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Quelle:

Neuer Lieder Frühling
Johann N. Vogl

Wien 1841
Verlag und Druck
J. B. Wallishausser

I.
Neuer Liederfrühling

 

Blumenlieder
Blick der Unschuld
Dreifache Bitte
Der Pappelbaum
Sturmbilder
Wolkenlieder
Maienregen
Turm und Ranke
Baumgeflüster
Ruhe
Abglanz
Waldlied
Posthornklänge
An die Unfehlbaren
Dichters Trost

 
Heimlicher Abschied
Auf der Brücke
Was willst du mehr?
Versöhnung
Auf ein Heupferdchen
Moderne Romanze
Valed

 

Blumenlieder


1.
Blumen

Viermal ist's, daß sich in's Leben
Sinnreich uns die Blumen weben,
Einmal in der Kindheit Scherzen
Noch als Sinnbild uns'rer Herzen,
Später, wenn als Liebeszeichen
Wir sie einem Teuren reichen,
Dann noch, wenn bei Festesglänzen
Sie den Freudentrunk uns kränzen,
Und zuletzt, wenn fromme Hände
Sie uns weih'n als Grabesspende.

2.
Märzveilchen

Veilchen im März,
Blümchen, du kleines,
Dich nur, wie keines,
Grüßet mein Herz.

Veilchen im März,
Herold der Freude,
Jüngstes der Halde,
Lächeln im Schmerz.

Veilchen im März,
Schmelzest durch Düfte
Herzen und Grüfte,
Starrend wie Erz.

Veilchen im März,
Bringest ja wieder
Blüten und Lieder,
Jugend und Scherz!

3.
Aufschluß

Warum doch nur der Winter naht
Alljährlich mit Eis und Schnee,
Und uns die holden Blumen raubt,
Die Blumen von Tal und Höh'?

Der Winter naht mit jedem Jahr
Und hüllet die Anger mit Schnee,
Damit von den Blumen das Scheiden uns
Auf einmal nicht tu' zu weh.

4.
Morgenlüftchen

Die kleinen Blumen weinten
Wohl durch die ganze Nacht,
Weil sie der Sturm geschlagen
Und nicht ein Stern gelacht.

Nun da die Morgenröte
Auf's Neue bricht hervor,
Nun lächeln sie durch Tränen,
Im duftig bunten Flor.

Da stiegt das Morgenlüftchen
Herbei nach seiner Pflicht,
Und küßet jeder Blume
Das Tränchen vom Gesicht.

5.
Unter Blumen

Lieg ich hingestreckt im Grünen,
Rings umnickt von Halm und Kraut,
Scheint mir alles doppelt herrlich
Was nur da mein Blick erschaut.

Doppelt herrlich all die Räume,
Strom und Berge, Dorf und Hain,
Und der Himmel und die Bäume,
Wolkenzug und Sonnenschein.

Und mir ist so wohl, als säße
Wieder ich als Kind im Grün,
Ei, woher dies Lustempfinden,
Und dies wonnige Erglüh'n?

Und ich denk' an dies und jenes
Was mir fern und was mir nah,
Wie ich Düst'res oft so heiter,
Heitres oft so düster sah.

Und so denke ich und blicke
Durch die Blumen dufterfüllt,
Sieh' da ist mit einemmale
Das Geheimnis mir enthüllt.

Ja, nun weiß ich was im Inner'n
All die Luft herauf mir rief,
Sah ich doch die Erde wieder
In der Kindheit Perspektiv.

6.
Blumenlied

Gern mag ich den Blumen lauschen
Wie so stille sie erblüh'n,
Wie sie duften und berauschen,
Bis allmählig sie verglüh'n.

Ach, ich weiß ja eine Blume
Deren Blüh'n ich oft gelauscht,
Als ihr Haupt das sinnig stumme,
Lenzenslüfte noch umrauscht.

Doch der Zauber der umwoben
Damals sie, so reich und hell,
Ist für immer nun zerstoben;
Blumen, welkt doch gar zu schnell!

7.
Die Sonnenblume

Schaut doch, wie die Sonnenblume
Gar so hehr und prangend steht,
Wie nur nach dem Strahl des Lichtes
Immerdar ihr Sehnen geht.

Alle Blumen schau'n zur Sonne
Zaghaft und in frommer Scheu,
Sie nur folgt von Ost nach Westen
Freudig ihr, in alter Treu'.

