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Zweite Abteilung
 

Bergmannslied
Die Unschuld
Die letzten Worte der Büßerin
Vaterschmerz
Das Erwachen
Seelenfrühling
Orgelphantasie
Dichterpredigt
Der Nestling
Der Spaziergang
Das Lied der Bergesfichte
Pfirsichblütentraum
Wiegenlied
Der Ameisenbaum
Die Frühlingsquelle
Die Träne
Platons Traum
Das Grab

Bergmannslied


Tief in dunkeln Marmorhallen
Blitzt des Goldes Quell,
Durch das Reich der Geister wallen
Seine Wogen hell.

Nieder in die Felsenklüfte
Steigt der Menschengeist,
Wo kein Kahn die Flut beschiffte,
Wo kein Vogel kreist;

Führt den Quell am seidnen Bande,
Wie ein Lämmlein fein,
Aus dem trüben Geisterlande
In die Welt hinein.

Heil dem kühnen Menschengeiste,
Der die Fahrt bestand,
Durch des Abgrunds Tiefen kreiste
Und die Heimat fand!

Die Unschuld
An Bertha

Es blüht im tiefen Herzen
Die Unschuld rein und hell,
Im Kelch von Leid und Schmerzen,
Am stillen Lebensquell.

Sie breitet Blum' und Blüte
Spalierend durch das Haus,
Und malt mit Himmelsgüte
Die lichten Sprinzen aus.

Die Gnade Gottes feuchtet
Wie Tau das zarte Blühn,
Das Auge Gottes leuchtet
Als Sonne drüber hin.

Die heiligen Begierden
Umziehn voll Gottgefühl
Mit krausen Liebeszierden
Ihr Laub und Blatt und Stiel.

Aus engem Kelchesgrunde
Erhebt sich süßer Duft,
Gebet aus reinem Munde,
Begeistert durch die Luft.

Und um die Düfte knien,
Wie holde Engelein,
Des Lebens bittre Mühen,
Und schlafen friedlich ein.

Das Schiff der wilden Lüste
Erfindet keine Bahn
Zu dieser Friedensküste,
Es darf dem Duft nicht nahn.

So duftet still die Pflanze
Im ersten Rosenkleid,
Im alterreifen Kranze,
Dem Herrn der Welt geweiht.

Und blüht einst ewig helle
An Christi offner Brust,
Im Strom der Lebensquelle
Voll süßer Liebeslust.

Die letzten Worte der Büßerin

Unter jener Tränenweide,
Nicht gehüllt in Gold und Seide,
Sonder Schmuck und eitle Zier,
Liegt die Lieb' im Bußgewande,
Schauet nach dem Heimatlande
Unverwendet für und für.

Höret von der Abendröte
Sanft wie Lispel einer Flöte
Schwachen Laut der Hoffnung wehn;
Heiße Tränen in dem Blicke
Schaut sie nimmer mehr zurücke,
Wo die Bäume fruchtlos stehn.

Ach! die Rosen ihrer Jugend,
Ach! die Blüte ihrer Tugend
Hat ein gift'ger Hauch versengt!
Viele Zähren läßt sie fallen,
Klagt es aus wie Nachtigallen,
Was ihr armes Herz beengt:

Weh! ich suchte stets vergebens
Auf dem Pfade meines Lebens,
Was die bange Seele will!
Über Gräbern muß es blühen,
Durch die Gräber will ich ziehen,
Über Gräbern wird es still!

Dort auf jenen Frühlingsauen
Wird Genuß und Labsal tauen
In mein liebekrankes Herz,
Wird der Holde mir erscheinen,
Und an meinem Busen weinen
Und versiegen jeder Schmerz!

Horch! schon rauscht es in den Bäumen!
Wird der Tod noch länger säumen?
Weht's mir nicht wie Leichenduft?
Lege deine Bürde nieder!
Sing, o Seele! Siegeslieder,
Folge, dein Erlöser ruft!

Vaterschmerz

Es ging ein Mann des Wegs daher,
Das Herz war ihm so schwer, so schwer!
An seinem Rücken hing gar klein
Von roher Form ein Leichenschrein.
Die Nägel standen noch nicht fest,
Noch lag darin kein Menschenrest.
Wo ziehst du hin, betrübtes Herz?
Ich wandre traurig heimatwärts.
Es saust der Wald, es heult der Wind,
Mir ist gestorben mein liebstes Kind!
Ich zieh' allein im Schmerzensglühn,
Der Tag erlischt, die Vögel fliehn!
Der Schreiner hat nicht Zeit und Weil,
Ihm ist die Hochzeitlust nicht feil.
Er minnt die Braut im lust'gen Haus
Bei hellem Wein, bei frohem Schmaus,
Ich muß das Kind mit eigner Hand
Verschließen in dies Holzgewand.
O weine nicht, geliebtes Weib!
Sonst bricht mir's arme Herz im Leib,
Ich bin so krank, ich trag's nicht mehr,
Denn ach! der Hammer ist so schwer!
Die Schläge glühn durch Mark und Bein,
Wie Fieberangst, wie Kindesschrein,
Die Nägel dringen lebenwärts
Ach! in mein eignes tiefstes Herz,
Und lieg' ich bald im Grabe tot,
So hat mich dieses Hämmerns Not
Und dieser Nägel spitze Macht
Um meinen Lebenstag gebracht!

