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Lyrisch-Didaktisches 2
 

Primiz-Lied
Fünf Herbste
Hochzeitliedchen

Waldleben
Mors triumphator
Gereimte Ungereimtheiten

Tonblumen
 
Poetische Spiele
Grabschriften
Der Sprache Witz und Weisheit

 

Primiz-Lied

1836

Heil dir, junger Gottesmann!
Heil und Preis auf allen Wegen,
Der das Eitle abgetan
Um des Himmels starken Segen!
Streu' ihn aus auf Haid' und Flur,
Daß des Zweifels Unkraut sterbe
Und des Dünkels Unnatur
Sich nicht täglich weiter erbe.

Glücklich, wer in früher Zeit
Seines Lebens Rätsel findet,
Weil mit jedem neuen Heut'
Fester sich der Knoten bindet.
Wer die Welt verloren gibt,
Kurz entschlossen, doch besonnen,
Eben der ist's, den sie liebt,
Eben der hat sie gewonnen.


Sich der Freunde bunten Kranz —
Wack're Männer, holde Frauen!
Und wie heller Freudenglanz
Spielt, und süß die Augen tauen.
Wahrlich, schönern Siegerpreis
Kann die Welt dir nicht gewähren,
Als der Freude Rosenreis
Und die Perl' der Wonnezähren.

D'rum dir, junger Gottesmann!
Heil und Preis auf allen Wegen,
Bis die Spanne Zeit verrann,
Wandle treu dem Ziel entgegen;
Pflanz' und jät' auf Haid' und Flur,
Daß des Zweifels Unkraut sterbe,
Und des Dünkels Unnatur
Das Geschlecht nicht ganz verderbe.


Fünf Herbste

1. Spatzen-Herbstchor
1830

Springen und
Hüpfen
Durch Zweigelein,
Flattern und
Schlüpfen
Toraus, torein,
Lustig sein,
Fröhlich schrei'n
Ist Spatzenvölkelein
Erbliches Tun —

     Alt – Spatz:
             J — a!

Lieben auch
Hinter'm Strauch,
Auf dem Dach,
Im Gemach,
Am Kamin
Drauß und drinn;
Lieben auf
Stock und Stein,
Lieben auf
Wies und Rain
Ist Spatzenvölkelein
Erblicher Trieb —

     Alt-Spatz:
             Haha!

Frühlingskühl,
Sommerschwül,
Herbstlichstill;
Süßer Duft,
Blumengruß,
Frohe Luft,
Regenguß,
Sonnen - und
Mondenschein
Ist Spatzenvölkelein
Erblicher Hort —

     Alt-Spatz:
             Hj!

Lenzesbrot —
Kirschen rot.
Bäuerlein
Körner streu'n;
Spätzelein
Hinterdrein.
Sommer – und
Herbsteskost:
Allerlei
Birnenmost
Birnengemaisch,
Apfelfleisch,
Pflaumen - und
Pfirsichkoch
Und dann noch —
Hochgenuß!
Feigenmus,
Süßer Wein
Ist Spatzenvölkelein
Erblicher Tisch. —

     Alt-Spatz:
          Akkrat!

D'rum allein
Lustig sein,
Fröhlich schrei'n,
Kann Spatzenvökelein —

     Alt-Spatz:
           Hm!

Stimm' nicht ein.
Bäuerlein
Schließt die Scheun',
Dann tut ein
Winter sein.
Nebel wallt,
Wind bläst kalt,
Blättlein fallt —
Winter kommt bald!

— Großpapa!
Ist ja noch
Schnee nicht da,
Soll Spatzenvölkelein
Jetzt denn schon
Traurig sein?
Lustig sein,
Fröhlich schrei'n
Ist Spatzenvölkelein
Erblicher Brauch. —

     Alt-Spatz:
           Weh! —

— Hei, Juche!
Lustig sein,
Fröhlich schrei'n —

     Alt-Spatz:
           Ach!

Übermut
Junge Brut!
Weh und Ach
Folgen nach,
Wenn vor Kält'
Füßlein rot,
Spätzlein quält
Hungersnot.
Überall,
Berg und Tal —
Weh, ach weh!
Eis und Schnee.