Schlürft den Wein aus gold'ner Schale,
Bis der süße Quell versiegt,
Und berauscht vom Göttermahle
Sich ihr Haupt in Träumen wiegt.

Und so folgt dem Born des Lebens
Immerdar ihr Angesicht,
Und so strahlt aus allen Blumen
Sie — als: Ode auf das Licht.

8.
Anfang und Ende

Minder flechten in die Locken
Gern' sich duft'ge Blumen ein,
Haben ihre Lust vor allen
Nur an ihrem Duft und Schein.

Wohl, wenn größer sie geworden
Werden treulos sie dem Spiel,
Und was früher sie entzückte
Kümmert sie nun nimmer viel.

Erst wenn sie nach langen Kämpfen
Allem Erdenschmerz entrückt,
Siehst du mit den Längstvergeßnen
Wie zu Anfang sie geschmückt.

9.
Abendgang

Die kleinen Blumen auf dem Feld, die süßen,
Die sind mit mir in gar vertrautem Bund,
Und nahe ich, von ferne schon sie grüßen,
Und jede spricht und gibt mir Neues kund.

Steinnelke sagt: Hab' lang' auf dich geharret,
Kornblümchen spricht: Sieh doch mein neues Kleid,
Feldröschen: Hab' den Duft für dich gesparet,
Kleinveilchen: Ach, bald ist's zum Scheiden Zeit!

Und streck' ich mich in's Gras zu ihnen nieder,
Und summe mir die kleinen Lieder vor,
Da nicken sie und nicken immer wieder,
Da lauschen alle mit gespanntem Ohr.

Und geh' ich dann, so flüstern sie noch lange
Die Lieder nach, mit still verschwiegnem Sinn,
D'rum freut es mich nach jedem solchen Gange
Wohl gar so sehr, daß ich ein Dichter bin.

10.
Blumenwonne

Wie muß doch den Blumen so wonnig sein
Im wärmenden funkelnden Sonnensschein,
Gewiegt und umkoset vom Morgenwind,
Gleichwie von der Mutter ein liebes Kind.

Wie muß doch den Blumen so wonnig sein
Im duftigen blühenden Frühlingschein,
Umgeben von Schwestern, so weit als breit,
Voll bunter und strahlender Herrlichkeit.

Wie muß doch den Blumen so wonnig sein
Zu schauen dem Ew'gen in's Aug' hinein,
Bis dieser voll liebender Huld zuletzt
Mit himmlischen Tränen ihr Haupt benetzt.

11.
Des Gärtners Glück

O schönes Los, der kleinen Blumen warten,
Sie pflegen dürfen mit besorgter Hand,
Sie groß zu zieh'n in seinem eig'nen Garten,
Daß Duft und Blüte habe d'rin Bestand.

Wie mag sich da des Gärtners Auge laben
An all den Knospen die ihm reich erblüh'n,
An all' den bunten heit'ren Blütengaben
Die ihm von jedem Strauch entgegenglüh'n.

Wie selig mag er ihrem Keimen lauschen
Betrachten ihr Erblüh'n und ihr Vergeh'n,
Wie müssen in der Blätter leisem Rauschen
Die Geister seiner Blumen ihn umweh'n.

Beglückter Mann, dem solch ein Los beschieden,
Der nur ein Fleckchen nennt auf Erden sein,
Das er bebauen kann in Lust und Frieden,
Und sagen darf: Die Blumen d'rauf sind mein!

Mir ward es nicht, mir ist kein Fleckchen eigen,
Wo ich des kleinsten Blümchens mir bewußt,
Und was sich sonst an Blüten wollte zeigen
Das riß man längst mir grausam aus der Brust.

12.
Die letzten Blumen

1.
Sagt, was blüht ihr noch ihr Blumen?
Ist doch nackt schon Feld und Hain,
Keine muntern Bienlein fliegen,
Keine bunten Falter wiegen
Sich auf euch im Sonnenschein.

Weder Tau noch Strahlen senken
Nieder sich auf Kelch und Blatt,
Keine lauen Weste kosen,
Ach nur rauhe Stürme tosen
Und das Leben wird so matt.

Niemand naht um Euch zu pflücken,
Sei's in Liebe, sei's in Scherz,
Ungeliebt und ungesehen
Müßt ihr einsam hier vergehen,
Wie so manch' verkanntes Herz.

