Wenn es sich wälzt im lauen Sumpf;
Ich lehre dich nach meinem Merkel,
Denn dein Geflöt' ist mir zu dumpf."

So riefen sie; und als natürlich
Der arme Gimpel es nicht kann,
So find' ich es nicht ungebührlich,
Daß Unart er für Art gewann.

Der Fink, die Amsel, Lerch' und Meise
Lautiert' derweile sorglos fort,
Ein jedes so nach seiner Weise,
Wie ich es mache hier und dort.

Und als es kund ward nach den Tagen
Den Buchenhainern, sprachen sie:
So konnte nur ein Gimpel fragen,
Ein andrer Vogel tut das nie.

Sechs Frühlinge

1. Osterlied
1835

Wenn die roten Ostern kamen
Und der Heiland auferstand,
Weckt er auch aus ihrem Schlafe
Mutter Erd' mit leiser Hand.

Weckt sie, grüßt sie und liebkost sie,
Bis ihr Stirn und Wange rot,
Und in's Ohr flößt er die Worte:
Vor mir fliehen Nacht und Tod!

Und die Augen halbgeöffnet
Seh'n bewährt das holde Wort:
Alles lebt in lichtem Glanze,
Finsternis und Tod ist fort.

Denn der Geist, der bei uns Kindern
Heiland heißt und Osterlamm,
Ist der Erde vielgeliebter
Lenz und ew'ger Bräutigam.

2. Frühlingsahnung
An meine Herzensfreunde Hartknoch und Psundsohl
1839

Wohl überhüllt noch Schnee und Eis
So Tal als Höhe wüst und weiß,
Noch wird vom Wind, der frostig streift,
Der Baum kandiert, das Haar bereift;
Noch regt sich nichts im starren Grund,
Noch jubelt nichts durch's Himmelsrund,
Und doch — ei, wer verriet es mir?
Wett' ich, der Lenz steht vor der Tür.

Ihr meint, weil's im Kalender steht,
Weil schon Herr Flink im Fracke geht
Und Mosje Flott den Pelz versetzt,
Sein Schnäblein schon der Gimpel wetzt;
Weil's schon im Stall und Hörsaal lärmt
Und euer Keller sich erwärmt?
Nicht doch, wohl sind das Zeichen, ja!
Doch solche sind für euch nur da.

Ich brauchte weder Aug' noch Ohr,
Ich weiß es dennoch lang zuvor,
Ja taub und blind und im Verließ,
Bekam' ich doch die Post gewiß:
Wenn jach im dumpfen Brustgebiet
Die Hoffnung grünt, die Liebe blüht,
Des Glaubens Anker tief und fest
Sich in die Menschheit senken läßt;
Wenn aller Furcht mein Herz vergißt,
Dann weiß ich, daß es Frühling ist.

3. Frühling
1840

Frühling wird es, Frühling ist es!
Also ruft es, also grüßt es
Ohne Maß und ohne Ruh
Mir aus Erd' und Himmel zu.

Himmel singt mit Vogelpsalmen,
Erde schreibt mit grünen Halmen,
Daß es wisse Aug' und Ohr,
Mir die holde Botschaft vor.

Und mir klingt die liebe Kunde,
Wie der Ruf vom Muttermunde
Einst dem kranken Kinde klang,
Als ich noch am Busen rang.

Und mir kling! das frohe Lauten
Wie der auserwählten Trauten
Ruf dem Jünglinge einst klang,
Als sein Herz in Liebe rang.

Und mir klingt das süße Mahnen,
Wie der Ruf von stolzen Ahnen
Jetzt dem Mann entgegen klingt,
Weil sein Herz nach Taten ringt.

Frühling wird es, Frühling ist es!
Also ruft es, also grüßt es
Ohne Rückhalt, ohne Ruh
Mir aus Erd' und Himmel zu.

