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Lenz und Wald
Drei Liederkränze
 

Erster Liederkranz
 

Zweiter Liederkranz
 

Dritter Liederkranz
 

Lebewohl
Weihe
Der erste Frühlingsfalter
Frühlingsgruß
Lerchenbrauch
Mairegen
Frühlingswünsche
Verlor'ner Mai
Lenzgefühl






 
Vogelsang
Freundschaft
Doppelgesang
Erinnerungen
Nachtigallenlied
Belehrung
Fliegende Blätter
Waldesrast
Folgerung
Der einsame Adler
Liebesantrag
Verständigung
Freier Sang
Sängers Wunsch
Trennungsahnung

 
Silvanus
Ausgang
Waldwärts
Ermunterung
Im Wald
Waldliebe
Waldkonzert
Waldvöglein
Im Sturm
Waldeinsamkeit
Waldeslust





 
Am Morgen
Grün
Gleich und gleich
Guter Rat
Morgen wieder
Waldestrost
An den Wald
Nichts ohne Liebe
Abschied
Votivreime






 

Lebewohl

Weile noch, du lieber Pilger, zieh' doch nicht von uns so schnell'
Laß uns noch dein Antlitz leuchten blond umwallt und rosenhell,
Schüttelst du das Goldgelocke, ach, und reichst du mir die Hand?
Fahre hin denn und beglücke nun ein fernes schön'res Land.
Doch vergib, wenn jetzt mein Auge trauernd hängt an deinem Schritt,
Ach, du nimmst ja eine Blüte auch aus meinem Kranze mit.


Weihe


O grüner Wald,
O Lenzgewalt,
Euch weih' ich mein klingendes Saitenspiel,
Stürm' Hohn und Neid
Und Groll und Leid
Auf mich auch herein, nicht acht' ich es viel.

Der Wald, der Wald
Ist mein Aufenthalt,
Wo die Bäume rauschen, wo murmelt der Quell,
Wo im frischen Grün
Die Vögelein d'rin
Ihre Stimmen erheben so silberhell.

Der Frühling nur
Zeigt Gottes Spur,
Seine Zweige sie weisen dich himmelwärts,
Er sendet Trost,
Wenn's innen tos't.
Legt kühlende Kräuter auf's wunde Herz.

Wohl niemals ringt,
Um was es klingt,
Mein Lied hier auf Erden nach schönerem Ziel,
O grüner Wald,
O Lenzgewalt,
Euch weih' ich für immer mein Saitenspiel.

Der erste Frühlingsfalter

Zu früh, du bunter Frühlingsfalter,
Zersprengtest du den stillen Sarg,
Der dich in deinem zarten Alter
Vor grimmen Winterstürmen barg.

Was willst du, da in allen Weiten
Dir noch kein einzig Blümchen blüht?
Noch stoßest du auf keinen Zweiten,
Der so wie du in Farben glüht.

Die Sonne, ach, die schlimme Sonne,
Hat trügend dich herausgelockt,
Damit in erster Lenzeswonne
Dir schon der Puls des Lebens stockt.

Nun flieg' nur hin, getäuscht von Scherzen,
Du armer schöner Schmetterling,
Weiß ich doch auch von einem Herzen,
Dem's eben so wie dir erging.

Frühlingsgruß

Frühling, Frühling, sei willkommen.
Sei willkommen uns auf's neu',
Nun du wieder heimgekommen
Mit der alten Lieb' und Treu'.

Schwing' jetzt deine grünen Fahnen
Freudig wieder durch die Luft,
Daß dich die Getreuen ahnen,
Die noch schlummern in der Gruft.

Sende jetzt nach allen Winden
Deine muntern Sänger aus,
Heiß es Allen jetzt verkünden:
Daß du wieder sei'st zu Haus.

Gib die Botschaft allen Wellen,
Heiß' es flüstern Strom und Fluß,
Und den Wolken gib, den hellen
An die Ferne deinen Gruß.

Daß sich jedes, dir zum Ruhme
Jetzt erfreu', in Lust und Scherz,
Nenn' es Baum sich oder Blume,
Vogel oder Menschenherz.

Lerchenbrauch

Neigte sich die Sonne nieder
Mit dem Antlitz, mit dem klaren,
Lös'te mit den ros'gen Fingern
Ihren Knäu'l von gold'nen Haaren.

Und die Haare rollten nieder,
Und sie rollten immer weiter,
Und so ward ein jedes Härchen
Bald zur gold'nen Himmelsleiter.

Und die muntern Lerchen stiegen
An den Leitern auf und nieder,
Holten eilig sich vom Himmel
All' die wunderbaren Lieder.