Das Erwachen
An Theotima

Lebe wohl, o süße Nacht!
Hast mir Licht und Tag gebracht.
Deine Dämmrung ist jetzt aus,
Schimmer glühn um Feld und Haus,
Himmelslerchen sind erwacht,
Alles Leben grünt und lacht.
Und der Baum im Walde spricht:
"Fröhlich auf ins Morgenlicht,
Frische Kränze um und an,
Unsern, Gott im Licht zu nahn!"
Zarte Läublein, hell im Tau,
Flötenklang auf duft'ger Au,
Leiser Lüfte Lebensziehn,
Und der Ströme Flammenglühn,
Alles singt und dringt ins Herz
Mit des Werdens Lust und Schmerz,
Mit dem Hauch der ew'gen Welt,
Der mir frisch ins Atmen fällt.
Was nicht rosenduftig blüht,
Was nicht äugelnd aufwärts zieht,
Fühlt kein Lebensmorgenrot,
Ewig starr und ewig tot!
Drum, im Morgenglühen neu,
Sproß empor, verklärt und frei,
Menschenblum' auf ird'scher Bahn
Voll Gedanken himmelan,
Mit Gefühlen, weit und groß
Gottes schönster Blütensproß!
Selbst in Himmel dringe ein
Mit dem stolzen Blütenschein,
Mit der reifen, goldnen Frucht,
Die als Edeltatenzucht
Sich der Himmel selbst erzog
Und mit seinem Hauch umflog,
Daß sie voll von Gotteskraft
Strotzend flammt in Füll' und Saft!
Sauge kühn im Gottesnahn
Ew'ge Himmelskräfte an,
Daß dir Erd' und Himmel eins,
Glüht im Quell des tiefsten Seins
Daß kein irdisch trüber Tag
Dich vom Lichtquell scheiden mag!

Seelenfrühling

Frühling! hallt's in tiefster Seele,
Frühling! glüht's durch mein Gebein,
Frühling! tönt's aus heller Kehle,
Frühling schlürf' ich durstig ein!

Trunken schwimmt von Sonnenbergen
Gottesgrün um meinen Blick,
Bringt aus heißbeweinten Särgen
Meiner Lieben Kuß zurück.

Ach! mein erstes Frühlingsleben
Lockt erneut mit Honigkost,
Daß die tiefsten Mark erbeben,
Daß verglühen Gram und Rost!

Freude! rauscht's von allen Bäumen,
Liebe lallt's in jedem Laut,
Alle guten Geister keimen,
Alle rufen ihre Braut!

Denn es quillt der Schöpfungsbronnen
Pflanzenweckend durch die Welt,
Und die Kraft von tausend Sonnen
Hat den Liebesstrom geschwellt.

Jubelnd ziehn die Maienkräfte
Ins Gebiet der Seele ein,
Gährend schäumt die Flut der Säfte,
Wie gerüttelt alter Wein!

Und es kreist ein mächtig Brausen
Durch den Flor der innern Welt,
Alle Lebenswinde sausen
Blütenregnend durch das Feld!

Und es ragt der Baum der Liebe
Hoch und stolz in Rosenglut,
Safterfüllt die kühnen Triebe,
Hellumblüht von Kraft und Mut.

Von den krausen Ästen schwanken
Holde Nester ohne Zahl
Mit der Brut von Lichtgedanken,
Mit der Sehnsucht Lust und Qual.

Süße Hochgefühle locken
Finkenhell aus seinem Grün,
Herzdurchglühnde Lieder flocken
Sonnenfreudig drüberhin.

Aus des Laubes nächt'gem Dunkel
Blitzt des Geists allmächt'ger Strahl,
Sprüht im hellsten Goldgefunkel
In die Welt das Ideal,

Daß die Bäume sich bewegen,
Und die Marmorstufen glühn,
Daß sich alle Farben regen
Und zum Meisterbild erblühn!

Denn verschwunden ist der Norden
Aus des Lebens tiefstem Grund,
Süden ist's in mir geworden,
Alle Kräfte werden kund!

Singend aus enteister Zelle
Steigt die Seel', ein Sonnenaar,
Auf zur höchsten Schönheitsquelle,
Auf zu Gottes Hochaltar!

Ewighelle Frühlingsblüte,
Sitzt sie still am Vaterherz,
Und verträumt in seiner Güte
Allen ird'schen Winterschmerz!

Orgelphantasie

Auf, o Töne! spielt ihr Pfeifen!
Rauscht ins Fest mit Sturmgewalt,
Daß der Klänge Blitzesstreifen
Zündend durch die Herzen schweifen,
Und der See des Lebens wallt!

Giftig spritzt die Weltenlüge
Ihren falschen Schmeichelfluß
In des zarten Säuglings Wiege,
Spinnt sich an zum Höllensiege
Mit dem Herzverräterkuß.

Säuselt in die Kindesträume
Mit des Lenzes Sang und Duft,
Daß der Tugend heil'ge Keime,
Unversehrt vom Giftgeschäume,
Siegend glühn durch Licht und Luft!

Üppig sproßt die eitle Sünde
Mit gewundnem Schlangenzug
Durch die tiefsten Seelengründe
Und erstickt mit Irrgewinde
Himmlischen Gedankenflug.

Mit der vollsten Kraftposaune
Schmettert in die sünd'ge Nacht,
Daß die schnöde Frevellaune
Wie der Ast am Splitterzaune
Blitzversehrt zusammenkracht.

Zagend stöhnt im matten Herzen
Schuldbewußt die Menschenkraft,
Markdurchbohrt vom Pfeil der Schmerzen,
Abgebrannt wie nächt'ge Kerzen,
Im Gequäl der eignen Haft.

Flammt mit kühnen Harfenzügen
In die schwarze Kerkernot,
Daß zu neuen Himmelssiegen
Aufgestürmt die Geister fliegen,
Und die Seraphsflamme loht!

