Schmerz
Die Gräfin saß am Söller,
Wie ein Gebild von Stein,
Die Tannen rauschten unten,
Die Vögel sangen d'rein.
Sie sah in's breite Tal hinab,
Zu ihren Füßen ruhte
Ihr treuer Edelknab.
Am Stromesufer dehnte
Sich ein zerstampftes Feld,
Dort lag bei toten Pferden
Manch ein erschlag'ner Held.
Es stieg der Mond, es fiel der Tau;
Der Strom ward immer lauter,
Der Himmel war so blau.
"So ist dem Herz zu Mute
Nach Sturm und Hagelschlag —
Dort bleichen sie zerschmettert,
Wie Rosen vor dem Hag.
Die Hand verdorre, die den Stahl
Dir in das Haupt gehauen,
Mein herrlicher Gemahl!"
Da sprach der Edelknabe:
""Euch trösten Ehr' und Pracht,
Womit man wird versenken
Den Herrn in Grabesnacht.
Laßt heben mich vom grünen Grund
Mit meinen treuen Händen
Sein Haupt in dieser Stund'.
Laßt einen Wagen bauen
Von Gold und schwarzem Samt,
Besät mit edlen Steinen
Die Speichen, daß es flammt;
Gebt mir der besten Rosse acht,
Laßt tausend Fackelträger
Mir hellen Weg und Nacht.
Laßt fünfzig Wächter blasen
Von dieser Türme Rand,
In herzerschütternden Tönen,
Hoch über allem Land;
Jagt hundert Reiter in den Wind
Zu allen Euren Sippen,
Die in dem Lande sind.
Schon seh ich Euren Bruder,
Er stürzt von seinem Thron,
Er schwingt sich hoch zu Rosse
Mit seiner goldnen Kron;
Schon seh' ich seine Mannen all'
Mit ihren goldnen Schilden,
Die geben hellen Schall.
Durch Tannen kommt geritten
Der Bischof, Euer Ohm;
Vor ihm die Diakonen,
Ernst, wie im hohen Dom;
Der Weihrauch wirbelt süß und blau,
Es tönen fromme Lieder,
Euch tröstend, edle Frau!""
Die aber sprach: "Des Leibes
Wär' ich gern abgetan!
Ich möcht' auf weißen Schwingen
Hinfliegen als ein Schwan,
Hinfliegen über's wilde Meer,
Von meinen Freunden allen,
Das ich vergessen wär'!"
Merseburger Turnier
1226
Laßt Merseburg mich loben,
Da ging es fürstlich her;
Funken und Splitter stoben
Von Schildesrand und Speer.
Nie sah man bess're Helden,
Nie hold'rer Damen Lust;
Man kann mit Ehren melden,
Wer aus dem Sattel gemußt.
"Gott grüß euch, Sattelstetten,
Samt dieser Dame zart!
Ihr laßt euch hier betreten?
Sonst war's doch eure Art
Im tiefen Wald zu säumen.
Wo Hirsche halten Rast,
In grüner Nacht zu träumen —
Willkommen, seltner Gast!"
""Von Hofes Glanz und Sitten
Mich scheues Wild nicht trieb,
Mich hielt in Waldesmitten
Zu dieser Frau die Lieb'.
Und lag ich ihr zu Ehren
Im Forste tief und still,
So mag auch sie nicht wehren,
Was hier beginnen will.
Trompeter, laß aufschwingen
Sich deinen besten Ton!
Wer meint mich zu bezwingen?
Die Dame wird sein Lohn;
Der Falke mit, zur Beize
Geschickt, aus ihrer Hand —
Und all die hohen Reize,
Womit sie mich überwand.
Den ich zu Boden strecke,
Der zahle kleinen Sold;
An ihren Finger stecke
Er einen Ring von Gold.
Wohl pflag an stillen Quellen
Ich wonnevoller Rast —
Ihr dünkt euch besser, Gesellen?
Hebt aus dem Sattel den Gast!""
Am Schild des Kampfgewandten
Zerbarst der Speere Wucht,
Der Reiter ledig, rannten
Die Ross' in scheuer Flucht.
Beim Schmettern der Trompeten
Manch Helmbusch niedersank;
Der Herr von Sattelstetten
Gewann den ersten Dank.
In Harfenspiel und Tänzen
Verrann die frohe Nacht.
Als Flur und Wald mit Glänzen
Betaut des Morgens Pracht,
Sah man den Sieger schwingen
Die Schöne, früh erweckt,
Auf's hohe Roß; mit Ringen
War ihre Hand bedeckt.
Sie ritten an der Saale
Bei leisem Wellenschlag:
"Du schwiegst beim lauten Mahle,
Was drückte dich, o sag?