Grand - Tutti:

— Hei, Juche!
Lustig sein,
Fröhlich schrei'n;
Lieben nach
Altem Brauch:
Auf dem Dach,
Unterm Strauch —
Lieben all —
Überall;
Kirschen rot,
Sonnenschein,
Weizenbrot,
Süßer Wein
Ist Spatzenvölkelein
Erblich —

— Da warfen ein paar vorübertummelnde Gassenjungen Steine gegen den Baum —
die Vögel stoben auseinander und ich weiß nicht,
was sie etwa noch weiter würden erzählt haben.

2. Die Temperamente
in Herbstliedern
1832

                            1.
Vom waldigen Hügel herab in's Tal
Kommt jubelnd ein munteres Völkelein,
Milchbärtige Jungen, zwölf an der Zahl,
Mit blühenden Wangen und Augen voll Schein.

Sie kommen gezogen ganz wohlgemut,
Und schmettern voll Lust in die Welt hinaus;
Wie heimziehende Herden von Alpenhut
Ist Jeder geschmückt mit duftigem Strauß.

Sie kommen gezogen von Berg Parnaß
Und sogen nicht wenig der Weisheit ein,
Das fühlen, die Jungen im Übermaß
Und singen voll Lust in die Welt hinein:

              "Ei, wimmert euch denn
              Und klaget euch satt,
              Daß die Flur abwelket,
              Verdorret das Blatt;
              Daß das Vöglein nicht mehr
              Gicket und gackt,
              Daß kein Grillchen schrillt,
              Und kein Fröschlein quackt."

              "Die nackte Flur
              Steht dem Wandersmann,
              So wie das rauschende
              Laub wohl an:
              Sein Weg ist gebahnt,
              Wo immer er geht,
              Wo er immer ermüdet,
              Sein Ruhbett steht."

              "Sein Tisch ist gedecket
              In Wald und Au
              Mit saftigen Beeren,
              Rot und blau;
              Und Lyäus jauchzet
              Durch Hügel und Plan,
              Und ladet zu Gaste
              Den Wandersmann."

              "Lyäus, der Gott
              Hat der Gäste viel,
              Die wohnen so selig
              Beim Becherspiel,
              Bis spät sie taumeln
              Erweicht und warm
              Dem süßesten Traumbild
              In Schoß und Arm."

              "Lyäus, dem Gotte
              Stimmt Evoe! an,
              Dem schönen Gott
              Mit dem Pardelgespann!
              Streckt opfernd euch hin
              In das Laubgeräusch,
              Gott Liber strömt Wonne
              In's träge Fleisch!"

              "Zu freudiger Eile
              Stimmt er das Blut,
              Das Herz brennt auf
              In ersehnender Glut,
              Und der hellste Gedanke,
              Der kühnste Fund
              Liegt oft und gern
              Auf des Bechers Grund."

So singet herab vom Hügel zu Tal
Ein straußgeschmücktes Völkelein,
Milchbärtige Jungen, zwölf an der Zahl,
Wer mögen wohl die zwölf Jungen sein?!

                            2.
Der Herbst, der Herbst ist doch die wahre Zeit!
Wenn auch der Lenz manch' Andern mehr erfreut,
Wenn Jener auch den Sommer liebt und preist,
Und Dieser gar den Winter herrlich heißt —
Der Herbst ist mir die wahre Zeit!

Der Fliegenschwarm — will ich ein Schläfchen tun
Des Nachmittags — läßt mich doch endlich ruh'n,
Und wenn ich aufwach' — wie mir das gefällt!
Ist artig rund um mich ein Tisch bestellt
Aus frischem Obst vom guten Baum.

Hab' Dank, viel Dank, du guter Apfelbaum!
Kaum hört die Birne, was ich sag' und Pflaum,
So nicket sie am Zweig und drängt und reißt;
Auch sie will sein von mir gespeist —
Nun weil ihr's wollt, so sei es d'rum!

Das Schmausen gab mir stets vergnügtern Sinn,
Als das Gejohl im Lenz und tolle Blüh'n,
Und als des Hoffens frohe Nüchternheit,
Wenn Alles üppig steht, zur Sommerszeit —
Im Schmaus freut sich der ganze Mensch!

Der allzu lange Tag ohn' Rast und Ruh
Wird kurz und kürzer — geht hinab im Nu.
Wie barmte mich des Volkes oft, das wund
Und weh sich rang, bis Nacht am Himmel stund. —
Du armes Volk, man schläft so gern!