Auf, o Töne! spielt, ihr Pfeifen!
Rauscht ins Fest mit Sturmgewalt,
Daß der Klänge Blitzesstreifen
Zündend durch die Herzen schweifen
Und der See des Lebens wallt!

Sieh! den mächt'gen Geist gebunden
Und versiegt die Liederlust!
Ach! er sinkt ins Glühn der Wunden,
Die er heiß in Lieb' empfunden,
Um die kalte Marmorbrust.

Singt wie Schwän' auf Frühlingswogen
Seiner Träume schönstes Bild,
Daß er, ird'scher Lust entzogen,
Ganz ins Ideal gesogen,
Neu von Geisterblüten schwillt!

Heil, o Adler! kühn entrungen
Hast du dich der Erdenhaft!
Himmelwärts hat's angeklungen,
Berg und Tal hat's nachgesungen,
Denn du tönst in alter Kraft!

Jauchzt ihm nach wie Schwalbenzüge,
Orgeltön'! in Lust und Lied,
Denn es sind ja Sonnenflüge
Stolz hinan zum Liebessiege,
Dessen Palme ewig blüht!

Selbst mit ew'gen Liedesblüten
Hast du, Sieger! die verklärt,
Welche dir mit Gramesbrüten
Ohne Scheu und Schmerzvergüten
Deinen Dichtermai versehrt.

Mit der Orgel Sturmesrauschen
Feir' ich deinen Siegesgang,
Daß die Ströme stehn und lauschen,
Und die Felsen Küsse tauschen,
Und die Luft zerfließt in Sang!

Auf, o Töne! spielt, ihr Pfeifen!
Rauscht ins Fest mit Sturmgewalt,
Daß der Klänge Blitzesstreifen
Zündend durch die Herzen schweifen
Und der See des Lebens wallt!

Reißend klingt durch alle Glieder
Mißgestimmt der Todesschmerz,
Ach! es sind nicht Schwanenlieder,
Kläglich hallt's von Seufzern wieder,
Denn es bricht ein Menschenherz.

Süßer Wohllaut! schwebe leise
In das bangste Sterbeglühn,
Daß des Lebens letzte Kreise
Schwanenhell nach Stromesweise
In das Land des Friedens ziehn!

Ach! die reinste Himmelsgüte,
Unsrer Hoffnung Trost und Stab,
Die nur Liebesgluten sprühte
Schwindet uns wie Veilchenblüte
Sturmverweht ins finstre Grab.

Schmeichelt süß mit Flötenklingen
Um des Abschieds Tränennot,
Daß die ird'schen Schmerzen singen,
Jubelnd in die Gräber dringen,
Heißdurchglühend Nacht und Tod!

Wogend ringt aus dunkeln Zellen
Sich ins Licht der heil'ge Staub,
Neuer Säfte Brausewellen
Ziehn mit stolzem Siegesschwellen
Durch des Grabes alten Raub.

Freunde! das ist Geisterbrausen!
Tod! dein Flügel ist versengt!
Auferstehungswinde sausen
Aus den offnen Gräberklausen,
Jeder Schrein ist aufgesprengt!

Stürzt, o Tön'! mit allen Sonnen
In die große Wesenflut!
Schmerz und Mißklang sind verronnen,
Ew'ge Liebe hat begonnen
Und die ird'sche Orgel ruht!

Dichterpredigt

O Herz! was willst du zagen?
Die Bergesschluchten tagen
Im frischen Heidrichkranz,
Und junge Bächlein lallen
Im Schmelz von Eiskristallen
Den lust'gen Ostertanz!

O Herz! was willst du zagen?
Die Lindenbäume ragen
Hellblühend ins heil'ge Blau!
O lüft' in ihrem Flüstern
Zur Lust den gramesdüstern
Versteck der Seelenau!

O Herz! was willst du zagen?
Die Finkenmännchen schlagen
Ins Zwitschern ihrer Brut!
So laß das frische Leben
Dich sprudelklar durchbeben
Und läutern Saft und Blut!

O Herz! was willst du zagen?
Laß dir's vom Lenzhauch sagen:
"Der Winter ist vorbei!"
Du hast die Maienfunken
Ins tiefste Sein getrunken,
So quill' und grüne neu!

O Herz! was willst du zagen?
Die Rosenknospen wagen
Den ersten Liebesgruß;
Ihr glühendes Erröten
Muß deinen Trübsinn töten
Im heißen Flammenkuß!

O Herz! was willst du zagen?
Die Turteltäubchen klagen
Dein mattes Kränkeln an!
Frisch auf! im hellsten Klingen
Das Brautlied mitzusingen
Auf luft'ger Veilchenbahn!

O Herz! was willst du zagen?
Die Wolkenzüge fragen:
"Wie kannst du traurig sein?
Hinaus ins freie Wandern
Von einem Berg zum andern,
Das spült die Seele rein!

O Herz in vollen Zügen!
Aus Gram und Not gestiegen
Der dumpfen Lebensgruft!
Schweb' auf in ew'ge Weiten,
Dich blumenhell zu breiten
Durch Licht und Lenzesduft!

O Herz in vollen Zügen!
Laß deine Segel fliegen
Auf stolzer Frühlingsflut,
Daß hoch auf deinen Masten
Die Sonnenadler rasten
Voll heißer Kampfesglut!

O Herz in vollen Zügen!
Wohlan! es gilt zu siegen
Gen Nacht und Todespfeil!
Mit deinen kühnsten Liedern
Mußt du dich befiedern,
Das ist der Flug zum Heil!

