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Vermischte Dichtungen
 

Auf der See
Stille Schiffahrt
Liebhabers Wünsche
Ständchen im Sturm
Vor der Schlacht
Nachts im Schilderhaus
Lagunenfahrt
Seemanns Grab
An die Unberufenen
Pereat omni malo
An mein Herz
Am Traunstein
Vor einem Friedhof

 
Walzerlied
Herbstmelancholie
Heimlicher Schmerz
Lied und Liebe
Tief d'runten
Nachtwächterlied

 

Auf der See


Das Schiff durchfurcht die Wogen,
Die Brandung schäumt wie Schnee,
Den blauen Himmelsbogen
Besäumt die grüne See.

Da aus der fernsten Weite
Ein Segel kommt heran,
Die Sehnsucht im Geleite
Durchzieht's die öde Bahn.

Es zieht vorbei in Eile,
Weiß nicht woher, wohin?
Noch seh' ich's eine Weile
Mit tiefbewegtem Sinn.

O Schifflein auf den Wellen,
O Segel weiß und rein,
Wirst du am Riff zerschellen?
Läufst du im Hafen ein?

Stille Schiffahrt

In dem Kahn der Fantasie,
Auf dem Meere sonder Schranken,
Auf dem Meere der Gedanken
Schiff ich oft und suche sie.

Ach wohl ahnet sie es nicht,
Daß mein Herz in süßen Träumen
Sich ihr naht aus fernen Räumen
Und voll Sehnsucht zu ihr spricht.

Doch nur eine Spanne Zeit
Darf es sich am Glücke sonnen,
Nur zu bald aus seinen Wonnen,
Ruft es heim die Wirklichkeit.

Und voll Wehmut kehrt es dann
Zu dem öden Strande wieder,
Doch mit einer Fracht voll Lieder
Langet stets das Schifflein an.

Liebhabers Wünsche

Möchte wohl ein Maler sein,
Malte nur ein Bild allein,
Rosenknosp' im Blütenmai,
Meines Liebchens Konterfei.

Möchte wohl ein Bildner sein,
Formte Liebchen ganz allein,
Psychens Wuchs und Ledas Brust,
Sagt, was gliche meiner Lust?

Möchte wohl ein Sänger sein,
Sänge nur ein Lied allein,
Sänge nur zu Liebchens Preis,
Liebetrunken, liebeheiß.

Aber wie, da fällt mir ein,
Möchte erst kein Maler sein,
Nimmer brächte meine Hand
Liebchens süßen Blick zu Stand.

Auch als Bildner ging's mir so,
Würde nie des Werkes froh,
Liebchens Wuchs und Angesicht
Formt Canovas Meißel nicht.

Und als Sänger wär's nun gar
Zehn Mal schlimmer noch fürwahr,
Denn auf Erden tut kein Mund
Liebchens Huld und Tugend kund.

Eines aber möcht' ich sein,
Eines wahrlich ganz allein,
Nun, was glaubt ihr? — seh't mich an,
Ei, ich dächte: Liebchens Mann.

Mit dem Malen ging es schwer,
Mit dem Formen nimmermehr,
Mit dem Singen stund' es schlecht,
Aber lieben könnt' ich recht.

Ständchen im Sturm

Wie beugt sich die Eiche,
Wie saust's durch's Gesträuche,
Wie wanket und säuselt
Wie flattert das Laub,
Wie wirbelt und kräuselt
Im Winde der Staub.

Doch mit schlafesroten Wangen
Liegst du wohl auf weichem Flaum,
Und kein Sturm macht dich erbangen,
Weckt dich aus dem süßen Traum.

Wie dein Herz voll Huld und Treue
Allem Guten zugetan,
Lächelt dich mit sanfter Bläue
Wohl ein schön'rer Himmel an.

Hu! wie öde all' die Gassen,
Wie so grabesstumm und leer,
Und die finster'n Häusermassen
Rings so schwarz und tot umher,
Ferne nur auf öden Halden
Stöhnt es noch in Bachesweiden. —
Aber wieder um die Ecken
Bricht's mit neuer Wut herein,
Alle Laden beben, knarren,
Und es schüttern alle Sparren,
Und die fiücht'gen Wolken decken
Dicht des Mondes Silberschein.