4. Frühlings Aufgebot
1849

Und es erging das Aufgebot
An Blümlein blau und gelb und rot:
Sie sollten blüh'n mit voller Macht,
Zu mehren all' des Frühlings Pracht.

Und es erging der Tagsbefehl
An Waldesbach und Wiesenquell,
Daß sie errauschten kühl und still,
Wenn Lenz sich etwa baden will.

Und es erscholl die Ordre laut
An Waldgehölz und Haidekraut,
Daß all' erschein' in grüner Tracht
Und anerkenn' des Frühlings Macht.

Und horch, was so gebietend ruft:
Sei blau und lau, du Himmelsluft!
Gewitter, sei nicht allzu toll,
Der Frühling ist empfindungsvoll!

Und strenger noch, als allerwärts,
Ergeht ein Wort an's Menschenherz:
Du Herz, entbrenne licht und klar,
Ein liebgeweihter Hochaltar!

5. Frühlingslied
Im Belagerungszusatand zu singen.
1850

Frühling ist's, nicht fern der Maien,
Alles kündet schon sein Nah'n,
Und in den Reichen allen dreien
Rüstet sich's ihn zu empfah'n.

Bäume putzen ihre Schäfte,
Üppig wallt das Blätterhaar,
Gräslein grün im Lanzenhefte
Stellt sich in Parade dar.
Röslein rot will auch durchbrechen
Ihres Kerkers harte Wand
Und mit scharfem Dorne stechen
Nach des Häschers kecker Hand —
Röslein, Röslein, sei behutsam,
Waffen tragen ist verboten!

Lerch', die holde "Sangrakete",
Schleudert froh sich in die Luft,
Schnäblein wetzend um die Wette
Schlägt der Fink, der Kuckuck ruft;
Und das wilde Ziegenböcklein,
Sieh, wie es sein Hörnchen schleift,
Und die tausend Blumenglöcklein,
Ach, wenn die der Sturm ergreift —
Frühlingskinder, seid behutsam,
Euer Tun ist streng verboten!

Gar der Berg, der alte Starrkopf,
Setzt die grüne Mütze auf
Und statt hinten einen Haarzopf
Vorn die Trikolore* d'rauf;
Und des Menschen Herz im Busen
Wird ein Tempel weit und hoch
Für die Grazien und Musen
Und für Eine Gottheit noch —
Doch mein Herz, sei auch behutsam,
Solche Lieder sind verboten!

*Viola tricolor

6. Mai
1851

Die Nachtigall schlägt,
Es blühen die Bäume,
Doch ach, es ist kein Mai!
Die Nachtigall frägt,
Der Baum frägt die Räume:
Wo ist doch der Mai?

Das Gras ersprießt,
Es sprießen die Saaten —
Doch ach, es ist kein Mai!
Wo ist doch, wo ist,
Fragen Saaten und Matten,
Wo ist doch der Mai?

Es laichet der Fisch,
Es spielet die Herde,
Doch ach, es ist kein Mai!
So frostig und frisch,
So rauh von Gebärde,
Das ist — kein Mai.

Das ist die Luft
Voll Tränen und Flüche,
Voll Rachegeschrei,
Die den Sturm beruft
Und die Wolkenbrüche,
Nur — keinen Mai! —

Waldblümlein

Blüht ein Blümlein rosenrot
Einsam hin im tiefen Wald,
Naht der Winter, naht der Tod,
Wenn nicht heut', doch bald, bald!

Unberochen, unbeschaut
Stand es ohne Leid und Lust,
Jetzt drückt es der Tod als Braut
An die kalte Knochenbrust.

Wißt ihr, wem das Blümlein gleicht?
Wer mich fragen mag, erfährt's —
Ist auch zu erraten leicht —
Einem armen Nonnenherz!

Menschensinn

Heute hin, morgen her,
Heute her, morgen hin,
Beständig nimmermehr
Ist der Menschen Sinn.

Heut' erhebt ihre Gunst
Dich zu Himmels - Höh'n,
Morgen vergeht der Dunst
Und du kannst mitvergeh'n.

