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Wald

 

Der Hirsch
Jägermeister Hakelberg
Jägerin
Waldschloß

Der Hirsch

Wie sorgenlos im tiefen Wald,
Von grünen Zweigen überhangen,
Der Hirsch auf weichem Rasen wallt,
Da noch die Jagd nicht aufgegangen.

Bald schwimmt er fröhlich durch den Fluß,
Getragen von der kühlen Welle;
Bald trägt ihn sein beschwingter Fuß
Zu seiner Hindin Lagerstelle.

Die Vögel singen süßen Sang
Im Schatten wilder Rosenhecken,
Als flöge nie ein Waldhornklang
Durch dürres Laub — das Wild zu schrecken.

Mein edler Hirsch, nimm dich in Acht!
Bald werden diese Blätter fallen;
Im Jägerhaus bei stiller Nacht
Vernahm ich schon des Hornes Schallen.

Der Bursche lernt sich ein das Stück,
Das dich im Herbst zu Grab soll blasen,
Wenn hinter dir mit wildem Blick
Der Treibjagd rohe Gäste rasen.

Es beugt mich selber wie ein Sturm,
Wenn oft in frohe Maigesänge
Herunter tönen von dem Turm
Des Sterbeglöckleins dumpfe Klänge;

Als rief ein Waldhorn durch's Revier,
Als hört' ich schon den Jäger fragen:
"Wann welkt der Forst — wann wollen wir
Den edlen Hirsch zu Grabe jagen?"

Jägermeister Hackelberg

Im ganzen Sollingerwalde
Regt sich am Halm kein Blatt,
Das Wild steht auf der Halde,
Ist ganz verdrossen und matt.
Rings in den grünen Hallen
Kein Huf, kein Horn, kein Hund —
Der beste Jäger von Allen
Will sterben in dieser Stund.

Zu Freudental im Schlosse
Tät er die Wimpern neigen,
Hat all' seine Kugeln verschossen,
Muß selbst an den blassen Reigen.
Ein Eber hat ihm geschlagen
Die Hauer in den Leib —
Herr Hackelberg kann's ertragen,
Er hat weder Kind noch Weib.

Wenn seine Geschwister schliefen,
Entwich er auf die Pirsch;
Wenn seine Lehrer ihn riefen,
Hetzt' er den Hund auf den Hirsch.
Klang Abends aus den Straßen
Des Ständchens Melodie,
Hat er im Wald geblasen
Einsam sein Halali.

Nun geht er auf Gottes Wegen
Dahin aus dieser Welt:
"Viel' sind mir unterlegen,
Ein Stärk'rer hat mich gefällt.
Empor gesträubt die Borste,
Wie männlich sprang er dar!
Begrabt mich dort im Forste,
Wo die blutige Wahlstatt war.

Mit Menschen hielt ich Frieden,
Lebt' frommen Christen gleich —
Ich hoff', mir ist beschieden
Ein Teil am Himmelreich —
Doch will ich dem entsagen,
Wenn Gott mir gönnen mag,
Im Sölling hier zu jagen
Bis an den jüngsten Tag."

D'rauf brach das Aug' ihm balde;
Man weiß nicht mehr zur Frist,
Wo er im Sollingerwalde
Begraben worden ist.
Doch hört man Nachts noch reiten
Und jagen oft von fern
Mit Hörnern, Hunden und Leuten
Den gewaltigen Jäger des Herrn.

Sein Grabmal soll noch stehen
In einem dunklen Tann;
Wer's einmal hat gesehen,
Trifft's niemals wieder an.
Auf altbemoostem Steine
Liegt wachend der weiße Hund,
Jagdwaffen im blanken Scheine
Geben den Waidmann kund.

Wenn Wolken ziehen nächtig,
Der Freiherr stößt in's Horn:
Er jagt einen Hirsch, gar prächtig,
Doch ist sein Jagen verlor'n.
Denn kräht der Hahn, vom Neuen
Muß er hinab zur Ruh',
Muß die Rüstung in's Gras hinstreuen,
Sein Hund legt sich dazu.

Da liegen Peitschen und Bügel,
Aus eitel Silber gedreht,
Daneben Gurten und Zügel
Mit Gold und Seide genäht,
Jagdbüchsen, reich und gewaltig,
Schweinsfedern, lang und scharf,
Jagdhörner, vielgestaltig,
Becher und and'rer Bedarf.