O Herz in vollen Zügen!
Du mußt die Welt durchpflügen,
Ein Lichtgedankenblitz,
Daß sich in Flammenbildern
Die Talesnacht' entwildern
Zum klarsten Liebessitz!

O Herz in vollen Zügen!
Du mußt dich trunken wiegen
Im reinsten Himmelstau,
Daß dir von duft'gen Schwingen
Die Lieder Gottes klingen
Ins Graun der Lebensau!

O Herz in vollen Zügen!
Du mußt dich kreisend schmiegen
Ums ew'ge Feuerland,
Und dir den eignen Himmel
Selbst holen im Getümmel
Aus Blitz und Weltenbrand!

Und hast du kühn als Meister
Bezähmt die Flammengeister
Mit deinem Zauberstab,
So laß sie hell im Herzen
Voll Glut und Dichterschmerzen
Dir lodern bis ins Grab!

Der Nestling

Laß mich aus dem engen Haus,
Mutter! in die Welt hinaus!
Junge Fernerlüfte locken,
Laut erschallt's von Schäferglocken,
Quellen singen, Blüten flocken,
Nach dem lichten Süden hin!
Mutter! laß mich ziehn!

Saugst du nicht Orangenduft
Aus dem Strom der Lenzesluft?
Ach! mir brennt's im weichen Flaume,
"Wandre!" singt's im Wundertraume,
"Südwärts!" rauscht's vom Pfirsichbaume,
Nach dem lichten Süden hin,
Mutter! laß mich ziehn!

Bräutlich schimmert Baum und Feld,
Kränzefreudig, saftgeschwellt!
Süße Erstlingsfeigen reifen,
Bienenkörbe Honig träufen,
Liebesschwäne ziehn und schweifen,
Nach dem lichten Süden hin,
Mutter! laß mich ziehn!

O das zarte Vögelein
Sangeslaut im Lorbeerhain!
Sieh! es wählt zur Liebeshecke
Nesteslust im Laubverstecke
Unter krauser Blütendecke,
Nach dem lichten Süden hin,
Mutter! laß mich ziehn!

Wie so holde, wie so traut,
Die Geliebte, meine Braut!
Winkt mir ja mit Kopfesnicken,
Äugelt hell mit Liebesblicken,
Will mich zausen, schnäbeln, picken,
Nach dem lichten Süden hin,
Mutter! laß mich ziehn!

Schnell verglüht die schöne Zeit,
Wo die Erstlingsliebe malt!
Ist im Tanz der leichten Stunden
Ihre Siegeslust verschwunden,
Bleibt sie ewig unempfunden,
Nach dem lichten Süden hin,
Mutter! laß mich ziehn!

Der Spaziergang

Laßt mich gehn ins freie Feld,
Die Au, den Strom entlang,
Durchs ausgespannte Himmelszelt
Bei Nachtigallensang!

Mir singt's in allen Adern tief,
Mir kocht's in heißer Brust:
"Erstanden ist, was tödlich schlief
In süßer Maienlust!"

Mir rauscht der Baum im Blütenkranz
Voll Liebeslust ums Ohr,
Mich zieht der helle Bergesglanz
Ins Geisterbad empor.

Die alte Schale bricht und stäubt
Von Leib und Seele ab,
Der Seelenfrühling malt und treibt
Aus frost'gem Wintergrab.

Den Alpen tön' ich meinen Gruß
Voll Jubel sonnenwärts
Und drücke kühn den Gletscherkuß
Umarmend an mein Herz.

Und flammend dringt des Kusses Glut
Ins tiefste Lebensmark,
Erweckt die Kraft, erweckt den Mut
Und macht mich siegesstark.

Den Vögeln sing' ich's orgelhell
Ins schmucke Maigebüsch:
"Wer zeugen will, der zeuge schnell,
Dann zeugt er stark und frisch!"

Denn schnell ist edler Wesen Art,
Wie Flug der Gemsenbahn,
Und wird der Sonnenflug gespart,
Ist's um die Kraft getan!

Den Adler neid' ich, sonnenhoch,
Er schaut so keck ins Land,
Zerschmettert liegt's Tyrannenjoch,
Wo solch ein Blick gebrannt!

Drum tanze, Adler! mir voraus,
Als Sinnbild kühner Tat,
Die trotzig wirkt im Schlachtgebraus
Der Freiheit heil'ge Saat.

Dem Winde red' ich donnernd ein,
So laut er keucht und bellt:
"O laß das eitle Pochen sein,
Und trag mich durch die Welt!"

Wohlauf! wohlan! ich kreis umher
Durch Luft und Seegebiet,
Und schwinge meinen Siegesspeer
Und sing' mein altes Lied:

"O Himmelspförtner! öffne fein,
Und nimm mich auf und an;
Sonst schmettr' ich dir die Pforten ein,
Und brech' mir selbst die Bahn!

Der Wille will's, der wirkt und schafft,
Und Erd' und Himmel baut,
Und voll von Gottes Schöpferkraft
Nur auf sich selbst vertraut.

Er schlug ein Blitz aus Gott heraus,
Tief ein ins Lehmgehäus,
Und zuckt zurück ins Vaterhaus,
Ins alte Sonnengleis.

Drum, Pförtner! mach den Himmel auf!
Ich fordre nur, was mein.
Vollendet ist der Pilgerlauf,
Ich muß in Gott hinein!"

Das Lied der Bergesfichte

Seid gesegnet, Todeshiebe!
Die des Stammes Kraft gefällt,
Mit dem kühnsten Drang der Liebe
Eil' ich ab zur Menschenwelt.

Von des Lebens Mark geschieden,
Hall' ich noch im Todeslauf,
Wie ein Lied von Gottes Frieden
In das Reich der Sterne auf.