Nur der Liebe Lautenklänge
Schallen noch auf nächt'gem Gang,
Aber in des Stübchens Enge
Hörst du Laute nicht und Sang.

Laß du klingen, laß du wehen,
Hab' nur hübsch die Äuglein zu,
Winde, linde! hört mein Flehen,
Stört nicht ferner ihre Ruh'!

O fliehe! es nahen
Die nächtigen Gäste,
Der Jäger als Meister,
Die heulenden Geister
Auf schwindelnder Bahn,
Wie jubelt und brauset
Die Windsbraut und sauset
Dem Reigen voran.
Und Äste um Äste
Zerknicken, zerbrechen,
Gleich reißenden Bächen
Durchbraust es den Wald.

Welch' Pfeifen und Trillen
Welch' Orgeln und Schrillen
Die bebenden Auen,
Die Straßen voll Grauen
Im Fluge durchschallt.

Doch die Liebe steht und weilet
Freudig selbst in Nacht und Sturm,
Ob sie Nacht und Sturm ereilet,
Treue ist ein fester Turm.

Darum, Liebchen, schlafe immer,
Bald vertos't der Stürme Wut,
Treue aber wanket nimmer.
Denn sie steht in Gottes Hut.

Vor der Schlacht

Ihr Sterne dort oben am endlosen Zelt
Wie schaut ihr so freundlich und helle,
Zu tausend und abermal tausend gesellt,
Herab auf die nächtige Stelle.

Und wenn ihr verglimmet und wenn es nun tagt
Im Osten so rosig und helle, —
Wer ist's, der es jetzt mir wohl kündet und sagt,
Wo morgen zur Nacht meine Stelle?

Wohl wogt es noch Vielen im Herzen so heiß,
Noch lächelt die Zukunft so helle,
Doch morgen? — da ruht wohl, erstarret zu Eis,
Manch' Herz auf der nächtigen Stelle.

Doch du magst es lenken, du Lenker der Welt,
Du, ober den Sternen so helle!
Wir haben auf dich unsre Sache gestellt,
Nun weis' uns, o Herr, unsre Stelle!

Nachts im Schilderhaus

Brr — streift doch so schneidend der Wind vorbei
Und saust mir sein Lied in die Ohren,
Am Himmel, wie hängen die Wolken so schwer,
Die Gasse so öd', der Ring so leer,
Die Fenster zu Stein all' gefroren.

Husch! — dichter nur in den Mantel gehüllt,
s'strömt wärmer dann gleich durch die Adern,
Ein Tor, der da lange mit Wetter und Zeit,
Mit dem launichten Schicksal läge im Streit,
Wozu all' das Grollen und Hadern.

Ward' auch just nicht — um in stürmischer Nacht
Zu Wachen und Frieren geboren,
Auch mir lachte einst im heimischen Land
Ein besser Geschick, — doch die Zeit entschwand,
Verloren ist einmal verloren.

Nur Eines, das eng't mir noch öfters die Brust,
Das werd' ich so leicht nicht verschmerzen,
Dich, Bärbchen! du süßes, freundliches Kind,
Mit den Äuglein so treu, den Wangen so lind,
Dich, mit deinem kindlichen Herzen!

Ach, sagte mir einer nur, wie's ihr ging',
Wollt' gern' ja nichts weiter verlangen;
Vielleicht, daß sie eben zur Stunde jetzt Braut,
Vielleicht, daß sie längst einem Teu'ren getraut,
Und liebenden Arm's jetzt umfangen.

Vielleicht auch — ei, wird's doch mit einem Mal
So heiß in den engenden Planken,
Puh! —muß nur in Schnee und in Sturm wieder 'naus,
s'ist doch gar zu dunstig im Schilderhaus,
Zumal — mit verliebten Gedanken!

Lagunenfahrt

Von der Piazetta Räumen
Schwankt mein Kahn hinaus ins Meer,
Wie versenkt in tiefes Träumen,
Liegt Venedig um mich her.

Finster blicken die Paläste
In die Wogen grünlich-grau,
Doch der schmeichelndste der Weste
Spielt um den verlass'nen Bau.

Und die Ruderschläge dröhnen,
Und die Barke fliegt vom Strand,
Die bei leisen Liedertönen
Rüstig lenkt des Führers Hand.

