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. . . . . . . des Menschen Leben ist
Ein kurzes Blühen und ein langes Welken.
                                            Uhland
 


Auf der Irrfahrt

 

Abschied von einem Dorfe
Irrfahrt
Ein kurzer Roman
Wunder im Schnee
Miranda
Isabella
Hulda
Das Mädchen aus dem Waldgebirge
Glückliche Liebe
Die beiden Häuser
Alpenfahrt
Die Reize des Sonettes
Herbstbild
In der Vorstadt
Wohin?
Am Bache
Waldfabel
Auf der Brücke
Heimkehr
Einst und Jetzt
Herbstgefühl

Abschied von einem Dorfe
Auf der Durchreise

Leb' wohl du freundliches Asyl im Lindenduft!
Die blaue Ferne ruft
Den Sohn zurück, den einst ihr lauter Schoß gebar,
In glänzende Gefahr.
Gleich einem Schiff, das kaum im Hafen sich geborgen,
Muß ich hinaus zu neuer Fahrt, zu neuen Sorgen,
Noch eh' ich glücklich war.

Auf deiner Hütten Schwelle, mit verschämtem Glüh'n,
Des Friedens Rosen blüh'n.
Nach einer Stunde Rast für mich und für mein Pferd,
Du hast sie gern gewährt,
Ruft dort die Pflicht! Was frommt des Glückes kurze Mahnung?
— Mein Rappe steigt und braust. — Ist's ferner Stürme Ahnung?
Hat ihn mein Sporn versehrt?

Ich weiß es wohl, wer träumt, führt nie die Zügel recht —
Auch sitz' ich matt und schlecht:
O habe Mitleid, Gaul, mit deinem schwachen Herrn
Und trabe gut und gern,
Bis rückwärts schauend mir das kleine Dorf verschwunden
Im Waldesgrün, wie oft in Morgendämmerstunden
Still untergeht ein Stern.

Das alte Schenkenhaus, des Schenken Tochter d'rin,
Das ging nach meinem Sinn;
Auch ihre Freundin kam, da ward gespielt, gelacht
Bis man mein Pferd gebracht.
Wein, heit're Jugendpracht und kaum bewußtes Lieben —
Ein Trunk, ein Wort — ein Kuß! Wie gern wär' ich geblieben!
Ihr Beiden, gute Nacht!

Horch auf! Der Linden Rauschen und der Gärten Duft
Mich wieder rückwärts ruft —
Wie? oder ist was meinem Rosse nach sich schwang
Verlass'ner Mädchen Sang?
Steh', Rappe, steh'! — Dort liegt das Dörfchen waldumnachtet
Und schweigt. Nicht nachgesungen und nicht nachgetrachtet,
Wird einem Fremden lang!


Irrfahrt

Schöne Freuden darf ich ahnen,
Grüßen ihren Widerschein,
Aber in die rechten Bahnen
Treibt mein Schifflein nie hinein.

Singend von der Insel nieder
Schaut in's blaue Wellenrund
Eine Fürstin, ihre Lieder
Haucht in's Meer des Echo's Mund;

Und mit gold'nem Fittig schlagen
An mein Herz oft Klang und Wort,
Doch die bösen Wellen tragen
Auf die hohe See mich fort.

Also treibt im Flutgedränge
Mich die Woge her und hin —
Fern verhallen die Gesänge
Jener Inselkönigin.

Ein kurzer Roman

1.
Ahnung

Ich stand am lichten Waldesrand —
Da grüßten mich die Täler wieder,
Und über Feld und Wiesenland
Der Vöglein anmutvolle Lieder

Im gold'nen Weizenfelde klang
Des Wachtelweibchens sanftes Schlagen,
Der Ruf zum fernen Männchen drang,
Von Sommerlüften hingetragen

Da schwang sich der Geliebte zu,
Bewegten Fluges schnell und schneller,
Doch auf dem Weg' in kluger Ruh'
Lag mit dem Netz der Vogelsteller.

Die Falle war so schlau gebaut,
Das Männchen ist hineingeflogen;
Es lockte die verlass'ne Braut,
Die ganze Nacht aus gold'nen Wogen.

Mein heit'res Auge wurde naß,
Mein Herz von Ahnungen beklommen:
Ach — es geschieht ja öfters, daß
Zwei Liebe nicht zusammenkommen!

