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Gedichte 2
 

Alt-Ottakringer Pilgerfahrt
Vorstadtgasse im Sommer
Hofmusikanten
Mark Anton
Die Hausfrau und das Mädchen
Herbstvormittag in der Wildgrube
Die Werbung
Blick vom oberen Belvedere
Alt Ottakring
Der Stammgast
Leopolditag
Liebhartstal
Sankt Nikolaus
Platz am Hof
Der Präsidialist
Weihnachtsg'sangl
Vorher - nachher

 

Alt-Ottakringer Pilgerfahrt

Herr Koller, ein Mann nach der Väter Art,
beginnt jedes Werk mit großem Bedacht.
Begibt sich schön sacht auf die Pilgerfahrt
des Abends um halb acht.

Beim Kasper, einst Gräf, im alten Ort,
da sammelt er sich für den künftigen Strauß.
Der Rosenklub tagt und der Pfarrer sitzt dort:
Es ist ein christliches Haus.

Hier nimmt er zwei Achtel nach Fug und Brauch:
'Alt, alt — ja, ja — denn der Heurige, nein,
der legt seinen Kalk in Adern und Bauch
und knistert bös im Gebein.'

Sein Antlitz ist rot wie ein Feuerbrand,
und ein Banner weiß, steht der Bart darin.
Und so, zwischen Lipp Kelchesrand,
läßt er sein Fürzchen ziehn.

Begibt sich — nur Leute von Stand und Gewicht
begeben sich, merkt es — begibt sich sodann,
die blumige Weste mit Würde gericht,
zum Haimböck ein Stück obenan.

Ein Viertelstündchen sieht hier ihn bemüht
um des Burgenländers schmeckende Kost.
Zwei Achtel nur sinds, daß kein Unglück geschieht
und das die Kehle nicht rost'.

Dann quert er die Straße, die Weste geschwellt,
mit den juchtenen Stulpstiefeln bis unters Knie,
blinzelt zum Himmel, schneuzt sich und hält
wie die Pflicht bei der Zehner-Marie.

Ein Achtel, und dieses nur gleichsam im Flug.
Kein Christengewinn ists für unseren Mann.
Die Biederkeit fehlt, und teuer genug
läßt sich der Schilcher an.

Er kämpft es durch, und gesammelt sticht
er in den bewegteren Wogengang.
Zwei Achtel beim Wagner, und sein Gesicht
ist wieder von Kampfmut blank.

Doch der Weg ist weit, und er sieht sich vor;
und beim Stritzl ists nur ein Achtel mit Gieß.
Dann gehts in die Weite, den Hut auf dem Ohr
und ein wenig schon ungewiß —

Jetzt kreuzt Herr Koller im offenen Meer.
Eine steife Brise treibt ihn hindann.
In derErdbrustgasse, die See geht schwer,
legt er zum Löschen an.

Ein Achtel beim Völkel. Herrr Koller zieht
durch die Zähne das Ottakringer Gefechs.
Der Himmel besternt sich, die Glatze sprüht,
es zittert der Nase Gewächs.

Und am Berg der Türk. Die Entscheidung ist nah.
Wie ein Irrwisch schwankt überm Tore das Licht.
Und Herr Koller sagt nein, doch der Wein, der schreit ja,
da ist kein Ausweg nicht.

Und hinein in die Schlacht! Sechs Achtel und acht!
Wie ein Sturmsegel bauscht sich der Weste Panier.
Herr Koller liegt steif um zwölf in der Nacht
vor dem Schanktisch unterm Klavier.

Vorstadtgasse im Sommer

Gasse glastet weiß
in der Mittagsglut.
Leben schlaff und greis
an der Planke ruht.

Kinder gnomenhaft
mit den Köpfen groß
— Weh der Mutterschaft! —
wachsen hoffnungslos.

An dem Fenster grau
die verstaubte Blum
pflegt die alte Frau
als ein Heiligtum.

Hier ist nicht der Baum
Wunder, Gott gedankt.
Finstrer Hof sein Raum,
und er bräunlich krankt.

Abend hier nicht lockt
Aug zum Mond empor.
Tratsch und Schmähsucht hockt
schattenhaft beim Tor.