Und die Wogen rauschen, schwellen,
Und der Mond steht voll und rein,
Und die Herrscherin der Wellen
Scheint ein riesger Leichenstein.

Da, erfaßt von stiller Trauer,
Seh'n der Gondolier und ich,
Mit der Wehmut leisem Schauer,
Alte Dogenstadt auf dich.

Denn, umbraust vom Flutgetose,
Wie erstarrt im tiefsten Schmerz,
Liegst du da im Meeresschoße
Einsam — ein versteinert Herz.

Seemanns Grab

Des Seemanns Grab ist groß und hehr,
Es ist das blaue, kristallene Meer;
Er mag nicht schlafen bei Wurm und Stein,
Das Meer, das Meer ist sein Grab allein.

Das Seegras ist sein Schlummerpfühl,
Sein Leichentuch ist die Woge kühl,
Sein Totenkranz, den die Nimse flicht:
Koralle, Muschel und Perle licht.

Der Seekrebs kriecht zurück vom Grab,
Der Hai selbst läßt von dem Fang dort ab,
Es flüstert darüber hinweg die Flut:
"Im Meer nur schlummert der Seemann gut!"

An die Unberufenen

Was singt ihr doch, es geht euch nicht vom Herzen,
Wozu das Streben nur nach eitlem Schein?
Grimassen bloß sind alle eure Schmerzen
Und Eitelkeit ist euer Ziel allein.

Entheiligend schwatzt ihr von Lieb' und Sehnen,
Da Gier nur und Verlangen euch bewegt,
Ihr sprecht von Wehmut, von der Lust der Tränen,
Da ruhig euch das Herz im Busen schlägt.

Ahn't ihr's denn nicht, daß ihr euch selbst nur täuschet,
Indem die Welt ihr frech zu täuschen wähnt,
Und daß die Kunst noch mehr als Schein erheischet
Und nur das Wahre mit dem Lorbeer krönt.

O gebt es auf, zu Ziffer und Lanzette
Kehrt wieder um, es sei des Wahns genug,
Denn nimmer ringt ihr los euch von der Kette,
In die den Unberufenen die Gottheit schlug.

Laßt dem Erkor'nen, dem's vom Herzen quillet,
Aussingen seine Freude, seinen Schmerz,
Wenn ihm die Brust von ihnen überschwillet
Und sie zu groß sind für ein einzig Herz.

Und labt euch d'ran, seht ihr auf Götterschwingen
Ihn siegreich steigen aus des Nied'ren Dunst,
Denn mit der Kraft allein ist das Gelingen,
Und Wahrheit von dem Jünger will die Kunst.

Pereat omni malo

Pereat dem deutschen Mann,
Den kein deutscher Sinn beseelet,
Der mit Lächeln steht dabei,
Wenn ein And'rer keck und frei
Seine Heimat höhnt und schmälet;
Ihm und jeder feigen Tat:
Pereat!*

Pereat dem deutschen Weib,
Das nur huldigt fremder Sitte,
Das nicht kennt des Weibes Pflicht,
Das als deutsche Hausfrau nicht
Waltet in der Ihren Mitte;
Ihr und Jeder, die so tat,
Pereat!

Pereat dem Krittlerschuft,
Der das Gute frech besudelt,
Der nur Fröhner ist um Sold,
Dessen Mund um schlechtes Gold,
Wenn ihr wollt, vom Lobe sprudelt;
Ihm und jeder schlechten Tat:
Pereat!

Pereat dem feilen Knecht
Mit dem ewig krummen Rücken,
Der mit süßem Angesicht,
Ein erbarmungswerter Wicht,
Nichts versteht, als sich zu bücken;
Ihm und jeder Schleichertat:
Pereat!

Pereat dem falschen Freund,
Dessen Freundschaft nimmer endet,
Wenn der Freund ihm nützlich däucht,
Aber, ist sein Ziel erreicht,
Sich von ihm verächtlich wendet;
Ihm und jeder Schurkentat:
Pereat!

Pereat dem Schacherhund,
Der nach Gold nur Menschen schätzet,
Der da häuft nur Gut auf Gut,
Dem es gleich, ob Trän', ob Blut
Sein erpreßtes Gold benetzet;
Ihm und jeder schlechten Tat:
Pereat!