Kann meiner Lust kaum wehren —
Du blickst so freudenleer;
Trägst du an deinen Ehren,
An meinem Ruhm so schwer?"
Sein Schelten war verloren —
Die Dame hob den Blick:
"Du hast es selbst erkoren,
Nun trage dein Geschick.
Als du mich an die Schranken
Als Kampfespreis gebracht;
Der Küsse, die wir tranken,
Hast ihrer du gedacht?
Den Rand des reinen Bechers,
Den du entzückt geleert —
Der Gierde jedes Zechers
Hast du ihn zugekehrt.
Dein einsam Lager suche
Beim Wilde, roher Mann,
Verfolgt von meinem Fluche,
So lang ich atmen kann."
Den Falken warf sie heftig
Von ihrer weißen Hand,
Den Zelter spornt sie kräftig
Seitab in's off'ne Land.
Der Falk auf breiten Schwingen
Schwand in der Lüfte Blau,
Kein Tag wollt' wieder bringen
Die tief gekränkte Frau.
Es liegt ein Schloß gebrochen
Auf grünem Wiesenplan;
Wand'rer und Jäger pochen,
Wird keinem aufgetan.
Einst mocht es Müden frommen, —
Ein Ritter wohnte hier,
Der ist nicht wieder gekommen
Vom Merseburger Turnier.
Die schöne Zöllnerin
Über Dach und Türe hängen
Grüne Reben tief herein,
Auf der kleinen Schwelle blühen
Silberweiße Röselein.
Um das Fenster grüne Ranken,
Feuernelken und Jasmin,
Durch die hellen Fensterscheiben
Schaut die schöne Zöllnerin.
Es erfreut doch jeden Wand'rer,
Der hier eintritt in die Stadt,
Daß die Zöllnerin am Tore
Schöne blaue Augen hat.
Es erfreut doch jeden Wand'rer,
Der hinauszieht in das Land,
Wie um ihren Busen flattert
Ihrer Locken gold'nes Band.
Also sitzt sie an dem kleinen
Tore meiner Vaterstadt;
Um ihr holdes Antlitz schwanken
Blume, Blüt' und Rebenblatt.
Lenz und Sommer sind vorüber
Und die Blumen welken hin. —
Einmal vor den Wintertagen
Möcht ich noch zur Heimat ziehn.
Lenz und Sommer sind vorüber
Und ich schulde noch den Zoll,
Den ein jeder Mann der schönen
Zöllnerin entrichten soll.
Das Mädchen in der
Hafenschenke
O wehe, daß ich nur mit Klagen
Und nur mit Tränen denken darf,
Wie jenes Schiff, das ihn getragen,
In uns'rem Hafen Anker warf.
Ich saß am Fenster spät, es waren
Mein Herz, und Land und Meer in Ruh';
Da kam er an den Strand gefahren
Und sprach in uns'rer Schenke zu.
Er grüßte mich mit holdem Nicken —
Erst hab ich scheu mein Aug gesenkt,
Bald aber mit erhellten Blicken
Den reinen Wein ihm eingeschenkt.
Ach, er verstand mich gut und gerne!
So oft die Sonne sank in's Meer,
Erschien er wie die andern Sterne
Und schwebte auf den Wogen her.
Sein Haupt, das oft bei Sturmestoben
Geschaukelt wildempörte Flut,
Hat kaum von leisem Hauch gehoben,
Auf meiner Brust so weich geruht.
Wie stille lag er, zu belauschen
Mein süßes Singen durch die Nacht;
Sonst hört er nur die Wellen rauschen
Und wie das Takelwerk erkracht.
Er sprang in's Boot — mit Küssen schied er —
In's Boot, das an dem Strande lag;
In meinem Herzen hallte wieder
Von seinem Ruder jeder Schlag.
Einst war ich sorgenlos entschlafen
Und wurde froh am Morgen wach —
Da segelte aus uns'rem Hafen
Sein Schiff — ich sah ihm weinend nach.
Zu laden hat es ihn getrieben
Des Glückes eine reich're Fracht,
Doch wer ein Herz besaß voll Lieben,
Der wird nicht reicher mehr gemacht.
Von Neuem gibt er sich den Winden,
Von Neuem preis dem Wellentod,
Auf offner See das Glück zu finden,
Das ihm der sich're Hafen bot.
Die treue Gräfin
Es ritt der Graf mit seinem Knecht
Am grünen Donaustrand,
An seines Panzers Stahlgeflecht
Preßt er die tapfre Hand:
"Mein Knecht! mir ist das Herz so schwer,
Als säh' ich meine junge Frau
Auf Erden nimmermehr."