So Gefühl, so Schaun,
alles kehrt sich um.
Wie ein Höllengraun
ist dies Menschentum.

Wie ein Höllenleid
fruchtlos ist das Tun.
Ausgestoßenheit
läßt den Mord nicht ruhn.

Hier ist nicht die Nacht
still von Schlafensruh.
Jäher Schrei erwacht,
blinder Arm stößt zu;

Liebe ist nicht lind,
trägt nicht sanft empor.
Die Gewalt gewinnt
unter nächtigem Tor.

Und der Liebe Lohn
für die arme Seel:
Faust, verkrampft im Hohn
um die weiße Kehl.

Stein ist grau und taub.
Baum welkt in Geduld.
Und das Tier im Staub
weiß nicht um die Schuld.

Wende dein Gesicht,
Gott, der dieses hört:
Mach mit eins zunicht,
was du längst zerstört.

Hofmusikanten

Er hat die Zither auf dem kleinen Wagen.
Sie singt, indem sie kurzen Tanzschritt geht,
und tut, als wolle sie die Leute schlagen,
daran ein blaues Band im Zugwind weht.

Er dreht den Kopf auf dünnem Vogelhals
und sucht die Fenster ab, wo sich nichts regt.
Ein Hund, verstört vom Lärm des Saitenschwalls,
dreht sich im Kreis, eh er sich wieder legt.

Es schnarrt und wimmert. Jetzt, in stummer Pein,
hebt er den Blick nach ihr und deutet Schluß.
Und überraschend wie ein Gellerschuß
knattert ein Groschen auf den Pflasterstein.

Mark Anton
(Couplet)

Ich bin der alten Römer Mark Anton,
steh sonsten seitwärts bei der Sezession.
Die Wiener gehn vorbei und — meiner Seel —
sie sagen, ich bin der Kaiser Mark Aurel.
Das hat mich immer schon ein bisserl irritiert.
Er tragt an Bart, und ich bin glattrasiert.
Drum hab ich mich von meinem Platz jetzt gestohlen
und will in Grinzing mir ein kleines Räuscherl holen.

Refrain: Aber Servus, meine Herrn,
            d i e  ham Grinzing reguliert!
            Segn S', bei uns im alten Rom
            wird jetzt auch viel assaniert,
            der Beton, derschwitzt und treibt,
            bis ka Sta am andern bleibt:
            Unser Wean is nimmer Wean —
            Alsdann, Servus, meine Herrn!

Der Cicero, der falsche Advokat,
hat immer g'stichelt gegen mich beim Senat,
der Brutus und der Cassius daneb'n,
doch bei Philippi hab ichs ihnen geb'n.
Jetzt geh ich mit mein' Freund Oktavian
die Teilung an, weil wir die Letzten san.
Er nimmt sich Jedlesee und Grinzing ich,
denn segn S', der Wein dort, das ist was für mich.

Refrain: Aber Servus, meine Herrn,
            jetzt wird Grinzing reguliert,
            schaun S', mit meine Löwen komm
            ich großmächtig ankutschiert.
            Wir ruinieren und malträtiern
            Dächer, Häuser, Fenster, Türn,
            meine Löwen ham das gern —
            Alsdann, Servus, meine Herrn!

Ich fahr demnächst nach Alexandria
und hol mein Weiberl, die Kleopatra.
So etwas Liebes ham Sie noch nicht g'segn,
kaum macht s' mir Augn, so is 's um mich schon g'schegn.
Mei' ganze Freud is Bruch nur ohne sie,
denn sie is in der Liebe ein Genie.
So viel Provinzen hab ich ihr schon g'schenkt:
schenk ich ihr Grinzing noch dazu, daß 's g'lengt.

Refrain: Aber Servus, meine Herrn,
            d a n n  is Grinzing reguliert,
            wann d' Kleopatra einmal
            draußt bein Hengl residiert,
            wann die Simandln sich rührn
            und die Stockfisch gar was g'spürn
            und die Haub'nstöck wurlert wern —
            Alsdann, Servus, meine Herrn!

Bei meiner Positur und meinem G'wicht
freut mich, Quiriten, das Zufußgehn nicht.
Ich fahr im Auto, und bin ich auch stier,
in meinem Wagen bin ich ein Kavalier.
Zehn Deka Preßkopf sind mein Proviant,
doch hochgeehrt, so plädre ich durchs Land.
Hab ich die Höhenstraße hinter mir,
trink ich am Kahlenberg ein kleines Bier.

