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Letzte Gedichte
Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almásy

(Aus dem Nachlasse der Verstorbenen herausgegeben
von ihrem Gatten)

Wien 1890
Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn
 

Übersetzungen
 

Gegenseitige Liebe
Sag' mir Jemand, was ist Minne
Frauen und Frühling
Chauvin
Des Teufels Hochzeit

 

Gegenseitige Liebe
Nach Walther von der Vogelweide

Bin ich Dir unlieb, holde Fraue?
Ich weiß es nicht, ich liebe Dich!
Was blickst Du so verträumt in's Blaue,
An mir vorbei und über mich?
Das mußt Du meiden,
Denn Liebesleiden
Hat gar grausam mich erfaßt.
Komm, hilf mit tragen,
Ich muß Dir's klagen:
Ich lud mir auf zu große Last!

Daß mich Dein Auge sieht so selten,
Ist's, weil Du bist auf Deiner Hut?
Ich will darob Dich nimmer schelten,
Wenn Du mit mir es meinest gut!
Will Dir's nicht taugen,
Mir in die Augen
Zu schau'n, so blick' nach meinem Fuß!
Ich werd' es sehen
Und will's verstehen
Als Deiner Liebe stummen Gruß!

Sie Alle, die mir je gefallen,
Da seh' ich erst, wie Du vor Allen
So schön und gut bist, süße Frau!
Und sind sie hold auch
Und reich an Gold auch,
Aus stolzer'm und aus edler'm Blut,
Ob sie die Welt auch
Für besser hält auch
Mag sein! . . . . Du, weiß ich, Du bist gut!

Nun aber, Liebste, Dich besinne:
Ob ich Dir jemals lieb kann sein?
Bedenke: eines Freundes Minne
Taugt nimmermehr für Eins allein!
Sie lebt nicht einsam,
Nein, nur gemeinsam!
Gemeinsam sein soll sie so sehr,
Daß sie umschlinge
Und ganz durchdringe
Zwei Herzen, aber auch nicht mehr!

Sag' mir Jemand, was ist Minne
Nach Walther von der Vogelweide

Sag' mir Jemand, was ist Minne,
Und wodurch tut sie so weh?
Daß sich Einer recht besinne,
Möcht' ich und mir Antwort steh'.

Liebe darf nur Liebe heißen,
Wenn sie wohl dem Herzen tut;
Will sie Dir das Herz zerreißen,
Ist das Wort für sie zu gut!

Eins ist wahr, so lang' die Sonne
Scheint auf dieses Erdenreich —
Lieb' ist zweier Herzen Wonne,
Wenn sie teilen gleich und gleich.

Aber wenn sie eingedrungen
Ungeteilt in Eins allein,
Ist gar manches schon zersprungen —
Hilf mir doch, o Fraue mein!

Sieh', ich muß zu Vieles tragen —
Willst Du helfen, hilf zur Zeit! —
Willst Du nicht, so sollst Du's sagen,
Und ich lasse ab vom Streit.

Nimmer denken will ich Deiner,
Wieder sein ein freier Mann,
Aber weißt Du auch, daß Keiner
So wie ich Dich preisen kann?

Wähnt die Fraue, daß ich gebe
Liebe ihr für Haß und Weh?
Und sie lobe, sie erhebe,
Daß sie mich dafür verschmäh'?

Doch was sprach ich? . . . . . meine Sinne
Sind wohl nur vom Wahn betört?
Kann der, den ergriff die Minne,
Sagen, daß er sieht und hört?

Frauen und Frühling
Nach Walther von der Vogelweide

Wenn die Blumen aus dem Grase dringen,
Lachend in der Morgensonne Schein,
Wenn im Mai die kleinen Vögel singen
Ihre allerbesten Liedelein,
Kommt wohl solche Wonne gleich
Einem halben Himmelreich.
Aber dennoch weiß ich was,
Das die Augen mir erquickte
Mehr, weit mehr als Alles das,
Wenn ich's jetzt erblickte!

Eine Frau ist's, eine schöne, reine,
Wohlgekleidet, wohlgeschürzt das Haar,
Daß wie Sterne vor dem Sonnenscheine
Schwindet aller andern Frauen Schar!
Wenn auch Wunder bringt der Mai,
Sagt mir, was noch schöner sei,
Als ihr minniglicher Leib?
Wahrlich, wenn ihr sie gesehen,
Staunt ihr einzig an das Weib,
Laßt die Blumen stehen!