Über Felsen schweb' ich fliegend
Wie ein Adler kühn hinweg,
Blüt' und Blätter streu' ich siegend
Mir zur Lustfahrt in den Weg.

Denn mich ruft zur Hochzeitreise
Meine sterbenskranke Braut,
Herzdurchsüßend, schwanenleise
Mit dem letzten Seufzerlaut.

In der Säge kehr' ich singend
Wie ein lust'ger Pilger ein:
"Wühl', o Stahl! und schneide klingend
Mich zum schönsten Leichenschrein!"

Und die schwanken Bretter fügen
Sich zum Liebessarge bald.
Drinnen ruht mit bleichen Zügen
Die Erkorne, scheu und kalt.

Ach! mit süßem Herzensdrücken
Press' ich mich um ihr Gebein,
Küss ihr heiß das Hochentzücken
Heil'ger Auferstehung ein,

Daß die schlummernde Geliebte
Mir im Arme schnell erblüht,
Daß ihr Gram, der herzbetrübte,
Von den blassen Wangen flieht.

Von den Schollen angesungen,
Steig' ich aus der ird'schen Luft,
Meine Huldin fest umschlungen,
In das Reich der Totengruft.

Und da ruhn wir eingeschlossen
Im verschwiegnen Kämmerlein,
Glutumströmet, gottdurchflossen,
Knospend für ein neues Sein.

Zarte Lenzeslüfte kosen
Lebenflüsternd übers Grab,
Wehn den Duft der Maienrosen
Meiner süßen Braut hinab.

Linde Regentröpflein singen
Ihr ins neuerwachte Herz:
"Freundin! die Posaunen klingen,
Steige jubelnd sonnenwärts!"

Sieh! da fährt's von tausend Keimen
Ihr durchs tiefste, tiefste Mark,
Knospen äugeln, Säfte schäumen,
Sie erhebt sich siegesstark!

Heil! die Braut ist neu geboren,
Und ich bin im Wind zerstiebt;
Wer sich selbst nicht ganz verloren,
Hat nie wahr und treu geliebt!

Pfirsichblütentraum

Nimmer kann ich's still ertragen
In der Erde ohne Licht,
Kühn ins Leben will ich tagen,
Süße Osterträume wagen,
Ewig modern mag ich nicht!

Denn das ist ja Himmelsweise
Aller Samen, die aus Gott,
Aufzuschweben luftig, leise
In des Lichtes goldne Kreise
Aus der ird'schen Grabesnot.

Drum wohlan! die grünen Flügel
Streck' ich aus enthülstem Kern,
Grüße laut die Heimathügel,
Berg und Tal und Bachesspiegel
Mit entwölktem Augenstern!

Sel'ges Schaun in tausend Blüten
Von des Schöpfers Meisterhand!
Du nur kannst die Nacht vergüten,
Die mich tief ins schwarze Brüten
Schnöder Wurmeslust gebannt!

Reinsten Geist der Himmelsräume
Saug' ich in mein jüngstes Grün,
Daß des Lebens tiefste Keime
Wie die ersten Liebesträume
Heiligzart zur Sonne blühn.

Heil dem Kuß der Geistersonne,
Der mich flammenheiß durchdringt,
Daß der Lichtgedanken Wonne
Und des Gottgefühles Bronne
Mir aus allen Knospen singt!

Fröhlich stäub' ich's in die Winde,
Was das Grab mir angeweht,
Allen Frost der Erdengründe,
Jeden leid'gen Hauch der Sünde,
Der durch träges Dunkel geht.

Leben ist aus Licht geboren
Und aus Licht die gute Tat!
Wer die Nacht zur Braut erkoren,
Ist mit Blüt' und Frucht verloren:
Markesfaul in böser Saat!

In der Lüfte Sangesbrausen
Stimm' ich liebesfreudig ein,
Daß mir alle Blätterkrausen
Hell im Lobe Gottes sausen
Wie der Orgelpfeifen Reihn.

Wer im großen Weltensange
Nicht als Stimm' und Pfeife hallt,
Nagt als stumme Gräberschlange
An sich selbst, von Sünden bange
In sein faules Nichts geballt.

Jeden Vogel nach dem Süden
Duft' ich an mit Blütensaft,
Daß ihm tief in Nestesfrieden
Herz und Aderbächlein sieden
Von der Liebe Feuerkraft.

Irdischzahme Brotgeschäfte
Messen kargen Bettelschnitt,
Vollstrom heil'ger Liebeskräfte
Teilt die Flut der Sprudelsäfte
Maßlos allen Wesen mit.

Heldenpreis dem Gottessohne,
Der von Himmelslieb' entflammt,
Auf des Kreuzes hohem Throne
Liebesmaß im Siegestone
Durch den bittern Tod verdammt!

Drum wohlauf! nach Christi Weise
Treib' ich maßlos Farb' und Duft
In das Blühn der Ostersträuße,
Daß sie röchelnd, liebesheiße
Atmen in das Klar der Luft.

Flockend schüttl' ich von den Zweigen,
Selbst verblühnd, die Blüten ab,
Daß sie duftig niedersteigen
Auf dein heil'ges Todesschweigen,
Liebesgott! im Felsengrab.

O sie trinken nicht vergebens
Sangeslust vom blassen Mund,
Denn er fährt als Blitz des Lebens
Mit der Kraft des Himmelstrebens
Blühend aus des Grabes Schlund.

Und die Osterblüten tanzen
Singend um den Kreuzesheld:
"Rostet, scharfe Todeslanzen!
Sinkt in Schutt, o Feindesschanzen!
Liebend siegt der Herr der Welt!