Pereat dem Frömmler gar,
Der da kniet mit Gleißnermienen,
Der sich frech erborgt den Schein,
Aber dessen Herz von Stein
Nur dem eig'nen Ich mag dienen;
Ihm und jeder falschen Tat:
Pereat!

Pereat auch Sänger dir,
Der nicht nach dem Höchsten ringet,
Der nicht mit gerechtem Glüh'n
Für das Wahre, Heil'ge, kühn.
Als ein Schwert die Leier schwinget;
Dir und jeder schlechten Tat:
Pereat!

*Pereat steht laut Duden für: "Nieder!"

An mein Herz

Willst du denn nicht kälter werden,
Herz, das schon so viel verlor?
Altert alles doch auf Erden,
Und nur du bleibst wie zuvor.

Flammst empor in hellen Gluten,
Ringst mit inner'm stillen Brand,
Wissend, daß für all dein Bluten
Nie sich noch ein Balsam fand.

Ach, wohl fühl' ich's, wie auf Erden
Herrsche auch der Zeit Gewalt,
Wirst wohl nimmer kälter werden,
Aber einmal — wirst du kalt.

Am Traunstein

Ich grüße dich mit freudigem Erbeben,
Du stolzer Fels, umglänzt von Morgenglut,
Um dessen Haupt die flücht'gen Wolken schweben,
An dessen Fuß sich bricht die wilde Flut.

Du blickst mich an, ein Zeuge früh'rer Zeiten,
An dessen Stirn' zerschellt der Stürme Macht,
Der, gleich den Wolken, die vorübergleiten,
Geschlechter sah vergeh'n zur ew'gen Nacht.

Der kühn noch wird in's Meer der Lüfte ragen,
Wenn unser Staub im Winde längst verweht,
Und künden wird von den verfloßnen Tagen
Dem Enkel, der sein geist'ges Wort versteht.

Ich grüße dich, wie dich die Wolken grüßen,
Die flüchtig nur an dir vorüber flieh'n,
Und spurlos in den Nebeln dann zerfließen,
Die schauernd dort um See und Felsen zieh'n.

Noch seh' ich dich in vollster Schönheit prangen,
Die Riesenglieder wie geschwellt von Lust,
Als wolltest du mit glühendem Verlangen
Den Himmel pressen an die starke Brust.

Noch seh' ich dich, noch muß ich vor den Zinnen,
Den sturmerprobten, voll Verwund'rung steh'n,
Doch ach, zu bald nur ruft es mich von hinnen,
Und Niemand weiß, ob wir uns wiederseh'n.

D'rum nimm dies Blatt, ich leg's zu deinen Füßen,
Es ist Willkomm' und Scheidegruß zugleich,
Denn alles Hohe muß der Sänger grüßen,
Das, so wie du, an Kraft und Schönheit reich.

Vor einem Friedhof

Geh' nicht vorbei — es steht die Türe offen,
Tritt still herein und sieh dich freundlich um,
Vielleicht hat morgen dich das Los getroffen
Und du bist so wie diese — kalt und stumm.

Geh' nicht vorbei — es flieh'n die flüchtigen Stunden,
Und selten naht der Frohsinn diesem Haus,
D'rum tritt herein, und was du hier empfunden,
Das nimm mit dir in's Weltgewühl hinaus.

Walzerlied

Wer könnt' euch, ihr Frauen,
Ihr Mädchen, doch schauen,
Des' Herz nicht erbebt,
Wenn rauschend in Seide
Den Tempel der Freude
Ihr glühend durchschwebt.

Die rosigen Wangen,
Das warme Umfangen,
Im wirbelnden Dreh'n,
Wer ist's, den mit Klingen
Die rauschenden Schwingen
Der Lust nicht umweh'n?

Zur Linken, zur Rechten
Umfliegen die Flechten
Die Nacken so weiß,
Wie steigen und fallen
Die Schleier, wie wallen
Die Herzchen so heiß.

Wie irren und fliegen
Die Füßchen und fügen
Sich alle dem Takt,
Hinsaust's in die Weite,
Gleich hätte als Beute
Der Sturm sie gepackt.

