1.
Wanderlust
Könnt' ich nur einmal wie ich möcht'
Durchwandern auch die Welt,
Wie wollt' ich büßen da die Lust,
Die mir das Inn're schwellt.
Bald stund' ich auf der Alpen Höh',
Wo gold'ne Freiheit thront,
Bald weilte ich im nieder'n Tal
Wo Zucht und Frohsinn wohnt.
Bald saß' ich unter'm Mangobaum,
In üpp'ger Wiesen Schoß,
Bald läg' ich unter'm Fichtenstrunk,
Gestreckt auf schwarzes Moos.
Bald führte über Schlund und Kluft
Mich hin ein schwanker Steg,
Bald suchte durch den blauen See
Mein Schifflein seinen Weg.
So zög' ich fort und immer fort,
Mit nimmermüder Hast,
Herr Gott, du wüßtest selber oft
Nicht gleich wo du mich hast!
2.
Unter Häusern
Von dem alten Erdenschmerze
Birgt ein Teilchen jedes Haus,
Sah' es noch so schön von Außen,
Noch so blank und heiter aus.
Denn der Erdenschmerz, der alte,
Gönnt sich nimmer Ruh' und Rast,
Und an jede jede Pforte
Pocht der unwillkomm'ne Gast.
Heute drüben, morgen hüben,
Früher dort und später da,
Halb noch lächelt dir die Freude
Und schon ist der Finst're nah'.
Nimmer bannst du ihn, und schließest
Du auch Tür und Fenster zu,
Nur von einem einz'gen Häuschen
Scheucht der Harte nicht die Ruh'.
3.
Schatten
Ging auf grünen Wiesenmatten
Einst im hellen Morgenschein,
Als die flücht'gen Wolkenschatten
Streiften über Feld und Hain.
Und versunken in ihr Eilen
Schaute ich das luft'ge Spiel,
Wie sie zogen ohne Weilen,
Pilgern gleich, zu fernem Ziel.
Wie sie, frei von Hast und Banden,
Sprangen über Berg und Well',
Bis sie meinem Blick entschwanden,
Ungeahnet, blitzesschnell.
Ach, da ward ihr Flieh'n und Gleiten,
Ward mir erst ihr Wesen klar,
Und die Arme mußt' ich breiten
Nach der haltlos flücht'gen Schar.
Ach, in dieses Busens Räume
Kehrt ihr nimmer mir zurück,
Meine gold'nen Jugendträume,
Ruhmeshoffen, Liebesglück!
4.
In der Herberge
Müd' am Leibe, frisch im Herzen,
Ruh' ich in des Schenken Haus,
Denn schon stecket ihre Kerzen
Rings die Nacht am Himmel aus.
Dunkel herrscht im nieder'n Zimmer,
Vor dem Fenster rauscht der Baum,
Doch des Abends letzter Schimmer
Schweift noch um der Berge Saum.
Lebensbächlein, erst so schäumend,
Geht nun hin in stiller Ruh',
Halb noch wachend, halb schon träumend
Schließt mein Aug' sich lässig zu.
Und der Baum, von Nacht umdüstert,
Flüstert, daß man's kaum vernimmt,
Wie ein Mädchen zärtlich flüstert,
Das vom Liebsten Abschied nimmt.
Und mein Geist schweift in die Ferne,
Bannt mich gleich des Schlummers Macht,
Wo noch Eine mir wohl gerne
Sagen möchte: Gute Nacht!
5.
Der liebste Ton
Wand'rer hört so manchen Klang,
Der sein Herz mit Lust erfüllet,
Wenn durch Wiesen führt sein Gang,
Oder Waldnacht ihn umhüllet.
Lerche singt in hoher Luft,
Nachtigallentöne schallen,
Und die munt're Wachtel ruft
Und die Abendglocken hallen.
Alpenhorn auf Bergeshöh'
Wiegt ihn ein in süße Träume,
An's Gestade rauscht der See,
Und es flüstern Strauch und Bäume.