Maienregen

1.
Wolke will hernieder sinken,
Regen rauscht ins Tal herein,
Wie nur da so gierig trinken
All' die Blätter groß und klein.

Bald mit schimmernden Juwelen
Ist der Wiese Grün durchstickt,
Selbst der Käfer scheint mit hellen
Silberperlen ausgeschmückt.

Doch nicht lang', so ziehen wieder
Fort die Wolken segensschwer,
Und es streuet Baum wie Flieder
Duft und Funken um sich her.

Und die Luft erschallt von Tönen,
Und die Sonne lächelt lind.
Wie durch kaum verweinte Tränen
Oft du lächeln siehst ein Kind.

2.
Seh' ich an der Rosenknospe
Regentröpfchen zart und licht,
Denk' ich mir in Freudentränen
Meiner Liebsten Angesicht.

Seh' ich's an der Lilie hangen,
Die noch kaum in Duft erblüht,
Denke ich der Andacht Zähren,
Die da weint ein fromm Gemüt.

Seh' ich's aber an der Eiche,
Die mit Jugend Kraft vereint,
Denk' ich, wie in heil'ger Rührung
Eines Mannes Auge weint.

Frühlingswünsche

Mit den rosigen Lämmerwölkchen
Zög' ich gern' auf Wander aus,
Mit dem Falter möcht' ich hangen
An dem Amaranthenstrauß.
Mit dem Zeisig möcht' ich flattern
Durch der Zweige Blütenduft,
Mit der Lerche möcht' ich steigen
Singend in die Morgenluft.
Durch die Gräser möcht' ich schlüpfen
Lustig mit der Grille klein,
Und im Kelch der Tulpe schlafen
Mit Marienkäferlein.

Verlor'ner Mai

Es blüht der Mai, es lacht der Mai,
Der Frohsinn ist erwacht auf's Neu',
Wie kommt's, daß mir so trüb' im Sinn?
Die Lieb' ist hin, die Lieb' ist hin!

Nie schlägt so schön die Nachtigall,
Melodisch rauscht der Wasserfall,
Wie kommt's, daß mir so trüb' im Sinn?
Die Lieb' ist hin, die Lieb' ist hin!

Die Bäume sind so wundergrün,
Wohin ich trete, Blumen blüh'n,
Wie kommt's, daß mir so trüb' im Sinn?
Die Lieb' ist hin, die Lieb' ist hin!

Was nützt nun Mai und Nachtigall,
Was Blume, Baum und Wasserfall?
Hängt nicht an dir ein Herz voll Treu',
Blüht nun und nimmer dir der Mai.

Lenzgefühl

Süße Hyazinthendüfte,
Wolkengold und Morgenschein,
Frisches Grün auf Berg und Hügel
Alles, Alles ist ja mein!

Bunter Falter Gaukelflüge,
Vogelsang so süß und rein,
Quellgeriesel, Blattgeflüster,
Alles, Alles ist ja mein!

Ach nur Flügel, rasche Flügel,
Und in's off'ne Land hinein,
Über Berge, Täler, Flüsse,
Alles, Alles ist ja mein!
 
Zweiter Liederkranz

Vogelgesang

Es hat der Herr statt eitlen Gut's
Gegeben mir den Sang,
D'rum will ich singen frohen Mut's
Mein ganzes Leben lang.

Mein Lehrer soll der Vogel sein,
Des' Lied im Wald erklingt,
Denn ihm auch gab's kein And'rer ein,
Zu singen, wie er singt.

Ihn freut's, was ihm der Herr beschied,
Doch dünkt er sich nicht viel,
Und achtet's nicht, ob auch sein Lied
Just Manchem nicht gefiel.

D'rum, wird dafür mir auch kein Lob,
Will ich doch tun, wie er;
Ist mir im Lenz doch stets, als ob
Auch ich ein Vogel wär'.

Freundschaft

Vogel ist mein alter Freund,
Und ich bin der seine;
Wenn die Maiensonne scheint,
Wohnen wir im Haine.

Vogel wird nicht singensmatt
Auf dem Baume droben,
Und was er gesungen hat,
Mußt's noch immer loben.

Sing' auch oft von mir ihm vor,
Was Apoll beschieden,
Und er leiht mir stets sein Ohr,
Scheint damit zufrieden.

Solche Freundschaft, ach, wie lang'
Ward sie nicht gesehen,
Einer hört des Andern Sang,
Ohne d'rauf zu schmähen!

Doppelgesang

Jetzt singen zusammen
Der Vogel und ich,
Der Vogel im Zweigig,
Im Grase sing' ich.

