Blumen und Dornen aus geselligen Kreisen
Enthusiasmus
Alles spielt, nur Einer steht und schaut in den Abend; —
Wunderschön, mein Herr! "Ja, und auch morgen wird's schön!"
Der Eifersüchtige
Sitzen läßt er das Fräulein und, tändelt galant mit den Damen,
Nah't sich ihr aber ein Mann, hu! da schnaubt er vor Wut.
Der Stumme
Was soll ich sprechen mit euch? soll ich euch langweilen und
mich auch!
Nein, ich schweige, und euch will ich langweilen, nicht mich.
Ästhetischer Cercle
Wahrlich! das hebt die Literatur, sie besprechen sich,
schreiben,
Lesen dann vor, und man lobt Jedem nur das, was — er las.
Sentimentalität.
"Sonnenaufgang, wie schön! alle Tage möcht' ich ihn sehen."
""Da hör' das liebliche Kind!"" – "Freund, Ungesehenes reizt."
Bei einem Soupe
Delikatessen genug, doch wenig Delikatesse,
Fein sind die Weine, und doch leidet der Magen dabei.
Nach der Gesellschaft
"Dunkler glühte ihr Aug', es glühte röter die Wange;
Was sie sich da wohl gedacht!?" Nichts, Freund, aber sie sprach.
Gartenassemblée
Weiß ist der Blütenschmuck, die Lilie ist weiß und die Damen,
Und die Natur ist so weiß, ach! nur die Herrn sind — schwarz.
Toleranz
Tolerant sein ist leicht gegen Jeden, doch tolerant sein
Gegen die Intoleranz, das nenn' ich erst tolerant.
Vom alten Grafenhaus
Es war ein uraltes Grafenhaus,
Ein adlig'res gab's nicht landein, landaus;
Seit alten, undenklichen Zeiten schon
Stand der Altgraf des Hauses zunächst dem Thron'.
Und im Stammbaum, auf Pergament gemalt,
In großer, gold'ner Schrift es strahlt,
Daß jeder aus ihnen, von Ahnherrn gezählt,
Ein ebenbürtig Fräulein zum Gespons gewählt.
Auf der Stammburg oben im Ahnensaal,
Reih'n Bilder im Kreise sich ohne Zahl,
Je ein Graf mit der Kron' mit elf Perlen geziert,
Eine Gräfin je, schlank in Gold geschnürt.
Im Samtkleid des Kanzlers prangt dieser und trägt
Die Stirn in sinnige Furchen gelegt,
In Eisen starrt jener, das Feldherrnschwert
In gewaltiger Rechte, des Sieges wert.
Der trägt die Perücke, der Locken wie Gold,
Dem sprüht es vom Auge, der blickt so hold,
Doch hinab und hinauf aus jedem Gesicht'
Derselbe Zug seltsamer Schwermut bricht.
Doch die Dame daneben im Prunkgewand',
Mit Spangen aus Gold und Rubinen umspannt,
Wirft die Lippe so stolz und befriedigt empor,
Lächelt adelig fein aus dem Rahmen hervor.
Ei, was seid ihr nicht glücklich, was ist euch nicht recht,
Seid doch aus dem ältesten, reichsten Geschlecht',
Zur Seite jedem ein schönes Gemahl
Aus dem ältesten Hause, die eigene Wahl!
Jede Braut, die sich einer der Grafen erkürt,
Wird hinauf in den Saal zu den Bildern geführt,
Der Reihe nach blickt sie auf jedes Gesicht,
Doch den Zug voll Schwermut merkt sie nicht.
Und auf Robe und Ärmel ruht prüfend der Blick,
Denkt belächelnd auf uralte Mode zurück,
Schaut den Goldstoff an und die Spitzentracht,
Des Demants Feuer, der Perle Pracht.
Nun steht sie unten am Ende der Reih',
Da hängt schon ihr eigenes Konterfei,
Aus Seide das Kleid, schwer mit Gold herum,
Daneben ihr Bräutigam, ernst und stumm.
Und kennst du die Mähr' nicht, hochgräfliche Braut!