Aber geht in stiller Nacht
Wandersmann auf öden Wegen,
Wenn kein Licht am Himmel wacht
Und kein Ton ihm schallt entgegen,
Ach, dann ist's was ihm gefällt,
Aller Töne Reiz bestreitend,
Wenn ein ferner Wachthund bellt,
Ihm der Menschen Wohnort deutend.
6.
Staub
Wie dauert's mich ihr Bäume
Daß euch des Zufalls Hand
Versetzt in diese Räume,
So nah' der Straße Rand.
Wie frisch und freudig strecket
Um euch ihr Ast für Ast,
Allein mit Staub bedecket
Ist jedes Blättchen fast.
Doch besser auch erging es
Mir müdem Pilger nicht,
Da seht, wie grau nur hing es
An's Haar sich mir so dicht.
Es ward so grau und trocken
Beinah' wie euer Laub,
Das ist, ihr schwarzen Locken,
Doch gar ein böser Staub'.
7.
Das Sterbeglöckchen
Das Sterbeglocklein klinget
So kläglich aus der Stadt,
Als wüßt' es, daß da ringet
Ein Pilger lebensmatt.
Es schallt so dumpf und leise
Aus rauher Morgenluft,
Wer bist du, den zur Reise
Nun ab das Glöcklein ruft?
Doch wie sie dich auch nannten
O Wand'rer, bleich und müd',
Ob sie für dich entbrannten,
Ob du für sie geglüht,
Ob sie mit Hohn und Neide
Gestachelt dir die Brust,
Ob du dir mehr der Freude
Als wie des Leids bewußt,
Ob heiter deine Pfade,
Ob sie von Dornen voll,
Es sagt ein Kamerade
Dir traurig Lebewohl!
8.
Bei der Mühle
Räder klappern, Wasser rauschen,
Und die Bäume flüstern drein,
Gern mag ich den Tönen lauschen
Hier am duft'gen Waldesrain,
Denn solch' reges Treiben wecket
Immerdar den frohen Mut,
Und im Grase hingestrecket
Ruht dabei sich's doppelt gut.
Möchte in der Mühle hausen
Als ein Müller, frisch und jung,
Wo so lustig Sausen, Brausen,
Wassersturz und Räderschwung.
Würde schaffen dort und schalten,
Emsig lenken Well' auf Well',
Bis das Bächlein ohne Halten
Trieb die Räder doppelt schnell.
Dann auf ihre Schaufeln legen
Würd' ich meinen Kummer all,
Daß er mit dem Silberregen
Stäubte hin im wilden Schwall.
Ha, dann trüge wohl behende
Ihn die Flut hinaus ins Meer,
Und zu meinem Herzen fände
Nie den Weg der Kummer mehr.
In solch' Träumen hat das Lauschen
Mich versenkt am Waldesrain,
Räder klappern, Wasser rauschen,
Und die Bäume flüstern drein.
9.
Vor einem Dorfkirchlein
Vor des alten Kirchleins Mauern
Spielte mit dem Gras der Wind,
Und der Lüfte Morgenschauern
Koste, ach, um mich so lind.
Aus dem Kirchlein aber tönten
Orgelton und Chorgesang,
Und die Scheibenfenster dröhnten
Leise vor dem mächt'gen Klang.
Draußen, wie in wachen Träumen,
Lehnte ich, vor'm Gotteshaus,
Von des Friedhofs stillen Räumen
Schweifte weit mein Blick hinaus.
Hing bald an der Wolken Helle,
Bald am Halm am Mauerrand,
Bald am Fluß, der wild und schnelle
Sich durch Felsenrisse wand.
Und voll süßer Wonne lauschte
Auf den Sang zugleich mein Ohr,
Der so herzerhebend rauschte
D'rinnen zu dem Herrn empor.
Lauschte auf die Orgelklänge,
Die so heilig fromm und hehr
Sich ergossen aus der Enge,
Wie ein wundervolles Meer.
Und mir däuchte, halb hienieden
Halb in jener Welt zu sein; —
Ach, wann kehrt solch süßer Frieden
Wieder in die Brust mir ein?!
10.
Vom Herzen
Eine Warnungstafel ragen
Seh' ich drüben an dem Fels,
D'ran die Wellen zürnend schlagen
Ob des hemmenden Geröll's.
