Mein Wien
Lieder vom Stephansturm
Bild von 1830
1.
Grüß' Gott, Du alter Steffel traut, Du Turm vor allen andern, Nach dem zuerst ein Jeder schaut, Der heimgekehrt vom Wandern! Und sah er schon von weitem her Dich aus dem Nebel ragen, Der hätte wohl kein Herze mehr, Dem's da nicht laut geschlagen!
Und zieht der Wiener in die Welt, Dein Bild tut ihn begleiten, Weil's ihm doch nirgends wohl gefällt, Als wie an Deiner Seiten. Nach Deinem Gipfel, hochgezackt, Wird ihn die Sehnsucht fassen, Wie's Heimweh, das den Schweizer packt, Der seinen Berg verlassen.
Und schaut er auch im heil'gen Rom Die Wunderwelt der Steine, Und spiegelt sich der Kölner Dom Vor ihm im grünen Rheine, Und was er noch an Größe schaut, Er ruft nach allem Wandern: "Grüß' Gott, Du lieber Steffel traut, Du Turm vor allen andern!
2.
Ja, wenn der Steffel reden kunnt' Was wüßt' er zu erzählen, Er, dem im ganzen Wiener Rund Sich gar nichts läßt verhehlen, Der alle die Geschlechter schaut Entstehen und vergehen, Und dem ein jedes anvertraut All seine Lust und Wehen!
Schon mehr, als fünfhundert Jahr' Steht er hier festgegründet, Wo einst der stille Hafen war, Drein alles Leben mündet. Wo Luxus jetzt und Modenglanz Schaut durch die Spiegelfenster, Umringte ihn der Totentanz Zur Stunde der Gespenster.
In Türken- und Franzosennot, Und allen Kriegesschauern, Und als der grause, schwarze Tod Gehaust in unsern Mauern, Wie sah da jeder Blick empor Zu unserm Stephansturme, Der stille wies zum Sternenchor Ob allem Erdensturme.
Doch nein, er ist nicht immer still, Er kann gewaltig dröhnen Und spricht, was er uns sagen will, In wunderbaren Tönen. Läßt er die "große Pummerin" Nun jauchzen oder klagen, Der Alte scheint das Herz von Wien In seiner Brust zu tragen.
Und oben ragt ins Wolkenreich Der stolzeste der Horste, Den sich der Aar von Österreich Erwählt in seinem Forste. Sankt Stephan hält die Treuen fest Am hehren Doppelaare — Glückauf, Du herrlich Adlernest, Und das Dich Gott bewahre!
3.
Als der Türk vor Wien gelegen, War der Steffel unser Segen, Denn er war der Luginsland, Und es sah von seinen Zinnen Alles feindliche Beginnen Starhemberg, der Kommandant.
Doch der Feind, den das verdrossen, Zielt' nach ihm mit Wurfgeschossen, Und, ob's glücklich noch verlief, Eine Kugel traf die Spitze, Und die alte graue Mütze Saß ihm nun ein wenig schief.
Kriegsrat ward sogleich gehalten, Wie man künftig schützt den Alten, Und es riet ein kluger Mann: "Heidenhunde überlisten Frommt dem allerfrömmsten Christen — Hängt ihm einen Halbmond an!"
Und den Zweck tät er erreichen, Denn nach seinem heil'gen Zeichen Schießt kein Türkenbombardier — Doch der Steffel tät sich grämen Und sich in die Seele schämen Mit dem Halbmond von Papier.
Nach dem Kahlenberg hinüber Sah er täglich trüb und trüber — Hei, was blinkt im Walde drin?! Hurrah, hoch! . . . die Polenhelden! Schnell der Steffel tät's vermelden Durch die große Pummerin.
Und der Glockenjubel rüttelt Und der Siegesdonner schüttelt Bald ihn so gewaltig froh, Daß im hellen Freudensturme Auch der Halbmond flog vom Turme, Während rings der Türke floh.
Aber trotz der neuen Taufe Hat er unterm alten Knaufe Immer sich entweiht geglaubt, Aller Trost war ihm nichts nütze, Bis man eine neue Mütze Aufgesetzt dem greisen Haupt.