Sie liegen, erstarrten Händen
Entfallen beim Scheiden der Nacht,
Man kann das Auge nicht wenden
Von der altertümlichen Pracht.
Die silbernen Koppeln der Meute,
Hirschfänger, schwer und breit —
Sie mahnen an andere Leute,
An eine andere Zeit.

Jägerin

Es webet über'm Walde
Der Nebel zart und blau,
Es ruht auf stiller Halde
Des Jägers junge Frau;
An ihrem Herzen liegt
Ihr Buhle sanft geschmiegt,
Als jach ein Horneston voll Zorn
Vom Forst herüber fliegt.

Sie springen auf vom Rasen —
"Ade, du holder Knab'!"
Als wär' er weggeblasen,
Huscht er den Hang hinab.
"Vernimm die Worte mein:
Wir haben Vollmondschein,
Komm morgen bald nach Mitternacht
In meinen Forst herein!"

Die Schafe trieb, die satten,
Sie heim durch Waldespracht;
Sie lag bei ihrem Gatten
Und schlief die ganze Nacht.
Dann brach der Morgen an,
Da saß sie hin und spann;
Sie spann so sein, und wieder schlief
Sie Nachts bei ihrem Mann.

""Was springst du auf vom Schlafe,
Vom Lager, weiß wie Schnee?""
"Ich treib dir deine Schafe
Wohl in den nassen Klee."
""Den Klee, den du dir weißt,
Der macht kein Schaf mir feist,
Und da du nimmer schlafen kannst,
Sitz hin und spinne dreist.""

Zu grell in's Zimmer glänzt er
Der helle Vollmondschein;
O spinn vor jedes Fenster
Mir einen Vorhang rein:
Und spinnst du auch, bis spät
Im Herbst das Grün vergeht,
Du weißt, daß stille Häuslichkeit
Dem Weibe wohl ansteht.""

Bei Sturm und mildem Wetter
Spinnt sie nun Tag für Tag;
Es welken schon die Blätter
Und rieseln von dem Hag:
"Ihr Augen, blau und klar,
Und du, gelbkrauses Haar,
Wir sehn uns dennoch, grünt der Wald
Auf's neu im jungen Jahr!"

Ihr Mann liegt stets zu Walde,
Ihn treibt der Gram vom Haus —
Oft rennt er auf die Halde,
Droht mit der Faust hinaus;
Bricht dann durch Schilf und Dorn,
Stoßt unwirsch in sein Horn,
Und faßt die jungen Bäume an
Und schüttelt sie voll Zorn.

Waldschloß

Es war ein wilder Rittersmann,
Der sprach zu seinem Lieb:
"Schaut dich ein junger Knappe an,
So scheint er mir ein Dieb,
Den es nach dir gelüstet.

Drum rüste dich, wir wollen bald
Dem Schauen uns entziehen;
Wir wollen in den tiefsten Wald
Zum Reh und Hirsche fliehen,
Die sind mir nicht gefährlich."

Und oben hoch im grünen Forst
Ließ bauen er ein Schloß;
D'raus wollt' er, wie von sichern Horst
Ein Adler, auf den Troß
Der Talbewohner schauen.

Und als das Schloß vollendet war,
Berief er in den Stall
Der Maurerbursche lange Schar,
Die Zimmerleute all':
"Ich will euch jetzt bezahlen."

Sie alle traten ein gemach.
Da schlug er zu das Tor,
Warf rotes Feuer in das Dach,
Daß jedlicher verlor
Sein junges frisches Leben.

"So bin ich mit dir, holde Braut,
Verborgen vor der Welt.
Still über uns der Himmel blaut
Und durch die Tannen gellt
Des Auerhahnes Balzen.

Nun fang' im waldverborgnen Schloß
Mein Wonneleben an:
Es sei der Hirsch mein Tischgenoß,
Der Adler mein Kumpan,
Die Liebe meine Sonne."

Doch wenn die Nacht sich niederschwang,
So fand er keine Ruh;
Da hallten Schritte auf dem Gang
Und seiner Türe zu,
Da klopft' es an, da rief es:

"Herr Ritter, wünsche wohl zu ruhn!
Der Maurerbursch ist da,
Will seinen Lohn erhalten nun;
Zu Hause weinen ja
Um ihn die kleinen Kinder!"

Und wenn der von der Türe ging,
So kam der Zimmermann;
Der Steinmetz klopfte kling! kling! kling
Mit seinem Hammer an
Die Stufen auf der Stiege.

So lärmt und fleht die ganze Nacht
Der bettelhafte Troß.
Das hat der Ritter nicht bedacht;
Er hat sein Glück im Schloß
Und kann es nicht genießen.