Aber tröstet euch, ihr Armen,
Daß so Schlimmes euch geschieht,
Sinkt nur hin im Sturmgetose,
Weiht, verfallen gleichem Lose,
Doch ein Sänger euch dies Lied.

2.
Schon welkt das Laub und düst're Wolken schwärzen
Des Himmels Blau, es starrt im Frost das Land
Und dennoch blüh'n, wie Veilchen oft im Märzen,
Noch Blumen hier am kahlen Wiesenrand.

Nicht irrt es sie, daß keine Falter scherzen,
Sie lächeln mild, ob auch der Lenz entschwand,
So blüht wohl noch an manch' gebroch'nem Herzen
Ein Totenstrauß, den Treu' und Liebe band.

Blick der Unschuld

Wohl stehst Du sinnend oft in Frühlingsräumen
Vor bunter Blumen jugendlicher Pracht,
Wohl hängt Dein Auge oft in stillen Träumen
An einem hellen Stern in dunkler Nacht.

Doch lieber noch als an der Blume Prangen
Am Glanz des Sternes, dem Du folgst so gern,
Verweilt Dein Blick von Wonne ganz befangen
An eines Kindes frommen Augenstern.

Denn Stern und Blume findest Du dort Beide,
Entschwund'ner Zeiten namenloses Glück,
Ja, deiner Unschuld, deiner Kindheit Freude,
Ein Himmel liegt in eines Kindes Blick.

Dreifache Bitte

Laß nur, o Herr, meinem Auge das Licht,
Nicht daß es sehe der Menschen Gesicht,
Laß es mir wegen der Blumen,
Daß es noch freudig die Kleinen erschaut,
Wie sie der Himmel mit Tränen betaut,
Wie sie die Bienlein umsummen.

Laß mir, o Herr, des Gehöres Gewalt,
Nicht um der menschlichen Rede Gehall,
Nicht um der Liebe Geschwätze,
Laß es mir, daß es die Lerche vernimmt,
Wie sie mit Jubel den Himmel erklimmt,
Daß es am Lied sich ergötze.

Laß mir, o Herr, meines Herzens Gefühl,
Nicht daß es schwelge im Sinnen Gewühl,
Schwimmend auf irdischen Fluten,
Laß es mir, daß es das Schöne erfreut,
Das Du so reich in das Leben gestreut,
Und sich verklär' in den Gluten.

Der Pappelbaum

O schöner schlanker Pappelbaum,
Wie wirst Du gelb und fahl,
Seit hinter Nebel feucht und grau
Sich birgt der Sonne Strahl.

O schöner schlanker Pappelbaum,
Wo sind die Finken jetzt,
Die froh an deinen Zweigen sich
Das Schnäbelchen gewetzt?

Wo sind die munter'n Meisen all,
Die schreiend dich umlärmt,
Wo sind die weißen Falter, sprich,
Die zitternd dich umschwärmt?

Nun stehst du einsam und allein,
In Schnee und Frost und Wind,
Und seufzest, daß die Frohen doch
Nur gern bei Frohen sind.

Sturmbilder

Tost durch dicke Sommerschwüle
Plötzlich wild der Sturm einher,
Wie vom aufgeregten Pfühle
Tobt an's Land das stürm'sche Meer.

Leckt der Blitz mit blauen Zungen
Durch die öde schwarze Nacht,
Rollt vom finster'n Zeus geschwungen
Wieder hin des Donners Macht.

Wäh'n ich einen Mann zu schauen,
Der mit Kraft das Recht beschirmt,
Und voll Hast durch Tal und Auen
Fort zum grimmen Kampfe stürmt.

Aber kommt der Sturm gezogen
Kalt und eisig, toll und wild,
Auf der Flocken Wirbelwogen,
Über's starre Schneegefild.

Kommt er auf den grausig schnellen
Fitt'gen, weiß den Mund vom Schaum,
Peitscht die Flocken er, die hellen,
Wütig hin durch Nacht und Raum.

Wäh'n ich einen Greis zu schauen,
Flüchtig und von Schreck erfüllt,
Der durchbebt von Schmerz und Grauen,
Sich das weiße Haar durchwühlt.