Er, der heil'gen Ostersonnen
Heiligste, die je geglüht!
Hell von Siegesschweiß beronnen,
Rot mit Liebesglut umsponnen,
Ew'ger Freuden Schwanenlied!

Feurig zuckt durch alle Keime
Seiner Liebe Sonnenflug,
Wolkenbilder, Waldesbäume,
Stromesrauschen, Gletscherträume
Jubeln kühn im Liebeszug:

Licht und Lieb' im reinsten Flusse,
Ohne Maß und Lohnvergelt!
Strömt im freisten Glutergusse,
Flammt im wärmsten Osterkusse,
Denn ihr seid das Heil der Welt!"

Wiegenlied

Mir weint im kranken Herzen,
Gepreßt vom Wiegenband,
Das Kind der Liebesschmerzen
Ums heil'ge Vaterland.

Es ist ein holder Knabe
Aus zartem Rosenduft,
Er äugelt nach dem Grabe
Und hascht nach Geisterluft.

Des Lebens düstre Enge
Flort ihn so drückend ein,
Daß Herz und Adergänge
Laut nach Erlösung schrein.

O sproß aus schmaler Wiege,
Aus Nest und Windelzwang
In laue Lenzesflüge
In Nachtigallensang.

Die Nachtigallen schlagen
Dir liebehell ums Ohr,
Die Lenzeslüfte tragen
Dich sanft ins Licht empor,

Und Luft und Vögel singen
Dein freies Geisterglühn,
Daß Sonn' und Sterne klingen,
Und Nacht und Erde fliehn!

O schlürf aus Frühlingssüße
Das reinste Honigklar,
Daß deine Seele sprieße
Wie aus dem Nest der Aar!

Die Süß' ist ausgegossen
Wie Milch in jeden Keim,
Hat alles Sein umflossen
Und lallt in Lied und Reim.

So laß die Maigefühle
Wie Bienen lustig gehn,
Und hell im Sangesspiele
Um Honigkelche wehn!

O sing' aus enger Zelle
Mit süßem Liebeslaut
Ins Klar der Morgenhelle,
Ins Flüstern deiner Braut!

Die Morgenflammen lodern
Dir blumig um die Brust,
Die Rosenwolken fodern
Dich auf zur Hochzeitlust,

Und Flamm' und Wolken fliegen,
Ein kühnes Brautgespann,
In ew'gen Liebessiegen
Im Sturme dir voran!

O küß die heil'gen Züge
Im Menschenangesicht,
Die Gottgedankenflüge
Ums Aug' in Farb' und Licht!

Die Züge sind das Blitzen
Der ew'gen Geisterglut,
Die sprühnd aus schmalen Ritzen
Dir flammt durch Mark und Blut.

Und in Gedanken spiegelt
Sich Erd' und Himmel ab,
Was nicht der Geist besiegelt
Ist hohler als das Grab!

Zerbrochen sei die Wiege!
Es lebe ew'ger Mai!
Er lockt zum Geistersiege,
Er will dich groß und frei!

So laß uns siegend streben
Durch Sonn- und Mondenstrahl
Im heißempfundnen Leben
Des Blühns um Berg und Tal,

Daß dir die Blumenglänze
Durch Leib und Seele ziehn
Und tausend Osterkränze
Um deine Taten blühn.

O saug' aus blauer Ferne,
Ein Adler sonnenwä'rts,
Den Geist der Wandelsterne
Tief ein ins trunkne Herz!

Und brich im Flammenbrausen
Der eingetrunknen Glut
Durch alle ird'schen Klausen,
Durch Erd' und Wasserflut,

Bis du auf deinem Fluge
Des Urseins Quelle trinkst,
Und mit dem letzten Zuge
In Gottes Tiefen sinkst;

Und dring mit Wurzeltrieben
Des innerlichsten Seins
Ins große Geisterlieben,
Mit Gott und Welten Eins,

Daß du auf Stürmen schallest,
Im Urgedanken glühst,
In tausend Herzen wallest,
Mit allen Strömen ziehst;

Daß alle Einzelleben
In dir zum All' erblühn
Und deine Geister beben
Im Weltenpulsesziehn!

Das ist dein Heimatleben,
Das ist der ew'ge Mai,
Dies kühne Alldurchstreben
Macht deine Seele frei!

Der Ameisenbaum

Ich kann nicht länger blühen,
Des Lebens Säfte ziehen
Versiegend erdenwärts,
Mir kriecht ein wimmelnd Leben
Mit durst'gem Markdurchstreben
Ins moderkranke Herz.

Die Allgeschäft'gen trinken
Mein Leben aus, es sinken
Die Blätterkronen ab,
Von Myriaden Bissen
Ist mir der Stamm zerrissen,
Ein ausgehöhltes Grab!

Schon glüht die Frühlingsstunde,
Den Veilchenkranz im Munde,
Und Nelken um die Brust,
Die Woge rauscht von Fischen
Und fröhlich schallt's in Büschen
Von reger Liebeslust.

Im Sonnenstrahle tanzen
Die Seelen zarter Pflanzen,
Und baden sich im Duft,
Die Saatflur steht gekräuselt,
Die Weidenblüte säuselt
Im Kuß der Maienluft.

Im Rosenblütenflattern
Erwachen selbst die Nattern
Aus ihrem gift'gen Traum,
Und recken sich und züngeln
Ins frische Grün und ringeln
Sich um den Mandelbaum.

Ich kann nicht länger blühen,
Des Lebens Säfte ziehen
Versiegend erdenwärts,
Mir kriecht ein wimmelnd Leben
Mit durst'gem Markdurchstreben
Ins moderkranke Herz.