Und nun — wird Alles Ruh die Welt entlang,
Aufhört Gebrüll, Geschrei, Gesumm und Sang;
Der Schrank ist voll und Kist' und Kasten strotzt,
So ist es leicht der argen Not getrotzt —
Das tat — d'rum sei gelobt — der Herbst!

                    3.
Hurtig, hurtig tut euch um,
Seid nicht so trüg im Gange,
Schafft Alles fein vom Felde heim,
Der Winter zaudert nicht mehr lange!

Hurtig, hurtig, geht und kommt!
Sind die Kartoffeln dann und Rüben,
Kohl, Mais und Kürbis schon im Haus,
Mögt ihr im Klettern euch noch üben.

Nu, was gafft ihr denn so dumm!
Die Äpfel mein' ich dorten!
Zerfällt sich Einer — Schade d'rum!
Es sind die feinsten Äpfelsorten.

Doch des Halses habet Acht!
Und laßt nur naschen da die Knaben!
Und die am höchsten Gipfel dort
Laßt hangen keck für Spatz und Raben.

Hei da! spring' rasch die Trepp' empor —
Lisett' — doch nein! den Rappen zäume;
Die lange Flinte such' und Vogeldunst,
Und auch das Buch vom Wand'rer Seume.

Laß mir den kleinen Kläffer los,
Daß er mich zeitig weckt zum Schusse;
Bring' auch die Pfeife wohlgestopft
Zum abendlichen Vollgenusse.

Und nun seid hurtig allesamt,
Und schont der Mühe nicht, noch Kräfte —
Nur damals ruht sich dreimal sanft,
Wenn streng getan sind die Geschäfte.

           4.
Herbstliches Walten
Beginnt nunmehr;
Welke Gestalten
Rings umher.

Gräser und Blumen
Sind dürr und fahl;
Die Vögel verstummen
In Berg und Tal. —

Blühende Wangen
Hatt' ich einmal,
Das Rot ist vergangen,
Verflogen in Qual!

Schon flohen von hinnen
Schwalbe und Rab',
Weil zu gewinnen
Es nichts mehr gab.

So machten die Freunde
Es alle schier,
Nur Spötter und Feinde
Verblieben mir.

Mit ärmlichen Strunken
Ist Alles verpfählt —
Sind auch bald versunken —
Ist leer doch die Welt!

Zwei Punkte am Herzen
Sind frisch noch und rot
Die nächsten Schmerzen
Wohl drücken sie tot.

3. Herbstlied
1834

Es fällt das Blatt vom Zweige —
Du mußt es fallen seh'n;
Es geht das Jahr zur Neige —
Du mußt es lassen geh'n.

Es kann der Mensch nichts wandeln
Im Gange der Natur:
Sein ganzes Tun und Handeln
Ist eitles Tändeln nur.

Das frohe Leben endet,
Das frische Laub wird fahl;
Doch süße Früchte spendet
Uns reichlich Berg und Tal.

Die roten Wangen bleichen,
Und Kron' und Krummstab bricht
Der wahren Weisheit Zeichen
Allein vergehen nicht.

4. Herbst-Unmut
1839

Sag' an, du wilder Herbst —
Ich frage, Anmut hegend —
Warum entstellst, entfärbst
Du so die ganze Gegend?

Warum auf Baum und Strauch
Von Zweig zu Zweig du kletterst,
Und sie, wie schon dein Brauch,
Mit flinker Hand entblätterst?

Und jedes Laub und Blatt,
Das muß nun fliegen lernen:
Wohl an der Falter Statt,
Die sich vor dir entfernen!

Zwar hie und da noch blüht
Ein Blümchen auf der Wiese,
Ach Gott! so sterbensmüd',
Als wenn's den Geist ausbliese!

Die Sonne, ja sie scheint,
Doch ach, ist das ein Scheinen!
Wie Ein's, das froh sich meint,
Und muß vor Jammer weinen.

Und nicht Ein Vöglein singt
Forlan aus öden Zweigen —
Ha! welch' Gefühl bezwingt
Auf einmal mich so eigen:

Natur! ist das nach Menschen Art,
Das Trauern und Verdrüßen,
Wenn sie von dem, was sie geschart,
Auf einmal lassen müssen? —

5. Herbst
1840

Herbst ist's,
Und die Stauden und die Bäume
Und der Fluren bunte Räume
Stehen öd und stehen kahl,
Liegen welk vor mir und fahl.