Refrain: Aber Servus, meine Herrn,
            haßt des Grinzing reguliert?
            Steyr, Tatra, Opel, Ford,
            von an' Schnorrer schlecht schoffiert,
            wo ka Geld is, is ka Geld,
            und so gehts schon auf der Welt,
            seit die Fremden uns beehrn —
            Alsdann, Servus, meine Herrn!

Wann ich nicht so ein distinguierter Fremder wär,
mich g'freuert d' Regulierung gar net sehr.
Ich hab bei Aktion schon eine Schlacht verlorn,
und wann ich dran denk, packt mich frisch der Zorn.
Auf einen Kampf laß ich mich nicht mehr ein,
wann reguliert sein will, so wills halt sein.
Die Architekten, die man schnell beruft,
sie sprengen Grinzing kreuzweis in die Luft.

Refrain: Aber Servus, meine Herrn,
            jetzt is Grinzing reguliert,
            was noch da war von dem Ort,
            das is gründlich ausradiert,
            wann ich auch ein Römer bin,
            gehts mir doch nicht aus 'n Sinn,
            denn mein Wean, das hab i gern —
            Alsdann, Servus, meine Herrn!

Die Hausfrau und das Mädchen

'Marie, ich bitt Sie auf den Knien, ziehn
S' mir nicht so närrisch an die Jalousien,
Sie reißen mir die Fensterstöck heraus!
Und heute nachmittag bleibn Sie zuhaus
und putzen Messing. Schaun S' die Schnallen an,
wenn man nicht ständig hinterher sein kann,
verdreckt das Haus. Skandal! Beim Herrn drin ist
ein Chaos, der Papierkorb platzt vor Mist,
der Lurch ist schon so dick, daß man ihn riecht,
und von der Küche reden wir erst nicht.
Papier und Fetzen müchteln in der Speis,
das Schneidbrett pickt — wir kriegen am End noch Mäus! —
und hundertmal schon hab ich Ihnen gsagt,
daß man am Küchenherd ein Hauberl tragt,
erst gestern zu Mittag, pfui Teufel, war
im Reisfleisch so ein endstrumm langes Haar.
Wir sind doch nur zwei Leut. Das wär nicht schlecht,
wenn da nicht alls am Schnürl gehen möcht.
Die halbe Woche sind S' mir irritiert
davon, wer Sie am Sonntag ausführn wird,
die halbe Woche nachher träumen S' dann,
wie stimmungsvoll es war beim Kadrmann.
Natürlich geht die Wirtschaft da zugrund.
Sie sind doch jung und was ich weiß gesund —
Ich bitt Sie auf den Knien, bemühn Sie sich. .'

(Das Mädchen abgehend:)
De Gnädige glaubt rein, i bin a Viech.

Herbstvormittag in der Wildgrube

Es war ein gesegnet lang sonniges Jahr:
Der Schatten tut wohl an der Mauer.
Dünn tönt im unendlich stillen Klar
und schläfrig die Harke der Hauer.

Da unten am Bach, wo Beethoven ging,
hangt wilder Hopfen im Laube.
Am Gatter taumelt ein Schmetterling,
im Weinberg leuchtet die Traube.

Ein Viereck Astern steht blau und schön,
darin sich die Bienen versäumen.
Und Dung riecht auf, und Leitern stehn
an den durchherbsteten Bäumen.

Geländer senkt sich hinab zum Bach
und neigt sich über die Rinne.
Ein Grauhaar sieht einem Wölkchen nach
und wird des Traumes nicht inne.

Der weiße Windling im Brombeergesträuch,
die Schatten auf Steig oder Schwelle:
Das webt und raunt und zittert euch
leicht in der Mittagshelle.

Musik kommt weich wie ein Vogellaut.
Unmerkbar löst sich die Enge.
Fern liegt die Stadt und dunstüberblaut
weit in der Wiege der Hänge.

Und wäre der dicke Nußbaum nicht
in seiner Blätterfalbe:
Wir schauten ganz ihr Angesicht —
So sehn wir bloß das halbe.