Wohlauf! ins Baumgerippe
Saug' ich die letzte Nippe
Des Frühlings gierig ein,
Und hauch' um Erd' und Himmel
Ins Blütenstaubgewimmel
Das Lied der Todespein:

"Seid mir gesegnet, Bisse!
Wie Liebesflammenküsse
Durchlodernd Mark und Keim!
Von euern Schmerzen trunken
Verglüht mein Lebensfunken
Von selbst in Sang und Reim!

Wie süß, aus euerm Wühlen
Den Riesengeist zu fühlen,
Der alles Sein durchdringt!
Der Tod kann nicht erschüttern,
Wenn aus den morschen Splittern
Ein höhres Leben springt!

Was hoch im Wind gespielet
Als lust'ger Baum, es fühlet
Entbunden sich und neu,
Und mut'ger flammt das Leben
In zartern Nervgeweben,
Und wirkt und schaffet frei.

Was mir in Sturmeswogen
Als welker Herbst entflogen,
In Blättern trüb und fahl,
Ich fühl's zu tausend Gästen
Auf allen Blütenfesten
Durchschwärmend Berg und Tal!

Dich segn' ich, o Verwesen,
Als fröhliches Genesen
Aus banger Sterbenot!
Die Blüte lallt und träumet,
Das Leben stammt und keimet
Aus dir, du Blütentod!

So mag des Sturmes Wettern
Mich siegend niederschmettern,
Doch unzerstört im Keim
Schlingt sich die Lebenskette
Aus meinem Moderbette
Allblühnd zum Schöpfer heim!

Die Frühlingsquelle

Wohlauf! so laßt mich fließen,
Verschwinde Schnee und Eis!
Mich lockt mit Frühlingsgrüßen
Das junge Lorbeerreis!

Ich will in lust'gen Sprüngen
Den Buchenhain hinab
Mit Zauberwellen singen
Ins dürre Lebensgrab,

Daß zartes Blumenträumen
Im Menschenherz erwacht,
Und Liedeswellen schäumen
Aus tiefer Geistesschacht.

Wo hell die Glocken läuten,
Da kehr' ich rieselnd ein
Den Priester zu begleiten,
Das Liebespaar zu weihn.

Ich flieg vom Traualtare
Durch heil'ge Hand getaut,
In deine blonden Haare,
O rosenduft'ge Braut!

Daß du voll blühnder Kräfte
Im Liebesgarten stehst
Und deine reinsten Säfte
Ins Knospenäugeln wehst.

Und lallt dir's in der Wiege,
So schlüpf' ich leis hinein,
Und spül' die schönen Züge
Des Dichterkindes rein.

Daß klare Himmelsfunken
Aus blauen Augen wehn,
Und siegesfeuertrunken
Die Wangenrosen stehn.

Und spielt mit bunten Kieseln
Der Knab' am Bachesrand,
So küß' ich leis im Rieseln
Ihm Mund und Brust und Hand,

Und lock' im süßen Kosen
Aus stillem Jugendtraum
Die ersten Liedesrosen
An seinen Lebensbaum.

O welch' ein holder Träumer,
Dem nie versiegend ruht
Aus übervollem Eimer
Die stolze Bilderflut!

Doch ach! er schärfet trunken
Von süßer Maienlust,
Ins ew'ge Blühn versunken,
Den Pfeil in seiner Brust.

Er sieht auf meinen Wogen
Der Blätter eitles Spiel,
Die Blüten bald entflogen,
Erstickt das Maigefühl,

Und selbst die Himmelstriebe
Verkümmert schnell im Tal,
Verwandelt Treu und Liebe
In bittre Seelenqual!

Und seine schönsten Lieder
Verew'gen nur den Schmerz,
Sie hallen zehrend wieder
Durchs angestochne Herz.

Wer einmal tief empfunden
Das Blühn der Geisterwelt,
Dem ist die Lust entschwunden
Am ird'schen Steppenfeld.

Ick kann ihm nicht mehr kühlen
Die heiße Sonnenglut,
Die Sturmesgeister wühlen
Zerstörend ihm durchs Blut.

So liegt der Tränenreiche
Nach kurzem Traumeslos
Als stille, blasse Leiche
Im kühlen Grabesschoß.

Die Erde hat gerichtet
Und seinen Traum verfällt!
Wer Himmlisches gedichtet,
Ist tot für diese Welt!

Mich treibt des Sommers Schwüle
Dir nach, o Sängerherz!
Ich suche Grabeskühle
Versinkend erdenwärts,

Und riesle leidestrunken
Um deine stille Gruft,
Und träume Lenzesfunken,
Und Farb' und Glanz und Duft,

Daß dir der Leichenhügel
Alljährlich sproßt und mait,
Und seine grünen Flügel
Zum Dichterkranze leiht.

Und ist's an dir zu keimen
Am letzten Osterfest
Aus Himmelsblütenträumen,
Im dunkeln Schlummernest,

So laß im Tropfenglänzen
Mich wanderselig ziehn
Auf deinen Siegeskränzen
Ins ew'ge Himmelsblühn!

Die Träne
Nach dem Altkastilischen

Die Träne, die dem Herz entquillt,
Und spiegelnd dir das Auge füllt,
Sie schimmert hell und sonnenrein
In meine Schmerzensnacht hinein!

Sie träuft, von Gottes Strahl erhellt,
Aufs welke Grün der Seelenwelt,
Und Frühling wird es plötzlich drin,
Und tausend Liebeskränze blühn!