""Die schönste Witwe in dem Reich
Wär' eure junge Frau;
Sie ist so blond, so freudenreich,
Ihr seid so ernst, so grau.""
"Dein junger Mund gar töricht spricht,
Was blondes Haar! was graues Haar!
Das kennt die Liebe nicht."
""Das denkt sich süß — das schöne Weib —
Es glüht mein Herz voll Lust!
Der Satan nehme Seel und Leib,
Schwelg ich an ihrer Brust.""
"Gott straf' dein Herz du frecher Tor!
Vergaßest du mein blankes Schwert
Und bangt dir nicht davor!"
""Ich scheute nie ein blankes Schwert,
Da seht das meine bloß!
Wie kühn durch euer Herz es fährt —""
Ein Blutstrom niederschoß.
Der Graf vom Pferde sank und sprach:
"Was blondes Haar! was graues Haar!
Die Lieb' fragt nicht darnach."
Wie flog der Knecht dahin, wie flog
Im Wind sein blondes Haar;
Die Gräfin sich vom Söller bog:
"Du bringst mir Kunde dar.
O sprich, mir ist das Herz so schwer,
Als säh' ich meinen edlen Herrn
Auf Erden nimmermehr."
Da streicht der Knecht sein Haar zurück,
Die blonde Lockenpracht:
""Ich schlug den Herrn mit Mut und Glück,
Und hab euch frei gemacht.
Ihm küßt der Raben dunkle Schar
Den welken Mund, es spielt der Sturm
Mit seinem grauen Haar.""
"Das edle Herz voll Sangespracht,
Die Heldenherrlichkeit
Hinabgestürzt in Grabesnacht,
So unerreichbar weit!
Verflucht dein Arm, verflucht dein Mund
Was blondes Haar! was graues Haar!
Wär das der Liebe Grund?
Laßt mich zum Donaustrand hinab
In die verschwieg'nen Au'n,
Dort will ich über's frische Grab
Ein stilles Kloster bau'n.
Gib Gott mir deiner Gnade Schein
Und laß — bis wieder lacht der Mai,
Mein Herz gebrochen sein!"
Abschied Heinrich IV.
von Gabrielle
d'Estrées
Schon zieht's an deiner Schwelle
Vorbei mit gleichem Schritt,
Mein Heer ist's — Gabrielle,
Wie schwer ist dieser Ritt!
Rührt auch mein Fuß den Bügel,
Mein Herz bleibt doch zurück,
Faßt auch die Hand den Zügel,
Ich halte nicht mein Glück!
Schon flattern meine Fahnen,
Die Lilien zart und keusch,
An dich nur wird mich mahnen
Ihr seidenes Geräusch!
Was nützt die Welt dem Krieger,
Die ihm zu Füßen liegt?
Was frommt der Sieg dem Sieger,
Den du schon längst besiegt?
Was kann mein Kämpfen taugen,
Gewänn' ich Reich an Reich,
Die Herrschaft deiner Augen,
Nichts ist an Macht ihr gleich!
O Stern, den ich verlasse!
O Herz, von dem ich muß!
Bescheine meine Straße,
Bewahre meinen Kuß!
Wenn Spanien hat geboren,
Die mich durchbohrt — die Hand,
Wenn ich die Schlacht verloren
Am fernen Ebrostrand;
Wenn dumpf die Hörner klagen,
Auf's Grab mir sinkt die Nacht;
Dann sei vom Wind getragen,
Die Kunde dir gebracht:
"Dein König ist gestorben,
Der weinend von dir zog;
Nichts hat sein Schwert erworben,
Was ihm dein Herz aufwog.
Den Degengriff so helle
Küßt er nach altem Brauch:
Frankreich und Gabrielle —
Das war sein letzter Hauch."
Die wunde Braut
Graf Friedrich ritt so rasch und kühn
Mit seiner Braut durch Waldesgrün:
"Wollt freundlich diesen Düften
Den seidnen Schleier lüften."
""Gar einsam ist der Forst zur Stell',
Geliebter Graf — ihr trabt so schnell!
Der Herrn, die uns begleiten,
Mag keiner uns erreiten.""
"Vergeßt den Troß, geliebte Braut,
Auf meine Lieb' und Kraft vertraut
Und auf mein Schwert, das breite,
An meiner linken Seite."
Er hielt den Zaum, hob sie vom Roß,
Vom Antlitz ihr der Schleier floß;
Sie lag von Liebe trunken,
An seine Brust gesunken.
Als er sie küßte unverwehrt,
Fuhr' aus der Scheid' sein breites Schwert
Und wie der Blitz der Lüfte
In ihre weiße Hüfte.
