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Vermischte Gedichte
 

Knospenzeit
Waldesrauschen
Sicheres Merkmal
Gedichte in Mundart
Trinklied
Auf eine getrocknete Blume
Unbewußt
Es war einmal
Der Hain erwacht
Wanderlied
Winter hat geschnürt sein Bündel
Wenn zur Sommerszeit
Herbstnebel über Wald und Hügeln
Frühling wieder!
Geduld!

Knospenzeit

Hoch oben in der Fensternische
Baut sich ein Schwalbenpaar sein Nest,
Das über meinem Büchertische
Die schlanken Flügel streichen läßt.

Seid mir gegrüßt — wir sind Genossen!
Es hat des Lenzes Schöpferhauch
Der Erde schlafend' Aug' erschlossen,
D'rum webt und wirkt Ihr — und ich auch

Ihr flattert durch die off'nen Scheiben
Mit Halmen aus, mit Halmen ein
Und bringt des Frühlings knospend Treiben
Auf blanken Schwingen mir herein.

Im Traume fliehen uns die Stunden,
Sieh' nur, das Nestchen bildet sich! —
Schon wieder einen Halm gefunden?
Nur zu — gefunden hab' auch ich!

Und hascht Ihr eine Blütenranke,
Die ganz besonders Euch gefällt,
Wohlan, ein lieblicher Gedanke
Hat auch bei mir sich eingestellt!

Und wenn er einst sich festgestaltet,
Wenn einst, Du leichtes Schwalbenpaar,
Den jungen Fittig frei entfaltet
Auch Deiner Kinder munt're Schar,

Dann will ich, wie in diesen Tagen,
Dir sorglos folgen, und, wie Du,
Dem Vogel, den ich heckte, sagen:
Tu' Deine Flügel auf — flieg' zu!

Waldesrauschen

Waldesrauschen weht durch den Wald,
Und der Bäume bewegliche Zungen
Flüstern leise Gedanken
Von Ast zu Ast,
Von Wipfel zu Wipfel
Sich zu.
Und das kräftige Laub,
Nahe der Wurzel, geschützt
Vor Mittagsgluten und Sturmesgewalt,
Haucht in langen, behaglichen Zügen
Sein Mitleid aus
Mit der Geschwister zitternden Scharen,
Die oben am Wipfel schweben
Und in Glut und Kälte
Und in blendende Strahlen tauchen,
Ewig bewegt.
Aber es schütteln sich sachte
Hoch in den Kronen die Blätter
Und senden das Mitleid
Ihnen zurück in die Tiefe:
Laßt uns, laßt uns!
Hier wohnt das Leben!
Wohl saust uns der Sturm um das grüne Gelock,
Durchschneidet mit eisigem Hauch uns
Das zarte Geäder,
Indessen Ihr sorglos ruht,
In sicherer Tiefe geborgen,
Aber Ihr wißt auch nicht
Und werdet es nimmer erfahren,
Wie es tut zu erschauern
Selig, im zitternden Hauche,
Der leise über Euch weg
Dahin schwebt, uns Schwankenden
Ewig nur fühlbar!
Ihr wißt nicht, was es bedeute:
Den ersten, zagenden Strahl
Der Sonne zu saugen
Und, eh' sie versinkt, zu empfangen
Den letzten, ersterbenden Blick!
Ihr kennt nicht die brennende Lust
In Mittagsgluten zu beben
Und mit sehnender Stirne
Von ihren sengenden Lippen
Zu leiden den flammenden Kuß! —
Laßt uns, ob von der Wurzel auch
Jedes Leid uns emporquillt,
Lange bevor es gedrungen
Euch in das stärkere Mark —
Laßt uns hier oben im Äther
Leben, im Leid und im Lichte,
Bis einst der Gewitterwolke
Blitzesschwangerem Schoß
Den leuchtenden Tod wir entlocken
Und in Flammen aussprühen das Leben,
Das wir durchlebten
Tausendfach!

Sicheres Merkmal

Ich blicke hinaus zum Fensterlein
Beim Morgensonnenstrahl,
Da sah durch die Scheibe die Liebe herein
Zum allerersten Mal!

Den lächelnden Blick, so warm und weich,
Ich sah ihn noch nie vorher,
Und doch — wie kam's? — ich wußt' es gleich,
Daß es die Liebe wär!