Er singt, wie im Nestchen
So selig ihm sei,
Ich sing' von den Winden
So flüchtig und frei.

Er singt von den Jägern,
Von Garn und von Blei,
Ich sing' von den Wellen
So rüstig und frei.

Er singet und preiset
Sein Glück und den Mai,
Ich singe und preise,
Was fröhlich und — frei!

Erinnerungen

Der Vogel auf dem Zweige
Von einer Rose sang,
Die sah er blüh'n im Walde,
Wohl sind's viel Jahre lang'.

Da sang auch ich von Einer,
Verlockt aus gleichem Drang,
Die ich einst blühend schaute,
Wohl sind's viel Jahre lang'.

Er sang von süßen Düften,
Die ihm die Rose bot,
Von ihrer Blätter Grüne,
Von ihrer Wangen Rot.

Ich sang von ihren Augen,
Ich sang von ihrem Gruß,
Ich sang von ihrem Lächeln,
Von ihrem süßen Kuß.

Drauf sang er, wie die Blätter
Ein Sturm ihr wild zerriß,
D'rauf sang ich, wie ich weinend
Für immer sie verließ.

Dann sang — nicht doch, dann schwiegen
Wir Beide, ich und er,
Ich warf in's Gras mich nieder,
Und weinte da noch sehr.

Nachtigallenlied

Stand einst unter einem Baume
Noch als Knab' von Lust erglüht,
Denn hoch über mir im Wipfel
Sang die Nachtigall ihr Lied.

Und ich horchte auf die Klänge,
Die des süßen Wohllauts voll.
Bis voll seliger Entzückung
Mir's im Busen überquoll.

Viel der Jahre sind entschwunden,
Seit ich so von Lust berauscht,
Auf die Nachtigall im Wipfel
Als ein frohes Kind gelauscht.

Vieles, d'ran ich heiß gehangen,
Hat seitdem die Zeit geraubt,
Und so manches ist erstorben,
D'ran ich als ein Kind geglaubt.

Aber flötet in dem Wipfel
Wieder jetzt die Nachtigall,
Muß ich stille steh'n und lauschen
Auf den süßen Liederschall.

Und die Augen muß ich schließen,
Festzuhalten meinen Traum,
Denn mich dünkt, ich stünd' als Knabe
Wieder unter jenem Baum.

Belehrung

Hab' das Vöglein oft belauscht
In den grünen Zweigen,
Und das Lied ist nicht verrauscht,
Nein, es ist mein eigen.

Vöglein sang: was sorgst du viel,
Nichtig ist dein Streben,
Eh' du's ahn'st, bist du am Ziel
Von dem flücht'gen Leben.

Töricht ist, wer viel sich müht
Nach der Erde Schätzen,
Schau, wie's draußen schallt und blüht,
Wird dich mehr ergehen.

Frohsinn kommt mit wenig aus
Heute so wie morgen,
Wo Genügsamkeit im Haus,
Braucht's kein großes Sorgen.

Mach' es, wie's das Vöglein tut,
Das da fröhlich singet,
Wisse, daß zu vieles Gut
Stets den Frohsinn zwinget.

Vöglein hat mich recht belehrt,
Will nach Gold nicht streben;
Vieler Sorgen ist nicht wert
Solch ein kurzes Leben.

Fliegende Blätter

Ich möcht's in Noten setzen.
Was Fink und Lerche singt,
Wenn er am Ast sich wieget,
Wenn sie empor sich schwingt.

Ich möcht's in Noten setzen,
Gerade so, wie's ist,
Und möcht' es drucken lassen
Noch in der schnellsten Frist.

Möcht's gratis dann verteilen,
Nicht fragen, wem und wo,
Es würden manche Trübe
Davon wohl wieder froh.

Waldesrast

Ich lieb's so sehr zu liegen
Umblüht vom wald'gen Raum,
Wenn sich die Vöglein wiegen
Hoch über mir im Baum.

Wenn ihre Lieder schallen
So silberhell und rein,
Wenn leichte Wölkchen wallen
Im ros'gen Abendschein.

Welch' sel'ges Selbstgenügen,
Wie fern' so Harm als Not,
Ach, daß in solchem Liegen
Mich küßte einst der Tod!

Folgerung

Vöglein mag Gesellschaft gern
Auf der grünen Haid,
Hat mir d'rum auch anvertraut
All' sein Lust und Leid.

Sagt: daß Großpapa nun sitzt
Stets auf der Kapell',
Weil ihn läßt sein kranker Fuß
Nimmer von der Stell'.