O weh', in's Getümmel
Schon reißt mich, o Himmel,
Der flatternde Scherz,
Was mußt du nur wandern
Von Einer zur Andern,
Bezaubertes Herz!

Ei, wie sie es fassen,
Jetzt haschen, jetzt lassen
Im wechselnden Raub,
Mein Herz! ach, errettet!
Ihr Füßchen zertretet
Mir's nur nicht in Staub!

Herbstmelancholie

1.
Abendwölkchen seh' ich ziehen
Mild umglänzt vom Sonnenstrahl,
Und die grauen Nebel flechten
Mälig sich um Berg und Tal.

Und ich schau' die ros'gen Wolken,
Und ich frage düstern Blicks:
Sind das nicht die letzten Schimmer
Von der Sonne meines Glück's?

Hohl erbraust es in den Wäldern,
Hin ist Blüte, Sang und Duft,
Nur als Schmetterlinge flattern
Gelbe Blätter in der Luft.

Und ich seh' die Blätter gaukeln,
Und ich frage düstern Blick's:
Sind das nicht die welken Blätter
Von dem Baume meines Glück's?

Sieh', Marienfädchen jaget
Hin der Wind im tollen Mut.
Hängt sie mir als Totenflöre
Jetzo gar an Arm und Hut.

Und ich schau' die losen Weben,
Und ich frage düster'n Blicks:
Sind das nicht zerrissne Fäden
Vom Gespinnste meines Glück's?

2.
Ein kalter Todesschauer
Weht hin durch die Natur,
Die Bäume steh'n voll Trauer,
Voll Trauer steht die Flur.

Wie ist's auf allen Wegen
So öde und so fahl,
Kein Blümchen lacht entgegen
Dem frostgen Sonnenstrahl.

Ist alles hingeschwunden,
Nur Astern steh'n allein,
Als wollten sie gewunden
Zu Totenkränzen sein.

D'rum möcht das Herz ich scharren
Tief in das dürre Laub,
Dort sollt' es ruh'n und harren,
Bis neu ergrünt der Staub.

Bis wieder mild hernieder
Das Aug' der Liebe lacht,
Vielleicht daß ihm dann wieder
Ein neuer Lenz erwacht.

3.
Gelbe Blätter, gelbe Blätter
Flattern nieder von den Bäumen,
Häufen sich in allen Räumen.
Gelbe Blätter, gelbe Blätter
Sah ich schon so viele fallen,
Nicht nur in des Herbstes Wallen;
Gelbe Blätter, gelbe Blätter! —
Meiner Kindheit gold'ne Träume,
Meine grünen Hoffnungsbäume:
Gelbe Blätter, gelbe Blätter! —
Liliennacken, Rosenwangen,
Die mir Aug' und Herz befangen:
Gelbe Blätter, gelbe Blätter! —
All' die schön durchträumten Stunden
Mir so schnell, so schnell entschwunden:
Gelbe Blätter, gelbe Blätter! —
Ach, und Herz und Geist und Leben,
All' das Wünschen, Ringen, Streben:
Gelbe Blätter, gelbe Blätter!

Heimlicher Schmerz

Hast du Schmerzen je getragen,
Die noch nie dein Mund geklagt,
Ach, nur dann weißt du's zu sagen,
Wie der Schmerz im Herzen nagt.

Scheinbar pranget noch die Rose,
Deren Mark ein Wurm verzehrt,
In des Lenzes Westgekose,
Und du wähnst sie unversehrt.

So auch nagt an manchem Herzen
Oft ein Wurm durch lange Frist,
Und du ahnst nicht seine Schmerzen,
Bis — das Herz gebrochen ist.

Lied und Liebe

Meine Schätze, meine Habe
Machen Lied und Lieb' allein,
Aber fröhlich bis zum Grabe
Werd' ich mit den beiden sein.

Neid' euch nicht um Glanz und Schimmer,
Nicht um Ruhm und Rang und Gold,
Bleibt mir nur die Muse immer,
Bleibt mir nur die Liebste hold.

Mög' ein frischer Lorbeer blühen
Jeden, der nach Ehre strebt,
Mög' der Wein im Becher glühen
Dem, der gern' der Freude lebt.

Mög' ein Hermelin umfließen
Jenen, der sich Hoheit wählt,
Und ein Schacht sich dem erschließen,
Dem nur Gold zum Glücke fehlt.