""O weh, der unbewachten Stund'!
O weh, jetzt bin ich todeswund,
Muß nun mein Blut vergießen,
In diese frischen Wiesen.""
Der Graf trug Wasser in dem Hut,
Zerriß, zu stillen ihr das Blut,
In übergroßem Leide
Sein Kleid von Gold und Seide.
Er hob sie seufzend auf das Roß,
Inzwischen naht sein stolzer Troß,
Und wieder ging es munter
Den wald'gen Hang hinunter.
"O schöne Braut, Ihr sitzt so laß,
Ihr seufzt so schwer, Ihr seht so blaß!"
""O Herr, sagt Euren Leuten,
Daß sie gemachsam reiten.""
Die Herren ritten nun gemach,
Doch einer leis' zum andern sprach:
"Sollt' ich ein Bräutchen haben,
Das müßte lustig traben."
Sie kamen bald zum Waldes Rand,
Da lag des Grafen reiches Land,
In Gärten mitten drinnen
Erhob sein Schloß die Zinnen.
"Kommt! Meine Mutter war bedacht,
Zu rüsten stolzer Feste Pracht."
""Was man auch dort gerüstet,
Zu schlafen mich gelüstet.""
"Gar stolz ist meine Mutter. Rafft
Empor des Herzens letzte Kraft,
Ihr heut Bescheid zu tuen,
Dann könnt Ihr immer ruhen."
""So will ich stark und fröhlich sein,
Und niederringen meine Pein;
So will ich noch im Sterben
Ihr stolzes Herz erwerben.""
Und als sie ritten durch das Tor,
Da trat die alte Gräfin vor
Bei gold'ner Fahnen Wallen,
Bei Festdrometten-Schallen.
"Mein einz'ger Sohn, so frisch und traut,
Wie abgelebt ist deine Braut!
Wie ihre Rechte zittert —
Ihr Kleid ist ganz zerknittert!"
Sie traten in den hellen Saal,
Da stand in Goldgeschirr das Mahl,
Man sah mit Blumenkränzen
Man die Pokale glänzen.
"Mein Sohn, die hat ein welk' Gesicht!
Ich reich ihr Wein, sie trinkt ihn nicht,
Ich bot ihr Obst und Kuchen,
Sie will kein Stück versuchen.
Nun greift zur Fiedel, Geiger streicht
Den Tanz der Freudesatten. Weicht
Zurück — wir wollen sehen,
Wie viel sie mag verschmähen."
Die Braut kein Wort vernommen hat,
Und als er sie zu tanzen bat,
So sprach sie zu dem Grafen:
"O laßt mir leuchten schlafen!"
Da rief die Alte zornesrot;
"Das bringt mein Haus in Schand und Not!
Darf eine Braut in Ehren
Zu Bette laut begehren?!"
Die Braut sich hob in großer Qual,
Sie wankte grüßend aus dem Saal,
Zwölf schöne Edelknaben
Ihr vorgeleuchtet haben.
Und als man sie zu Bett gebracht,
Sprach sie: "O Graf, nur diese Nacht
Laßt mich als Jungfrau liegen,
Will mich dann allzeit schmiegen.
Wenn Gott mir schenkt mein Leben jung,
Soll dienen Euch mein Leib genung.
Daß Gott ihn Euch behüte
In immerfrischer Blüte."
Der Graf hielt ihre kalte Hand,
Sie kehrte das Gesicht zur Wand;
Mag keinem je auf Erden
So trübe Brautnacht werden!
Als zu der alten Gräfin drang
Der Morgenglocke erster Klang,
Rief sie die Edelknaben:
"Bringt her die Morgengaben.
Hin zu der überreifen Frucht,
Ich lehre sie, was Sitt' und Zucht;
Zerwühlen will der Losen
Ich ihrer Brautnacht Rosen!"
Doch als die Gräfin zu ihr kam,
Die Braut kein übles Wort vernahm;
Da war sie schon verschieden
In Gottes Namen und Frieden.
Es leuchtete in sanftem Schein
Ihr hingeströmtes Blut so rein,
Wie von der Weste Kosen
Umhergestreute Rosen.
Falkenstein
Es ritt der Herr von Falkenstein
Im blanken Eisenkleide:
Wen führt er an dem Sattelknopf
Gefesselt durch die Heide?
Die Ranna rauscht, der Falkenstein
Grüßt durch die schwarzen Föhren,
Da stürzt ein Fräulein aus dem Wald,
Der Sieger muß es hören.
"Seid ihr der Herr von Falkenstein,
So steht und laßt euch grüßen,
Gebt den Gefang'nen mir zurück,
Den Vielgeliebten, süßen."