Wohl sind
Aller Ort und aller Enden
Feil des Herbstes reichste Spenden,
Aufgehäuft und aufbewahrt
Frucht und Früchte aller Art.

Fast so,
Wie im kleinen Zeitenleben
Dünkt es in der Kunst mich eben:
Resultate überall,
Poesie liegt im Verfall.

D'rum auch,
Daß ich wahr und recht gerichtet,
Steht, was ich all hie gedichtet —
Öd und kahl ein Resultat
Statt des Liedes auf dem Blatt.

Hochzeitliedchen

Wohin ich nur blicke,
Begegn' ich dem Zwei,
Das zeuget im Glücke
Das kindliche Drei.

So seh' ich den Himmel
Von Sonne und Mond
Und vom Kindergewimmel
Der Sterne bewohnt.

Ich sehe auf Erden
Nur Wasser und Land,
Und dann daraus werden
Das Allerhand.

Und im Süden und Norden
Gewahrt man die Spur
An Allem, was worden —
Der Unnatur:

Es suchet das Eine
Allewiglich
Zum trauten Vereine
Das Andere sich

Zu Freuden und Leiden,
Zu Glück und Not,
Bis spät die Beiden
Auflöset der Tod.

Waldleben

Der Vogel singt,
Der Schall erklingt,
Ein Wind trägt ihn von dannen!
Geschwind, geschwind,
Nichts hält den Wind,
Nichts frägt — wohin, von wannen?

Unangebaut
Sprießt Gras und Kraut,
Und reiner als im Garten
Haucht Blum' und Blüt'
Am Waldgebiet
Ohn' Aufsicht, Sorg' und Warten.

Ha, welche Zier
Am Waldgetier!
Has, Hirsche, Fuchs und Rehe
Wohlauf, wohlan
Im grünen Tann
Im Tal und auf der Höhe.

So war's einmal
Allüberall.
So wird's auch wieder werden,
Die Zwischenzeit
Ist Krieg und Streit
Und Not und Angst auf Erden.

Mors triumphator*

Im Düften Frühlingsblümchen,
In Lüften süße Stimmchen,
Im Wald das flinke Wild,
Im Schlag das Täubchen mild:
Klein Käferchen und Würmer,
Die Nonnen sanft und Stürmer,
Die Schächter und die Türmer,
Der Schützling und Beschirmer;
Die Weisen und die Dummen,
Die Schreier und die Stummen,
Die Träger und die Läufer,
Die Kärger und die Säufer,
Die Lieber und die Hässer,
Die Durster und die Fresser,
Die Richter und die Räuber,
Die Mönche und die Weiber;
Das Kind im Mutterschoß,
Der König im Felsenschloß,
Die Söhne und die Väter,
Die Stämme und die Blätter:
Was geboren und gebiert,
Alles, Alles wird
Morgen oder heute
Meine Beute!

*Der triumphierende Tod

Gereimte Ungereimtheiten

Der Eine träufend von Arbeitsschweiß,
Daheim schrei'n nackte Kinder um Speis;
Des Andern Tisch ist stets gedeckt,
Und weiß nicht, wie die Arbeit schmeckt.
=====
Meinen, man sei ein großer Prophet,
Wenn einmal ein Traum in Erfullung geht.
=====
Glauben, man sei schon heiß geliebt,
Wenn Einem das Mädchen — Nüsse gibt.
=====
Große Pläne hinaus in die Zeit
Ohne Talent und Tätigkeit.
=====
Meinen, man sei Ries' Goliath,
Wenn man nur Zwerge zum Maßstab hat.
=====
Glauben, du seist ein Ehrenmann,
Weil kein Gericht dich belangen kann.
=====
Meinen, man sei ein Erzpoet,
Weil oft beim Trunk ein Reim gerät.
=====
Klagen, man sei ein armer Tropf,
Mit warmem Herzen und hellem Kopf.
=====
Prahlen, man sei ein guter Christ,
Weil man am Freitag Stockfisch' ißt.
=====
Wollen,
Ohne Wissenschaft;
Sollen,
Ohne Willenskraft.
=====
Das heiß' ich doch fromm und orthodox —
Sagt Klaus — ich glaub', daß Esel und Ochs,
Die an der Krippe standen beim Jesukind,
Noch bis zu dato im Himmel sind!
"Ja, und räumen ihrem Brüderlein
Einst in der Mitte sein Plätzchen ein!"
=====
Gehöret der Himmel auch für das Vieh,
So ist er die größte Menagerie.
=====
Und Solches wüßt' ich noch zu Hauf,
Allein ich höre lieber auf.