Sagt: daß unerträglich ihm
Tante Elster sei,
Weil an Zank und Zwist nur Schuld
Ihre Plauderei.

Sagt: daß Mütterchen für's Haus
Sorgen muß' allein,
Und die kleinen Schwestern nur
Schlafen oder schrei'n.

Sagt: daß Nachbar Wiedehopf
Immer schmält und flucht,
Stets an ihrem Tische frißt
Und doch Zank nur sucht.

Sagt: daß noch vom Stehlen nicht
Bruder Sperling läßt,
Und die Base Amsel stets
Lieg' in ihrem Nest.

Sagt: wie Schwager Zeisig längst
Säß' in Haft und Not,
Ach, und daß den Vetter Fink
Schoß ein Jäger tot.

Vieles hat mir noch erzählt
Vöglein dazumal,
Von Herrn Specht und von Herrn Goll,
Und der Nachtigall.

Und wie Alles ich bedacht,
Fand ich denn heraus:
Mit den Anverwandten ist's
Doch zumeist ein Graus!

Der einsame Adler

Ein Adler sitzt in seinem Horst
Auf nacktem Felsgestein,
Der träumt von einem grünen Forst
Voll Duft und Sonnenschein.

Einst zog er durch das nied're Tal
Dahin im stolzen Flug,
Als eben dort die Nachtigall
Im luft'gen Wipfel schlug.

Und wie ihn jetzt auf seiner Höh'
Umpurpurt auch der Strahl,
Träumt er doch stets, mit süßem Weh',
Von jener Nachtigall.

Liebesantrag

Willst du einen Vogel haben,
Liebchen, der im Käfig singt,
Nimm mich hin, den frohen Knaben,
Der sein liebend Herz dir bringt.

Willst du einen Zeisig haben,
Oder etwa einen Fink,
Sieh, in mir sind Beider Gaben,
Bin wie sie, so frisch und flink.

Hast du lieber eine Maise,
Die dir aus den Händen frißt,
Will ich gern auch solcher Weise
Tu'n, wenn du mir Herrin bist.

Willst du eine Elster haben,
Die gelehrig zu dir spricht,
Sollst du wahrlich d'ran dich laben,
Nie ich üb' an dir die Pflicht.

Willst du eine Philomele?
Schwärmen kann ich, ganz gleich ihr;
Und die Lieder meiner Kehle
Alle, alle weih' ich dir.

Willst du eine Lerche haben,
Sieh, gleich ihr steig' ich empor,
Schwebe, dichterisch erhaben,
Über dem gemeinen Chor.

Willst du, wie ich bin, mich haben,
Nun, so schließ mich immer ein,
Aber laß' mir, frohen Knaben,
Nur dein Herz zum Käfig sein.

Verständigung

Weißt, Vöglein du, warum der Tag
So heiter uns verstreicht,
Warum es grade uns der Herr
Vor Vielen macht so leicht.

Warum uns noch kein Harm, kein Leid,
Den muntern Sinn bezwang,
Warum wir jeden Erdenschmerz
Verschmerzen ob dem Sang?

Das macht, weil er so dich als mich
Zum Herold hat bestellt,
Daß wir ihn preisen froh und frei
Im Lied vor aller Welt.

Freier Sang

Nur umrauscht von grünen Blättern
Läßt die Nachtigall mit Lust
Ihre Silbertöne schmettern
Aus der freien Sängerbrust.

Nur im warmen Strahl der Sonne
Schwingt die Lerche sich hinan,
Stimmt berauscht von hoher Wonne
Ihre Jubelhymnen an.

Nur umwogt von grünen Wellen,
Wo kein Aug' sie finden mag,
Läßt die munt're Wachtel gellen
Freudig ihren lauten Schlag.

Doch der Mensch, der Freund der Klänge,
Sperrt sie, lachend ihrer Pein,
In des Käfigs Kerkerenge,
Hinter festen Stäben ein.

Horcht dann freudig ihren Klagen,
Ihrem leisen Schmerzgestöhn,
Und — entzückt, hört man ihn sagen:
"Ei, wie singt der Vogel schön!"

Sängers Wunsch

Wenn ein kalter Wind aus Norden
Sausend durch die Blatter zieht,
Flüchtet nach dem wärmer'n Süden
Sich das Vöglein mit dem Lied.

Könnte doch nur auch der Dichter,
Daß nichts Schlimm'res ihm geschieht,
Sich vor jedem frost'gen Herzen
Flüchten stets mit seinem Lied.