""Und wär er euch noch Eins so süß —
Mir ist er worden sauer,
Und fester hält als euer Arm
Ihn meines Schlosses Mauer.'"'
"Wollt ihr, daß er verderben soll
In euren feuchten Mauern,
So will ich an dem Gitter stehn
Und will ihm helfen trauern."
Doch als sie an das Gitter kam,
Da lag ihr Lieb' schon drinnen:
"O daß ich dir nicht helfen kann,
Das bringt mich noch von Sinnen!"
""Zieh heim in mein gebroch'nes Schloß
Und wähle den Genossen,
Der neu dir baue Burg und Glück —
Mein Stamm treibt nicht mehr Sprossen.""
"Ich nehme keinen andern Mann,
Daß müßt ich stündlich büßen:
So oft ich um dich weinen wollt',
Er käm' — ich sollt ihn küssen."
Dem jungen Herrn von Falkenstein
Will's Schlafen nicht gelingen:
""Ich höre schon die halbe Nacht
Ein wunderbares Klingen.
Es atmet Duft das ganze Tal,
Gleich in den Frühlingstagen,
Und hör' ich nicht vom Fluß herauf
Die Nachtigallen schlagen?""
Er schaut in's stille Tal hinab —
Das sind nicht Nachtigallen:
Das Fräulein an dem Gitter kniet,
Sein Klagen hört er schallen.
"Ach wenn ein Fräulein reiten könnt'
Mit Rittern und mit Knechten,
So müßt' der Herr von Falkenstein
Noch heute mit mir fechten."
""Zart Fräulein traut, das tu' ich nicht,
Das brächt' mir ewig Schande;
Nehmt euren Liebsten bei der Hand
Und führt ihn aus dem Lande.
Was nützten Schild und Harnisch mir,
Was meine besten Klingen;
Ihr habt Gewalt, mein tapfres Herz
Mit einem Wort zu zwingen.""
Den Schlüssel warf er von dem Rand,
Ihr Küssen konnt' er hören,
Und sehn ihr flatterndes Gewand
Verschwinden in den Föhren.
""Er kam verwundet und besiegt,
Und sieget und gesundet —
Ich kam als Sieger heim und bin
Gefangen und verwundet!""
In's Kloster gehen
1.
Eine junge Magd in Eile
Ging, es graute kaum der Tag,
Zu dem alten Frauenkloster,
Das im tiefen Walde lag.
In den stillen Eichenhallen
Wachte schüchtern auf das Reh,
Denn das Mettenglöcklein tönte
Hell herüber von dem See.
Aus des Ufers Schilf und Binsen
Trat sie in den schwanken Kahn,
Trieb' ihn mit zufried'ner Ruhe
Auf dem grünen Wellenplan.
"Ach mich ängstigte der Tage
Bunt Gedränge, heißer Lauf,
Nehmet ihr nun, kühle Mauern,
Die erschöpfte Pilgrin auf.
Dir o Jesu, da die heimlich
Kluge Flucht mir wohl gelang,
Nah' ich heute bräutlich dürstend,
Nimm mich liebend in Empfang.
Leg' den Arm um meinen Nacken,
Den kein Hold'rer je umwand.
Deine Wunden laß mich küssen,
Statt entbrannter Lippen Rand.
Keine Töchter, die verglühen
Früh in Lieb und Liebesleid,
Lilien will ich Dir erziehen
In der Unschuld reinstem Kleid.
Statt der Söhne, eigenwillig,
Voller Wildheit, Stolz und Hohn,
Will ich Rosen zieh'n und flechten
Dir in Deine Dornenkron.
Laß mich still und schuldlos leben,
Wie ein Blatt in Waldespracht,
Unvermißt im Herbste sterben
Vor dem Froste einer Nacht;
Doch dem Frommen bleib' des
Froh'ste Miene zugeneigt,
Der in diese heil'gen Schatten
Mir die Wege hat gezeigt."
Auf der moosbewachsenen Schwelle
Zog sie an dem Glockenring;
Die Äbtissen in der Halle
Mit den Schwestern sie empfing.
In dem Schein der Kerzen strahlte,
Kreuz und Insel und Ornat —
Also fuhr die Magd zum Kloster
Ohne ihrer Mutter Rat.
2.
"Gott geb' ihm ein verdorben Jahr
Der mich zur Nonne machte,
Mich um mein langes goldnes Haar
Die goldne Freiheit brachte.
Wenn ich im Chor bei kalter Nacht
Oft plappre meine Metten,
Dann ist's als ob mich Arme sacht
Hinab gezogen hätten.
Und Kuß auf Kuß, und du und du —
Die Sinne ganz zerfließen;
Da schlagen sie die Bücher zu
Und klappern mit den Schließen.