Heute tönt — Sei gegrüßt!
Entgegen dir und nach,
Noch eh's morgen ist,
Verleugnet dich, der es sprach.

Heute setzt man dir
Den grünen Kranz auf's Haupt;
Morgen wird dir dafür
Dein Bißchen Kopf geraubt.

Heut' erobern sie
Mit Liebesgewalt dein Herz
Und senden dir's morgen früh
Heim voll Wunden und Schmerz.

Festern Fuß, mehr Bestand
Hat das Wellengerinn
Und der rollende Sand,
Als der Menschensinn.

Das Wunderlied

Ich kenn' ein altes Wunderlied,
Das geht so schön zu singen!
Und der es recht zu singen weiß,
Kann Stein und Bein bezwingen.

Dies Lied mit rechtem Ton und Takt
Eröffnet Schloß und Riegel;
Die Fessel schmilzt vor seinem Klang
Gleich wachsgegoßnem Siegel.

Gar trefflich wirkt es, wer es singt
Des Nachts mit süßen Tönen
Hinauf zum kalten Marmelherz
Der heißgeliebten Schönen.

Ergrimmte Drachen werden mild,
Tyrannenaugen träufen,
Wenn Einer nur das Wunderlied
Recht singen kann und pfeifen.

Das Lied gebietet Sturm und Wind,
Entlockt das Gold den Bergen,
Und ruft sogar um Mitternacht
Die Toten aus den Särgen. —

Gern sing' ich euch das Wunderlied,
Doch tät' ich es, ihr lachtet,
So einfach ist's, so kindesleicht,
Wie ihr wohl nimmer dachtet!

Auch ist mir just die Kehle rauh
Und spür' ein Backenkneifen,
Sonst könnt' ich euch doch einiges
Vorsingen oder — pfeifen.

Doch wartet nur, heut' trink' ich Tee,
Um rein den Hals zu fegen,
Und morgen laß' ich in den Zahn
Ein Knöllchen — Gold einlegen.

An das Geld

Du liebe, runde Ware,
Bist gar so fein und rund!
So wonniglich und munter
Geht dir das Wort vom Mund.

Kein Weiser spricht so deutlich,
Kein Sänger singt so schön,
Die Instrumente alle
Besiegt dein Goldgetön.

Der steife Hypochonder
Hüpft jubelnd auf und singt,
Selbst Mönch und Nonne hüpfet,
Sobald dein Lied erklingt.

Die spröden Mädchenherzen,
Die kein Gebet bezwang,
Erweichen schnell und seufzen
Bei deinem Zauberklang.

Du gibst den dummen Schöpsen
Verstand und Willenskraft;
Und schwingst auf Stuhl und Throne
Die Schurken aus der Haft.

Du bauest weite Schlösser,
Worin ein Menschlein haust,
Und türmest Mausoleen,
Worin ein Würmlein schmaust.

Dir stöhnt der große Haufe
Und rennt dir keuchend nach,
Und wo du fehlst, da psalmet
Die Not — ihr Weh und Ach!

Du bist das Kalb, das gold'ne,
Dem Jud und Heid und Christ
Mit Inbrunst und Zerknirschung
Ganz, ganz ergeben ist.

Daß Moses doch erstünde —
Die Faust, die es bezwang! —
Eh' daß sein Götzendienst wächst
Vom Auf- bis Niedergang. —

Und doch, du liebe Ware,
Bist gar so fein und rund!
So wonniglich und munter
Geht dir das Wort vom Mund.

Die Temperamente
Variierte Romanze

1.
Ich hatt' einmal ein Liebchen,
Das mir ein Ringlein bot,
Doch untreu ward das Liebchen,
Den Ring — bekam Frau Not.

D'rauf hatt' ich statt des Liebchens
Im Herzen eine Wund',
Und statt des Rings ein Grübchen
Wohl um den Finger rund.