Die einst mir ein alter Diener vertraut,
Zu jedem gräflichen Konterfei
Gehören der weiblichen Bilder zwei.
Oft, trat er Nachts in den Saal hinein,
Da sah er schaudernd im Mondenschein'
Auch an des Grafen linker Hand
Ein liebliches Frauenbild an der Wand.
Das war nicht geschmückt wie die Damen rechts,
Man sah's, nicht ad'ligen, alten Geschlechts,
Doch den schmeichelnden Liebreiz der holden Natur
Erhob das Gewand ohne Zierrat nur.
Bleich waren sie Alle die Reihe hinab,
Und ein Kreuz stand darüber, wie auf einem Grab',
Einen Kranz trug jede im flatternden Haar',
Als war' sie geschmückt für die Jungfrauenbahr'.
Und linkwärts starrten der Grafen Zahl,
Als hinge nicht rechts nur ihr ad'lig Gemahl,
Und Blicke verwebten sich leis in Schmerz,
Man sah's, nur die Linke besaß einst ihr Herz.
Die Letzte hatte mein Alter erkannt,
War des Fischers Töchterlein, Lore genannt.
Zum See kam der Graf sonst viel hinaus,
Als er freite, zog man sie jähe heraus.
Der Scheideabend
Wir saßen traulich am Kamin',
Bei lautem Spielgelag',
Sie schaute her, ich schaute hin,
Wie eben alle Tag'.
Ich trieb manch einen kecken Spaß,
Sie lachte oft dabei,
Das Auge war nicht feucht, nicht naß,
Wir schwatzten mancherlei.
Die Karte fiel mir glücklich ab,
Mich liebte Pique und Coeur,
Doch sah ich auf das Coeur hinab,
Ward's mir im Herzen schwer.
Da schlug es neun, still stand ich auf,
Und grüßte rund herum,
Sie wünschten frohen Reiselauf,
Ich dankte Allen stumm.
Sie nahm das Licht, wie stets geschah,
Und trillerte ein Lied,
Da faßt' ich ihre Hand und sah
In's nasse Aug' und — schied.
An *
Leise kam es, wie so Vieles,
Unter Scherz und unter Lust
Stand ich an dem End' des Zieles,
Des Erringens unbewußt.
Und des Glückes schöne Spende
Nannt' ich froh und dankend mein,
Drückte selig dir die Hände,
Und mein ganzes Herz war dein.
Wie gekommen, so vergangen,
Ferne seh' ich wieder dich,
Freude glüht auf deinen Wangen,
Aber, ach! kein Strahl für mich.
Und das Herz will trüb' sich regen,
Alte Wünsche werden wach, —
Sieh', da zieht auf fernen Wegen
Jedes stumm dem Schicksal nach.
Die Schildwache
Über der Landschaft stumm
Lagert die Nacht,
Und kein Lämpchen mehr wacht
In den Häusern,
Und kein Vogel mehr hüpft
Herum
In den Wipfeln,
Der Soldat nur ist wach,
Und geht stumm
Ab und auf.
Dort kommt auch der Vollmond herauf
Über den Wald,
Willkommen, du alter Bekannter —
Sanft und still, wie du bist,
Hab' lang' schon gewartet auf dich,
Nun aber geh'n wir auch gleich zusammen,
Du am Himmel hoch, ich auf Erden tief,
Im muntern Lauf'
Ab und auf!
Hei, Nachtwind, was machst denn du auch schon dabei?
Wer hat denn nur dich gebeten,
Wild und kalt zu uns herzutreten!
Ja, wärst mir nur nicht so ein flinker Gesell,
Da rief' ich bald
Das gewaltige Halt! —
Husch den Mantel hoher herauf,
Und dann wieder ab und auf,
Du aber, Nachtwind, sei mir zu Willen,
Und laß mit dem Mond' mich ein wenig im Stillen!