3.
Du Glocke schrill und gellend
Bei Gott seist du verklagt,
Viel Träume süß und schwellend
Hast du mir weggejagt.
Ich reibe mir die Augen
Und tappe nach dem Chor;
Was kann das Singen taugen.
Es schlafen Geist und Ohr.
Es merkens wohl die Alten
Und schau'n mich sauer an —
Kann kaum den Wunsch verhalten
Hätt' ich einen jungen Mann!
4.
Ich bin einmal gefahren
Wohl auf wohl ab den Rhein,
In bang verblühten Jahren,
Nun fällt's mir täglich ein.
Da hört' ich Lauten schlagen,
Hier ritt ein Junker stolz,
Dort zog der Jäger jagen
Mit Hunden in das Holz.
Bei Römern voll und klingend
Manch' seliges Gesicht,
Studenten zogen singend
Am Strom im Abendlicht.
Durch dieses Buches Blätter
Mein junges Aug' nun reist —
Propheten, Kirchenväter
Kahlköpfe, kaum beeist!
Ich höre gold'ne Glocken
Vom Rhein herauf so hell —
Ich sehe gold'ne Locken —
Willkommen guter Gesell!
In's Wasser mit dem Buche!
Hinunter an den Rhein!
Wohl auf, Wohl ab, ich suche
Den Allerliebsten mein!"
Auf Helgoland
Die See geht hohl, die Wasserwüste
Bebt von des Windes wilden Schlägen;
Die Fischerin sitzt an der Küste
Und ihres Lebens Glanz und Segen
In ihrem Schoße ruht: ihr Kind.
Ihr Gatte ist bei Sturm und Wind
Auf der See.
Die Mutter schützt den Schlaf des Kindes
Mit ihrem weißen Regentuche.
Als blätterte die Hand des Windes
In des Geschickes altem Buche,
So rauschen breite Wogen hin;
Sie liest des Kindes Zukunft drin
Auf der See.
"Dein Vater mäht nicht grüne Wiesen,
Er baut nicht goldne Weizenfelder;
Jagt er die wilden Wasserriesen,
Sind grüne Wogen seine Wälder.
Du mußt einmal hinaus wie er,
Dann wirft der Sturm dich hin und her
Auf der See.
Der Wogen wilde Wut zertrümmert
Das volle Boot und stürzt von Rande
Den kühnen Fischer, unbekümmert
Ob Liebe seiner harrt am Strande.
Was bleibt uns dann? Im Windgebraus
Ein kalter Herd, ein leeres Haus
An der See."
So spricht sie still, und Tränen rollen
Auf ihres Kindes Antlitz nieder.
Das schlummert sanft. — Die Wellen grollen.
Der Sturm prüft rauschend sein Gefieder
Und fern, bedräut von Sturm und Riff,
Wird sichtbar jetzt des Vaters Schiff
Auf der See.
Mailied des
betrogenen Mädchens
Blau die Augen, drüber hangen
Meine Locken blond und lind —
Ach! daß meine jungen Wangen
Schon so bleich wie Lilien sind!
Blau der Himmel, drunter fliegen
Blonde Wolken leicht dahin —
Doch wie sie dem Winde schmiegen,
Kann sich leider nicht mein Sinn.
Ob auch Vöglein heimwärts kehren,
Da es wieder Frühling ist,
Kann mich doch ihr Sang nicht lehren,
Wie man alte Lust vergißt.
Nicht dem Wald mag ich vertrauen,
Voller Liebe, voller Scherz —
Rehlein aus den Büschen schauen —
Ach! was wissen die von Schmerz!
Veilchenaugen, Rosenblicke —
O mein Garten bunt und lieb,
Deine Freudengrüße schicke
Dorthin, wo noch Liebe blieb.
— Wo sich an der Kirchenmauer
Dehnt der Gräber lange Reih',
Ruht im Sternenlichte lauer
Frühlingsnächte still der Mai.
Schmückt mit Blütenpracht den Flieder
Und mit Rosen jede Gruft,
Während Nachtigallenlieder
Leuchtend fallen aus der Luft.
Ach! in diese stillen Räume
Führe Frühling mich hinein,
Und in deine Blütenträume
Hülle deine Tochter ein!
Tapete
aus den Zeiten Ludwig XIII.
Die Figuren der Tapete
Fangen plötzlich an zu leben.
Heine.
"Noch einmal zeigt der Abend
Die Stadt in gold'ner Pracht —
O Scheiden, bitt'res Scheiden,
Wer hat dich doch erdacht? —
Ach, jenes stattlich alte Haus!