Doch ließ ich noch eine kleine Frist
Geschlossen das Fensterlein,
Ich wußte, wenn es die Liebe ist,
So schlägt sie die Scheiben ein!

Gedichte in Mundart

I.

Am Sunnwendtag, da holt mi mei Bua,
Da geh mer auf's Bergerl mitsammen,
Da schleppen mer dürre Asteln zua
Und machen a sakrische Flammen.

Und wann's a so brennt, wia d'Sunn so liacht,
So siacht ma's weit 'naus über d'Mäuer —
I woas mer a Feuer, was Koaner nit siacht
Und brennt wiar a Sunnwendfeuer.

Dös Feuer, dös braucht a koan dürren Ast
Und a zum Schüren koan Hagel,
Dös brodelt schön fort, wann da Wind d'rein blast,
Wia d'Höll, beim Regen und Hagel!

Mir soll'n uns nit kriag'n, hat da Vada g'sagt,
Und d'rum soll d'Liab nimma brenna,
U mei! wia mer ma' mi'n Lösch'n si plagt,
De Liab, de brennt nur no schöna!

Und wann er a nia nid sei Weiberl mi hoaßt,
Nia ansteckt is goldene Reifel —
De Liab, de brennt weida, denn — Vada, woaßt —
Is Pech, dös brennt wia da Teifel!

II.

Bin no a kloan Deandl g'west,
Sagt da Vada: Du,
Wann'st ma aus'n Hütta gehst,
Mach' schön 's Türl zu,

Weil mer aus da Trugel könnt'
Einer d'Groschen raub'n,
Und da Ahnl no am End'
Ihr gold'ne Haub'n!

Aber i hab nit d'rauf denkt,
Hat er no so brummt —
Wart' nur, hat er g'sagt, a wen'g,
Bis Dir's Einseg'n kummt!

Na und jetzt is richtig woar,
's is der Diab in' Haus
Und i moan 's is Alles gar,
Bring' ihn nimmer 'naus!

Do de Hütt'n, de i mein',
Is an andre itzt,
's Kammerl is in Herzen d'rein,
Wo da Diab d'rin sitzt!

Und i woan und wart' und bitt',
Und i schimpf' und schrei,
Aber na, der rührt si nit,
Sagt nur: Ah bilei!

Jetzt bin i dös Gfrett bald satt,
Hat er schon mei Liab,
Schenk' i ihm, was er g'stohl'n hat,
Dann is er koan Diab!

Trinklied

Es hat einmal vor alter Zeit
Ein Mönch gesagt im Ordenskleid:
Das ist wie Amen im Gebet:
Der Mahomet,
Der Mahomet,
Das ist ein elender Prophet!

Als dummer Junge fiel's ihm ein,
Daß er verboten hat den Wein,
Doch als er ward ein weiser Mann,
Bald soff er dann,
Bald soff er dann
Sich selber einen Affen an!

D'rum füllt bis oben mir den Krug,
Der Wein macht alt, das Alter klug,
Der Erzprophet, der sitzt im Wein —
Schenkt ein, schenkt ein
Und wieder ein,
So könnt Ihr Alle Propheten sein!

Auf eine getrocknete Blume

Was willst Du mir, Du zarte Blumenleiche,
                                          Du stille, bleiche?
Hier, zwischen dieses Buch's vergilbten Blättern,
                                          Vor Wind und Wettern
Lagst Du geschützt und in Verborgenheit
                                          Wohl lange Zeit?
Wohin willst Du, zu stillen Rückgedenken,
                                          Den Sinn mir lenken?

Im Herzen weckst Du Bilder nicht, die schliefen
                                          In seinen Tiefen,
Vergessen ist der Tag, der fernentrückte,
                                          Da ich Dich pflückte!
War's im Genusse stiller Seligkeit,
                                          War es im Leid,
Daß meine Hand Dich zitternd hier verwahrte,
                                          Du Bleiche, Zarte?

Umsonst! . . . Du machst das Herz nicht höher schlagen —
                                          Was willst Du sagen?
Willst Du mir künden stumm mit Deinen Farben,
                                          Die längst erstarben,
Daß Leid und Freuden unbeständig sind,
                                          Wie Flut und Wind?
Daß uns entschwinden könne, tief im Innern,
                                          Selbst das Erinnern?