Wie es Einen so mild anhaucht,
Und sogar so traut
Über Seele und Herz läuft,
Wenn man ein bißchen nur in den Mond schaut,
Da treibt's Einen im Strome der Zeit
Zurück gar weit
In die alten Tage,
In die alte Zeit,
Es wird Einem zu Mut'
So weich und lind,
Man wird so fast wieder ein Kind,
In den Adern schwillt wieder
Das alte, das herzliche Blut,
Und die Weihnachtbäume,
Die lieben Träume
Kehren alle, alle zurück! —
Pfui, alter Knaster! jetzt schäm' dich gleich,
Ich glaube wohl gar, du wirst noch weich! —
Es war doch eine Zeit einmal
Wie Morgenschimmer,
Und das liebe Tal,
Ich vergesse es nimmer!
Und der Kuhreigen, der Flötenklang,
Die Lämmerglocken, der Hirtengesang!
Es tönt mir noch immer
So süß im Ohr'!
Auf der Alpe
Zog ich still
Durch Frühlingwiesen
Und blies die Flöte,
Das Abendrot
Zu grüßen;
Da sprang's bald heraus
Aus dem lieben Haus',
Und wenn der Vollmond hernieder hing,
Franz wohl auf holdere Wache ging.
O, Gretchen! wie denk' ich noch dein so oft,
O, Gretchen! wie denk' ich noch dein!
Im Kanonendonner
Hab' ich dein nicht vergessen,
In Dampf und Feuer
An dich oft gedacht!
Und manche Nacht vor'm Schlafe
Bist du mein Gedanke,
Und da schwillt mir das Herz,
Und da wird mein Sinn
So mild und so still,
Wie zum Beten! —
Wo du nun bist? — wo du nun sein magst?
Ob du denkst noch an Franz —
Manchmal noch! —
Vielleicht unter'm Grün schon —
Gott segne' dich!
Dein Franz steht allein in der Welt! —
Das blaßrote Band da, 's war dein Zopfband,
Hab's getragen immer am Herzen,
Hat manchen Zug mitgemacht mit deinem Franz,
Lag oft an der Brust mir
Wenn die Kugeln sausten
Und jede ein Herz brach; —
Das liebe Band, wie's so bleich schimmert im Mond',
Wie Weiden am Grab',
's kommt auch einmal mit mir hinab! —
Wie, was! auch ihr seid heut' da,
Die ich lange Jahr' nicht wieder sah —
Tränen!
Ja, ja! da steht so eine am Knebelbart' noch! —
Man sollt's nicht meinen,
So ein alter Kerl
Und noch weinen! —
Sei still, Franz! laß fahren!
Stehst ja auch nicht allein, —
Da, da, das Gewehr,
Was braucht so ein alter Kerl denn noch mehr!
In die ganze Welt geht's
Mit dir,
Fällt in's Gras einmal
Mit dir!
Nun aber! Gewehr in Arm!
Und richt' dich in Ordnung, du weiches Ei!
Oder willst vor den Andern weinen,
Die Zeit ist vorbei!
Dort kommt der Korp'ral schon
Mit den Gemeinen; —
Abg'löst! —
Wiedersehen
Ich saß nach manchen Jahren,
Man glaubt nicht, wie schnell sie vergeh'n!
Wieder einmal vor ihr im Sessel,
Wie's einst alle Tag' gescheh'n.
Ich starrte ihr blöd' in die Augen,
Das meine, glaub' ich, war naß,
Die Wange glühte ihr voller, —
Was war sie denn damals just blaß!
Sie sprach von Theater und Wetter, —
Hu, in der Stadt da lernt man den Ton,
Mich hatte das Land verwildert,
So etwas zeigt sich schon.
Nächst saßen idealisch,
Mit ringelnder Lockenflut
Ein Fräulein, zwei Buben, eine Puppe,
Gar eine herzige Brut!
Und hinter der Gnädigen duftend
Stand, was man so nennt, der Gemahl
So zierlich, so lächelnd, so heiter, —
Doch schien er mir etwas fatal! —
Den Fuß trug er streng auswärts,
Die Hand über'm Rockknopf, nah'
Am Jabot eine schimmernde Nadel,
Ich saß recht gemein vor ihm da.
Scheu gafften die Kleinen, verwundert
Auf den fremden, seltsamen Mann,
Wie ein Untier sah'n sie den Kurzrock,
Die wirren Locken an.