Als ein mahnend Zeichen ist es
Für die Schiffer hingestellt,
Und nicht Einer mehr vergißt es,
Daß ein Schiff dort ward zerschellt.
Wohl für Manchen, der die Wellen
Noch durchzieht mit frohem Mut,
Möcht' ich solch ein Zeichen stellen,
Wo den Felsen peitscht die Flut.
Ach, ein Schifflein sah zerschellen
Selbst ich einst zu tiefem Schmerz,
Hin als Warnungstafel stellen
Möcht' ich drum — mein eig'nes Herz.
11.
Das Lied auf Reisen
Dem Dichter ist ein Lied geglückt,
Das hat er in die Welt geschickt,
Das Lied, das Lied muß wandern geh'n,
Muß selbst nach einer Heimat seh'n.
Schon stiegt es aus des Vaters Haus
In Gottes freie Welt hinaus,
Da stößt's auf einen Bauersmann,
"Sag, nimmst du wohl das Liedchen an?"
Der Bauer aber lächelnd spricht:
"Was sollte mir wohl ein Gedicht?
Es ist ja doch nur Lug und Trug,
Mein einz'ger Reim ist: Pflug und Krug."
D'rauf wieder fliegt das Liedlein fort,
Auf einen Kaufherrn stößt es dort,
"Ein kluger Mann, zu Land und Meer,
Der läßt mich fort wohl nimmermehr."
Der Kaufherr aber lächelnd spricht:
"Tragt wohl Perzente ein Gedicht?
Ein Wechsel nur ist das Papier
Das ich ad natum estimir."
Und wieder fliegt, mit trübem Sinn,
In's Weite unser Lied dahin,
Zu einem Mägdlein kommt es d'rauf,
"Ob mich wohl nimmt die Jungfrau auf?"
Die Schöne aber lächelnd spricht:
"Nur karg erfreut mich ein Gedicht,
Viel lieber ist mir ein Gewand
Von fränk'schem Stoff, als solch ein Tand."
Und seinen Flug beginnt's auf's Neu',
Da zieht ein Krieger just vorbei,
"Du wack'rer blanker Reitersmann,
Sag', nimmst du wohl das Liedlein an?"
Der Krieger aber lächelnd spricht:
"Reiß aus! für mich gibt's kein Gedicht,
Such' nur allein nach Ruhm und Ehr',
Nach keinem Lied trag' ich Begehr!"
Hinzieht das Lied auf neuem Pfad,
Als sich ihm ein Gelehrter naht,
Berühmt durch Wissen, wie durch Geist,
"Ob der mir wohl die Türe weist?"
Der Hochgelehrte aber spricht:
"Gibt Aufschluß mir wohl ein Gedicht?
Ein ernstes Forschen ist mein Ziel
Doch nicht so eitles Kinderspiel!"
Und wieder, ach, mit Tränen flieht
Dahin, dahin, das arme Lied,
Da stößt's auf einen Dichter. — "Ach
Wohl harrt auch da nur neue Schmach!"
Der aber ruft voll Freuden aus:
"O sei gegrüßt in meinem Haus,
Du Lied, vom Paradies geschickt,
Das labt, erhebet und entzückt!"
12.
Öde Wanderung
Über schaurig tiefe Schlünde,
Über manchen Schwindelsteg,
Über blumenleere Gründe
Führte mich der rauhe Weg.
Und so zog ich fern von Andern,
Gleich als wie in Acht und Bann,
Selten fand auf meinem Wandern
Sich zu mir ein Pilgermann.
Selten bot ein Baum mir Schatten,
Selten lachte mir ein Grün,
Rastlos aber, ohn' Ermatten,
Trieb's mich immer fort zu zieh'n.
Und so ward der Berg erklommen,
Hoffend auf erwünschte Rast,
Doch nun ich herauf gekommen
Find' ich's hier noch öder fast.
Denn ein Tal nur seh' ich offen,
Dicht verhüllt von nächt'gem Graus,
Und ich wag' es nicht zu hoffen,
Daß in ihm mein Glück zu Haus.
13.