Wolkenlieder

1.
Wolken zieh'n am Himmelsbogen
Auf dem Felde ohne Schranken,
So auch zieh'n in mir und wogen
Die Gefühle, die Gedanken.

Licht und Dunkel, Nacht und Schimmer
Sind dort ewig sich Geleiter,
So in mir auch wechselt's immer,
Trübe bald — bald wieder heiter.

2.
Sich so ganz in euch versenken
Wolken, die der Erd' entrücket,
All das Fühlen, Sinnen, Denken,
Ach, wie dies das Herz entzücket.

Wie die Räume all verschwimmen
In der überird'schen Schöne,
Waldgesäusel, Menschenstimmen,
Flutgeräusch und Glockentöne.

Wie dir nichts, was dein, geblieben,
Alles fort, dahin, zerstoben,
Nur dein Hoffen und dein Lieben
Hat sich kühn mit dir erhoben.

3.
Sieh ein ros'ges Wölkchen steiget
Dort im Osten glänzend auf,
Und durchfurcht des Äthers Bläue
Wie ein Schwan im stolzen Lauf.

Aber bald in Weiß verwandelt
Sich des Wölkchens rosigt Rot,
Bis es endlich grau und grauer
Auf sich löst im schnellen Tod.

Und des ersten Wölkchens Spuren
Folgt ein zweites Wölkchen bald,
Rosigt erst, dann bleich und bleicher
Bis sich's grau wie jenes malt.

Und ein Wölkchen nach dem andern
Also hin am Himmel flieht,
Rosig, wenn es aufwärts steiget,
Dunkel, wenn es abwärts zieht.

Und wie ich die Wölkchen schaue,
Wie da keines weilt und säumt,
Denke ich an all' die Träume,
Die mein junges Herz geträumt.

4.
Seh' ich so am klaren blauen
Himmel dich vorüberzieh'n,
Wolke, mit den leichten Schwingen,
Wolke, mit dem ros'gen Glüh'n.

Kann ich mir nichts and'res denken
Als daß du, so mild umstrahlt,
Ein Gedanke sei'st des Himmels
Der an seiner Stirn sich malt.

5.
Wolken sind des Himmels Blumen,
Die da blüh'n zur Lust der Welt,
Ist der Himmel ohne Wolken
Dünkt er mich ein ödes Feld.

6.
Wolken sind nichts als Gedichte,
Die in's Blau der Weltgeist schreibt,
Nichtzudeutende Gesichte,
Deren keines lange bleibt.

Mährchen, die wir nicht verstehen,
D'rinnen aber Drach' und Zwerg,
Zauberer und Fei zu sehen;
Skizzen oft: von Fels und Berg.

Wolken sind wie all' die Lieder
Bilder nur zur kurzen Schau;
Aber stets auf's Neue wieder
Schreibt der Weltgeist sie in's Blau.

7.
Abendwölkchen, sprich: wie bist du
Doch mit eins so trüb geworden?
War dein Kleidchen doch am Morgen
Reich verbrämt mit gold'nen Borden.

Und du schwebtest, selig, heiter,
In der blauen Ferne droben,
Gleich, als wär'st du nur aus Silber
Und aus purem Gold gewoben.

Und nun zieh'st du, wie ein Büßer,
Trauernd hin, im schwarzen Kleide,
Sag', wer hat dich so verwandelt,
Sprich, wer tat dir was zu leide?

       Das Wölkchen spricht:

"Ei, durchforsche doch nur selber
Was in deiner Brust verborgen,
Bist ja auch ein Andrer worden
Als der heut' du warst am Morgen."

8.
Gutes dich die Wolke lehrt
Eine wie die And're,
Wenn zu ihr dein Blick sich kehrt
Ruft zu dir sie: Wand're.

Daß wir wandern froh gesellt
D'rum nur schuf sein Werde
Also weit das Himmelszelt,
Und so groß die Erde.

9.
Seid gegrüßt mit jedem Morgen
Wolken auf der Wanderschaft,
Zieht ihr doch so frei von Sorgen,
Ohne Ruh' und ohne Haft.

Wandert fort in ew'ge Weiten
Lugt hinab zu Land und Meer,
Jetzt im Frieden, jetzt mit Streiten,
Zieht ihr durch das All einher.

Stets in anderer Gestaltung
Bleibt ihr immer was ihr war't,
Und in jeglicher Entfaltung
Ihr den Meister offenbart.