Tonblumen

                   1.
Es strebt mein Herz nach Einigung,
Nach Einigung in Liebe,
Ach, stets vergebens;
Es lechzt mein Geist nach Reinigung,
Nach Reinigung der Triebe
Auch stets vergebens:
Denn Reinigung und Einigung
Sind Steinigung und Peinigung
Der Liebe und des Lebens.

                   2.
Ich strebe nach Huld und Gunst,
Und leb' mit Geduld der Kunst.
Die Kunst ist wohlgefällig,
Die Gunst macht stolz und selig;
Doch ach, die Huld
Lockt jach in Schuld,
Und leicht wie Dunst
Entweicht die Gunst!
Und ohne Huld und Gunst
Verdorrt, wie Blümelein
Ohn' Tau und Sonnenschein,
Die holde zarte Kunst.

                   3.
Das, was sie sagten,
Mußt du nicht wieder sagen,
Um was sie fragten,
Sollst du nicht wieder fragen,
Und niemals tun, was sie taten:
Sag', was sie sagten,
Frag', was sie fragten,
Und tu', was getan sie hatten,
Nur immer keck und schnell
Das schroffeste Gegenteil,
So bist du originell
Und auf geradem Weg zum Heil.

                   4.
Wenn der liebdurchglühte Moment,
Mein kurzes Leben, ist zu End',
Wenn ich in's All zerstiebe,
Wohin wohl werd' ich verzückt?
Ei, in das Land der Liebe,
Wo, was zerfahren und zerstückt —
Dein menschlich lockeres Getriebe,
Gefügt wird und zusammengerückt,
Glaub' nur an's Testament!

                   5.
Viel hab' ich in meinem Herzen getan
Vom Knaben früh bis zum späten Mann,
Fast was es wollt' und ausersann, —
Nun hört, was ich davon hatte:
Wenn ich schlief
Rief es wach'!
Wenn ich lief,
Kam's nicht nach,
Wenn ich hing,
Bat es: geh!
Wenn ich ging,
Schalt es: steh'!
Ruh' hatt' ich nimmer zu Lohn!
Und so geht es jedem Adamssohn.

                   6.
Wißt ihr, was das Beste wär'?
Was man brauchet und nicht mehr
Soll man wissen, soll man können,
So vom Guten wie vom Schönen;
Ein'ge Gaben
Und Erbarmen
Soll man haben
Für den Armen,
Dann mit Glauben und Vertrauen
Nach der fernen Heimat schauen —
Alles Weit're taugt nicht sehr.

               7 — 8
Der Mensch ist so schön,
Ja, wahrlich von Himmelshöh'n
Muß er gekommen sein:
Der Augen Saphirschein,
Der Wangen Rosenrot,
Der Sprache Himmelsbot',
Des Leibes Wohlgestalt,
Des Geistes Allgewalt,
Des Herzens Träumereien —
O Mensch, wie bist du schön,
Ja, wahrlich von Himmelshöh'n
Mußt du gekommen sein!

*****
Der Mensch ist so schlimm,
Voll Rachsucht und Grimm,
Voll Bosheit und Neid,
Voll Schadenfreud';
Übt Raub und Mord,
Bricht Schwur und Wort;
Voll Wollust und Trutz,
Voll Eigennutz,
Voll Blindheit und Stolz —
Schlug Gott an's Holz! —
Der Mensch ist so schlimm,
Ein höllisches Ungetüm!

                   9.
Als der Frühling sonniger,
Als die Liebe wonniger,
Als der Glaube mächtiger,
Als die Hoffnung trächtiger,
Als der Wein erfreulicher,
Brot und Brunn' gedeihlicher,
Als die Unschuld heiliger,
Und die Stunde eiliger,
Kann auf Erden
Nichts gefunden werden.