Doch fast zur selben Stunde,
Wie mir das Mal verging,
Verharrschte auch die Wunde
Und ward mein Herz gering.

2.
Ich hatt' einmal ein Liebchen,
Das mir ein Ringlein gab;
Doch untreu ward das Liebchen,
Da — zog den Ring ich ab.

D'rauf hatt' ich statt des Liebchens
Im Herzen eine Wund',
Und statt des Rings ein Grübchen
Wohl um den Finger rund.

Das Mal ist längst verschwunden
Vom Ring, den ich noch hab',
Doch meines Herzens Wunden,
Die heilen erst im Grab.

3.
Ich hatt' einmal ein Liebchen,
Das gab mir einen Ring;
Doch untreu war das Liebchen,
Und ich zertrat den Ring.

D'rauf hatt' ich statt des Liebchens
Im Herzen eine Wund',
Und statt des Rings ein Grübchen
Wohl um den Finger rund.

Eh' noch verquoll das Grübchen,
Kam ich in raschen Trab —
Schalt eine Metz' mein Liebchen —
Den Buhlen tat ich ab.

4.
Ich hatt' einmal ein Liebchen,
Das bot ein Ringlein mir;
Doch untreu war das Liebchen,
Da — gab ich weg die Zier.

D'rauf hatt' ich statt des Liebchens
Im Herzen eine Wund',
Und statt des Rings ein Grübchen
Wohl um den Finger rund.

Das Mal wird schon verschwinden,
Das kümmert mich nicht sehr;
Doch wo ein Liebchen finden?
Mir fällt das Suchen schwer.

Geckenlied

Wie bin ich doch ein Bürschchen,
So zierlich und so fein,
So zierlich und so fein!
Kein Engel kann, wie ich bin,
So fein und zierlich sein.

So niedlich ist frisieret
Mein Schöpfchen und mein Bart,
Mein Schöpfchen und mein Bart!
Ich bin, weiß Gott! ein wenig
Heut' in mich selbst vernarrt.

Mein Rock paßt gar unendlich
Auf meinen schlanken Leib,
Auf meinen schlanken Leib!
Doch wölbt er Brust und Hüfte
So üppig, wie am Weib.

Ich brauchte fast die Ring nicht —
So schön ist meine Hand,
So schön ist meine Hand!
Doch weil es just so Mod' ist,
Komm' her du gold'ner Tand.

Und nun auf netten Füßchen,
Mit Stäbchen und Lorgnett',
Mit Stäbchen und Lorgnett'!
Will ich den Platz besuchen —
Daß nur der Wind nicht geht!

Und summen: "Bin ein Bürschchen
So zierlich und so fein,
So zierlich und so fein —
Kein Engel kann, wie ich bin,
So fein und zierlich sein!"

Letzter Wille

Lieg' ich einst im dunklen Grabe
Tief ins Würmerreich versenkt,
Bring' ein Jedes seine Gabe,
Wie des Herzens Sinn Es lenkt.

Liebchen! weine heiße Tränen
Mir hinein in's kühle Grab,
Wirf dein Lieben auch und Sehnen
Und dein schmerzhaft Herz hinab.

Ist mir noch ein Freund geblieben
Bis in jene späte Zeit,
Mag er seine Treue üben:
Steh'n am Grab voll Traurigkeit.

Und zum Herrn im Himmel flehen:
"Schließ' ihn ein in deinen Ring,
Schenk' uns dann das Wiedersehen,
Wenn einst mein Tag auch verging!"

All' die lieben Anverwandten,
Die aus Pflicht dem Leichenzug
Selber folgten oder sandten,
Tun zum Überfluß genug,

Wenn sie nur drei harte Schollen
Mit der Schaufel oder Hand
In die Kluft des Grabes rollen
Wie es Brauch ist hier zu Land.