Die Werbung

Sind S' nicht so stützig, Fräuln Marie,
schaun S', gebn S' mir doch a G'hör!
Ich hab jetzt Chancen wie noch nie,
g'winn ich erst in der Lotterie,
gibt’s keine Würstel mehr.

Ein Posten is mir auch schon g'wiß,
bei Mond und Siebenschein.
Und wanns auch nur als Aushilf is,
ich wer mirs richten, und präzis
am Ersten tritt ich ein.

Und dann — nicht daß ich reden will,
dann nimm ich mich erst z'samm:
Kein Spieln, kein Raukerl und kein Schwül —
So kann ich mir schon im April
mein Puchrad ausg'löst ham.

Am Samstag um Mittag wird alls
zum Weekend fertig g'macht.
Dann blädern wir so von Hernals
bis ins Gesäus — doch allenfalls
bis Purkersdorf, daß 's kracht.

Und nobel Schani wird am Wald
ein Picknick arrangiert.
Wann dann gespeist is, schaun wir halt
in Himmel rein, so lang 's uns gfallt
und Zeit zum Z'hausfahrn wird.

Fräuln Mary, fahrn S' mit mir, ins Glück!
Die Welt is doch so schön. .
Wolln S' nicht, weil ich im Augenblick
grad nicht bei Kassa bin, ein Stück
mit mir in Prater gehn?

Blick vom oberen Belvedere

Fülle du! Gezier- und schöner Geist,
übersetzt in edelstes Gebreite:
Rechts die Kuppel, links die Kuppel weist
majestätisch ein dies Bild der Weite.

Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft,
Roh- und Wildes in die Kunst zu heben!
Irdischer Gesetzlichkeit entrafft,
engten sie und weiteten das Leben.

Gehn nicht die Terassen ab und an
Reifrockdamen, sanft hofiert von ihren
eindrucksicher steifen Kavalieren?

Nein, die Gärten zaubern holden Wahn.
Ganz verging dies Planen, Lächeln, Lieben —
gilb und weh — nur Schönheit ist geblieben. .

Alt Ottakring

Was noch lebt, ist Traum.
Ach, wie war es schön!
Jüngre werden kaum
jene Zeit verstehn,
wo das Kirchlein stand
und die Häuser blank
unterm Giebelrand
hatten Weingerank.

Und im Herbste gar,
wenn der Maische Duft
hing im blauen Klar
der beschwingten Luft!
Von den Hügeln schlicht
kam der Hauer Sang,
da die Stadt noch nicht
grau ins Grüne drang.

Heut ein Steinbezirk
wie ein andrer auch,
und nur sanft Gebirg
schickt wie einst den Hauch,
Hauch von Obst und Wein
in die Gassen aus,
und der Sonnenschein
liegt auf altem Haus.

Da und dort ein Tor
hat noch breiten Schwung,
Buschen grün davor
lädt wie einst zum Trunk,
und am Abend wird
längst Vergangnes nah,
spielt ein Bursch gerührt
Ziehharmonika.

Der Stammgast

Wenn ich im Wirtshaus einzieh,
da stehn die Stifte stramm.
Ich geh schon vierzig Jahre
hieher ins weiße Lamm —
Drei Wirte sind schon drüben,
ich bin gesund und frisch,
und seit dem Umsturz sitz ich hier
am Einsertisch.

Der Ober weiß schon selber,
was ich so konsumier:
Zuerst kommt die Wetschina
und dann ein Seiderl Bier,
am Montag krieg ich Stelzen,
am Mittwoch Leberwurst,
und vierzehn Achteln gehn genau
auf meinen Durst.

Gilt Ehr und Würde nimmer,
und ist die Welt defekt:
Die Stift' und Speisenträger,
die haben noch Respekt.
Der Wirt hat nichts zu reden,
ich bin der Herr im Haus,
und wenn es nicht am Schnürl geht,
so bleib ich aus.

Mir ist schon längst zuwider
die ganze Politik.
Ich war einmal Bezirksrat,
doch das liegt weit zurück.
Ein Schnapser ist mir lieber,
hab ich ein schönes Blatt —
Ich bin der größte Schampion,
den Erdberg hat.