Berg und Tal
Blickt so weit das Aug' nur reichet
Und ihr seht nur Berg und Tal,
Doch in diesem und auf jenem
Wohnt die Lust und haust die Qual.
Wo auch hin die Pfade gehen,
Sei's in Nacht und Sonnenstrahl,
Heißt es auf- und niedersteigen,
Überall nur Berg und Tal.
Und den Frohen faßt Entzücken
Doch den Trauernden nur Qual,
Stund' er hoch auf einem Berge
Oder tief in einem Tal.
Und so zieh'n der Erde Kinder
Fort und fort in reicher Zahl,
Und so ziehen Lust und Schmerzen
Endlos über Berg und Tal.
14.
Wanderers Wünsche
Erblick' ich von des Tales Enge
Den Hirten hoch am Felsgestein,
Und höre seines Hörnes Klänge,
So möcht' ich wohl ein Hirte sein.
Und seh' ich auf den flücht'gen Wellen
Den Fährmann zieh'n im Morgenschein,
So möcht' ich mich zu ihm gesellen,
Und so wie er ein Schiffer sein.
Doch sprenget durch die grünen Saaten
Ein Reiterschwarm in's Land hinein
So drängt es mich nach kühnen Taten,
Da möcht' ich gleich ein Krieger sein.
Und sehe ich ein Kloster ragen
Im Wald, verlassen und allein,
Möcht' wieder ich der Welt entsagen
Und dort ein Mönch im Kloster sein.
Doch stehe ich, nach langem Wandern,
An eines Friedhofs stillem Hain,
So wünsch' ich nichts mehr von dem andern,
Da möcht' ich nur ein Toter sein.
16.
Erkennen
Als den Freund ich wieder fand,
Den das Schicksal mir entrissen.
Drückten wir uns heiß die Hand,
Wollten fast in Eins zerfließen.
Mit welch' wonnevollem Blick
Hing da trunken Aug' an Auge,
Gleich als ob es all' sein Glück
Aus dem süßen Borne sauge.
Doch als so voll Seligkeit
Freund an Freund sich mocht' erlaben,
Sah'n wir erst wie uns die Zeit
Furch' an Furche eingegraben.
Und wir sanken uns an's Herz,
Heiß von Tränen beider Wangen,
Denn wir fühlten, daß der Schmerz
Keinem war vorbeigegangen.
Das Kloster am Strom
(Ein
Erinnerungsblatt.)
Es schaut ein hohes Kloster,
Ein herrlich stolzer Dom,
Herab mit hellen Fenstern
Zum hellen Donaustrom.
Und unter jenen Fenstern
Ist eins mir wohl bekannt,
D'raus blickt oft Einer nieder,
Der geistig mir verwandt.
Ein Mann, der mir, dem Fremden,
Als Freund entgegen trat,
Als mich zu seiner Türe
Geführt der irre Pfad.
Ein Mann, geliebt von Allen
Die heimisch dort am Strand,
Ein Mann, der hochgeachtet
Im ganzen deutschen Land.
Ein Mann, der all sein Leben
Dem Wissen nur geweiht,
Der eine feste Säule
An Kraft in uns'rer Zeit.
Der manche edle Perle,
Aus tiefverborg'nem Grund,
Der Nachwelt schon gespendet
Mit lügescheuem Mund.
Der väterlich gebildet
Ein werdendes Geschlecht,
Und manches Licht entzündet
Für Wahrheit und für Recht.
Oft zieh' ich in Gedanken
Dahin am Donaustrom,
Und blicke so wie einstens
Hinauf zum stolzen Dom.
Und seh' ihn niederschauen
Zum Schifflein auf der Flut,
Und schwenke freud'gen Grußes
Entgegen ihm den Hut.
Wohl sind bekannt euch Beide,
Der so ich eingedenk,
Denn: Melk ja heißt das Kloster,
Und jener: Michel Enk.
Ungenügsamkeit
Was rennt ihr doch mit solcher Hast,
Was müht ihr euch, so Tag als Nacht,
Was sucht ihr ohne Ruh und Rast,
Von nimmersatter Gier gefacht?
Was strebt zu füllen ihr mit Geld
Allein nur immer Schrank und Schrein?