Von den rückgelass'nen Schätzen —
Wenn Ihr sie nicht nöt'ger braucht! —
Sollt Ihr mir ein Denkmal setzen,
Bunt umblümt und grün umstraucht,

Daß die Schar der Schmetterlinge
Mich besuch' aus zartem Drang;
Und manch' Vögelein mir singe,
Da ich selbst so gerne sang!

Also laßt mich ruhig ruhen,
Bis des Herrn Posaune ruft,
Wenn die Toten ihre Truhen
Sprengen, mach' auch ich mir Luft.

Simplizitäten für simple Dichter

Willst du Lobsalm für dein Dichten:
Klein' Charädchen dreh' und Rätselein,
Menge haßt die Übersichten,
Möchte selbst gern klug nnd witzig sein.
=====
Runde Stanzen, schöne Strophen —
Magst auf Lob mit Langmut hoffen,
Sagen: "Seht den Pausback an,
Wie er närrisch schwärmen kann!"
=====
Singst du zarte Liebesweisen,
Magst die Schönen noch so preisen,
Ist dir doch kein Mädchen
Hold im ganzen Städtchen;
Plausch' um's Zwielicht an der Tür,
Hast gleich bessern Dank dafür.
=====
Epigramme wohlgepfeffert,
Auch Pasquille tun oft Dienste;
Weil bei'm Lesen sonst leicht schläfert
Die — "Verehrer schöner Künste!"
=====
Nur mit Reichen sei schön glimpflich,
Und was Stab trägt oder Schwert;
Wenn du klug bist, so mach' schimpflich,
Und was Keiner sich viel schert.
=====
Zum Exempel

Laß zwei Perücken philosophieren —
Versteht sich, ohne — Kopf darin,
Sonst könnte sich ein Jünger irren,
Woher wohl käm' so hoher Sinn? —
Ein rotes Kätzchen laß zärtlich sein,
Ein junges Öchslein laß hofieren,
Ein Gänschen hüll' in Weisheit ein,
Laß quacken die Frösch' von Politik,
Gib Eseln und Gimpeln das Amt Kritik —
Das wird das Volk amüsieren!
=====
Magst dich und And're quälen
Mit großen Kunstnovellen;
Schreib' lieber Thesen
Für Chinesen,
Von Hottentotten
Erzähl' Anekdoten und Zotten!
=====
Romane schreibst du, die verlegen
Schon lange sind, ei, wie verwegen!
Kannst du nicht Kindergeschichten
Fabrizieren statt — dichten?
=====
Ich weiß 'ne Fabrik,
Die liefert Tag für Tag
Ein paar Dutzend Stück
In den Kunstverlag.
Wo diese Fabrik
Wohl liegen mag? —
=====
Eins wäre noch — 's Theater!
Da könntest du den Terno machen;
In seinen wunderbaren Krater
Warf Mancher sich samt seinen Sachen
Hinab, und sieh, was kam heraus?
Ein wenig Asche und — viel Gebraus.
=====
Wie bist du doch ein Stocktor,
Kannst schreiben, wie ein Doktor,
Und hast oft nichts zu nagen.
Sei doch kein Stocktor,
Und geh' zum Doktor!
Wie oft soll ich's noch sagen:
Wir wünschen gute Kopisten,
Genug sind schlechte Stylisten.
=====
Ich weiß, man gibt fast stets beim Kauf
Ein scheinbar Bißchen drein und drauf,
Je nun, mich kommt's drauf auch nicht an!
Drum hab' ich — das dazu getan.

Gleichgewicht

Daß nicht zum Übermut
Das Glück den Geist erhebt,
Ist rastlos arg bestrebt
Zum Sturz der Neider Brut;
Und daß nicht Bangigkeit
Dein Herz zerdrückt in Not
Sind Menschen stets und Gott
Zu Trost und Hilf bereit.

Klarer Nachthimmel

Ich kenne ein Antlitz, das ist so klar,
Als wär's von Nichts der Kommentar.

Draus blicken Augen groß und klein,
Die könnten auch wahrlich nicht klarer sein.