2.
O weh, das Geld

Mein junges Herz ist traurig,
Wie die verlass'ne Flur,
Von der die Winde fegten
Des Sommers letzte Spur.

Es steht auf hohem Berge
Ein alter Lindenbaum,
Dort haben wir verträumet
Der Liebe kurzen Traum.

Dort saßen wir mitten im Glücke
Und mitten im Monat Mai,
Ich und mein Liebchen und singend
Saßen die Vöglein dabei.

Im Tale wogende Saaten,
Es rauschte der breite Fluß,
Lenzblumen aus offenem Fenster
Winkten mir gastlichen Gruß.

"Es reift der jungen Liebe
Das frohe Erntefest,
Dann sitzen wir unten im Hause,
Wie Vöglein in dem Nest."

So sprechend nährte mein Liebchen
Der Seele schüchternen Traum,
Und die Träumenden überschneite
Mit seinen Blüten der Baum.

Die Erntezeit ist gekommen —
Mir brachte sie keinen Genuß,
Die Körner sind ausgedroschen —
Sie wurden verschifft auf dem Fluß.

Es kam ein reicher Händler,
Hat Alles bar bezahlt —
O weh! das Geld hat die größte,
Die allergrößte Gewalt!

Die Linde hat verloren
Das letzte grüne Blatt,
Und auf dem letzten Schiffe
Mich Liebchen verlassen hat!

Wunder im Schnee

Hoch über Wiesen und Wäldern,
Im Schnee und Sturmgebraus,
Steht auf dem Bergesgipfel
Das alte Jägerhaus.

Es dunkeln Tal und Höhen,
Und durch der Winde Geschrill
Vom Städtchen unten grüßet
Das Abendläuten gar still.

Die kleinen Scheiben klirren
So fremd und wunderlich —
Sie spricht von ihrer Mutter:
"Ich liebte sie fast wie dich.

Sie starb — dann zog mein Bruder
Nach Ungarn mit dem Heer.
Ihn haben sie erschossen
Und mir blieb niemand mehr.

Dort steht das Spinnrad der Mutter,
Ich nehm' es selten zur Hand,
Und drüber hängt noch das Waldhorn
Des Bruders still an der Wand.

Doch Liebster, wenn du bei mir bist —
O, wenn's nicht Träumerei!
Dann ist's mir, als schnurre das Rädchen,
Als säße die Mutter dabei.

Und wenn mein Herz an deinem
Vergißt des Lebens Weh,
Dann ist's mir, als blase mein Bruder
Sein Waldhorn schöner als je."

— Oft hab' ich selber vernommen
Des Rädchens schnurrenden Gang
Und unter dem Abendläuten
Des Waldhorns sanften Gesang.

Miranda

                     1.

Dich nur einmal noch zu sehen
Brennt mein Herz! — In Leid und Wonne
Sah ich deinen Schleier wehen
Fern im Abendglanz der Sonne.

Hinter deinem raschen Schiffe
Blütenvolle Ufer schwanden,
Während dir vom fernen Riffe
Rosen winkten: Komm zu landen!

Einem Ufer kaum entzogen
Harrte deiner voll Entzücken
Schon der andre Rand der Wogen,
Den du landend sollst beglücken.

Tiefer sank der Abend nieder,
Und im Nebel trüb' und trüber
Schwand dein Fahrzeug. Ohne wieder
Umzusehn fuhrst du hinüber.

Ach! Erinnerungen bewegen
Dieses Herz seit jener Stunde,
Wie von deinen Ruderschlägen
Bebte des Gewässers Runde.

                     2.

In die Waldung drang ich tief,
Grüne Einsamkeit zu suchen,
Vor mir hin das Wildbret lief,
Über mir klang's in den Buchen.

Aber als ich glaubte bald,
Mich im Dickicht zu verirren,
Da begann der wilde Wald
Anmutsvoll sich zu entwirren.

Bäume traten links und rechts,
Bildend schattige Alleen
Und die Flut des Bachgeflecht's
Einte sich zu stillen Seen.

In ein Beet zusammenzieh'n
Sah ich die vom Rosenvolke,
Daß herabgesunken schien
Eine abendrote Wolke.

Brunnen sprangen licht und groß —
Kaum beschritt ich diese Räume,
Grüßte mich ein hohes Schloß
Freundlich durch die alten Bäume.