Trennungsahnung

Wie nur füllt mit Wehmut wieder
Mich der munt're süße Schall,
Vöglein, sing'st du deine Lieder
Mir vielleicht zum letzten Mal?

Sieh, es kommt der Herbst gezogen,
Und der Vogler lauscht im Tal,
Vöglein, sei mir heut' gewogen,
's ist vielleicht das letzte Mal.

Sing', da du noch frei von Banden,
Alles, alles, ohne Wahl,
Denk', zwei frohe Kerzen fanden
Sich vielleicht zum letzten Mal!


Dritter Liederkranz

Silvanus

Ach bin der Gott des Waldes,
Und ruf' dich, Mensch, herbei.
In meinem Reiche hallt es
Von frohem Jubelschrei.

Der Baum wird dich begrüßen,
So wie ich's ihm befahl,
Den duft'gen Kelch erschließen
Wird Blümlein dir im Tal.

Das Vöglein wird dir bringen
Gar fröhlichen Willkomm,
Und süß wird dir erklingen
Ein reicher Liederstrom.

Schau rings die Schattenräume,
Sie laden dich zur Rast,
Es harren süße Träume
Auf den geliebten Gast.

D'rum säume du nicht lange,
Es welkt das Laub gar bald.
Und folg' dem süßen Klange
Zum schönen grünen Wald.

Ich selbst, der Gott des Waldes,
Ich lade ja dich ein,
Laut klingt es schon und hallt es,
Nur rasch, nur rasch herein!

Ausgang

Im Freien, ach, im Freien,
Wie ist's nun grün und licht,
Im Maien, ach, im Maien,
Wer möchte wandern nicht?

Grüß' Gott, ihr lieben Haine,
Grüß' Gott, du dunkler Wald,
Ihr Dörfer und ihr Raine,
Ihr Berge, grau und alt.

Nicht länger konnt' ich tragen
Die Sehnsucht in der Brust.
Wer fand' bei solchen Tagen
In dumpfen Häusern Lust?

Nun rauscht, ihr grünen Bäume,
Nun duft', du bunter Hain,
Nun schließt, ihr lieben Räume,
Nur gar den Wandrer ein.

Nun singt die hellsten Lieder,
Ihr Vöglein in den Höh'n,
Wer weiß es, ob wir wieder
Uns je so fröhlich sehn?!

Waldwärts

Waldwärts, waldwärts geht mein Pfad,
Wenn der Lenz, der Lenz sich naht,
Wenn der Himmel blau und klar,
Waldwärts, waldwärts immerdar.

Lustig rauscht behend und hell
Bergesab zum Wald die Well',
Wandervogel, froh und frei,
Fliegt zum frischen Wald im Mai.

Wolke selber ohne Ruh'
Schifft dem fernen Buhlen zu,
Und an seine starke Brust
Wirft sie sich voll Liebeslust.

Seh' ich fern' in Morgens Glüh'n
Auf dem Berg' das frische Grün,
Ach, da zieht's auch mich mit Hast
Waldwärts, waldwärts ohne Rast!

Ermunterung

Lustig, lustig, wer zum Wald
Seine Schritte wendet,
Naht der Winter rauh und kalt,
Ist die Lust geendet.

Jetzt doch pranget noch der Baum
Rings voll grünen Zweigen,
Und selbst aus dem Felsensaum
Will ein Blümchen steigen.

Vogelsang klingt an mein Ohr,
Zaubervolle Klänge!
Und der Falter fliegt empor
Aus der finster'n Enge.

Auf, mein Herz, nur frisch und frei,
Laß' nun all dein Brüten,
Ringsum webt und lebt der Mai,
Sprossen Blum' und Blüten.

Frisch ergrün' es nun in dir,
Frisch und lenzeshelle,
Wie es in dem Walde hier
Grünt an jeder Stelle.

Nimmer finde du die Spur
Zu den alten Schmerzen:
Grünen soll's auf jeder Flur,
Und in jedem Herzen!

Im Wald

Im Wald,
Im Wald
Ist Lust und Fried',
Da schallt,
Da hallt
Der Vöglein Lied.

Da klingt
Und springt
Manch' muntrer Quell,
Und schlingt
Und ringt
Zum Tal sich hell.

Im Wald,
Im Wald
Voll Lust und Fried',
Da schallt
Und hallt
Erst recht das Lied.

Da klingt
Und springt
Der Dichtung Quell,
Und dringt
Beschwingt
Ins Leben hell.

Waldliebe

Fort, nur fort, durch Busch und Zweige,
Eh' die flücht'ge Lust entweicht,
Leert den Becher bis zur Neige,
Den Natur uns liebend reicht.