Dort lebte jede Wand,
Und jeder Stuhl vergnüglich
Auf blanken Beinen stand.
Im Hof die fetten Hühner —
Der Brunnen laut und klar —
Daran die lichte Küche —
Sie duftete so rar. —
Am Herd die Tochter meines Herrn,
So reinlich und so rund —
Ich hab' sie kochen sehen
So manche liebe Stund'.
Die besten Bissen heimlich
Behielt sie mir zurück,
Der Zwinger hinterm Hause
Verbarg das stillste Glück.
Dort ist der Giebel, dort der Schlot!
Nun rechtsum mit Gewalt, —
Nimm auf mich armen Schreiber,
Du wilderfüllter Wald."
Er schritt verschlung'ne Pfade
Zur Wiese breit und schön,
Da brach aus Buchenwänden
Die Jagd mit Hörnergetön.
Voran der Hirsch, dann buntgemischt
Bald Junker und bald Hund,
Dann die Prinzessin, lächelnd
Mit ihrem frischen Mund.
""Mich dürstet sehr. — He, Schreiber!
Nimm deine Laute — sing!
— Der Bursch hat schöne Locken —
Da fang dir diesen Ring.""
Sie warf sich in das grüne Gras,
Sie trank den kühlen Wein;
Der Schreiber sang recht helle,
Da brach die Nacht herein.
""Hübsch ist der ganze Inhalt
Da — deines Liederbuchs;
Hübsch ist auch deine Stimme,
Dein Auge und dein Wuchs.
Ich nehme dich in meinen Sold
Als Diener meines Winks;
Auf schwinge dich zu Pferde
Und reit' mir nahe links.""
Sie kamen an im Schlosse
Tief in der lauen Nacht,
Da starrten Gold und Marmor,
Da wallte üppige Pracht.
Prinzessin speiste im Klosett
Ganz mutterseelen allein —
Ihr neuer Page reichte
Ihr Wildbret, Fisch und Wein.
Sie nahm's Barett vom Haupte,
Die Locken quollen reich;
Den Pagen hieß sie singen,
Er sang wehmütig, weich.
Er saß am Boden, angeschmiegt
An ihren schlanken Fuß,
Da neigt die Hohe sich, und schreckt
Sein Blut mit heißem Kuß.
Vorüber Nacht und Morgen —
Der Abend kühlt die Au;
Es harrt in Gold und Seide
Der Page seiner Frau
In eines Gartens Tulpenpracht,
Die Laute in der Hand:
"Wie bin ich doch geraten
In dieses Feenland!?
Ich denke hoch und fühle
So tief, im Spiegel schreckt
Mich's Licht der eig'nen Augen —
Wer hat es angesteckt?
Du stehst am Herde fern und kochst,
Gertrud, ich werde toll! —
O könnt' ich dir jetzt weinen
Die Küchenschürze voll!"
Königin Dagmar
Es blüht das weite schöne Land,
Die See ist glatt und helle;
Der König durch das Fenster schaut:
"Wer sprengt heran so schnelle?
Das ist der Knapp der Königin,"
— Seufzt er vor Bang und Wehen —
"Hilf großer Gott im Himmelreich,
Wie wird es ihr ergehen!"
""Die Königin liegt in Rippen krank,
Wohl pflegen sie Dänemarks Frauen,
Nur Gott schickt seine Hilfe nicht —
Es erwarten sie Ringsteds* Auen.
*Aus Seeland, wo die Königsgräber sind.
Sie schickt mich Euch, wie Falkenflug
So schnell bin ich geritten —
Sie möcht' Euch sterbend danken Eins,
Und Eins noch möcht' sie Euch bitten!""
Der König schwingt sich auf sein Roß,
Der Ritter folgen ihm sieben,
Doch als er kommt zur Grinstedsbrück,
Sind sechs zurückgeblieben.
Und als er kommt auf die Randboldheid,
Folgt ihm von fern ein Reiter,
Und als er hält auf der Ripenerbrück,
Da ist er ohne Begleiter.
Er kommt in's stille Frauengemach,
Er sah mit tiefem Leide,
Die Königin gestorben war,
Als er noch ritt auf der Heide.
"Ihr edlen Frauen von Dänemark,
Ich bitt' Euch all' und jede,
Sprecht eine tröstliche Bitte für mich,
Daß sie Einmal noch mit mir rede."
Da sprachen sie ein stark Gebet;
Die zarten Augenlider
Frau Dagmar schlug sie zögernd auf,
Erhob sich traurig wieder.
"Schon schwebt ich nah an Gottes Thron,
Durchschaute der Menschen Gedanken:
Es lebt in dir — o König — nichts,
Wofür dir ein Mund soll danken.