Die Fassade reich und lang,
Festgeschloss'ne Jalousien,
Durch den fernen Rebengang
Sah ich eine Schöne fliehen.

Lächelnd blickt sie um. — Mein Stern!
Ach! wie konnte sie nur ahnen,
Daß mein irdisch Aug' von fern
Folget ihren Himmelsbahnen!?

Daß ich wage, diese Luft
Liebekrank mit ihr zu schlürfen,
Ohne Hoffnung bis zur Gruft
Ihr mein Glück gesteh'n zu dürfen?

Winkend hob sie noch die Hand
Und verschwand in grünen Ranken,
Rasch durch alle Büsche drang
Ach ihr nach voll Glutgedanken,

Suchte sie, doch ohne Glück,
Als ich kam nach langen Stunden
Auf den alten Fleck zurück,
Waren Park und Schloß verschwunden.

Hat mich eine Fee geneckt?
Oder hat sich doch die Rechte
Hier vor meiner Lieb' versteckt
In dem dichten Waldgeflechte?

Täglich eil' ich nun hinaus,
Fruchtlos aber bleibt mein Suchen
Und im leeren Windgebraus
Zischeln spöttisch nur die Buchen.

Wenn du meine Liebe kennst,
O so tritt noch einmal näher
Braungelocktes Waldgespenst
Dem verliebten Geisterseher!

                     3.

Wo durch Schilf und weiche Matten
Leise geht der Mühlenbach,
Winkt mir aus verschwieg'nen Schatten
Ihres Sommerhauses Dach.

Täglich trifft auf diesem Steige
Mich der Sonne letzter Blick,
Harrend, ob sie hold erzeige
Meinem Wunsche das Geschick.

Zögernd unter'm Mühlenstege
Fließt hinab der klare Bach,
Zögernd folg' ich seinem Wege,
Ach! kein Auge sieht mir nach.

Oft schon war's, als träf' der Schimmer
Ihres Blickes mich von fern —
Aber immer, aber immer
War es nur der Abendstern!

                     4.

Du willst ihn nicht, den Myrtenkranz,
Den ich in Händen halte —
Mein Schicksal bleibt das alte:
Ein Leben ohne Lieb' und Glanz.

Einsam verfällt mein Haus,
Meine Gärten verwildern,
Zwischen den Götterbildern
Wuchern Dornen und Graus.

Der Nachtigall schmelzendes Ach,
Der Springquell der Kaskade,
Die marmorne Najade,
Verstummt — versiegt — zerbrach!

Leb' wohl! dein stolzer Mut
Möge nie welken noch wanken,
Unter Waldblumen und grünen Ranken
Meine erste Liebe ruht.

Zu Gräbern hin gehört
Mein Herz, zu Totenkränzen;
Ich träumte von Hochzeittänzen —
Wie hast du mich betört!

                     5.

Aus tausend Rosenkelchen sprühte
Der Duft durch diesen Gartenhag,
Da war es, daß dein Herz erblühte
Und liebevoll an meinem lag.

Die Schwäne tauchten auf und nieder
Im Wogenschaum des Wasserfall's,
Es wob sich in der Vogel Lieder
Der Waldgesang des Widerhall's.

Das war ein Rauschen, war ein Wogen,
Ein klangerfüllter Rosenglanz!
Doch Blatt um Blatt ist fortgeflogen,
Verwelkt aus diesem Gartenkranz.

Der Herbst ist da, die Schwäne heben
Sich aus dem Schilf — sie denken klug:
"Was soll dies kaltgeword'ne Leben?!"
Und rasch nach Süden strebt ihr Flug.

So denk' auch ich, seit im Getriebe
Der Welt du mich vergessen hast,
Seit ich im Garten meiner Liebe
Hab' welken sehen Ast um Ast.

Wie dort mit klingendem Gefieder
Die Schwäne aus dem Garten zieh'n,
So streben meine neuen Lieder
Nach einem neuen Frühling hin.

Isabella

                     1.

Das alte Schloß, das schöne Schloß
Geht nicht aus meinem Sinn,
Die grauen Türme stolz und groß,
Die Wolken drüber hin!

Der grüne Wald, der frohe Wald
Umfängt es — ach! — so schön,
Von Vogelmelodei'n durchschallt,
Von Jägerhorngetön.