4.
Ihr müßt ihn im Gewitter schau'n, Den wunderbaren Alten, Wenn so die Wetterhexen brau'n, Um seine Greisenfalten! Gespenstisch starrt er in die Höh' Mit seinen bleichen Quadern, Wie Einer, dem vor Schrecken jäh Das Blut stockt in den Adern.
Doch keine Angst! Er bietet Trutz Dem offnen Höllenrachen, Er hat ja selbst zu seinen Schutz Ein ganzes Heer von Drachen! Sein fahles Laub will raschelnd schier Im Regen sich beleben, Und all sein graues Ungetier Wild prustend sich erheben.
Hei, wie an ihm jetzt niederfährt Die grelle Feuerschlange, Und wie der greise Held sich wehrt Mit seiner Eisenstange! Beschwörend stehn im Blitzgedröhn Die Heil'gen in den Nischen Und mengen ihr Gebetgestöhn Ins Sturmgeheul und Zischen.
So steht er da der hehre Greis, In Wolken weißen Dampfes, Es rinnt von ihm der helle Schweiß Im heißen Mühn des Kampfes, Hoch reckt er in die Wetterschlacht Empor die heil'gen Zeichen, Als müßte alle Teufelsmacht Vor Kreuz und Adler weichen!
Das alte Kreuz ist kampfbewährt, Das kennt nicht Furcht und Grauen, Und ruhig hält Alt-Östreichs-Schwert Der Adler in den Klauen . . . . Und sieh! der böse Feind entfloh Vor solchem Heiligtume, Und rosig bald und sonnenfroh Erblüht die Kreuzesblume.
5.
O stellt in allen Zeiten Beileibe keinen Zweiten Dem alten Sreffel her — Wer so als Junggeselle Jahrhunderte zur Stelle, Gesellt sich nimmermehr.
Spielt Einer seinesgleichen, Er könnt' ihn nicht erreichen, Der Tor, was fällt ihm ein? Stellt sich zum Turm der Väter Ein halb Jahrtausend später Und will ihm Zwilling sein?
Vielleicht an Stein und Eisen Gleicht er dem hehren Greisen, Allein, was sagt er uns? — Der Steffel spricht für Jeden, Denn auch die Steine reden, Doch nur die a l t e n tun's.
"Stock im Eisen"*
Bild:
© Archiv Wolf
Da seht ihn, den alten Kaben, In seiner Eisentracht! Viel tausend Gesellen haben Sie ihm zurecht gemacht.
Nur schlugen die Schmiede, die Schelme Mit lustigem Geklopf Die Nägel ihm, wie zum Helme, Gleich mitten in den Kopf.
So steht er noch, wie ein Ritter In schwerem Panzerkleid, Ging längst um ihn auch in Splitter Die gute alte Zeit.
Viel Altes ist tot und zerbrochen, Viel Neues ist aufgebaut, Nur ist e r niemals gekrochen Aus seiner alten Haut.
Die alte feudale Gesinnung Vertritt er mit eherner Stirn Wie sie die alte Innung Genagelt in sein Hirn.
Was Wunder, schaut er so trotzig Darein zu jeder Frist — Es tut ja mancher so protzig, Der ganz vernagelt ist.
*Anmerkung: Um den Stock im Eisen ranken sich viele Mythen und Sagen, die vornehmlich
aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. Die wahrscheinlichste
Theorie für die mittelalterliche
Benagelung
ist der alte Brauch, in Kreuze, Bäume und sogar Felsen, Nägel
zum
Schutz oder zum Dank der Heilung von Krankheiten zu schlagen
—
als Votivgabe, ähnlich dem Brauch der Münzbrunnen oder
Wünschelbrunnen, in die man kleine Münzen wirft.
Außerdem: Nägel waren im Mittelalter immerhin teures Gut, das man nicht achtlos vertat.
Die Wienerin
Mädel gibt's doch allerorten Und die Männer, hier wie dorten, Stehn im Bann der Zauberin, Das Geschlecht heißt stets das zarte, Ja, was ist denn das Aparte Just an einer Wienerin?