Kaum hört' ich mehr, was sie sagte,
Jedoch sie sprach gelehrt,
Wie nie sonst, da hab' ich zerstreut mich
Hinüber zur Puppe gekehrt.
Wohl hab' ich sie etwas unsanft
Vielleicht am Fuße erfaßt,
Es blieb mir so was von dem Quarke
Zwischen den Fingern in meiner Hast;
Toll schrie da die Range daneben:
"Ach, hilf! meine Famon dort,
Mama! ich will ja recht fromm sein,
Schick' nur den Alp erst fort."
Der Herr Gemahl bemerkte
Was recht Spaßhaftes, das Blut
Kam ihr in's Gesicht, ich faßte
Aufspringend meinen Hut.
"Man ist schon als Kind so damisch,"
Fing sie, nun entschuldigend an,
"Sie werden sich selbst erinnern,
Wie wir's einmal getan.
's war eine recht artige Zeit doch,
Die damals uns Beiden entschwand,
Gern' denk' ich zurück noch, — hätte
Die Jugend nur auch mehr Verstand!
"Sie sind ein Dichter, Sie wissen,
Der schöne Mai kehrt nie;"
Ich neigte mich tief: "Madame!
Ich besing' ihn einmal für Sie!"
Ergebnisse
Auf der Promenade
Leuchten des Abends rings durch die Wipfel, und fernher
verhallend
Tönt in das wilde Gewühl friedlich das Abendgeläut,
Aber da horcht kein Ohr, und eitel treibt sich die Menge,
Nur mit gesenkterem Haupt' betet im Stillen ein Greis.
Der Sarkophag als Taufstein
Kind! hier weih'n sie zum Leben dich ein, hier weih'n sie zum
Tod' dich,
Dort erfüllt er sich einst, wo du den Segen bekamst.
Wunder
Wunder verlangt das Volk, und die Sonne steigt und der Mond
scheint,
Ist es nicht Wunder genug, daß es noch Wunder verlangt!
Langeweile
Langeweile! du bist der Göttinnen wichtigste, heute
Treibst du zum Guten das Herz, morgen zum Bösen es an.
An *
"Wahrlich! die Leute um mich sind doch wie echte Insekten!"
Freund, wo ein Leichnam liegt, sammelt sich derlei Geschmeiß.
Landpartien
Landpartien! das ist ein gar ästhetisches Wörtlein,
Fahren, heißt es, aufs Land, essen und trinken im Grün.
Mann — Weib
Oft gibt der Mann seine Kunst, sein Wissen oder sein Handeln,
Aber das Weib gibt sich nur einmal und einig dahin.
Milde
Wenn dich ein Mensch beleidigt, dann denk' ans ewige Scheiden!
O! das Verzeih'n ist süß! Toten vergibt man nicht mehr.
Am Freithoftore
Frisch zu, du wackerer Fuhrmann!
Im lustigen Trabe daher,
Ein herrliches Erntewetter,
Der Wagen vom Segen schwer!
Und Bänder flattern herunter,
So recht nach Schnitterart,
Darüber weht eine Krone —
Lilien und Rosen gepaart.
Viele Leute geh'n an der Seite
Von beiderlei Geschlecht,
Ein Lied wird auch gesungen,
Nur den Text versteht man nicht recht.
Glück auf, du fleißiger Schnitter,
Brav hast du abgemäht, —
In Hoffnung und in Freude
Ward einst die Saat gesä't.
Die schöne Frühlinglerche
Schlug auf ihr Nest darin,
Unkraut und Blumen wuchsen
Still durch einander hin.
Aufquellende Halme wiegte
Des Frühlings kräftiger Hauch,
Viele Freude zog darüber
Und manches Herzweh auch!
An Adonide
Ja, ich liebe dich, Mädchen!
Weil dein Lächeln hold ist,
Wie des spielenden Frühlings Blick,
Weil deine Haare
Üppig dem zierlichen
Knoten entströmen,
Weil deine Lippen
Schwellend und purpurrot glüh'n;
Ja, zur Liebe bist du geschaffen, Mädchen!