Mö'cht' mit dem mich nicht befassen,
Werben nicht um seine Gunst,
Der in euch nur tote Massen
Sieht, die sich geformt aus Dunst.

10.
Kommst du einst auf deiner Reise
Wolke in das Geisterland,
Wo auch meine Lieben weilen,
Sprich: Du sei'st von mir gesandt.

Grüße Alle, die auf Erden
Herz im Herzen mir verwandt,
Sprich: der Sand sei bald verronnen,
Und das Flämmchen bald verbrannt.

Sprich: und trüg' auch dann kein Flügel,
Keine Schwinge mich so hoch,
Wär' auch fremd mir wo sie wohnten,
Finden müßten wir uns doch!

Maienregen

Maienregen,
Süßer Quell,
Rausche, rausche,
Silberhell!

Lab' die Keimchen
Unter'm Staub,
Und am Baume
Wasch' das Laub.

Gib dem Vöglein
Frischen Trank,
Stärk' das Heimchen,
Matt und krank.

Wolke, Wolke,
Reich an Gut,
Spende, spende
Deine Flut.

Wiß', das Tröpfchen
Jetzt noch Dein,
Wird im Staube:
Edelstein.

Turm und Ranke

Es schlingt eine Epheuranke
Sich um den alten Turm,
An dieser reißt und rüttelt
Mit Ungestüm der Sturm.

Der möchte mit in's Weite
Sie nehmen vom Gestein,
Doch mag die Epheuranke
Ihm nicht zu Willen sein.

Sie spricht: O laß beisammen
Den alten Turm und mich,
Was sollt' er ohne Ranke,
Und ohne Turm, was ich?

Baumgeflüster

Als ich noch lebensfroh und jung
Hin über Feld und Wiese sprung,
Da flüsterten mir die Weiden:
Freuden, Freuden, Freuden!

Als d'rauf, nach manchem Leid und Gram,
Gewandert ich die Straße kam,
Da flüsterten mir die Bäume:
Träume! Träume! Träume!

Und nun ich geh' dahin so matt,
So wandern'smüd' und lebenssatt,
Nun flüstern sie mir alleine:
Weine! Weine! Weine!

Ruhe

Trübe ist der Himmelsraum
Und kein Lüftchen will sich regen,
Unbeweglich Strauch und Baum,
Still und lautlos aller Wegen.

Weder Nacht, noch Sonnenschein,
Weder West, noch Sturmgetose,
Nur die Ruhe herrscht allein,
Sie, die träge, atemlose.

Weh! so ist auch mir zu Mut,
Ausgestorben, ausgeklommen,
Komm o Schmerz, mit deiner Wut,
Will schon nicht die Freude kommen!

Abglanz

Wenn vorbei des Tages Schwüle,
Sonnenglanz und Farbenpracht,
Und mit wollustreicher Kühle
Niedersinkt die ernste Nacht,

Ach, dann schickt nach unser'm, Sterne
Auch der Mond die Schimmer aus,
Und versilbert nah und ferne
Berg und Strom und Feld und Haus.

So auch ist's in unser'm Leben,
Wenn der Abend bricht herein,
Und schon großen Teils das Streben
Ist vorbei mit Lust und Pein,

Sieh, dann spiegelt sich auch immer
Auf dem Haupte, nah dem Grab',
Silberhell der Friedensschimmer
Eines besser'n Jenseits ab.

Darum ehret mir die Müden,
Die umglanzt solch Silberschein,
Denn er mahnt ja schon hienieden
An ein künft'ges schön'res Sein.

Waldlied

Gern' lieg ich in dem grünen Wald
Und schau' den Wolken zu,
Wie die so segeln drüber hin,
Ganz ohne Rast und Ruh'.

Und schau' und schaue unverwandt
In ihren raschen Lauf,
Und schaue tief in's Firmament
Und tiefer noch hinauf.

Und wie ich also unverwandt
Hinauf zum Himmel schau',
Ist mir, als säh' Gottvater selbst
Herab zu Wald und Au.

Als hab' er rechte Freude d'ran
Wie's da so frisch und grün,
Und wie so lustig Baum und Strauch
In Tau und Sonne glüh'n.

Dann breit' ich wohl die Arme aus,
Und rufe, daß es schallt:
Herr Gott nimm meinen heißen Dank
Für deinen schönen Wald!