Doch Schlimmeres als die Schuld,
Ärgeres als Ungeduld,
Härteres als Not
Und ein Sündertot;
Schaurigeres als Schand',
Traurigeres als Kön'ge ohne Land;
Häßlicheres,
Gräßlicheres,
Als Weiber ohne Zucht
Und ein Pfaffe, der flucht,
Findest du gleichfalls nicht
Unter dem Sonnenlicht.

                  10.
Innen von Liebe und Leid,
Außen von Neid und Streit
Wirst du wohl nimmer befreit
Im verwelklichen Kleid;
Doch kaum ist verwelket das Kleid,
Wirst du vom Streite und Neid
Und vom Leide befreit,
Lieb' — bleibt in Ewigkeit!

                11.
Dürft' ich nicht leiden,
Leiden nicht und nicht lieben,
Möcht' ich in beiden
Hälften, da und dort drüben,
Nein, nicht Eine Minute sein;
All' die Andern wenn blieben,
Wollt' ich wandern allein:
Leiden salzt irdische Freuden,
Lieben süßet die Lebenspein.

                   12.
Ei, die Milden, Sachten
Ohne wildem Trachten
Kommen endlich auch ans Ziel;
Enger immer, oft auch eher,
Als die Dränger und die Dreher,
Ob's dann Ernst ist oder Spiel.

Poetische Spiele

Fabelchen

                        1.
"Ei, seht ihn dort in Prunk und Schein,
In gold'ner Sänfte gar getragen,
Man meint, es sollt' was Rechtes sein;
Doch kann ich euch auf Ehre sagen:
Es ist der prahlerische Fant —
Weiß Gott, warum Demant genannt! —
Mein nächstes Vetterlein,
Wie ich ein — K i e s e l s t e i n !"

***
Gemein und Dumm sieht nimmer ein,
Ein And'rer könnte besser sein.

                     2.
Des Heuochs weidet im grünen Tal,
Da schlug im Busch eine Nachtigall,
Der Heuochs hört ihr ein Weilchen zu,
Dann sprach er: jetzt sing' ich auch wie du!
D'rauf hub er an sein ochsig Geplärr
Und meinte, daß er der Geller wär',
Noch bräver, meint' er, daß er sang,
Weil sein Geplärr viel, heller klang.

***
O Ochs, o Ochs, sei einmal klug,
Du bist gemacht für Karren und Pflug;
Des Vögleins ist der helle Sang,
Ein Jedes tue nach Stand und Rang!

                   3.
Wie hüpft er doch so munter
Bettauf, bettunter,
Sieht nicht, wie schon der Finger sich spitzet,
Der Tod ihm bereits auf dem Nacken sitzet —
Der kecke, leichtfertige Floh!

***
Still, Mensch, bist eben so.

Grabschriften

1. Einem bösen Menschen.

Hatte im Leben einmal in den Weg mir etwas geworfen,
Werf' es ihm wieder auf's Grab — seht nur, ein Stein ist's, ein Stein!
Möchte doch Jeder wie ich an dem Edlen die Dankbarkeit üben,
Traun! wie die Irmensäul müßte sich türmen sein Grab.

2. Auf einen Doktor.

Hier hat mitten unter seinen Kunden
Herr Doktor Würger Ruh' gefunden.

3. Auf zwei Apotheker.

Hier ruhen zwei wackre Pharmazevten,
Sie starben — an ihren schlechten Säften.

4. Einem jungen Tabakraucher.

Es war der edle Tabakrauch,
Des edlen Jünglings Leib und Leben,
Nun hat das Kraut, das edle auch
Dem Edlen früh den Tod gegeben.

Der Sprache Witz und Weisheit

             I. Natur-Reime.
                (a,e,i,o,u.)

Ich bin voll Adel! prahlt die N—adel,
Auch ich, Frau Muhme! ruft der T — adel.
=====
Aus der N —adel
Guckt der Adel,
Und im T — adel
Liegt der Adel.
=====
Sieh, unsre ganze körnige Spr — ach
Durchwuchert das taube — Ach:
Es steigt herab durch jedes D — ach,
Es nistet ein in jedem F —ach,
=====
Es sitzt im Winkel in jedem Gem — ach,
Und ist verwebt in jede S —ach;
Die Schw — ach — heit trägt es und die M — ach —t,
Die Lumpenfr — ach — t und Königspr — ach — t;
Kommt es am Tag nicht, bringt's die N — ach — t,
Ob du schm — ach — test, w — ach — st und l — ach — st,