Der schnelle Fluß, der klare Fluß
Das Mauerwerk bespült,
Sein eisigfrischer Wogenguß
Die hohen Hallen kühlt.

So herrlich ist es aufgebaut
Das Schloß am Waldesrand,
Und drinnen wohnt die schönste Braut,
Die schönste Braut im Land!

Sie hebt das schöne Haupt und spricht:
"Wie gut bin ich bewahrt!
In meinen Türmen sich zerbricht
Das Schwert mein Widerbart.

Es locken in den lauten Wald
Ihn süße Melodei'n,
Dort schläfern seine Kräfte bald
Die grünen Feen ein.

Und keine Brücke trägt der Fluß,
Und keinen Kahn die Flut,
Und wer durch kalte Wellen muß,
Verliert zuletzt die Glut."

O prahle nicht! die Mauer bricht,
Mir kommt die Fee nicht bei,
Und alle Wasser löschen nicht
Der Liebe Mut und Treu'!

                     2.

Falke, hätt' ich deine Flügel,
Deinen unbezwung'nen Sinn,
Flög' ich über Tal und Hügel
Zu der schönen Dame hin.
Fröhlich würde sie mich tragen
Über sich auf weißer Hand,
Und auf ihrem Zelter jagen
Durch das maiengrüne Land.

Wenn des Reigers Schneegefieder
Rauschend überholt mein Flug,
Mit der Beute sänk' ich nieder
Stolz auf ihres Rosses Bug.
Daß ich ihr so ferne weile,
Gramversunken, flügellahm,
Tief verwundet von dem Pfeile,
Der von ihrem Bogen kam!

Drüben hinter jenem Walde
Geht das frohe Jagen auf,
Ritter sprengen auf der Halde —
Sie voran im schnellsten Lauf!
O der holden Gunstbezeugung,
Wenn sie dem Beglückten dankt.
Und mit ihres Hauptes Neigung
Ihre Feder niederschwankt.

Könnt' ich nur von ferne sehen,
Wie sie sich im Sattel wiegt,
Wie die dunklen Locken wehen,
Wie der zarte Schleier fliegt!
Hören nur ihr munt'res Rufen
Klingend durch den grünen Hag,
Nur von ihres Rosses Hufen
Fern verhallend einen Schlag!

                  3.

Einst hast du viel gesprochen
Von deinem treuen Sinn,
Doch als die Lust vorüber,
Die Liebe war dahin.
Mein Haar ist grau geworden,
Mein Roß ist alt und lahm,
Auf dem ich oft im Fluge
Zu dir hinüber kam.

Viele trübe Winter schieden,
Verblüht ist mancher Mai —
Daß du mich nimmer liebest,
Mir ist's noch immer neu.
Oft treibt es mich durch Tränen
Nach deinem Schloß zu seh'n,
Dann ist's, als wäre Alles
Mir gestern erst gescheh'n.

                          4.

Vom Pfeil getroffen sinkt ein wilder Schwan
Aus Herbsteslüften in das Röhricht nieder;
Zum lauen Süden strebte sein Gefieder —
Jetzt fliegt der Nordwind einsam diese Bahn.

"Mir flog mein Liebchen lange schon voran;
Begrüßt sie freudig, Südens schöne Lieder
Und ruft sie mich, so sagt, ich käme wieder —
Wenn ich auch nimmer wieder kommen kann!

In ihrem Herzen hat des Südens Pracht
Erneuter Liebe Sehnsucht angefacht,
Ihr Rufen, dünkt mich, schalle an mein Ohr!"
So singt der Schwan. Doch in der Höhe kreischt
Ein Falke nur, der frisches Futter heischt,
Es rauscht und schwankt im Winde nur das Rohr.

Hulda

                     1.

Und es geschah, daß sich im Lenze
Ergossen Duft und Drosselschlag.
Ich ging durch Felder, reich gesegnet,
Die Jungfrau, die mir dort begegnet,
War schöner als der schönste Tag.

O dürft' ich all' mein junges Leben
Dir holde Jungfrau weihen!
Es flieht der Lenz, doch im Gemüte
Blühst du mir ewig, reine Blüte —
Du Wonnekind des Maien!

Sie sprach zu mir: "Mit schönen Gaben
Beschenkt mich dieser Frühlingstag.
Der Herbst zerstört und raubt mir jede,
Doch allzulieb klingt deine Rede,
Daß ich sie nie vergessen mag.