Mög' ein güt'ger Himmel bringen
Jedem, was sein Herz begehrt,
Laßt nur lieben mich und singen,
Unbeachtet, ungestört.

Tief d'runten

Tief d'runten im Meere, verhüllt von den Fluten,
Entragt die Koralle in schimmernden Gluten,
Da sproßt es von Blumen und Wundergestalten,
Wie nie sie am Lichte des Tag's sich entfalten,
Da bildet die Schönheit der Perle sich aus,
Tief d'runten im blauen, kristallenen Haus.

Tief d'runten im Schoße der finsteren Erde
Entringt sich dem Grabe ein ewiges: Werde,
Da schimmern und wachsen nach zahllosen Normen
Die selt'nen Metalle in zaub'rischen Formen,
Da funkelt und leuchtet der Demant allein,
Tief d'runten im Schoße, verhüllt vom Gestein.

Tief d'runten im Herzen, von Keinem ergründet,
Erglüht eine Flamme, vom Himmel entzündet,
Da schlafen, gleich Perlen, die lindernden Tränen,
Da leuchtet als Demant die Freude am Schönen,
Da lebt mir die Liebe, die einzig beglückt,
Tief d'runten im Herzen, von Keinem erblickt.

Nachtwächterlied
In der Neujahrsnacht zu singen

Hört ihr Leute, laßt euch sagen,
Zwölfe hat's am Turm geschlagen,
Mögt bedacht der Stunde sein,
Denn das Alte will jetzt scheiden,
Und mit Freuden und mit Leiden
Zieht ein neues Jahr nun ein.

D'rum erwecket Reu' und Buße,
Habt dazu die schönste Muße,
Blickt nur recht in euch hinein,
Und gelobt, in künft'gen Tagen
Euch des Schlimmen zu entschlagen,
Besser, als ihr war't, zu sein.

Schmucke Mädchen, jung und zierlich,
Putzt euch mehr nicht als gebührlich,
Übermaß ist selten gut,
Denkt, daß euch vor Männerblicken
Mehr als Shawl und Spitzen schmücken
Sanftmut, Zucht und froher Mut.

Junge Herren, sucht vor Allen
Doch durch Wissen zu gefallen,
Nicht durch schnöden Firlefanz,
Laßt die Bücher nicht vermodern,
Drinn der Weisheit Flammen lodern,
Wählt das Echte für den Glanz.

Holde Frauen, wollet nimmer
Huld'gen bloß dem faden Schimmer,
Lebt dem Cercle nicht allein,
Wollet auch im Hause walten,
Und als Frauen schaffen, schalten,
Mutter eu'ren Kindern sein.

Reiche! fröhnet nicht dem Stolze,
Denkt, ihr seid aus gleichem Holze,
Wie der Bettler krank und bleich,
Hebt zu hoch nicht eu're Nasen,
Denn es macht ein grüner Rasen
Bald ja Alles wieder gleich.

Ihr, die ihr des Recht's befließen,
Haltet's nicht nur mit dem Wissen,
Haltet's künftig mit der Tat,
Wollet stets das Recht nur üben,
Daß kein Aug' sich möge trüben
Das zu euch um Hilfe bat.

Ihr Doktoren, viel erfahren,
Möget mit Versuchen sparen,
Wenn ihr noch nicht einig ganz,
Sehet, wie das Übel weiche,
Und kein Kranker euch erbleiche
Ob — gelehrter Ignoranz.

Und die ihr dem Stand der Wehre
Euch geweihet, bleibt der Ehre
Treu, so wie dem Vaterland,
Seid nicht Helden aller Orten,
Bloß mit prahlerischen Worten,
Seid es auch mit Herz und Hand.

Schließlich noch an euch ihr Dichter:
Achtet auf die echten Richter,
Aber huldigt nicht dem Troß,
Treu dem Schönen und der Klarheit,
Lenkt zum Strahlenthron der Wahrheit
Kühnen Flug's das Flügelroß.

Auch ihr Andern laßt euch sagen,
Zwölfe hat es just geschlagen,
Mögt bedacht der Stunde sein,
Schnell entfliehen Jahr um Jahre,
Und das Holz zu eu'rer Bahre
Grünt schon längst im Tannenhain.