Frisch getrunken, nur getrunken,
Frühlingshauch und Bergesluft,
Und gesunken, frisch gesunken
Hin in Moos und Gräserduft.

Frei und froh, wie Hornesklänge,
Möcht' ich wohl den Wald durchzieh'n,
Schmeichelnd durch die Talesenge,
Hallend durch die Klüfte flieh'n.

Wie die frühe Morgensonne
Voll von sel'gem Liebesglüh'n,
Möcht' ich tauchen, o der Wonne!
In das reiche, junge Grün.

Möchte, wie der Sturm erbrausend,
Wald! o Wald! voll wilder Lust,
Jubelnd, wühlend, flügelnd, sausend,
Werfen mich an deine Brust!

Waldkonzert

Herr Frühling gibt jetzt ein Konzert
Im Saal zum grünen Wald,
Geladen wird von ihm dazu
Sehr höflich, Jung und Alt.

Die Demoiselle Lerche singt
Das allererste Stück,
Und wie sie, still vertrauend, hofft,
Mit ihrem alten Glück.

Ein niegehörtes Solo trägt
Sodann Herr Kuckuck vor,
Doch wagt er, aus Bescheidenheit,
Sich nicht aus Busch und Rohr.

Schwarzplättchen wird nach kleiner Frist
So viel es nur vermag,
Erlustigen die Hörer all'
Mit lautem Trillerschlag.

Drauf folgt ein scherzhaft Quodlibet,
Betitelt: Lieb' und Mai,
Herr Kiebitz, Specht und Stieglitz ist
So wie Herr Fink dabei.

Auch wirkt die Dame Drossel mit,
Frau Elster und Herr Star,
Und ungenannter Herr'n und Frau'n
Noch eine ganze Schar.

Auf dieses folgt noch ein Konzert
Von Fräulein Nachtigall,
Das Acompagnement dazu
Ist von Herrn Wiederhall.

Und wenn sich euer Ohr dem Sang
Noch leihen mag und will,
Folgt noch zum Schlusse ein Terzett
Von Frosch, Zikad' und Grill'.

Auch bleibt zu melden, daß der Saal
Ganz neu erst dekoriert,
Und reich, mit Blumen aller Art,
Geschmückt und ausspaliert.

D'rum komme, wer ein echter Freund
Von Sang und Klang und Scherz,
Das Legegeld dafür ist bloß:
Ein freies, frohes Herz.

Waldvöglein

Das Vöglein hat ein schönes Los
Im Wald,
Ihm bietet dort so Laub als Moos,
Im Sonnenschein, im Sturmgetos'
Den schönsten Aufenthalt.

Durch Zweige schlüpft es froh und frei
Dahin,
Und schleicht, im Rohr das Todesblei,
Ein Jäger noch so sacht herbei,
Husch, ist's im Dickicht d'rin'.

Nichts kennt das Vöglein sonst als Lust
Und Sang,
Und niemals ist die kleine Brust
Sich eines bitter'n Leid's bewußt,
Kein Kummer macht es bang'.

Ach könnt ich solch ein Vöglein sein
Im Wald,
Wie schwände all' die Erdenpein,
Wie zöge Lust und Sonnenschein
In's Herz mir da so bald.

Im Sturm

Der Sturm ist los, der Sturm ist los,
Und saust und braust im Wald,
Hei, höret doch, wie sein Getos'
So frei und wild erschallt.

Juhei! der Sturm hat frischen Mut,
Den Sturm, den preis ich mir,
Es braust so wild in ihm die Glut
Gleichwie, o Herz, in dir.

Fort sauset er durch Wald und Feld,
Und kennt nicht Rast und Haft,
Er hat auf sich sein Heil gestellt,
Auf sich und seine Kraft!

Hei Sturm! hei Sturm! Du bist mein Mann,
Es krieche wer da will,
Sei noch so rauh und wild die Bahn,
Der Mut'ge kommt an's Ziel!

Waldeinsamkeit

Waldesnacht,
Waldesnacht,
Schließe mich ein.

Könnt' ich für immer,
Immer und immer
Eigen dir sein.

Tannen und Rüstern,
Traulich umdüstern,
Rauschen und Neigen,
Winken und Beugen,
Durch all' das Schweigen,
Durch all' die Ruh' —
Grüßen und flüstern
Immer mir zu.

Hin durch das Dunkel,
Waldes entlang,
Schwätzige Bronnen,
Felsen entronnen
Strahlengefunkel,
Vogelgesang,
Summen und Regen
Freudig Bewegen,
Düfte und Klang.