Nie, ohne daß ich dein gedenke,
Wird sich die Flur erneuen.
Mein Grüßen wird durch Länder ziehen.
Du aber kannst ihm nicht entfliehen
Am wenigsten im Freien."

Und wenn ich nun im Lenze wandle,
So hör' ich sie am Felderrand
Voll süßer Reden mit mir gehen —
Dabei berührt des Windes Wehen
Mich sanft, wie ihre weiße Hand.

                  2.

Der Lenz ist auferstanden
Aus seinem kalten Grab,
Es klingen seine Schwingen
Wie fernes Vogelsingen
Aus hoher Luft herab.

In allen Laubeskronen
Dein Lobgesang erschallt,
O Lenz! du weckest wieder
Die Blumen und die Lieder
Mit alter Allgewalt.

Die Rosen blüh'n im Garten,
Ich wandle zwischen hin;
Es grünen junge Triebe
Und Liebe, Liebe, Liebe
Erreicht mich, wo ich bin.

Es steht ein Haus dort oben
Im frischen Waldesduft,
O hätt' ich Lerchenschwingen!
Dort möcht' ich schweben, singen
Und stürzen aus der Luft.

Das Mädchen aus dem Waldgebirge

Die Schöne tanzte wie das Blatt im Winde
Bei munt'rer Frühlingsvögel Waldgesang;
So wie die Blüte, die von hoher Linde
Gefallen in des Baches Wellendrang.

Sie lag an mich gedrängt, wie sich im Ziehen
Das Schwanenweib an seinen Gatten schmiegt,
Und überströmt von Wandermelodien,
In süßer Hast zum fernen Süden fliegt.

Sie sprach: "Im Waldgebirg' bin ich geboren,
Bei alten Tannen steht mein Vaterhaus;"
Ich fragte sie, warum sie sich verloren
Aus Waldesnacht in leeres Festgebraus?

"Es bleicht im Glanz des städt'schen Schimmerscheines
Der tiefen Waldung anmutsvollster Stern."
Sie flüstert d'rauf: "Zur Stadt rief mich nur Eines,
Mein teurer Freund, ich tanze gar zu gern!"

Da klang Musik vom Neuen grell und rauschend,
Und wieder flog sie fort von Brust zu Brust,
In atemloser Hast die Tänzer tauschend,
Und nur des Augenblickes sich bewußt.

Ich trat an's Fenster, die Gardinen teilend —
Des Tages erster Strahl aus Wolken brach:
Mein Geist, in's ferne Waldgebirg' enteilend,
Umschwebte still des Jägerhauses Dach.

Im Hofe grüßte mich des Hahnes Krähen —
Es galt der Hand, die sonst das Futter streut,
Die Knechte gingen in den Klee zu mähen —
Ein Gruß der Jungfer hätt' sie recht erfreut.

Ein durst'ger Rosenstock am Fenster schlürfte
Das Tröpfchen Tau, da niemand ihn begoß.
Und wenn der braune Jagdhund küssen dürfte
Ein weißes Händchen, wär' sein Jubel groß.

Umsonst — er mußte mit dem Jägerjungen
Durch nasses Gras in's stille Holz hinein,
D'rauf ist im Wald ein Jägerhorn erklungen,
Und der es blies, der schien verliebt zu sein.

Der alte Förster trat vor's Tor und grollte
Mit seiner Frau: "Das Kind vermiß' ich schwer,
Sieh diese Pracht — und sie verschläft's! Ich wollte,
Daß sie bei uns im Wald geblieben wär'."

Doch endlich sprach man von der Fernen nimmer,
Von Jedem ward ein Tagwerk erwählt,
Und nur des Waldes Duft ging durch die Zimmer
Einsam wie Einer, dem das Liebste fehlt!

Glückliche Liebe

Die Sonne muß, so heut' wie morgen,
Für Wein und Weizenernte sorgen;
Hat gar ein schweres, hohes Amt —
Lebt Alles von Ihr, insgesamt.

Der Mond, er muß die Stadt erhellen
Und dunkle Wald- und Wiesenstellen;
Dem Wandrer leuchten durch die Nacht,
Hat ihn um allen Schlaf gebracht.