Posthornklänge

1.
Das Posthorn tönt
Vom Straßenrain,
O lust'ger Klang
Durch Wald und Hain!

Er reißt mit sich
Mich fort im Flug,
Wie Stromes Flucht,
Wie Wolkenzug.

Fort über Berg
Und Tal und Feld,
Hinaus, hinaus,
In alle Welt.

Als Reis'genoß'
Den munter'n Schall,
Mit Radgebraus
Und Peitschenknall.

So geht es fort
Von Lust beseelt,
Hinaus, hinaus,
In alle Welt.

Denn ach, von mir
So weit, so weit,
Mein Liebchen wohnt,
O tiefes Leid!

Das fährt wohl oft
Erschreckt empor,
Berührt der Schall
Nur leis ihr Ohr.

Es springt zur Tür
Mit frohem Schrei,
Doch rasselnd fliegt
Die Post vorbei.

Vorbei, vorbei,
So wie der Klang,
Der eben jetzt
In's Ohr mir drang.

Ach, wann nur führt
Doch mich einmal
Zu dir, zu dir
Solch munt'rer Schall?!

2.
Blase Schwager,* blase, blase!
In die Welt nun geht's hinaus,
Daß es schmett're, daß es rase,
Nah und fern durch jedes Haus.

Flieht vorüber, Triften, Felder.
Die erfaßt das Aug' noch kaum,
Häuser, Türme, Flüsse, Wälder,
Flieh' vorbei du bunter Traum!

Schneller noch als dein Geschmetter,
Schwager, fliegt mein Herz voraus,
Wie ein sturmgejagtes Wetter
Sucht's in Eil' ein fernes Haus.

Ach, das Haus ist bald gefunden,
Wenn ein liebend Herz es sucht,
Aber viele viele Stunden
Hängen an des Staubes Wucht.

Darum blase Schwager, blase!
Ist so wüst doch Feld und Hag,
Und so fern noch die Oase
Wo ich ruhen kann und mag.

*Schwager wird in Österreich gewöhnlich
der Postillion genannt.


3.
Behaglich ist's zu lauschen
Dem munter'n Posthornschall,
Wenn so vorüberrauschen
Die bunten Bilder all.

Man meint auf Zauberklängen
Zu schweben durch die Luft,
Befreit von Kerkersengen,
In Sonnenschein und Duft.

Man meint dahin zu ziehen
Auf einem glatten See.
Umhaucht von Melodien
Die d'runten singt die Fee.

Dann wieder fortzujagen
Als Sieger hoch zu Roß,
Vor sich in Angst und Zagen
Der Feinde flücht'gen Troß.

Dann glaubt man wieder drinnen
Sich tief im Wunderberg,
Wo zu der Brünnlein Rinnen
Aufspielet Gnom' und Zwerg.

O kling', o kling' nur immer
Du lieber Posthornschall,
So süß ja träumt sich's nimmer
Im bunten Menschenschwall.

4.
Vor der Schenke hielt der Wagen,
Morgenluft durchwühlt das Korn,
So wie nie noch blies der Schwager
Da auf seinem kleinen Horn.

Lieblicher als Flöt' und Harfe
Scholl zum Schenkenhaus der Klang;
Daß es in die tiefste Seele
Mir wie stiller Zauber drang.

Doch nicht staunt' ich, hatt' ich früher
Auch ein Gleiches nie gehört,
Sagte mir's doch eine Stimme
Daß die Liebe ihm's gelehrt.

5.
Und weißt du, was das Posthorn sagt,
Wenn's früh am Morgen klingt?
"Hinaus, hinaus, nur unverzagt,
So langs noch blüht und singt!"

Und weißt du, was das Posthorn sagt,
Sengt dich des Mittags Glut?
"Wer nie sich müht, wer niemals wagt,
Erringt kein teures Gut!"

Und weißt du, was das Posthorn sagt,
Hüllt Nacht der Erde Rund?
"Vielleicht wenn's dort im Osten tagt
Liegst du im kühlen Grund!"

6.
Einsam im engen Raum
Sitz' ich im halben Traum,
Schaurige Nacht ringsum,
Alles so Grabesstumm.

Fern nur ein Lichtlein blinkt,
Gastlich zur Einkehr winkt,
Rastlos auf dieses zu
Geht's ohne Rast und Ruh'.