Doch bitt' ich Eins — das Danebrog
Laß wieder nach Norden wallen,
Den deutschen Männern den Frieden gib,
Der Gefangenen Ketten laß fallen.
Wer aus dem Jenseits wiederkehrt,
Wer sah des Vergelters Walten,
Der schenkt den Königen gold'nen Rat,
Wenn er sie heißt Frieden halten.
Die Warnung durft ich bringen dir
Aus Gottes großer Gnade;
Nun wende dein Roß von deutscher Flur,
Dein Schiff von deutschem Gestade.
Ich sehe dein Reich — von Wogen begrenzt —
Aufblühen, erzittern, versinken —
Des Himmelreichs Glocken läuten nach mir,
Und die blonden Engel — sie winken!"
Eine Braut stirbt
In dem Golfe von Neapel,
An der Aqua Solforea
Steht die kleine Fischerhütte,
Überdeckt von Rebengrün;
Hinter ihren Fenstergittern,
Wie die schöne Galatea,
Liegt ein blasses, krankes Mädchen,
Eine Rose im Verblüh'n.
Herrlich ist der Sommerabend,
Voller Flaggen weht der Hafen,
Schiffe, laut und reich befrachtet
Liegen da aus jedem Land.
Reges Treiben auf dem Molo —
Doch die Kranke scheint zu schlafen,
Abendwinde durch das Fenster
Kühlen ihres Fiebers Brand.
Endlich öffnet sie die Augen,
Auf das blaue Meer zu schauen,
Das in stiller Freude aufwogt
Wie voll Liebe eine Brust.
Und sie klagt: "Ach den falschen
Wellen soll man nie vertrauen,
Nie von wechselvollen Winden
Hoffen seines Lebens Lust!
Mein Verlobter nach Livorno
Unter Segel ist gegangen,
Windesstille auf der Heimkehr
Hält sein Fahrzeug auf.
Wehe mir! ein böses Fieber
Hält im Hause mich gefangen;
Eh' er in den Hafen segelt,
Löst mein armes Sein mich auf!
Wenn ich sonst am Molo harrte:
Von Sorentos Höhe grüßte
Schon sein Segel, weiß und glänzend,
Und mein Herz voll Wonne schlug.
Capri war so schnell umfahren,
Ischias rebenreiche Küste,
Und zu meinen Küssen strebte
Seines Schiffes leichter Flug.
Duftende Orangenbäume
Die am Ufer draußen stehen —
O wie habt ihr mild beschattet
Uns'rer Liebe süßes Spiel!
Jenen stillen Freuden gelte
Meiner Seufzer letztes Wehen,
Aus sind meine Blütentage
Und ich stehe jetzt am Ziel.
Heller steigt die Mondessichel
Aus den dunklen Lorbeerhainen,
Und die Sonne, still verglühend,
Sinkt hinunter in die Flut.
Auch mein Herz voll Sonnenfeuer
Einer Liebe, einer reinen,
Wird es bald erfahren haben,
Wie sich's in der Tiefe ruht."
Horch! da klingt ein Silberglöckchen
Denn der Priester naht, beschieden
Von der Mutter, von dem frommen,
Von dem gramgebeugten Weib.
Auf der Stola Gold und Flitter,
Auf dem Antlitz Ernst und Frieden,
In den alterschwachen Händen
Tragend Jesu Christi Leib.
Spricht die Kranke: "Selbst der Heiland
Kommt zu mir in letzter Stunde,
Nur den Liebsten muß ich missen —
Nahe mir, ich denke dein!"
Eingetreten ist der Priester,
Segnet sie mit leisem Munde;
Doch sie kann das Aug' nicht wenden
Von des Meeres Purpurschein.
Aber auf den stillen Fluten
Will kein rasches Schiff erscheinen,
Trostlos dehnen sich die leeren
Wogen aus in glatter Ruh.
Leise, leise weint die Kranke,
Weint und seufzt und stirbt. Vernichtet
Drückt die arme alte Mutter
Ihr die dunklen Augen zu.
— Auf Civita-Bechias Höhe
Liegt ein Fahrzeug unbeweglich;
Windesstille, seine Segel,
Seine Flaggen sind gesenkt.
Alle Passagiere leiden
Langeweile unerträglich,
Nur der Kapitain, der junge,
An sein fernes Liebchen denkt.
"Wär' ich bei dir Margherita
Unter den Orangenbäumen,
Wo du jetzt voll Sehnsucht sitzest,
Harrend meiner Wiederkehr!
Doch der Wind ist unsern Wünschen
Nicht zu Willen, und nur träumen
Kann ich mir dein dunkles Auge,
Das hinausschaut auf das Meer."
|