Der Fluß darf auch nicht ruhig liegen,
Muß Schiffe tragen, Kähne wiegen;
Kann nicht so wie der Gartenteich
In Blumen ruhen, schattenreich.

Selbst wenn die Schwäne aufgeladen,
Und wollen schöne Frauen baden,
Er ihnen Hüfte, Brust und Fuß
Melodisch rauschend küssen muß.

Wir ruhen unter dieser Linde,
Die ringend mit dem Abendwinde
Die grünen Arme hebt und senkt.
Von Liebe wunderbar beschenkt.

Die Sonne wandert schon von hinnen,
Der Mond will seinen Weg beginnen;
Doch trägt der Fluß noch Schiff uns Kahn,
Im Teiche plätschern Frau und Schwan.

Dort draußen schlägt in weiten Bogen
Das Leben ruhlos seine Wogen —
Die Liebenden, in guter Ruh',
Schaun' sicher aus dem Hafen zu.

Die beiden Häuser

Das eine Haus war laut und groß,
Voll Sonnenglanz, voll Düfte.
Vor seiner reichen Fronte schoß
Ein Springquell in die Lüfte;
Ein gold'ner Schweizer stand am Tor,
Lakaien sprangen hastig vor,
Wenn meine Gerte schwirrte,
Und ich den Hengst parierte.

Die Herrin oben hörte kaum
Den Schlag von seinen Hufen,
Sie rauschte schon den Stiegenraum
Herab auf Marmorstufen;
Ihr Aug' war Liebe nur und Glück,
Die Diener traten still zurück,
Die Flügeltüren flogen —
So war ich eingezogen.

Wir ruhten an des Teiches Rand
Auf samtner Ottomane,
Es wehte über allem Land
Des Abends Purpurfahne.
In sternenheller Mitternacht
Erklang noch ihrer Stimme Pracht —
Wie Nachhall ihrer Lieder
Regneten Blüten nieder!

Das and're Haus lag still und klein
In kühlem Waldesschatten,
Es rann ein Bächlein silberrein
Vorbei durch grüne Matten;
Ein Vöglein auf der Schwelle sang,
Ein Hündchen mir entgegensprang
Wenn ich vom Rößlein munter
Mich fröhlich schwang herunter.

Noch eh' ich einen Blick geweiht
Der trauten Waldesrunde,
Hing schon die blonde Jägermaid
An meinem jungen Munde.
Sie herzte mich und küßte mich,
Sie fragte mich und grüßte mich;
Die Bäume standen schweigend,
Die grünen Häupter neigend.

Wir ruhten an des Berges Rand
In schwellend weichem Moose,
Entblättert sank auf's gründe Land
Des Abends letzte Rose;
Es glühte fern der Alpen Schnee,
Die Reiger tauchten in den See,
Durch stille Regenbogen
Die Nachtigallen zogen.

Es sinkt die Nacht der Tage Pracht,
'S geht Einem wie den Andern!
Ich aber hab' dies Lied erdacht
Und sing' es jetzt beim Wandern.
Ich wand're fremd im fremden Land,
Es steht der Mond am Himmelsrand,
Und grüßt mit sanftem Scheine
Die Schlösser und — die Heine.

Alpenfahrt

                    1.
           Der Staubbach

Es rollt, gleich einem Silberband,
Der Staubbach seine Wellen,
Bis sie an hoher Felsenwand
Vieltausendmal zerschellen.

So floß bis an dein Felsenherz
Mein junges Leben nieder,
Doch hier zerbricht es voller Schmerz
In tausend süße Lieder.

                    2.
              Die Hexe

Die Wanduhr hämmert Mitternacht,
Ich höre die Eulen schrei'n.
Wer schaut zum Fenster herein
Und lacht?!

Du bist's! Nimm deinen Kuß zurück!
Vor deinem Auge mir graut.
O hätt' ich nimmer geschaut
Den Blick!

Die Wanduhr hämmert Mitternacht —
Ich geb' ihr den Kuß hinaus.
Sie rauscht in das Laubgebraus
Und lacht.

              3.
      Echo am See

Einen Stein laß ich fallen
Hinein in den See,
Ein Wort laß' ich schallen
In Felsen und Schnee.

Das Wort, es hallt wieder
Vom felsigen Mund,
Der Stein, er sinkt nieder,
Kommt nimmer vom Grund.