Lichtlein, du kleiner Stern,
Wie nur so fern, so fern,
Wie nur so schwarz und leer
Alles im Kreis umher.

Horch, jetzt erschallt das Horn
Lustig durch Busch und Dorn,
Lustig durch Feld und Nacht,
Leute, nun aufgewacht!

Siehe da ist's erreicht,
Riegel und Türe weicht,
Und auf das Kiesgestein
Poltert's zur Post hinein.

Poltert, bei lust'gem Klang,
Dröhnend den Hof entlang,
Doch schon zu neuem Lauf
Macht sich mein Sehnen auf.

7.
Nun Schwager, blas' dein letztes Stück,
Das schönste das du kannst,
Denn wieder naht sich mir das Glück,
Ein Glück, das du nicht ahnst.

Stoß' jetzt in's Horn mit aller Kraft
Mit deiner ganzen Kunst,
Denn mit dem Schluß der Pilgerschaft
Zerfließt mein Leid wie Dunst.

D'rum tön' das Horn, d'rum schall' sein Klang
So hell als wie noch nie,
Wie Harfenton, wie Elfensang,
Wie Sphärenharmonie.

Daß man's vernehm' allüberall:
Die Fahrt ist nun gemacht,
Und zur Geliebten hat dein Schall
Für immer mich gebracht.

An die Unfehlbaren

Mögt ihr stets damit euch brüsten
Daß so eben eure Bahn,
Daß an keiner von den Klippen
Leck geworden euer Kahn.

Daß ihr immerdar besonnen
Ihn gelenkt durch Wind und Flut,
Und gesichert nun vor'm Sturme,
Wie ihr glaubt, im Hafen ruht.

Meine Wege waren anders,
Anders auch war meine Fahrt,
Und mein Schiff zerbrach an Klippen,
Wenn ihr's gleich auch nicht gewahrt.

Meine Wimpel, meine Segel,
Die so luftig einst geragt,
Sah ich wild vom Sturm zerreißen,
Und von gift'gem Zahn benagt.

Aber wie sich auch mit Prangen
Euer Schiff noch jetzt bewegt,
Während trauernd zieht das meine,
Wie der Harm zu ziehen pflegt,

Mächt' ich dennoch all mein Irren,
Ob es gleich mein Herz beklagt,
Nicht mit eurer Reinheit tauschen,
Die so stolz zur Schau ihr tragt.

Dichters Trost

Ihr könnt verbittern mir des Lebens Stunden,
Zerfleischen könnt ihr grausam mir die Brust,
Ihr könnt in's tiefste Leben mich verwunden,
Und Gift mir träufeln in die reinste Lust.

Ihr konnt mein Herz auf hundert Foltern schrauben,
Nur Eines nicht, wie ihr auch sinnt und strebt,
Ihr könnt mir nicht den Trost der Dichtkunst rauben,
Der über alle Schmerzen mich erhebt.

Heimlicher Abschied

So weilte wieder ich vor'm Hause,
Wo ich vor manchem Jahre stand,
Betrachtend deine stille Klause,
Du aber hast es nicht geahnt!

Es war das alte heiße Sehnen,
Das wieder meine Brust empfand,
Die alte Glut, das süße Wähnen,
Du aber hast es nicht geahnt!

Nur einmal wollt' ich noch dich schauen,
In der mein Glück ich früher fand,
Nur einmal dir mein Leid vertrauen,
Du aber hast es nicht geahnt!

Nur einem Blick galt mein Verlangen,
Nur einem Druck von deiner Hand,
Nichts wollt' ich sonst von dir erlangen,
Du aber hast es nicht geahnt!

Da zog ich denn gar tief beklommen
Auf's Neu' hinaus in's fremde Land,
Um niemals mehr zurück zu kommen,
Und ach, du hast es nicht geahnt!

Auf der Brücke

Hingelehnt am Brückenbogen
Blick' ich in die Flut so gern,
Spiegelt in dem Naß der Wogen
Sich der helle Abendstern.

Sieh, wie treibt da Well' auf Welle
Sich so wild so hastig fort,
Nur der Stern, der silberhelle,
Schimmert stets am alten Ort.

So auch blickt dein Bild voll Liebe
In mein Leben immerdar,
Sei die Flut von Stürmen trübe,
Oder sei sie morgenklar.