Wie du tr — ach — test, was du m — ach —st,
Ob im Felde br — ach,
Ob am Felsen j — ach
Oder rauschenden B — ach —
Allüberall ist — Ach.
=====
Für das glatte Höflingsaal
Paßt der schlüpf'rige Fürstens — aal;
Nicht minder treffend liegt im F — all
Das ganze, unermeßne All.
=====
Aus dem B — art
Sieht die Art.
=====
Im traurigen St — erben,
Ei, steckt das fröhliche Erben.
=====
Wie schön, im kleinen Wörtchen: W — erde
Liegt fertig schon die ganze Erde.
=====
Oft ist es schwer das H — erz,
Was Wunder, es schwillt von Erz;
Oft trifft so hart ein Sch — erz,
Was Wunder, er strotzt von Erz,
Und Jedes kennt das Erz im Schm — erz!
=====

Ge — schlecht
Schon schlecht;
Ge — schlechter
Noch schlechter.
=====
Erst war die Binde,
Dann wurden B — l — inde;
Doch sieht noch stets der B — linde
Die hoffnungsgrüne Linde.
=====
Sind wirklich ich und E — ich
Als L —e—ich
Uns g —l —e —ich? —
=====
Ist das so schön und wunderbar,
Die Sprach' wird eine Predigerin gar:
Und legt das eigne Ich
Hinein ins fremde D — ich,
Und haucht das fremde Ich
Hinein in's eigne M — ich,
Und gleicht es aus im gegenseit'ge n S—ich.
=====
Lax, Lex, Lux, die Herren sind lauter Lichter,
Nehm' ich sie in corpore, gibt's ein Ge — lichter.
=====


Selbst im Br — odem
Ist noch Odem,
Und der Dichter, der den B — oden
Dort so arg zerstampft, macht — Oden.
=====
In der B ö r s e sieh nur nach,
Sucht der B ö s e sein Obdach.
=====
Aus des Geistes P —fund
Wog sich ab der Fund;
Doch der letzte F — und
Setzet noch ein — Und.
=====
Was ist der letzte G —rund
Vom großen Welten — rund?
Das abschließende — Und!
=====
Wo findet Jeder Ruhe?
In der T — ruhe!

***
(au, ei, eu.)

Ich wollte erfassen den endlosen Raum,
Und hab' es vermocht auch, doch nur im T — raum.
=====

Auf den gebrochenen Eid
Hüllte der Mensch den Schamflor L — eid,
Dann das Feigenblatt — K — l — eid.
=====
Deines Lebens längste W —eile,
Mensch, blick' hin, ist noch voll Eile.
=====
Den geheimen Goldnapf T — reue,
Brich ihn nicht, er bringt nur Reue.

II. Sprach - Kuriositäten.

Ohne Dienst
Kein Verdienst,
Das gefällt mir sehr,
Und der Stand
Aus Verstand
Noch bei weitem mehr.
=====
Vor und zurück klingt "Elle" gleich and rein,
Ihr Krämer, so soll auch der Ell'stab sein!
=====
"Retter" liest sich vor - und rückwärts so,
Ei, des Retters ist man immer froh
Allerwärts und irgendwo!
=====
"Purpur" verweilt auf sich in gleicher Eitelkeit,
Wie "Kuckuck" wiederholt sich selber schreit.
=====
Kerker —
Ei, hört den hübschen Doppelfall!
Kerker —
Der eig'nen Silbe Widerhall,
Kerker —
Des Wortes eig'ne Langeweile:
Kerker —
Als sei so arm,
So gotterbarm
Der Sprache Melodei,
Als wenn kein Wechselklang sich fände!
Doch halt! — es drücket aus die Qual,
Die fern von Trost und Heile
In stetem Harm
Und trägem Einerlei
Fortwährt vom Anfang bis an's Ende!
Kerker!
=====
Eher und ehe
Führen in sich die Ehe;
Nachher und hernach
Bergen das leidige — Ach.
=====
Weißt du, warum "Ehe" sich vor- und rückwärts gleich liest?
Ei, weil eine gute zu Anfang und Ende gleich ist.