Ei, 's ist halt das Kecke, Frische, Unverwüstlich Wienerische: Goldnes Herz, und leichter Sinn — Das Bildsaub're und das Fesche, Und das Züngerl auch, das resche, Einer Vollblutwienerin!
Alles rundlich und bakschierlich! Im Gesichtl sitzt so zierlich Und so keck das Naserl drin Und die frohen Äugerl blitzen Aus dem Köpferl voll Kaprizen Einer echten Wienerin.
Klein und herzig Hand und Fußerl, Lippen, wie gespitzt zum Busserl, Doch es sitzt der Schalk darin; Und ein Deutsch zum Gotterbarmen — Aber 's macht doch 's Herz erwarmen, Klingt's vom Mund der Wienerin.
Mit dem kecken Stirnenlockerl, Mit dem leichtgeschürzten Rockerl Schwebt sie federleicht dahin; Und so harmlos kokettierlich Und so züchtig ungenierlich Ist doch nur die Wienerin!
Immer prickeln ihr die Sohlen Und die Äuglein, wie die Kohlen, Funkeln nach dem Tanzsaal hin, Immer summt's im Ohr von Geigen, Johann Strauß und seine Reigen Sind der Traum der Wienerin.
Willst das Mädel Du bekommen, Frohes Werben wird Dir frommen, Doch kein Schmachten bringt Gewinn! Kommst Du süß, so wird sie bitter: "Gehn S', Sö fader Mondscheinritter!" Sagt die resche Wienerin.
Hat sie fröhlich eingeschlagen, Bleibt sie auch in allen Tagen Deine Treu-Begleiterin — Junggesell in Deiner Klause, Willst Du Sonnenschein im Hause, Hol' dir eine Wienerin!
Als der Erde feinste Blüte Gab der Herr in seiner Güte Einst das Weib dem Manne hin — Ehre sei dem ganzen Flore! — Doch im göttlichsten Humore Schuf er erst die Wienerin!
Deutschmeister-Edelknaben
1.
Die Deutschmeister kommen, o heißa, juchhe! Ist das für die Wiener ein' Hetz und Gaudee! Kein' Köchin, die jetzt nicht die Suppe versalzt, Kein Mägdlein, das jetzt nicht im Traume schon walzt, Es summt in der Luft schon von Tanzmelodien, Die Deutschmeister sind ja jetzt wieder in Wien!
Mit Stolz liebt der Wiener sein Hausregiment, Nicht nur, weil die Welt kein fideleres kennt, Nein, weil dieses Blut, so sprudelt und quillt, Zu sieden beginnt, wenn's das Vaterland gilt, Und weil der Soldat, der so schmuck pomadiert, Im Feld auch so prächtig die Feinde frisiert.
Sie fingen zuerst mit dem Türkenschopf an, Als ihnen bei Zenta Eugen wies die Bahn, Sie hieben bei Belgrad die Roßschweife ab, Als Laudon dem Halbmond den Kehraus dort gab, Und preußischer Puder flog auf bei Kolin, So mächtig dort klopften die Helden von Wien.
Und als sie in Welschland verrichtet ihr Werk, Oft stiegen dem Franzmann die Haare zu Berg! Wie flogen vor ihnen vom Arcole-Damm Franzos auf Franzose hinab in den Schlamm, Und nennt Ihr nun Novi, Valeggio, So hüpft noch ein jedes Soldatenherz froh.
Und als sich das Glück einst bei Wagram gewandt, Der Deutschmeister hielt mit den Letzten noch stand; Ein Ehrentag war's für die Grenadier', Und, allen voran, die von Numero Vier! Und wenn auch der Deutschmeister Alles verlor, Doch niemals die Ehr' und den Wiener Humor.
2.
Und wieder in Böhmen, zu schrecklicher Frist, Da hat sich's gezeigt, was ein Deutschmeister ist — Wie sprudelten wieder der Mut und der Mund Der Kinder vom Thury und Himmelpfortgrund! Sie war nicht zu brechen, die Wiener Natur, Denn was ist beherzter, als echter "Hamur"?!