Dieser Glieder reizende Wölbungen
Verschlang ein Gott,
Tadellos zum Entzücken,
Dieser Busen
Bläht sich für keinen Seufzer,
Nur die Fülle ruhigen,
Unendlich lieblichen Daseins.
Erfüllung
Bei wie manchem schönen Tale
Kam's mich oft so seltsam an,
Hoffnung sprach mit einem Male:
Hier beschließt sich deine Bahn!
Und das Wäldchen und die Wiesen
Standen längst erwünscht um mich,
Alte Zeit schien mich zu grüßen,
Und die Zukunft wunderlich.
Auch das Haus im frohen Schatten
Schien zu meinem Glück' gebaut,
Und der Sitz auf grünen Matten
Unter Birken war so traut.
Manches Kind mit holden Zügen
Ging die Straße sittig rein,
An dem schönen Herzen liegen
Wollt' ich, ach! und selig sein.
Reine Form rief zu Entzücken,
Schönheit durch sich selbst geweiht,
Anmut lag in Feuerblicken,
Weicher Mund bot Seligkeit.
Und nun kommt es, nett und zierlich
Steht im schönen Tal' das Haus,
Und die Hausfrau, hold, berührlich,
Drängt sich waltend ein und aus.
Birke säuselt für den Müden,
Arme winken ausgedehnt,
Und doch alles so verschieden,
Als ich einst geträumt, ersehnt.
Fragen an Sie
Denkst du noch mein im süßen Blütenschatten,
Denkst du noch mein im kühlen Mondenstrahl'?
Und wallst noch oft durch die bekannten Matten
Zum stillen Quell' hinab in's liebe Tal?
Weilst du noch gerne dort im Blätterdache,
Und weh'n die Erlen noch so ahnungvoll?
Blüh'n die Vergißmeinnichte noch am Bache,
Wo wir geweint das letzte Lebewohl?
Gehst wohl noch oft in traute Waldesfülle
Und weckst den vollen, weichen Lautenklang?
Singst noch die Lieder in der tiefen Stille,
Die Lieder, die dein Freund dir liebend sang?
Trägst du noch ganz die alte Lieb' im Herzen,
Ist deine Lieb', dein Herz noch, wie es war?
Hast du sie nie entweih't durch eitles Scherzen,
Und bist die Meine wohl noch ganz und gar?
Schmückt sie dich noch die schöne Lockenfülle,
Und hast kein Löckchen tändelnd weggeschenkt?
Bist wohl die Alte noch, so fromm und stille,
Die liebend noch des wilden Flüchtlings denkt?
Und hast die blasse Schleife oft genommen,
Die liebe Schleife, die einst ich dir gab? —
Wirst froh an's Herz mir sinken, — werd' ich kommen,
Und führst mich dann, wie einst mein Wanderstab? —
Die zwei Wanderer
Gar still ist's, die Sonne im Unterglüh'n
Küßt die Wipfel zum letzten Male,
Und Mücken schwärmen und Wolken zieh'n,
Die Wachtel lockt fern im Tale.
Wie die Lüfte leise und kosend weh'n,
Tief unten rauschen die Wogen,
Zwei Wand'rer, zwei stumme Wanderer steh'n
Am Hügel, am Stabe gebogen.
Und nach Westen schaut der Eine zurück,
In die stille, versinkende Sonne,
Der And're wendet nach Osten den Blick,
Verklärt in Hoffnung und Wonne.
Zwei Tränen Jedem im Auge steh'n,
Der Eine weint vor Freuden,
Ihm leuchtet am Ziele ein Wiederseh'n,
Der And're muß scheiden, scheiden.
Und nach Westen schaut er, dort unten im Tal'
Da muß er sein Alles verlassen,
Noch sieht er sie winken, zum letzten Mal',
Und kann sie nimmer erfassen.
Nach Ost schaut der And're, heimatwärts
Vor ihm liegt all' sein Hoffen,
Dort schlägt ihm entgegen ein treues Herz,
Dort steht ihm sein Himmel offen.