Die Autos und die Flugzeug,
die hab ich auf dem Zug.
Als gäbs nicht wilde Narren
und Krüppel schon genug —
Träumt mir was Schönes, spiel ich
es in der Lotterie;
und nur beim Sitzen seh ich noch
auf meine Knie.

Um zwölf Uhr, wenn ich Schluß mach,
die Welt ist schön und gut.
Die Spezi sagen Servus,
ein Stift halt' meinen Hut,
den Mantel bringt der Ober
und hilft mir sacht hinein,
der Wirt reicht mir den Weichselstock:
Denn Zwirn muß sein.

Leopolditag

Im Schutz der weißen Türme
gekeltert und gepreßt:
Laß rinnen, Herr, und schirme
das schöne, schöne Fest!

Das drückt sich, stößt und drängt sich
im gotischen Gelaß;
die Trepp hinan und zwängt sich
ans Riesenfaß.

Am Abend, schwer geladen,
durchsummt es Hof und Gang;
an den Barockfassaden
gehn Schatten lang —

Und stehn am Brunnenraine
und schwenken in der Flut.
Sankt Leopold im Steine
schläft wundergut.

Die Nacht, der Wein, die Sterne:
Das ist noch Christentum!
Es wankt aus der Taverne
zu Gottes Ruhm;

es füllt die Gassen trächtig,
es reißt die Buden ein,
und ist wie ehe mächtig
im Klosterwein.

Sankt Leopold im Himmel
wacht auf, schaut durch die Stern
herab auf das Gewimmel
und sieht es gern.

Liebhartstal

Das bißchen Wein, das südseits noch gedeiht,
lockt Sonntags kleine Leute in die Schenken.
Gekicher, Kreischen, Schrammeln, Trunkenheit,
Schaubudenlust, Lampions und Hüteschwenken —

Ein Rest von Wienertum, verfälscht, gestreckt,
so wie der Wein aus den verbliebnen Gärten.
Dienstmädchenelend, festtäglich geschleckt,
Familienzank, Geraunz von Knasterbärten.

Im Herbst jedoch, an einem Wochentag,
ist alles hier wie einst: Kastanien liegen
vom Baum geplatzt am Weg; der Amselschlag
müht sich umsonst, die Stille zu besiegen.

Melancholie streicht sanft durch die Alleen,
liegt als Musik auf den gelösten Lehnen.
Und steigst du höher, siehst du fern und schön
die heißgeliebte Stadt ins Blau sich dehnen.

Sankt Nikolaus

Dort, Mutter, schau! Im Schnee der Schein,
jetzt biegt es in die Gass' herein,
der eine schwarz, der andre weiß,
jetzt stapft es über die Stiege leis,
ist an der Tür — Wohin? — Davon!
Knie nieder, Bübel, da sind sie schon.

'Ich bin der heilige Nikolaus,
sonst Schneidermeister im Huberhaus.
Zieh all herum und schau geschwind,
ob mir die Büblein richtig sind;
artig, folgsam, auch fleißig schier:
Wie steht es dieserhalb mit dir?'

Heiliger Nikolaus, bitte schön,
ich kann schon alleine zum Kaufmann gehn,
ich wasch mir schon selber Hals und Gesicht,
(nur Strümpf anziehen kann ich noch nicht)
und bevor ich essen und schlafen gehn tu,
falt ich die Händ und bete dazu.

'Dort hinten wart' mein schwarzer Knecht,
dem bist du in die Butten recht.
Sein Ketten, sein Hörndl, sein Ochsenschlepp,
sein lange Ruten, herauf die Trepp,
sein Feuerzungen, glüh und heiß,
die machen dir, hoff ich, die Hölle heiß.'

Ich bitt dich, heiliger Nikolaus,
meine Schuh, die stehen im Fenster drauß,
schütt Äpfel und Nüss' und stell über Nacht
ein lebzelten Reiter hin, der mirs bewacht.
Die Datteln aber mit lutschigen Kern,
die hab ich, weißt du, besonders gern.

'Mein liebes Bübel, steh auf von der Erd,
du bist mir Heiligem lieb und wert.
Halt' mir derweilen den Bischofstab,
damit ich dir leichter ein Bussel gab.
Geh, fürcht dich doch nicht vor meinem Bart!
Derselb ist bloß von Watte zart. .'