Wirres Gerütte,
Schlingende Ranken,
Wuchernd die schlanken
Stämme umwanken,
Dort über Wipfel,
Ginster und Strauch
Einsamer Hütten
Kräuselnder Rauch,

Und von den blauen,
Sinnigen Auen,
Senken die Träume
Ihre Gefieder
Rosig hernieder,
Über die weiten,
Wellenden Räume,
Über der Schlüfte,
Höhlen und Grüfte
Reglos Gestein.

Wiegen und weben
Heimlich und leise,
Alles was Leben
In ihrer Kreise
Magische Reih'n.

Waldesnacht,
Waldesnacht,
Hülle mich ein!

Waldeslust

Laß' mich ganz in dich versinken
Wald und in dein frisches Grün,
Laß' mich deine Düfte trinken
Aus den Blumen, die da blüh'n.

Wog' um mich mit Blattgeflüster,
Labe mich mit Farb' und Schein,
Und in dein geliebtes Düster
Schließe deinen Sänger ein.

Deine Farben, deine Töne,
Deine Schwermut, deine Lust,
Deinen Zauber, deine Schöne
Senk', o Wald, in meine Brust.

Mögen einsam auch die Raben
Krächzen dann auf nacktem Baum,
Wirst doch du mich noch erlaben,
Als ein schöner, süßer Traum.

Am Morgen

Welch' neues, frohes Leben
Erwacht vom nächt'gen Traum,
Wie hängt voll heller Tropfen
Ein jedes Blatt am Baum.

Wie zittert's auf der Rose,
Wie auf des Veilchens Blau,
Wie glänzt am Bart der Distel
So silberweiß der Tau.

Und in den Perlen allen,
Ei, wie's da glüht und scheint —
Das sind wohl Freudentränen,
Die jedes Blättchen weint.

Grün

Grün, ja Grün nur soll allein
Immer meine Farbe sein,
Grün ist ja der frische Wald,
Froher Sänger Aufenthalt,
Grün, des Frühlings heit'res Bild,
Grün, der Hoffnung Farbenschild,
Grün, der Jungfrau Myrthenkranz,
Der sie schmückt mit höchstem Glanz,
Grün, des Helden Lorbeerkron',
Grün die Palme, die zum Lohn
Jedem Dulder, der erbleicht,
Lächelnd dort ein Engel reicht.
Ach, und wie erquickt so mild
Immergrün im Schneegefild. —
D'rum, so lang' noch Farben glüh'n,
Sei die meine immer Grün.

Gleich und gleich

Umrauscht vom grünen Laubgeflecht
Durchklettr' ich das Gestein,
Wie flieget Ammer dort und Specht
Gar lustig aus und ein.

Wie hüpfet da von Ast zu Ast
Der Fink, und schlägt so hell',
Wie badet, ein willkomm'ner Gast,
Duckentchen sich im Quell.

Und wie ich so durch Dick und Dünn
Aufklimme mit Gesang,
Da sch'allt um mich aus Waldesgrün
Wohl tausendfacher Klang.

Und wie ich so von Ort zu Ort
Aufklimme meinen Pfad,
Da fliegt vor mir kein Vöglein fort,
Des' Zweiglein ich genaht.

Ihr klugen Vöglein! ei ihr seht
Mir's im Gesicht wohl an,
Der also leicht und singend geht,
Der ist kein Jägersmann.

O singt, o singet immerzu!
Ihr Vöglein froh und frei,
Gern' gönn' ich euch die süße Ruh',
Gern' Waldesgrün und Mai.

Bin selber ja ein Sänger fromm,
Der gerne singt und wallt,
D'rum flücht' ich oft zu eu'rem Dom,
Wo freier Sang erschallt.

Guter Rat

Modehänschen, Modehänschen,
Geh' nicht in den Wald
Denn dein Höschen, denn dein Röckchen
Reißt am Dorn gar bald.

Deine cordovaner Schühchen
Springen gar so leicht,
Und der Weg ist rauh und steinigt,
Und das Gras ist feucht.

Nur die dumme Nessel wuchert,
Und die Distel sticht,
Mod'sche Damenblümchen findet
Deine Brille nicht.

Und die Vögel zwitschern, singen,
Ach, das ist ein Graus!
Nicht Rossini, nicht Rubini,
Findest du heraus.

Kein Parfüm ist da zu riechen,
Kein Pariserduft,
Ach, nur schlechte Blumen schwängern
Mit Geruch die Luft.

Deiner Binde Zauberknoten,
Und der Locken Zier,
Preiset und bestaunt im Walde
Nicht ein Aug' an dir.