Die Sonn' ist versunken, sie wenden sich um,
Und bieten sich freundlich die Hände,
Und sinken an's Herz sich schweigend und stumm,
Ihr Abendgebet ist zu Ende,
Und wandern hinein in die Welt nun Beid',
Viel Wand'rer ziehen am Stabe,
Nicht Einer weiß, was sie quält und freut,
Im Herzen tief liegt es zu Grabe.
Der Traum
Nun seit sie ferne, da seh' ich
Sie manchmal im Schlaf' vor mir,
Heut' brachte mich wieder ein böser,
Ein lieber Traum zu ihr.
Sie saß am Sofa, es hielt sie
Ein schöner Mann an der Hand,
Sie war so zärtlich, ich lehnte
Vergessen an der Wand.
Mir wurde so weh', — doch als ich
Erwachte, da dacht' ich doch,
Ach! wär' sie nur hier, und lehnt' ich
Einsam bei Seite noch!
Auf Nimmerwiedersehen
Bin oft von dir gewandert,
Kam aber stets zurück,
Hab' lächelnd dir getrocknet
Den Scheidetränenblick,
Reich' nur die Hand her, Liebchen!
Muß wieder einmal geh'n,
Wein' aus an meinem Herzen
Auf Nimmerwiederseh'n.
Bist mir im Arm' gelegen,
Wie's immerdar sein soll,
Die Stunden flieh'n und kommen,
Was weinst nun drüber toll?
Das Herz möcht' dir zerspringen!
Ei, Närrchen! glaub' es nicht,
Ein Fels kann eh' zerfallen,
Eh' nur ein Herze bricht.
Willst nimmer wieder kosen!
Halt' ein das blöde Wort,
Der Frühling kommt und schmücket
Jeden verlassnen Ort;
Die Laube grünt, es schmachtet
Ein Pärchen, traut gesellt,
Du bist dabei, — ich irre
Wo draußen in der Welt.
Verlorne Zwillingrosen,
Eint oft ein lindes Weh'n,
Doch wir geh'n auseinander
Auf Nimmerwiederseh'n!
Und hab' ich dich geherzet,
So war's auch deine Lust,
Und herz' ich einmal wieder,
Ist's nicht an deiner Brust!
Auf der Alpe
Gottes Morgen, gegrüßt auf stiller, einsamer Alpe,
Wo sein Blumengedüft heilend und süß mich umweht,
Fernab rauscht mir die Welt, ihr unheiliges Treiben und Lärmen,
Und der entzücktere Geist schaut in's Unendlche hin.
In der Burgruine
Mühsam stieg ich umher durch's düst're, alte Gemäuer,
Las manchen Namen und Spruch sinnend an Pfeiler und Wand,
Sieh', und da fand ich den meinen auch, gar sorgsam gekritzelt,
Und ich erbebte vor Lust, ach! es war ihre Hand!
Einsam durchwallte sie hier der Hängebirken Umschattung,
Sah hinunter in's Tal, ach! und hat mein dann gedacht!
Widerhall
Dort drüben zwischen den Bergen
Da liegt ein einsamer Grund,
Riesenstämme, graue Felsen
Steh'n um die Grüne rund.
Dort klingt aus versteckten Klüften
Ein seltsamer Widerhall,
Die Alpenglocken, des fernen
Abendgeläutes Schall.
Alles, was zum Menschenherzen
Weit um in der Runde sprach,
Dort oben klingt es gebrochen
In langen Tönen nach.
Jeder Jubel, jeder Seufzer
Schlägt leis nachhallend empor,
Das Kirchenlied singt auch oben
Ein unsichtbarer Chor.
Oft sitz' ich dort und horche
Fast wie in tiefem Traum',
Der Abend haucht durch die Wipfel,
Ich aber merk' es kaum.
Und seltsam, da hör' ich klingen,
Was nimmer außer mir war,
Ein langes, helles Tönen, Lust —
Wehe durcheinander gar.
Ja, was nur hier im Herzen
Gewebt, das hab' ich gehört,
Was ich geträumt und empfunden,
Ach, was mich so süß betört!