Bei Rosberic stürmten die "Vierer" voll Wut, Und mitten im Sturm rief solch' wienerisch Blut: "Na, halt's Enk nur, Leuteln, und alleweil voran! Es trifft ja nit jede Kugel den Mann, Und streckt uns glei alle der Tod auf'n Sand, A schönere G'sellschaft wär' nirgends beinand!"
Und Einer — sie tragen ihn dort auf der Bahr' — Ruft: "Kreuzi Chineser . . . 's is aus und 's is gar! . . . Pfirt Gott, Kameraden, und bet's für mei Seel' . . . Und sehn wir uns wieder, wird's wieder fidel" . . Dann funkelt noch einmal sein Auge, eh's bricht, Als lacht' es dem Tod noch ins Angesicht. —
Verwundet kam Einer ins Feldhospital — Mann schnitt ihm ein Bein ab — es blieb keine Wahl — Und als er, ein Krüppel, nun scheidet von dort, Bald nähm' er den Fuß unterm Arm mit fort, "Denn" — meint er — "was sagt der Herr Hauptmann dazu, Bring ich ihm nicht wieder das neue Paar Schuh?!"
Doch sie, die heut kommen, gewichst auf den Glanz, Die haben gottlob ihre Beine noch ganz! Bald tanzt, was ein richtiger Deutschmeister heißt, Bis ihm das ärarische Leder zerreißt. Drum gibt's für die Wiener jetzt Hetz und Gaudee, Die Deutschmeister kommen, o heißa, juchhe!
Wiener Kappelbuben
Burgmusik! . . . in hellen Haufen Seht das Volk zusammenlaufen, Klingen ihre Weisen flott, Und voran den Musikanten Ziehen ihre Leibtrabanten: Wiener Strizzi und Falott.
Konfiszierliches Gelichter! Viel verwegene Gesichter, Schief die Mütze auf dem Haupt, Schief im Munde qualmt der Stummel, Den sie auf dem Straßenbummel Sich vom Pflaster aufgeklaubt.
Abends lärmen die Halunken In verdächtigen Spelunken, Stören rings die Schlafesruh', Und wer's Nachtquartier bezogen, Deckt sich mit dem Brückenbogen, Oder mit dem Himmel zu.
Ohne Geld und ohne Fundus Lebt Lumpazivagabundus Sorglos seine Tage hin; Wiener Blut ist's und ein rechtes, Denn der Ahnherr des Geschlechtes Ist der liebe Augustin!
Keiner eine Menschenperle, Aber wahre Teufelskerle, Wenn es was zu wagen gilt — Als es einst im Welschland krachte, Keiner da sich lang bedachte, Rannten all' ins Schlachtgefild.
He! die Wiener Kappelbuben, Als sie an zu fechten huben Tapfer in Radetzkys Reih'n, Lustig ging's da, wie zum Prater, Und der alte Heldenvater Schmunzelnd rief sein "Bravo" drein!
Wie sie da die Feinde gerbten Und den welschen Boden färbten Mit dem Wiener Blute rot! Jeder hat sich brav getummelt, Manches Leben, das verbummelt, Endete im Heldentod.
Heimgekehrt vom fremden Lande Wieder zog die Lotterbande Mit der Burgmusik herum, Pfiffen wieder frisch und munter — Nein, der Wiener geht nicht unter, Nicht einmal im Lumpentum!