Doch die Zeit entflieht, die schnelle,
Und du bleibst mir ewig fern,
Wie der raschen, flücht'gen Welle
Unerreichbar bleibt der Stern.

Was willst du mehr?

Herz, wie fühlst du dich so schwer
Seit dein Liebstes dir verloren,
Das du einst dir auserkoren,
Und dir nahm ein Ungefähr.

Herz, und kehrt sie auch nicht mehr
Jene Zeit der Feenträume,
Die geschmückt so schon die Räume,
Welche jetzt so wüst und leer,

Herz, o traure nicht zu sehr,
Mag sich auch dein Himmel schwärzen,
Hast du doch in Lust und Schmerzen
Einst geliebt, was willst du mehr?

Versöhnung

Schlug ein Feind, von Zorn gefacht,
Wunden dir, die schmerzlich bluten,
Hege deines Grolles Gluten
Niemals, niemals, über Nacht.

Reich' versöhnt die Hand ihm dar,
Süßer schläfst du auf's Vergeben,
Denk' es lischt vielleicht dein Leben
Noch bevor's im Osten klar.

Ist dein Schlafgenoß' der Zorn,
Wird er wuchernd dich umranken,
Taten werden die Gedanken,
Und nie tilgst du mehr den Dorn.

D'rum sei stets des Worts bedacht:
Siegen wird und muß die Liebe,
Das Versöhnen nur verschiebe
Niemals, niemals, über Nacht.

Auf ein Heupferdchen

Graues Pferdchen, grünes Pferdchen,
Springt herum und hat nicht Rast,
Wo es weilt: ein Blumengärtchen
Wo es ist: willkommner Gast.

Trinkt sich satt am Blumentrichter,
Ißt sich satt am Blumenstand,
Und verhüllet Nacht die Lichter
Schläft es ein im duft'gen Laub.

Und so geht es heut' wie morgen,
Fragt um alles And're nicht,
Ohne Kummer, ohne Sorgen,
Bis sein kleines Herzchen bricht.

Sei du froh, du munt'res Pferdchen,
Daß solch munt'res Ding du bist,
Weiß ich doch kein Zaubergärtchen
Das sich mir wie dir erschließt.

Weiß ich doch für meinen Schlummer
Nimmer mir so süßen Pfühl,
Ach, und trübt doch stets ein Kummer
Mir ein jegliches Gefühl.

Moderne Romanze

Auf dem Söller sitzt die Dame
Wang' und Tuch benetzt mit Tränen:
Denn — in der Romanze muß sich,
Vorzugsweis die Dame sehnen.

Ach, ihr Ritter zieht zum Streite,
Fliegt dahin mit kühnem Wagen:
Denn in der Romanze muß sich
Vorzugsweis der Ritter schlagen.

Und die Dame weint noch immer,
Weint, bis spät die Sterne scheinen:
Denn in der Romanze muß ja
Immerdar die Dame weinen.

Und der Ritter ficht so lange,
Bis die Feinde fiieh'n von hinnen:
Denn in der Romanze muß auch
Stets der Held im Kampf gewinnen.

Sieh, da bricht das Herz der Dame
Ob dem Liebesschmerz dem herben:
Denn in der Romanze muß doch
Schließlich auch die Dame sterben.

Aber auch der Ritter sinket
Unter seines Gegners Händen:
Denn es muß sich die Romanze
Stets mit Blut und Totschlag enden.

Valed

Was uns liebt und was wir lieben,
Freunde sagt, wer stimmt nicht ein?
Laßt das Trauern uns verschieben,
Denn nicht soll uns jetzt betrüben
Ird'scher Trennung kurze Pein;
Was uns liebt und was wir lieben,
Soll nur unser Wahlspruch sein.

Was uns liebt und was wir lieben,
Jedem, jedem, sagt's sein Herz,
Ob wir bald wie Spreu zerstieben,
Ist uns doch ein Trost geblieben,
Freunde, schaut nur himmelwärts,
Was uns liebte, was wir lieben,
Ewig halte d'ran das Herz.

Was uns liebt und was wir lieben,
D'rauf, ihr Freunde, leert das Glas
Ob sie uns vereint geblieben
Oder ob sie längst schon drüben
Schlafen unter'm Friedhofsgras,
Was wir liebten, was wir lieben,
D'rauf, ihr Freunde, leert das Glas!