Platz am Hof

So ist er am schönsten: Wenn mit blauern
Lasuren winters der Abend beginnt,
wenn zwischen Himmel und grauen Mauern
weiße Dächer die Grenze sind.

Wenn sanft im Zwielicht die nebligen Sonnen
der hohen Bogenlampen aufgehn
und aus den Fenstern, gelb und verronnen
zögernde Lichter herübersehn.

Wenn aus der Härte der Welt entglitten,
mit Formen, himmlisch und ungenau,
die schlanke Mariensäule inmitten
aufragt, ein schwarzes Zepter im Grau:

Dann wird der Platz ganz Traum, und am Ende
verschwimmt er in seltsam gestrigem Licht,
indes überm Düster der Buden und Stände
Schnee fällt — weiß und leise und dicht. .

Der Präsidialist

Gehn S', sind S' so freundlich, lieber Herr von Schur,
richten S' mir ja den Sprechakt für elf Uhr,
der Sektionschef hat in gestern schon
dringend urgiert zur Approbation,
gleich nach der Sitzung — was? schon wieder zehn? —
muß ich hinüber — ham S' ihn? — sprechen gehn. .
Nun, lassen S' sehn, ich bin nicht informiert:
. . ersucht anher . . wenn da nur nix passiert. .
im Zuge aller die Konzession
betreffenden . . verdammtes Telephon!
Ob man nur einen Augenblick . .hallo?
Ach, du bist's, Margit, denk dir, ich bin so
pressiert . . der Herr Minister . . Küßdiehand!. .
beim Ronacher? So geh! Wars intressant?. .
Nein, heut gehts nicht . . ich ruf dann noch, wir sind
heut abend in der Burg . . leb wohl, mein Kind. .
. . betreffenden und im Verfolge des
h.o. bezogenen Bedingnisses,
sowie der etwa unter Rücksicht auf
den abzuwartenden Prozeßverlauf
erforderlichen Maßnahmen, womit
der Bundesschatz die Pfandrechte vertritt
und unter Anschluß — Servus, Herr Baron,
weißt schon das Neueste, nimm Platz, der Sohn
vom Hofrat Krk soll sich, no ja, man sagt,
— Gehn S', Herr von Schur, ich brauchert noch den Akt —
du glaubst nicht, wie der aufpaßt . . also soll
sich auch betätigt . . gestern? Alles voll,
die Jeritza, ich sag dir, epochal!
Was? Gleich elf Uhr? Entschuldige . . Eine Qual,
wie man gehetzt ist, schrecklich! Apropos:
Gehst du heut zum Rennen? Weißt, auf Nitschewo
ist kein Verlaß — no schau halt, daß d' gewinnst.
Jetz' muß ich rüber, Servus! Dienst ist Dienst.

Weihnachtsg'sangl

Wir sind der Johann, der Schorsch und der Ferdinand,
die Anna, die Poldl, kurz allerhand Leut
aus der Gegend um, Stadt oder Land.

Ihr guten Herrn,
wir suchen das Kindel in der Wiegn;
und es soll uns Leuten den Frieden beschern.

Wir haben uns schlecht und recht durchgefragt.
Da in der Näh wärs also schon recht,
hat man uns g'sagt.

Den Stern der Geburt, der uns führen hätt solln,
den ham wir verlorn.
Da is nix net zu wolln.

Und so grausam dick fallt heuer der Schnee.
Kein warmes Wort, und so weit von zuhaus —
Ihr wißt es ja eh.

Ihr wißt es eh, ihr großmächtigen Herrn.
Ihr habt den Weihrauch, das Gold und die Myrrh,
und wir sein geduldig und folgen euch gern.

Geh, bitt schön, voran und zeigt uns die Wiegn!
In einem Stall auf Heu oder Stroh
soll das Kindel liegn.

Wir hättens grad so gerne wie ihr.
Oder lieber noch!
Auf für uns! Licht! Und hinein bei der Tür!

Vorher - nachher

Heiliger Thaddäus, hilf mir, ich bitt,
die Kerzen bring ich das nächstemal mit.

— —

Du hast geholfen. Ich dank dir sehr.
Jetzt brauchts doch wohl keine Kerzen mehr.