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IV. Lyrischer Anhang
Vom lieben Augustin
 

Der liebe Augustin

Der Dudelsackpfeifer Marx Augustin,
Das war in vergangenen Tagen
Der lustigste Zeisig im lustigen Wien,
Na, wahrlich, das will doch was sagen!

Und kam das gewaltigste Sterben ins Land,
Der Augustin kennt kein Verzagen,
Er füllt sich den Bierkrug mit Schnaps bis zum Rand
Na, hört Ihr, das will doch was sagen!

Und fiel er einst nächtens ins Pestloch voll Graus,
Drin Leichen auf Leichen schon lagen,
Er schnarchte behaglich sein Räuschlein dort aus,
Na, Mahlzeit! . . . Das will doch was sagen!

Und als in die Schanzen der Wiener Bastion
Die türkischen Bomben geschlagen,
Da pfiff er den pfeifenden Kugeln zum Hohn,
Na Prosit! . . . Das will doch was sagen!

Und als Alles einst hin, sein Mädel, sein Geld,
Und Alles verweht und verschlagen,
Da sang er Lied, 's klingt noch durch die Welt —
Na, Herrgott! das will doch was sagen!

Augustin-Liedeln

1. Wiener Früchtel

Nur der freut sich des Lebens recht,
Der lebt von heut auf morgen,
Ist Niemands Herr und Niemands Knecht
Und hat für nichts zu sorgen!

Ich nenne nichts auf Erden mein
Und schleppe keine Bürde —
Der größte Lump von Wien zu sein,
Ist alle meine Würde.

Ich brauche weder Bett noch Schrank,
Kein Nest und keine Nische,
Ich wohne auf der Wirtshausbank
Und schlafe unter'm Tische.

Frau Wirtin, sei Ihr nur nicht bang,
Sie braucht mir nichts zu pumpen,
Ich zahl' mit reinem Silberklang
Für jeden vollen Humpen!

Ich hab' ja einen Wünschelhut,
Und wenn ich nach ihm greife,
Kommt alles frohe Wiener Blut
Und tanzt mir, wie ich pfeife.

Mein Dudelsack ist mehr als Geld
Und gibt die hellsten Töne —
So pfeif' ich auf der ganzen Welt
Und freu' mich ihrer Schöne!

2. Wiener Spatz

Der Spatz ist in der Vogelwelt
Ein Bettler unter Reichen,
Doch fragt Ihr, wer uns Treue hält,
So wird im Keiner gleichen.

Herr Zeisig und Frau Nachtigall,
Die Lerchen und die Schwalben,
Sie lassen uns im Stiche all',
Sobald die Blätter fallen.

Der Spatz hält aus mit keckem Mut,
Ein Schnabel, nicht zu zügeln,
Als wär' der kleine Tunichtgut
Ein Schusterbub' mit Flügeln.

Die Spatzen und der Augustin
Sind Wiener Stadtvaganten
Und strolchen lustig her und hin
Als Straßenmusikanten.

Und was rund um den Stephansplatz
Die Leute tun und denken,
Auf allen Dächern pfeift's der Spatz
Und ich in allen Schenken!

3. Mein Spatz vom Lichtental

Mein Schatz, der ist vom Lichtental,
Dort gibt's die herbsten Mädeln,
Und wer's nicht glaubt, versuch's einmal
Sich Eine einzufädeln!

Doch, ist mit meinem Schatz vom Grund
Auch nicht gut Kirschen essen,
Und hat sie noch so losen Mund,
Ich kann mich mit ihr messen!

Und singt sie G'stanzeln, keck und frisch,
Und ich darf dazu blasen,
Heißa, da wackeln Bank und Tisch
Beim Wirt zu den drei Hasen!

Und schau'n wir auf das Frohgedräng'
Vom Podium hernieder,
Vor Lust wird mir die Haut zu eng,
Und meinem Schatz das Mieder!

Dann bin ich König Augustin,
Mein Reich, das ist das Brettel,
Und meine saub're Königin
Die Lichtentaler Nettel!