Begegnung
Da drängtest du dich wieder mir entgegen,
Verwegen war der Laune Wunsch und toll,
Fort gingen wir auf weitzerriss'nen Wegen,
Nicht trocknes Auges, aber ohne Groll.
Wahr ist's, dein Frühling lag an meinem Herzen,
Mein Arm umschloß dein ganzes Himmelreich,
Doch rechte nicht! sieh', auf wie viele Schmerzen,
Fällt nie ein Strahl, — und Alle sind wir gleich.
O dieses Herz! oft scheint's so zahm und eben,
Doch kettet sich ein zweites Herz daran,
Da braus't es jäh' und stürmt in irrem Streben,
Der Wildnis Kind, durch Steppen ohne Bahn!
Du bist so bleich, o diese Wangen blüh'ten
Einst roter denn des Lenzes Purpurschein; —
Verwelkt die Augen fast, als sie noch glüh'ten,
Wie sah ich selig und verzückt hinein!
Was soll die Träne noch in deinem Blicke,
Des Vorwurfs bitt'rer Zug um deinen Mund?
Weil ich nicht jammernd rechte mit dem Glücke,
Glaubst du, dies Herz sei drum auch minder wund?
Zwei holde Engel spielen dir am Schoße,
Mein Lebenbaum steht ohne alle Frucht,
Und fühlst du auch die Dornen mit der Rose,
Du fandest dennoch mehr, als du gesucht!
Leb' wohl noch einmal! — seh'n wir uns je wieder,
So wollen wir das traut're Nahen flieh'n;
Der einz'ge Gruß sei der der stummen Brüder:
Gedenk' des Todes! — und uns sei verzieh'n!
Der sterbende Titane
Im Schoße der Mutter lag
Des Uranus Sohn,
Matt und gebrochen hingen die Glieder,
Und der gewölbten Muskeln
Kraft war versiegt.
Über die edlen Züge
Fuhr's nun mit plötzlichem Zucken hin,
Seltsame Verzerrung,
Dem Leben fremd, schuf
Nahend der Tod.
Ernst auf Delta lagerte Zeus,
Mitte aufmerksam still
Auf des ewigen Schicksals Schluß,
Wie das Gebild,
Kunstvoll nach Götterformen erzeugt,
Ringend sich lös't in des Urstoffs
Sinnlose Masse,
Und dem unsterblich ew'gen Gemüt'
Ging der Gedanke vom Tod' auf,
Scheußlich — und Nichtsein.
Aber die herrlich gewandten Glieder
Reckten sich
Nun in mächtiger Länge,
Nun in wilder Verkürzung
Zuckten sie unnatürlich empor,
Das Leben kämpfte und der Tod
Um die schöne, herrliche Beute,
Und mit dem Atem drang es
Sehnsüchtig immer noch einmal
In die urkräftige Brust zurück.
Eilend lenkte
Phöbos Apollon vorüber,
Die Rosse braus'ten
Scheu und unstet dahin;
Und zur Erde schweigend
Trat nun die alte, ratende Nacht,
Hilflos rannen der Mutter Tränen
Über die nahrungsprossende Brust,
Aber die Nacht verhüllte
Mild ihr mit Schleiern das Angesicht.
Der Sternenbräutigam
Wenn leiser des Abends
Die Welle sich bricht,
Im Weiher sich spiegelt
Des Mondes Licht,
Da rauscht es allnächtlich
Durch's Weidicht heran,
Im schwankenden Nachen
Ein einsamer Mann.
Gar bleich sind die Wangen,
Die Augen gar stier,
Er lächelt gar stille
In's Sternenrevier,
Schickt aufwärts viel Grüße,
Und Küsse gar viel,
Und treibt mit den Sternen
Sein heimliches Spiel.
"Ihr weilet wohl lang' schon
Am goldenen Thron,
Und wartet wohl bang auf
Den Bräutigam schon?
Gar bös sind die Leute
Dort drüben im Haus,
Kann heimlich nur schleichen
Zu Liebchen heraus!"