Unvernünft'ge Tiere fliehen
Nur vorbei mit Hast,
Wissen nicht zu respektieren
So modernen Gast.

D'rum mein Hänschen, süßes Hänschen,
Glaube auf mein Wort,
Für dich bleibt die Promenade
Schon der beste Ort!

Morgen wieder

Morgen wieder, morgen wieder,
Lieber Wald!
Muß nun zu dem Tale nieder,
Abendglocke schallt.

Vöglein hüllt in Laub und Dunkel
Dicht sich ein.
Und dem bleichen Sterngefunkel
Weicht der Sonne Schein.

Flüstert da nicht Baum und Flieder,
Strauch und Rohr? —
"Morgen wieder, morgen wieder!"
Hallt es an mein Ohr.

Hab' voll sel'ger Lust gelegen
In dem Grün,
Sah um mich den reichen Segen,
Sah dein herrlich Blüh'n.

Schlürfte deine frische Kühle,
Waldesluft.
Lag auf deinem weichen Pfühle
Zwischen Sang und Duft.

Ach, wie enden Lust und Lieder
Gar so bald;
Aber morgen, morgen wieder,
Lieber, lieber Wald!

Waldestrost

Nähret Unmut deine Seele,
Flüchte nur zum grünen Wald,
Was dich für ein Kummer quäle,
Findest da die Tröstung bald.

Schlingt die hoffnungsgrünen Arme
Er nur recht um dich mit Lust,
Liegst du bald, befreit vom Harme,
Wie ein Kind an Mutterbrust.

Manch' ein Leid hat mir geheilet
Freundlich schon der grüne Wald,
Drum hinaus nur, unverweilet,
Auch das deine heilt er bald.

An den Wald

Wende ich von dir den Schritt
Wieder zu den alten Gleisen,
Nehm' ich nicht die Lieder mit,
Die ich sang, um dich zu preisen.

Nein, ich lasse sie bei dir,
Lasse sie bei Duft und Blüten,
Wald, du sollst sie treulich mir
Unter deinem Schatten hüten.

Komm' ich einst, vielleicht als Greis,
Wieder zu den teuren Gründen,
Mag mein Herz dann liebeheiß
Die Vergess'nen wieder finden.

Dann, o Wald, dann laß' sie frei,
Daß sie flatternd mich umfliegen,
Und das welke Herz auf's Neu
In so sel'ge Träume wiegen.

Nichts ohne Liebe

Vöglein, ohne Ruh' und Rast,
Regt die munt'ren Schwingen immer,
Singt so froh auf jedem Ast,
Aber —
Ohne Liebe nimmer, nimmer!

Blume nickt der Blume zu,
Flüstert in des Morgens Schimmer:
Leben, ach, wie schön bist du!
Aber —
Ohne Liebe nimmer, nimmer!

Wellen tauschen Wort um Wort,
Rieseln hin im Silberflimmer;
Fröhlich geht's in Zweien fort,
Aber —
Ohne Liebe nimmer, nimmer!

Menschenherz, voll Lust und Pein,
Fühl'st wohl auch dies Eine immer:
Selig bist nur du allein,
Aber —
Ohne Liebe nimmer, nimmer!

Abschied

Ade, du lieber Tannenwald,
Ade!
Wie rief die Scheidestund' so bald,
Ade!
Schon muß ich fort, zu Hause mein
Harr't Schreibepult und Bücherschrein,
O weh!

Ade, du lebes Waldesgrün,
Ade!
Ihr Blümlein mögt noch lange blüh'n,
Ade!
Mögt and're Wand'rer noch erfreu'n,
Und ihnen ihre Düfte streu'n,
Ade!

Ade, ihr Felsen braun und grau,
Ade!
Weiß Gott wann ich euch wieder schau',
Ade!
Mir ist das Herz so trüb' und schwer,
Als rief's, du siehst sie nimmermehr,
O weh!

Und scheid' ich auch auf Lebenslang,
Ade!
O Wald, o Fels, o Vogelsang!
Ade!
An euch, an euch, zu aller Zeit
Gedenke ich in Freudigkeit,
Ade, ade, ade!

Votivreime

Was ich fand in diesen Gründen,
Mögst auch du's, o Wand'rer, finden.
Waldesgrüne, Vogelsang,
Schattenfrische, Hornesklang,
Blattgeflüster, kühle Flut,
Lebenskraft und neuen Mut,
Lust in jedem Zweig und Ast,
Frieden, wo du pfleg'st der Rast,
Schutz, wenn Sturm und Wetter tost,
Und in trüben Stunden — Trost.