Wäscher-Nettel
Nettel, stell' die Arbeit ein, Laß die Wäsche Wäsche sein! Heute geht's zum tollen Reigen, Und die froh'sten Wiener Geigen Jauchzen durch den weiten Saal. — Kopftuch nimm und Samtkorsettel, Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Kommen Andre hochfrisiert, Fein und modisch aufgeziert, Bleib' Du bei der Tracht, der alten, Nimm dein Röcklein, kurz in Falten, Weiße Strümpflein, stramm und prall, Kopftuch nimm und Samtkorsettel, Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Gäste laden kunterbunt Lichtental und Thury-Grund, Alle tanzen flott und wacker: Kavalier und sein Fiaker, Infant'rist und Korporal! Drum nur schnell ins Samtkorsettel, Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Hört man dann zum tanzen auf, Folgen erst die G'stanzeln drauf, Frische, harbe, von der "Wiesen", Wo sie wie die Blümeln sprießen, Gleich zu hundert auf einmal. Drum geschwind ins Samtkorsettel, Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Ei, wie schaut der Schorschel drein, Tritt die saub're Nettel ein! Selbst ein Küßlein — ganz in Ehren — Brauchst ihm heute nicht zu wehren, Niemand merkt's im tollen Schwall. Klopft's Dir unterm Samtkorsettel? Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Nettel, stell' die Arbeit ein, Laß die Wäsche Wäsche sein! Heute geht's zum tollen Reigen, Und die froh'sten Wiener Geigen Jauchzen durch den weiten Saal! In die Ecke all' den Bettel! Putz' Dich, putz' Dich, fesche Nettel, Für den Wäschermädelball!
Damen vom Stand
Hei, der Naschmarkt auf der Wieden! Wer hat ihn noch nicht geschaut, Wo zu stolzen Pyramiden Obst und Grünzeug aufgebaut? Unter Rüben, weiß und roten, Blaues Kraut und grüner Kohl, Und im Kranz der Pfefferschoten Blüht die Rose Karfiol!
Und auf diesem grünen Markte Auch ein Weibervölklein haust, Das in freier Luft erstarkte, Arg vom Wiener Wind gezaust. Saftig, wie ihr Kohlerabi, Ist die Naschmarktfrau zumeist, Ob sie Nanni oder Wabi, Kathel oder Sali heißt.
Selbst im Winterschneegeflocke, Sitzt sie da, ins Tuch gehüllt, Wärmespendend unterm Rocke Nur ein Pfännlein glutgefüllt Ob die Nase auch karfunkelt Ob die Finger werden blau, Doch vom Morgen, bis es dunkelt, Hält sie aus die stramme Frau.
"Kaufen's, kaufen's! . . . Alles billig!" Lockt sie dich zu ihrem Stand, Und sie sagt Dir — kaufst du willig — "Euer Gnaden, küß' die Hand!" Doch gib acht, sie ist geladen! Fängst Du nur zu feilschen an, Degradiert sie "Seine Gnaden" Auch sofort zum "Schmutzian".
Bitter klagt oft die Frau Nanni: "Giften kann man si' nit gnua!
Kommt a so a Nobel-Schani . . . Nix is, als a Radibua!
Tut, als wohnt er beim Sacher, Oder gar im 'Imperial' — Und um a paar Äpfel nachher Schachert er . . . 's is ein Skandal!"
Kommt ein Lehrbub angestiegen, Der sich einen Griff erlaubt In die Birnen, die da liegen, Ha, wie wird der angeschnaubt! Seinem Spottwort: "Alte Schachtel!" Folgt ein jäher Widerhall — Nennt es "Feige" oder "Dachtel", Hier ist jeder Name — Schall. —
In der Chronik jeder Kunde Weiß die Naschmarktfrau Bescheid, Ins Ereignis jeder Stunde Durch die Köchin eingeweiht. Ja, sie weiß es auf den Gulden, Was der Mann der Gattin gibt, Weiß, ob's Söhnlein steckt in Schulden Und ob's Töchterlein verliebt. —
Die Regierung kritisieren Hört man hier mit wenig Gunst: "Mit die Steuern d'Leut sekieren, Na, das is a saub're Kunst!" — Unter Gurken und Melonen Sammeln sich zum großen Rat Oft die würdigen Matronen Als erfahrener Senat.
Doch nicht alle haben Runzeln, Und so manches frische Kind Steht bei Rettich und Rapunzeln Wangenrot, wie Äpflein sind. Gern verziehn sei ihnen allen Loser Mund und lose Hand. Wer hat nicht sein Wohlgefallen An den Damen hier vom Stand?!
Nobelprater
Praterstern . . . welch ein Gedränge! Wogend staut sich hier die Menge, Viele Tausend auf einmal, Und auf seiner Säule droben Dünkt sich schier im Wellentoben Tegetthoff, der Admiral.