Ich hab' ihr gegeben
Mein Herz und mein Wort,
Mein Wort hab' ich wieder —
Mein Herz, das ist fort!

Die Reize des Sonettes

Sprichst du es aus mit deinem vollen Klange,
Du mein Sonett, das Leiden das ich trage,
So folgt, vergleichbar sanftem Zitherschlage,
Dein Reimgefüge dem Gedankengange.

Die süßen Töne locken, was ich lange
In tiefer Brust verschlossen hielt, zu Tage;
Ich lausche meiner eignen Liebesklage,
Als lauscht' ich fremdem, südlichem Gesange.

Es klingt wie damals, wo im Abendglanze
Die Flut mich wiegte in Venedig's Hafen:
Geschaukelt von dem leichten Wellentanze

In meiner Gondel war ich halb entschlafen,
Als bitt're Klagen einer Seeromanze,
Vom Ufer wehend, meine Seele trafen.

Herbstbild

Es blühen die Astern im Garten
Von silbernem Nebel umflort,
Entblättert der Rosenhort;
Der Herbst ist gekommen auf Flügeln des Windes,
Er läßt seine Opfer nicht warten.

Und Alles ist sein, was in schweigenden Reihen
Die sinkende Sonne bescheint,
Was Blühen und Lieben vereint.
Hier seh' ich ihn Blätter mit stürmischer Eile,
Dort welkende Freuden verstreuen.

Die Wolken — die Vögel — ein wandernd Getriebe
Weit über die Wälder hinaus;
Es führt der Sturm mit Gebraus.
Da schmettert vom Städtchen herüber ein Posthorn —
Es scheiden zwei Herzen voll Liebe!

In der Vorstadt

Sie wohnt in stillen Gassen,
In einem stillen Haus,
Weit draußen in der Vorstadt —
Ich geh' nicht mehr hinaus.

Ihr Fenster blüht voll Rosen,
Das ich so lange mied;
Sie sitzt im dunklen Zimmer
Und singt von mir ein Lied.

Im Nachbarhause drüben
Hängt eine Nachtigall
Und schweigt. Des Mädchens Stimme
Hat einen süßern Schall.

Das Liedchen aber ist traurig:
Von meines Herzens Ruh!
Die Nachtigall und die Rosen
Ängstlich hören sie zu.

Wohin?

Es grünen die Wiesen, es glänzen
Die Felder voll goldenen Korn's:
Ich wollte mit Rosen mich kränzen
Und fühle die Spitze des Dorn's.

Ich wollte dies liebliche Städtchen
Bewohnen, ein fröhlicher Gast;
Da sagen mir Knaben und Mädchen,
Daß du es verlassen hast.

Das lieblich mit Türmen und Toren
Im lachenden Tale mir lag,
Es hat seine Reise verloren.
Entzaubernd mit einem Schlag.

Fort! daß ich im Wagen schon läge,
Wo schäumende Rosse mich ziehn,
Hinbrausend auf staubigem Wege —
Doch, törichtes Herze, wohin?!

Am Bache

Die Wellen rennen plaudernd hin,
Sie kennen keine Ruh',
Sie drehen ohne Plan und Sinn
Jedwedes Rad. Nur zu!

So wogt die Menge, wellengleich,
Der neuen Fahne zu,
Und nur der Wechsel macht sie reich —
Den Andern gleichst auch du!

Ich liebte dich so warm und treu,
So warm und treu warst du;
Die schönen Tage sind vorbei —
Nur zu! — auch du! — zur Ruh!

Waldfabel

Im Wald geht eine Mühle,
Im herbstlich bunten Wald,
Ihr leeres Klappern schallt
Verloren durch die Kühle.

Die weißen Tauben lauschen
Hoch oben auf dem Dach,
Wenn drunten durch den Bach
Die wilden Enten rauschen.

Die Türe fest verschlossen,
Kein Gruß, den du empfängst;
Hier hat die Trauer längst
Ihr Schweigen ausgegossen,

Im Teiche schwanken düster
Die Wellen durch das Rohr,
Es drängt sich an mein Ohr
Ein schmerzliches Geflüster:

Wie vordem hier gewaltet
Die schöne Müllerin,
Und ihren sanften Sinn
Dem stillen Wald entfaltet.

Bis sie in schlimmen Stunden
Die Türe warf in's Schloß,
Sich schwang auf's braune Roß
Und aus dem Land verschwunden.