So seufzt er allnächtlich
In's Blaue hinauf,
Läßt frei seinen Nachen
Im schwankenden Lauf',
Es spielen die Wellen,
Sie sind ihm gar gut; —
Einst Morgens da wiegte
Ihn freundlich die Flut:
Neue Liebe
Des Morgens, wenn ich erwache,
Da denk' ich ganz fest bei mir:
Heut' gehst du zu Bier oder Spiele,
Zu Allem, nur nicht zu ihr.
Doch eh' noch der Abend gekommen,
Da geht schon mein Sinn zurück,
Da sitz' ich vor ihr und starre
In den süßen, betörenden Blick.
Und in der Brust treibt es wieder
Hold, wie im Frühlings-Raum', —
Aber jede Nacht d'rauf im Schlafe
Verfolgt mich ein böser Traum.
Es ist finster und schaurig, am Ring' nur
Steht wogend ein dunkler Schwarm,
Dann bewegt sich's, und Alle schreiten
Zu Paaren Arm in Arm.
Sechs schwarze Träger kommen
Mit einer Jungfrauenbahr',
Darauf zwölf weiße Mädchen,
Mit Kränzen und Rosen im Haar',
Ich frag' nicht lange, und gehe,
Wie man so mit nun zieht,
Und schau' auf die weißen Jungfrau'n,
Wie man auf derlei sieht.
Drauf hält der Zug, und der Pfarrer
Weih't lange und singt dazu,
Nachbetet der Glöckner, ich wünsche
Der Stillen süße Ruh'.
Es werfen die Kerzen im Kreise
Auf den Sarg ein grelles Licht,
Ich trete näher und blicke
In ein alt bekanntes Gesicht.
Der alte Husar
Tapfer fochten die Bürger, am öden Wall'
Liegen nun Alle im tödlichen Fall,
Und durch's zersprengte, ächzende Tor
Braust jäh' der Feind in die Gassen hervor.
Vor der Stadt stand Mancher mit kräftigem Mut',
Nun modert er draußen in seinem Blut',
"Rächt euere Brüder!" zornerfüllt
Ruft's der Feldherr, der Soldat folgt lüstern wild.
Und durch die Stadt wird's nun schaurig laut,
Die Flamme schleicht buhlend dem Mord' nach als Braut,
Und die Glocke vom stillen Liebfrauenturm',
Sonst Sonntaggeläute, heut' kündet sie Sturm.
Das Tor speit Horde auf Horde aus,
Verschont bleibt nicht Kirche, nicht friedlich Haus,
Schadenfroh dazu kriecht die finstere Nacht,
Zum Schlimmsten hat sie das Schlimme gebracht.
Den Säbel in der Faust, mit grauendem Haar',
Stürmt unter den Rächern auch ein alter Husar;
Seinen Bruder, noch mit Wangen wie Morgenschein,
Sang heut' erst eine Kugel in Schlummer ein.
Schlaf' wohl, du Mutterfreude, guter Knab',
Blut und Tränen schütt' ich dir nach in's Grab!
Er jagt durch die Gassen mit zornschnellem Lauf,
Eilt wild in das stattliche Haus hinauf.
Der Riegel weicht, im stillen Gemach
Steht eine Wiege, drin ein Säugling wach, —
Auch eine Mutterfreude, ein Mensch, gestellt
Zu Lust und zu Wehe auf die wechselnde Welt.
Das Knäblein lächelt im engen Schrein',
Seltsam mild schau'n die Sterne dabei herein,
O verdorrte Kindheit, kehrst nimmermehr,
Wer noch so ein lächelnd Kindlein wär'!
Und das alte Märchen, das längst zerrann,
Faßt den Alten im Dolman von Neuem an,
Die Zeit, da er einnickt' bei Mütterchens Lied,
Auf der Heide saß einsam, bis die Sonne schied.
Wie er Knab' ward, auf's erste Pferd sich schwang,
Und stolzer nun jagte die Steppe entlang,
O Erny, o Liebe, o Jugendtraum!
Der Alte verhält die Tränen kaum.
"Schlaf wohl, mein Bruder, du Mädchen süß,
Im Paradiesgarten spielt ihr gewiß!"
Der Alte starrt still in den Sternenschein,
Und wiegt und schaukelt das Knäblein ein.
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