Rechts und links ergießt sich's brausend, Doch die oberen Zehntausend Bleiben in den Laub-Allen, Die, in grüner Wildnis Mitten, Ein Parkett der feinen Sitten, Schnurgerad und eben stehn.
Alles hier ist fein und nobel, Wie geglättet mit dem Hobel — Wagen rollen leis' vorbei, Rosse schreiten majestätisch, Und nicht minder gravitätisch Blicken Kutscher und Lakai.
Müde bald vom vielen Grüßen Lehnt die Dame in den Kissen Der Karosse stolz, bequem, Lächelt leise und aimabel, Zwängt sich auch ein Komfortabel In die Wagenreih' der "Creme".
Schlicht gekleidet sind die Feinen — Aufgedonnert zu erscheinen Wäre
mauvais genre hier, Und von Gold und Atlas strotzen Nur die reichgeword'nen Protzen, Um zu zeigen: "Mir san mir!"
Fröhlich plaudern die Komtessen, Doch die Heitersten vergessen Nicht, was Würde und was Schick, Nur die Füßchen prickeln leise Bei der flotten Walzerweise Einer Militärmusik.
Und manch Äuglein funkelt hüben, Wenn die schmucken Reiter drüben Zeigen ihre ganze Kunst, Und mit schönem Kurbettieren Elegantem Piaffieren Werben um der Damen Gunst.
Kichern hört man froh und heiter, Wenn ein armer Sonntagsreiter Lose nur im Sattel hängt, Oder Gigerl, hoch zu Tiere, Wie der Ritter zum Turniere, Mit den Schnabelschuhen sprengt.
Was zu Wagen und im Bügel, Schaut man hoch vom Sacher-Hügel Prächtiger, als irgendwo — Herrlich läßt sich dort dinieren Und behaglich medisieren So bei "Mum" und »Veuve Cliquot.« —
Doch die Sonne sinkt zur Stunde — Auf der Kuppel der Rotunde Spielt sie noch ihr letztes Stück, Unter taucht sie dann in Gluten, Und die Menschenwogen fluten Mählich nach der Stadt zurück.
Und im Schimmer der Laterne Bald am weiten Pratersterne Tost und brandet's noch einmal — Hoch und einsam dann zurücke Bleibt auf der Kommandobrücke Tegetthoff, der Admiral.
Volksprater
Erste urkundliche Erwähnung 1162
Trommelwirbel und Tschinellen, — Tschine-rata-rata-pum! — Nur herein, Ihr Frohgesellen, Jung und altes Publikum! Heidenlärm und Mordspektakel, Aber kommt nur ohne Grau'n, Und die herrlichste Mirakel Sollt Ihr bald mit Augen schau'n!
Wilde gibt's hier aller Zonen, Von Neuseeland bis Hernals, Auf dem Haupte Federkronen, Menschenskalpe um den Hals; Faule Riesen neben Zwergen, Die voll Schusterbubenwitz, Und in Fellen von Spitzbergen Eskimos vom Währing-Spitz!
Sinnverwirrendes Gegaukel Winkt und lockt auf jedem Pfad, Himmelhoch fliegt hier die Schaukel, Und dort kreist das Haspelrad. Jauchzend frohe Kinder gleiten Auf dem Ringelspiele hier, Und auf Hirsch und Schimmel reiten Köchin dort und Kanonier.
Auch Hanswurst, den einst verbrannten Gottsched und die Neuberin, Grüßen wir als Altbekannten, Der unsterblich lebt in Wien. Ja, er herrscht noch unbestritten, Der den Juden zwickt und zwackt, Bis der Teufel ohn' Erbitten Endlich ihn am Kragen packt.
Von den Buden zu den Schänken Wälzt die Menge sich zur Frist, Durst'ge Kehlen erst zu tränken, Wenn das Aug' schon trunken ist. Und vom "Paperl" bis zum "Hirschen", Und wo sonst der Buschen winkt, Auf ein Krügel Bier zu pirschen — Weidmann's Heil, wem's heut gelingt!