Ich hab' es schon oftmals angelacht
Nach frohem Tag in stiller Nacht.

Hab' öfters auch geweint vor ihm
Und aufgeflucht im wilden Grimm.

Allein das Gesicht blieb glatt und klar,
Als wär's zu Nichts der Kommentar.

Die Augen auch alle groß und klein
Erglänzten in ganz gleichem Schein.

Erst murrte ich, dann fiel mir ein,
Es könnte die Ruhe erhaben sein.

Und ist es so, ach wie klein, wie klein
Ist dann mein Jubel und meine Pein!

 
Unbestand
 
Die Zeit läuft an,
Die Zeit läuft ab,
Was just noch stand,
Liegt schon im Grab.

Was heute scherzt
Hoch freudenrot,
Ächzt morgen schwer
In Angst und Not.

Der Liebe Baum —
Heut' grün und groß,
Steht morgen grau
Und blätterlos.

Im Ehrenrock,
Der dich heut' ziert,
Oft morgen schon
Dein Feind stolziert.

 
Die Zeit läuft um,
Fährt ab und zu,
Heut' herschet Sturm
Und morgen Ruh',

Heut' ist dein Aug'
Ein Tränenquell,
Und morgen schaut
Es sonnenhell.

Die Kerkernacht
Ist morgen schon
Ein lichter Saal
Mit gold'nem Thron.

Der jetzt dich haßt
Aus Herzensgrund,
Reicht bald die Hand
Zum Bruderbund.

 
So war es stets
Hienieden Brauch:
Die Kausa vergeht,
Der Kasus auch.

 
Samson
Meinen Freunden
1843

Unüberwindlich, dem Löwen gleich,
Dem gelben König im Wüstenreich,
War Samson, der Held im Judenland:
Er fiel von schwacher Weiberhand.

Delila, die schöne Schmeichlerin,
Delila, die schlaue Heuchlerin,
Die machte den wilden Recken zahm,
Die schuf den Löwen um zum Lamm.

Noch widerhallte sein Siegesruhm
Im ganzen, weiten Philistertum;
Da stieg er ab vom Kampfesroß,
Und legte sein Haupt in den Weiberschoß.

Und wie er so lag sanft eingewiegt,
Da war der Sieger bald selbst besiegt:
Zur Faselei ward sein Donnerwort,
Er entschlief, und der Schmuck seines Haupts war fort.

Wohl kraut' er sich, als er aufgewacht
Im kargen Haar und verflucht die Nacht,
Verflucht sich selbst und die Buhlerin,
Was half's! — sie kamen und banden ihn.

Und schleppten ihn fort mit Hohn und Spott
In einen Tempel, allwo sein Gott
Zugleich mit ihm verhöhnet war
Von all' der rohen Philisterschar.

Doch sieh, als voll das Maß der Schmach,
Ersprießt sein Haar wieder allgemach;
Und in die Sehnen, lang erschlafft,
Ergoß sich wieder frische Kraft.

Und eines Tags in jäher Stund',
Wo wieder sich im Tempelrund'
Der Philister Spott und Hohn erhob,
Rief Samson seines Gottes Lob:

"In deiner Macht, Herr! erzeige dich,
Ein Wunder laß gescheh'n durch mich,
Auf daß man deiner Herrlichkeit
Erschauere jetzt und in aller Zeit!"

Und zwo Säulen im Tempel umschlang er jach,
Und als wären's Halme vom Schilf, so brach
Mit Einem Ruck' er die Schäft' entzwei —
In Trümmern lag das Tempelgebäu'.

Und unter den Trümmern zermalmt und gequetscht,
Die gotteslästernd die Zähne gefletscht:
Delila mit all' der Philisterschar,
Er freilich auch; doch es war gar.

Die alte Geschicht' erzählt' ich neu,
Daß sie uns allen zur Warnung sei:
Der Gotterfüllte weiß wohl — warum?
Vielleicht auch das Philistertum.