4. Wiener Totentanz

Wie hat uns die schwarze verteufelte Pest
Doch Alles zerstört und verdorben,
Die Stadt ist ein verödetes Nest
Und Alles wie tot und gestorben!

Im Stephansfreithof bei Mondenschein
Gibt's jetzt allein noch ein Leben,
Wenn sich die Geister zum Stelldichein
Aus ihren Gräbern erheben.

Zum Dudelsack greif' ich um Mitternacht
Und fange an leise zu blasen,
Da kommen die weißen Gestalten ganz sacht
Und sammeln sich auf dem Rasen.

Dann werfen sie plötzlich die Linnen hoch
Und halten ein Lustiges Kranzel —
Es gibt doch der toteste Wiener noch
Sein letztes Hemd für ein Tanzel!

5. Augustins Abenteuer

"Nehmt Kranewitt und Pimpernell,
Dann find't der Tod Euch nicht so schnell!"
Tät jüngst ein Vöglein singen.
Den Pimpernell, den mag ich nit,
Doch ließ ich mir vom Kranewitt
Sogleich ein Krügel bringen.

Das ganze Krügel trank ich aus,
Dann wankt' ich in die Nacht hinaus
Aus meiner Wirtshausstube,
Und weil ich schon im Gehen schlief,
So fiel ich bald zwei Klafter tief
In eine off'ne Grube.

Und als ich morgens drin erwacht,
Da schliefen drin noch ihrer Acht
Und Kein's war zu erwecken —
Die hatten alle schon den Rest,
Die Herbergmutter war die Pest,
So sah ich jetzt mit Schrecken.

Flugs bin ich ihrer Knochenhand
Mit meiner Zeche durchgebrannt,
Doch Eines laßt Euch sagen:
Es war ein ganz verflixtes Bett,
Möcht' wissen, wer's vertragen hätt'
Auf einen nüchternen Magen!

Nun seht Ihr, wie man's machen soll:
Ich lag im Grab sternhagelvoll
Und bin gesund und heiter —
Den Pimpernell laßt ruhig sein,
Es tut's der Kranewitt allein,
So trink ich ihn auch weiter!

6. Ade, mein Wien!

O Wien, du altes Freudennest,
Du Himmel voller Geigen!
Aus ist's mit Dir und nur die Pest
Spielt auf zum Totenreigen!

Die Geigen sind schon lange stumm
Und nur die Glocken heulen,
Denn stündlich fällt ein Andrer um
Und stirbt an schwarzen Beulen.

So still ist's jetzt beim roten Hahn,
So still bei den drei Hasen,
Fang' ich zu musizieren an,
Kann ich mir selbst was blasen!

Die Nettel sah ich kalt und bleich,
Das hat mir's Herz zerrissen,
Ich hätt' am liebsten selber gleich
Mit ihr ins Gras gebissen.

Das Herz so schwer, der Beutel leer,
Ade, du Stadt der Leiden!
Was bleibt mir da noch übrig mehr,
Als kummervoll zu scheiden?!

7. Augustin auf der Wanderschaft

Was ist denn das? Mein Aug' ist naß,
Ein Tröpflein fühl' ich rinnen . . .
Was ist denn das? . . . Es brennt mich was
Ganz tief im Herzen drinnen!

Und ist der Weg auch noch so breit,
Mein Fuß will ihn nicht finden,
Das macht, ich sah im Nebel weit
Den Stephansturm verschwinden.

Was hält mich doch so zauberhaft,
An einen Fleck gebunden?
Und ziemt sich doch die Wanderschaft
Für einen Vagabunden!

Ja, wenn der Lump kein Wiener wär',
Dann ging's mit Stab und Ranzen,
Doch Wiener Früchteln fällt's halt schwer
Wo anders zu strabanzen!

Zurück, Du lieber Augustin!
Du kannst von Wien nicht lassen,
Und steht für Dich kein Bett mehr drin,
So leg' Dich auf die Straßen!

Und merk's dir: was ein Wiener ist,
Soll sich nicht weiter trauen,
Als daß er kann zu jeder Frist
Noch seinen Steffel schauen!