Hast ein Plätzchen Du errungen, Findest Du noch lang nicht Ruh', Und vom tollen Lärm umklungen Hältst Du dir die Ohren zu. Banden spielen Strauß und Ziehrer, Verdi stimmt ein Werkel an, Lauter, als der Brothausierer, Brüllt der Salamucci-Mann.
Doch bei alle dem Getummel Lacht dem Wiener erst die Brust, Echter Wurstelpraterrummel Ist die höchste Sonntagslust! Heimwärts zieht dann, satt vom Schauen, Reich befriedrigt und belohnt, Wer nicht in den Praterauen Bei der "grünen Bettfrau" wohnt.
Wilder Prater
Dort steigt die Luft zum Gipfel Und welche Stille hier! Kaum lispeln noch die Wipfel Im dämmernden Revier.
Was sagt die alte Rüster? So leise ist ihr Weh'n Und doch ihr Blattgeflüster So deutlich zu versteh'n:
"Wir haben hundert Male Das grüne Land erneut Und hundertmal das fahle Zu Boden hier gestreut.
Das endende Jahrhundert, Wir haben's ganz belauscht Und, was Ihr dran bewundert, Gedankenstill umrauscht.
Wir sah'n einst Bonaparte Voll Stolz und dann voll Gram, Als er die erste Scharte In seinen Ruhm bekam.
Und schon war bei den Schatten Der Held Napoleon, Da saß auf unsern Matten Sein kummerbleicher Sohn. —
Wohl blieb sie meist uns ferne, Die bunte, laute Welt, Die sich im Prater gerne Zu toller Lust gesellt.
Doch mancher stiller Denker Kam in den stillen Raum Und sprach zum Weltenlenker Hier unterm Ulmenbaum.
Grillparzer sah'n wir schreiten, Vom Sehergeist erfaßt, Das Haupt geneigt zur Seiten Von der Gedanken Last.
Zu uns aus dem Gedränge Floh Lenau todeswund — Wir hörten Zauberklänge Aus Schuberts Liedermund.
Beethoven sah'n wir sitzen Und rauschten um sein Haar, Als er Wetterblitzen Sein "Kredo" hier gebar.
Die Großen sind gegangen, Und Jahr um Jahr versaust — Schon horchen wir mit Bangen Der Flut, die näher braust.
Wir sehn die Axt schon blinken, Und bald wird still dahin Die grüne Insel sinken Ins Häusermeer von Wien.
Dann sollt Ihr Reichtum sehen Und Schimmer ringsumher, Doch Gottes Atemwehen Verspürt Ihr nimmermehr!"
Wienerwald
1.
Wienerwald, Wienerwald, Wald der grünen Buchen, Keinen schönern Aufenthalt Wüßt' ich mir zu suchen! Quellen rauschen unter Bäumen, Und der Kuckucksruf erschallt — Recht ein Ort zu süßem Träumen Ist der grüne Wienerwald!
Aber horch! . . . da braust und summt's, Wie ein Schwarm von Immen, Singt ein Vögelein, so verstummt's Bald vor lauter Stimmen. Rehlein hinter Busch und Ranke Huschet und verbirgt sich bald, — Andre Rehlein, hübsche, schlanke, Hüpfen durch den Wienerwald.
Lärmend tobt die Kinderschar Mit erhitzten Wangen, Und das würd'ge Elternpaar Freut sich seiner Rangen. Dort das Körblein birgt die "Jause" Und bald schmausen jung und alt So behaglich, wie zu Hause, Tief im grünen Wienerwald.
Denn um Wien mit Zweig und Blatt Spannt er seinen Bogen, Und es taucht die Riesenstadt Schon in seine Wogen. Wachsen Häuser unter Bäumen, Wie die Pilze aus dem Spalt, Dann ade, Du süßes Träumen, Dann ade, Du Wienerwald!
2.
Kahlenberg! . . . Sein Hütlein ziehn Muß man, Dich zu grüßen, Legt sich doch das stolze Wien Auch zu Deinen Füßen!