Es geht die Luft voll Klagen,
Seitdem sie zürnend schied;
Vom früh verwelkten Ried
Die Singvögel jagen.

Im ganzen Waldpalaste
Ist weder Heil noch Trost,
Vernehmbar bricht der Frost
Das Laub von jedem Aste.

Den trüben Waldesfrieden
Stört hackend nur der Specht
Und seufzt: "Das ist nicht recht,
Daß sie so früh geschieden!"

Die Winde stimmen schaurig
In diese Klagen ein:
Der Liebsten fern zu sein,
O Gott! es ist so traurig!

Auf der Brücke

Hier auf der alten Brücke
Ruf' ich die alte Zeit!
Noch einmal fliegt zurücke
Mein Herz, so weit! so weit!

Gleichnamig kommt gezogen
Wie damals noch der Fluß,
Doch wälzt er andere Wogen,
Weil alles hinunter muß.

Die Wogen rauschen und flüstern
Im Zauber des Mondenlichts,
Von heitern Tagen, von düstern —
Von meinen wissen sie nichts!

Nichts, nichts von Gräbern so dunkel,
Von Freuden so hell und so keusch;
Nichts als ein blödes Gefunkel
Und ein unverständlich Geräusch —

Heimkehr

Noch stehen die Brücken, die Bäume,
Der Teich, die Türme, das Haus;
Noch weben in Lüften die Träume,
Nur sieht es so herbstlich hier aus.

Verspätete Blumen lauschen
Am ängstlich verschlossenen Tor,
Und welkende Pappeln rauschen,
Wie goldene Flammen empor.

Wildenten flattern im Schilfe,
Turmfalken kreisen um's Dach —
Wo bist du, liebliche Stille?
Dich ruft mein trostloses Ach!

Ich bin durch die Welt gefahren,
Auf einem fröhlichen Zug;
Du warst so jung noch an Jahren,
Ich glaubte dich jung genug.

Ich hoffte dich wieder zu grüßen,
Das Kind zur Jungfrau erblüht —
Jetzt muß ich begraben die süßen
Träume in meinem Gemüt!

Die Stürme beginnen zu tosen —
Ich weiß es genau, wie es war:
Sie flochten dir weiße Rosen
In dein köstliches braunes Haar.

Sie haben Abschied genommen,
Das fröhliche Haus ist leer;
Mag sein, daß sie wieder kommen,
Du schiedest und — kommst nicht mehr!

Mag sein, daß der Himmel will geben,
Hier Andern noch Freude, noch Glück:
Ich gehe finster durchs Leben
Und denke an dich nur zurück.

Einst und Jetzt

               1.

Diesen Weg bin ich gezogen
Mit geliebten Frauen,
Alle Liebesgötter flogen
Über Fluß und Auen.

Arglos war und ungezwungen
Lieb' der Lieb' begegnet,
Fester war kein Band geschlungen,
Frommer kein's gesegnet.

Ach! die Augen sind verlodert,
Die mein Herz durchdrangen,
Und die Arme sind vermodert,
Die mich hold umschlangen!

                     2.

Ja damals, das war gute Zeit!
Die Parze spann die Fädchen,
Sie spann es so golden, so gleich und so weich,
So lustig schnurrte das Rädchen.

Und jetzt! Sie spinnt noch immer, doch
Ich sehe den Flachs sich verwirren;
Das Rädchen stockt, es stockt mein Blut,
Und ich höre die Schere klirren —

Herbstgefühl

Kurze Tage, lange Nächte,
Kalte Fluren, kalte Herzen —
Wenn es also Herbst geworden,
Stirbt die Lieb' in stummen Schmerzen.

Neue Liebe, Lenzeslüfte,
Blütenflocken, Wonneschauern —
Frühling wird es nur für jene,
Die den Winter überdauern!

                  3.

Das Feuer liegt in Asche,
Mein Herz, das ist verbrannt!
Ade, mein Schloß zu Rosenegg,
Ade mein Vaterland!

Doch als ich war im fremden Land,
Gewendet war mein Sinn;
Da zog es mich nach Rosenegg
Dem alten Schloße hin.

Zu Rosenegg wandeln die Toten,
Es schläfert mich ein der Duft —
Niemand soll mich aufwecken,
Bis Ihre Stimme mich ruft!