Kommt nur, wenn Ihr wollt die Wahrheit schauen,
Zu des Maien Hochzeitsfest mit mir!
Seht ihn an, daneben schöne Frauen —
Er verblaßt mit aller Pracht und Zier!
Sagt mir Einer: Wähle du!
Ohne Zaudern greif' ich zu!
O, Herr Mai, Ihr solltet sein
Gleich für mich dem kalten Märze,
Eh' die Herzgeliebte mein
Ich um Euch verscherze!

Chauvin
nach dem Französischen von Gustave Nabaud

Sobald er hinter's Glas geraten,
Erzählt Chauvin von Ruhm und Streit
Und wenn er spricht von seinen Taten,
Dann trinkt er bis in Ewigkeit.
Die Jugend läßt ihn gern gewähren
Und rückt dem Alten an den Leib:
"Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren —
Heut' Abend prügelt Dich Dein Weib!"

Dem Heil folgt Unheil auf dem Fuße —
Der Ruhm hat sich von uns gekehrt!
Chauvin hat in der blauen Blouse
Als Handwerksmann sein Leid verzehrt.
Doch das Soldatenblut in Ehren!
Der Wein weckt die Erinnerung:
"Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren,
Die alten Zeiten werden jung!"

Er hört die alten Kämpfe tosen,
Er fühlt die Jugend sich erneu'n,
Mit zweimal r spricht er "Frranzosen",
Die "Frrreiheit" aber gar mit drei'n!
Zu jedes Krieges Heldenmären
Lügt er ein Treffen oder zwei:
"Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren —
Die Zahl ist jetzt schon einerlei!"

Mit nacktem Fuß und ohne Ranzen,
Ein sechzehnjähr'ger Vagabund,
Mit keckem Mut, als ging's zum Tanzen,
Umwandert er das Erdenrund
Und nach zehnjährigen Miseren
Ward er ernannt zum Korporal:
"Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren,
Wir machen Dich zum General!"

"Ich sah," rief er, "den Erdkreis zagen
Vor der Gewalt der Republik
Und Frankreichs Masten sah ich ragen
Von Korsika bis Mozambique!
Ich sah in ihres Alters Ehren
Die grauen Pyramiden steh'n:
Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren
Und Du wirst Alles doppelt seh'n!

Im Morgenglanz sah ich erstehen
Die Erdenvölker nah und fern,
Ich hab' den deutschen Rhein gesehen
Und Austerlitz und seinen Stern,
Ich sah die Glut den Kreml verzehren
Und dann —" ""Nur fort! was wahr nachher?
"Ein Glas, Chauvin, laß uns noch leeren
Und dann, dann siehst Du gar nichts mehr!""

Doch wie den Kaiser, groß vor Allen,
Bezwingt ihn bald des Schicksals Not,
Chauvin ist untern Tisch gefallen
Und lallt nur noch: "Er ist nicht tot!" —
""Chauvin, kein Glück kann ewig währen,
Wir legen uns zu Dir hin — bleib'!
Ein letztes Glas laß uns noch leeren
Und morgen prügelt Dich Dein Weib!""

Des Teufels Hochzeit
nach dem Französischen von Gustave Nabaud

Einst war's dem Teufel verdrießlich zu Mut:
"Zum Zeitvertreib
Will ich nun sehen, wie Buße tut,
Und nehm' ein Weib!
Und hab' ich mir erst Genüge getan,
Dann fang' ich mein Leben von vorne an!"
Satan, sieh' zu!
Das Weib ist klüger, als Du!

Er griff zum Dolch und hieb sich schlau
Mit raschem Schnitt
Die Borsten ab und Schwanz und Klau',
Die Hörner mit!
Und blies sich selber mit vielem Geschick
Die Funken aus im sprühenden Blick.
Satan, sieh' zu!
Das Weib ist klüger, als Du!

Dann zieht er aus voll Adel führwahr
Uns Anmut und Geist
Und sucht nach Schönheit, nach Tugend sogar,
Doch nach Geld zumeist! —
Und findet ein Mädchen, das zugleich
So jung, als schön, so sittsam, als reich.
Satan, sieh' zu!
Das Weib ist klüger, als Du!

Zum Hochzeitsfest führt er am Arm
Die schöne Braut,
Zur Kirche drängt sich ein gaffender Schwarm,
Als man ihn traut.
O Mädchen, was sagst Du, wenn Du erkannt,
Daß Du dem Teufel gereicht Deine Hand?!
Satan, sieh' zu!
Das Weib ist klüger, als Du!

Die Zeiten wanderten allgemach
Im alten Tanz,
Ihm wuchsen nicht Borsten, nicht Klauen nach
Und nicht der Schwanz;
Sein Auge blieb glanzlos Jahr um Jahr,
Nur eins kam wieder: — das Hörnerpaar!
Satan, sieh' zu!
Das Weib ist klüger, als Du!