Doch ich seh' dich drüberhin Deine Kronen wiegen: "Vindobona, Schmeichlerin, Mich wirst Du nicht kriegen!"
Unten liegt das Häusermeer, Stolze Kuppeln glasten, Und die Türme hoch und hehr, Ragen wie die Masten. Und Sankt Stephans Riesenschiff Taucht aus Abendgluten, Wie die Arche auf dem Riff Stieg einst aus den Fluten.
Und die Donau netzt den Fuß Unsrer grünen Halde, Denn sie bringt den Schwarzwaldgruß Unserm Wienerwalde. Zögernd will das Schwabenkind Seine Arme breiten — Ei, wer möchte auch geschwind H i e r vorübergleiten!
Gold'ne Saat im Marchfeld dort Wogt so gottgesegnet, Hat auch sonst an keinem Ort Soviel Blut geregnet. Garben, stramm in Reih' und Glied, Weh'nde Pappeln mahnen, Wie ein Heer zum Kampfe zieht Mit geschwung'nen Fahnen.
Und das Auge weilt entzückt Auf des Stromes Flimmer, Der dort fünffach überbrückt Wallt im Sonnenschimmer. . . . Andacht schlingt ein leichtes Band Von Erinnerungen Und sie führt in Etzels Land Still die Nibelungen.
3.
Herrlich seh' ich Dich hier thronen, Klosterneuburg, altes Stift! "Unterm Krummstab ist gut wohnen", Steht auf Dir in Strahlenschrift. Denn als lüd'st Du uns zum Bleiben, Freundlich helles Kloster Du, Funkeln Deine tausend Scheiben Jedem Gast Willkommen zu!
Wohl zu andrer Neid und Ärger Zapft man hier das beste Naß, Und berühmt, wie's Heidelberger, Ist des Klosters Riesenfaß. Unsern Wienern Lust bereiten Ist hier Regel und Gesetz: Kellertrunk und Fasselreiten Sind Jahrhundert alte "Hetz".
Und am Leopoldi-Tage Pilgert auch halb Wien herfür — Wer vom echten Wiener Schlage, Steht schon morgens vor der Tür. Und wo Frau Agnesens Schleier Einst gewallt im Sonnengold, Zecht man heut' zu Deiner Feier, Schutzpatron Sankt Leopold!
Ries'le denn, wie gold'ner Regen, Klosterneuburgs edler Wein, Sankti Leopoldi Segen Soll mit jedem Tropfen sein! "Heil dem Abt und seinen Gästen" — Ruf' ich noch im Weiterzieh'n Und ein Glas vom Allerbesten Weih' ich Dir, mein teures Wien!
Wiener Tanz
Die ritterliche "Ridewanz", Das war bei Gott ein steifer Tanz, Kein rechter Freudenbringer! Die Dame schritt mit ihrem Herrn Und reicht' ihm spröde nur von fern Statt ihrer Hand zwei Finger.
Das Volk hat's dort allein gewußt, Daß man in rechter Tanzeslust Muß hüpfen und muß springen. Der Bursch nahm's Mädel keck in Arm, Da wurden auch die Herzen warm Bei Fidelklang und Singen.
Die feine Welt blieb zier und nett Und lernte dann die Menuett' Und andern Tand der Franzen — Quadrille, Gavotte und Polonaise, Es war doch Alles nur Fadaise Und noch kein rechtes Tanzen.
Wie's richtig mit dem Tanz bestellt, Erfuhr die groß' und kleine Welt Doch erst auf unsre Tage, Da kam der Meister Johann Strauß Und schlug dem Faß den Boden aus Mit einem Zauberschlage!
Die Strauß- und Lanner-Kumpanei, Die machte uns die Glieder frei Zu ungeahnten Wonnen — Das ganze Wiener Volksgemüt, Es war im Walzer aufgeblüht Wie's Blümlein an der Sonnen.
Bald tanzten nach der Wiener Weis' Recht um den ganzen Erdenkreis Die Weißen, wie die Mohren — Soviel auch da der Tänze sind, Der Tanz ward erst als Wiener Kind Der ganzen Welt geboren!
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