Gar wenig braucht's um in der Welt
Vergnügt und sorgenlos zu sein.
Genügsamkeit und rechtes Maß
Das sind die Gründer alles Glücks,
Nur wer nie auf die Zwei vergaß
Genieß't die Lust des Augenblick's.
Ihr aber macht euch immerdar
Durch neue Habgier neue Not,
Um Silber holt ihr graues Haar,
Und gebt um Gold der Wangen Rot.
Was nah' euch liegt das sucht ihr fern,
Das Nicht'ge ist euch Wunsch und Ziel,
Die Schale nehmt ihr für den Kern
Und brüstet euch damit noch viel.
So treibt ihr's fort, und keucht und schnauft,
Getrieben von der Habgier Fluch,
Bis ihr, o Toren, euch erkauft
Um all dies Müh'n — ein Leichentuch.
Mit Gott
Mit Gott, das ist ein schönes Wort,
Und wo ihr's sagt, am rechten Ort,
Mit Gott, soll unser Wahlspruch sein
Ruft zum Geschäft der Morgenschein.
Mit Gott, so rufe immerdar
Ist Leib und Seele in Gefahr,
Mit Gott, dies Wort stähl' dir den Mut,
Umbrauset dich der Stürme Wut.
Mit Gott, so sage du noch still
Neigst du das Haupt dem Schlummerpfühl,
Mit Gott, so sprich in Demut auch
Entflieht dein letzter Lebenshauch.
Eigne Bahn
Laßt mich wandern meine Straße,
Unbeirrt wohin es sei,
Ob ich liebe, ob ich hasse,
Ist ja doch euch einerlei.
Ob mein Pfad umhängt von Schauern,
Ob er blumenreich und licht,
Ach nur raten und bedauern,
Aber helfen könnt ihr nicht.
Drum wohin ich auch mich wende,
Kümmert euch darnach nicht viel,
Denkt, es findet doch am Ende
Alles sich an einem Ziel.
Verlorne Jugend
Wie bist du nur so schnell entschwunden
O Jugend, reich an Lust und Kraft,
So flieht in mitternächt'gen Stunden
Ein Räuber aus des Kerkers Haft.
Ich liebte dich, von dir umfangen,
Wie schlug mein Herz so freudenvoll,
Du aber bist von mir gegangen
Und sprachst nicht einmal: Lebe wohl!
Nun mich der Nord umbraust, der scharfe
Nun weiß ich wie dein Schein mich trog
Denn ach, ich war nur eine Harfe
Durch die ein Frühlingslüftchen zog.
Nimm's wie es ist
Nimm du die Liebe wie sie ist
Und ford're nicht von ihr zu viel,
Ein Blümchen ist sie, das entsprießt
Auf nacktem Fels, der Stürme Spiel.
Nimm du die Freundschaft wie sie ist
Und ford're nicht von ihr zu viel,
Ein Vöglein ist's, das kurze Frist
Auf einem Zweig nur bleiben will.
Nimm du das Leben wie es ist
Und ford're nicht von ihm zu viel,
Ein Bächlein ist's, das helle fließt,
Doch grau und trüb nur kommt ans Ziel.
Spatzenlyrik
Vom Haus zum Garten her und hin
Ein junger Sperling flog,
Wie eben ihn sein munt'rer Sinn
Nach einer Stelle zog.
Bald saß er dort, bald saß er hier,
Und zwitscherte dabei:
"O Frühlingsgrün, o schöne Zier
O Wonnemond, o Mai!
O Kirschlein rot, o Weizenkorn,
O Hälmchen zart und fein,
O frischer Zaun von Hagedorn,
O Duft, o Sonnenschein!
O Gartenraum, o Gartenraum,
Den ich so oft durchstrich,
O liebes Dach, o Lindenbaum,
Wie freu't, wie freu't ihr mich!"
So pfiff und schwatzte fort der Spatz
In seinem Lustrevier,
Doch ich verließ hierauf den Platz
Und dachte so bei mir:
Es ist, betracht' ich recht das Ding,
Grad' zwischen deinem Lied
Und dem von manchem Dichterling
Kein großer Unterschied.
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