Aus jedem Blatt, aus Stamm und Stiel,
Dringt saftig junges Maigefühl,
Und badet sich im Tau und spricht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"

Aus allen Farben flammt es hell,
Es singt im Traum der Plätscherquell,
Ein honigsüßes Lenzgedicht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"

Aus Blumenberzen haucht der Duft
Durch laue, linde Schmeichelluft,
Und lispelt auf ins goldne Licht:
"Die treue Liebe stirbt ja nicht!"

Die Träne flüstert liebesheiß
Aus Rosenrot, aus Lilienweiß:
"Wenn auch das Herz im Tode bricht,
Die treue Liebe stirbt ja nicht!"

Platons Traum
Aus dem Neugriechischen

Leise lockt auf Windesflügeln
Über Seen, über Hügeln
Meine herzensliebe Braut;
In den grünen Frühlingsstunden,
Zart gesponnen, heiß empfunden,
Hat mich Gott mit ihr getraut.

Frische Eichenzweige wehen,
Wo die Brautaltäre stehen,
Um der Huldin Angesicht,
Und der Träne Lebensfunkeln
Glänzt wie Hoffnungslicht im Dunkeln,
Tröpfelt: "Dich vergeß' ich nicht!"

Ach! ich kann die Lust nicht fassen,
Diese Seufzer, dies Erblassen,
Dieser stumme Geisterlaut,
O sie stürmen mir die Seele
Donnern mir ins Herz: "Vermähle
Dich mit deiner süßen Braut!"

Auf den weichen Jungfrauwangen
Blüht der Liebe Glutverlangen,
Kränzt die Lippen, schwellt die Brust,
Junge Mandelblüten regnen
Auf den zarten Schleier, segnen
Ihren Schmerz und ihre Lust.

O mir fährt's durch alle Glieder,
Im Gebeine hallt es wieder
Ihr getreues: "Ewig dein!"
Alle Geister glühn und wandern,
Eine Ader singt's der andern,
Jede Fieber zuckt es: "Mein!"

Aus des Auges Wellenspiegel
Steigt die Seele, schwingt die Flügel
Sündenlose, engelrein.
Weg mit allen Sinnesstelzen!
Schwinde Zeit und Raum! es schmelzen
Leib und Erdgedanken ein!

Aus der Stoffe Dichtungsbrausen
Läutert sich mein Geist, es sausen
Neue Winde um mich her,
Niederschwebt die süße Reine
Mit dem Brautkuß, ach! die Meine!
Meine! mich verschlingt das Meer!

Von der Erde Schuld genesen,
Ausgeprägt zum Himmelswesen,
Schlürf' ich ihren Atem ein,
Bade mich in Glut und Flammen,
Lodernd schlägt's um mich zusammen,
Endlich ist die Liebste mein!

Mit den Sternen kann ich spielend
Wie ein Kind mit Halmen, fühlen
Wie der ält'ste Sonnengeist,
Denn mich hält die Braut umschlungen,
"Lebehoch!" hat's angeklungen
Und die Nektarschale kreist:

Wo die höchste Sonne waltet,
Schweb' ich jung und unveraltet
Auf dem blitzelichten Strahl,
Würfle mit den Ungewittern,
Daß des Mondes Säulen zittern,
Schaukle Meere, Berg und Tal.

Denn mir pocht's am vollen Herzen
Mit der Liebe Glut und Schmerzen,
Mit dem Kelch des Taumelweins;
Ach! es schlingt uns heiß zusammen,
Seufzer wehn, es lodern Flammen,
Alles strebt und schmilzt in Eins.

Niemand kann's verstehn, ergründen,
Nur genießen, nur empfinden
Läßt sich das verschmolzne Sein;
Erd' und Himmel mögen scheitern,
Diese Wonne, dieses Herzerweitern,
Ewig ist es, ewig mein!

Das Grab

Du lockst so süß, o Liebesschoß!
Mit Küssen traut, mit Armen bloß,
Und wiegst aus gift'gem Wirbelwind
In heil'gen Schlaf das Menschenkind.
Du spielst bekränzt in enger Kluft
Mit Rosenglühn, mit Veilchenduft
Und hauchst die ew'ge Sonnenglut,
Der kühnsten Geister Sprudelflut,
Von tausend Wurzelsprossen kraus,
In unsern Grabesschlummer aus,
Daß jede Ader, saftgefüllt,
Dem ew'gen Sein entgegenquillt.
O nimm vom dunkeln Pilgerlauf
Die Allerliebste liebend auf!
Ihr mattgequältes, armes Herz,
Das überreich geblüht in Schmerz,
Ihr Auge noch von Tränen naß,
Ihr Angesicht so schön, so blaß,
Ihr Mund, von süßen Liedern hell,
Der Stirne Lichtgedankenquell,
Das ganze holde Engelsbild,
So sonnenrein, so frühlingsmild,
O nimm es sanft in treuer Lust
An deine volle Blütenbrust,
In deines Schlafes liebsten Traum
Auf zartem Grün am Hoffnungsbaum,
In deiner Keime heißen Drang
Bei hellem Grabeslerchensang!
Und ruht sie weich und brütewarm,
Von Gott gewiegt, in deinem Arm,
So laß auch mich aus Sehnsuchtsnot
Zu ihr ins Geistermorgenrot.
Mich zieht's hinab, ich muß hinein,
Ihr Schlafgeselle will ich sein,
Ich bin ja ganz an sie gewöhnt,
Ihr Atem lockt, ihr Ruf ertönt,
Sie liebt mich fest und todestreu,
Im Grabe keimt die Liebe neu,
Nur mir vereint, erwacht sie hell
Ins ew'ge Blühn am Liebesquell!