Unbewußt

Fragst Du die Kinder, ob sie glücklich wären,
Sie seh'n Dich an mit staunendem Gesicht
Und können sich die Frage nicht erklären —
Sie wissen's nicht.

Beneidest Du den Toten in der Truhe
Um seinen Frieden, fern vom Tageslicht,
O laß das sein — wie friedlich er auch ruhe —
Er weiß es nicht.

Du weißt es nur, vom Schmerz um ihn gepeinigt,
Vom Trennungsschmerz, der Dir das Herz zerbricht,
Und wenn der Tod Dich einst mit ihm vereinigt —
Dann weißt Du's nicht.

Es war einmal

" Es war einmal", so spricht die Märchenfrau
Und aus vergang'ner Zeiten Dämmergrau
          Reicht sie der Kinderschar
          Die gold'nen Schätze dar!

Auch ich erzähl' in trüber Einsamkeit
Mir schöne Mären aus vergang'ner Zeit
          Und sprech' in Sehnsuchtsqual
          Ganz leis: Es war einmal!

Es war einmal und wird nicht wieder sein!
O Lust und Kraft, o Sang und Sonnenschein!
          Ihr winkt von ferne her,
          Ein Märchen und nicht mehr!

Der Hain erwacht, die Knospen schwellen

Der Hain erwacht, die Knospen schwellen,
Entfesselt rauschen alle Quellen,
Die Lerche jauchzt vor Frühlingslust:
Wo ist die Zeit, da mir gleich ihnen
Die Sonne tief in's Herz geschienen
Und Jubel weckte in der Brust?

Jetzt kann sie nur mein Auge blenden;
Den Schatten suchend, muß ich's wenden,
Dem stillen Dunkel zugekehrt,
Wo nichts mich mahnt mit grellem Prangen
An Alles, was dahin gegangen
Und was noch jetzt mein Herz begehrt!

Begehren! Immer neu begehren! —
Ein weises, williges Entbehren,
Das ist fortan Dein einzig Heil.
Still in Dich selber Dich versenken,
Und ohne Groll zurückzudenken,
Das lerne Du, das sei Dein Teil!

Du hast gelebt, Du hast genossen,
Sieh' neidlos jetzt das Blüh'n und Sprossen,
Indes Du selber welken mußt! — — —
O wär's verstünde, wer es könnte!
Wer Jedem seine Lust vergönnte,
Den Stachel in der eig'nen Brust!

Wohl ihm! Sein Anteil ist der Frieden,
Der nie und nimmer mir beschieden,
Eh' mir die Augen schließt der Tod!
Ich seh' um mich dies neue Leben,
An dem mir doch kein Teil gegeben
Und weine mir die Augen rot!

Dann wird die enge Brust mir freier,
Dann zieht sich's leise, wie ein Schleier
Mir über Sinn und Zeit und Raum —
Dann schließen sich der Seele Schwingen
Und wie im Schlafe hör' ich's klingen:
Es ist doch Alles nur ein Traum!

Wanderlied

Sie singen und sagen vom Wandern so viel,
Als wär's ein lustiges Kinderspiel;
Sie hasten und drängen bergauf und bergab,
Als sproßten Gold'ner am Wanderstab.

Ich schlepp' mich am Stecken voll Überdruß,
Mit schwerem Herzen und trägem Fuß
Und blicke zu Boden und sage mir:
Das beste Stück liegt hinter Dir!

Ich streck' mich verdrossen in's dürre Moos
Und hör' des Bergstroms trotzig Getos:
"Was klagst Du? Was ziehst Du die Stirne kraus?
Ein Sprung und ein Fall und Alles ist aus!"

Und über mir lugt aus den Blättern zumal
Ein lachender, lockender Sonnenstrahl
Und drinnen im Buschwerk, da spottet der Specht:
"Geh! das wär' nicht schlecht! Geh' das wär' nicht schlecht!"

Verstohlen flüstern die Blätter im Hag:
"Wer weiß, wer weiß, was noch kommen mag?"
Und im Gras summt das emsige Käfergesind:
"Geduld, Du störriges Menschenkind!"

So greif' ich zum Stecken, so regt sich's im Blut,
Ein zitternder Glaube, ein trotziger Mut:
Nur fort! nur fort, sonder Klag' und Frag'
Und was da kommen soll, das trag'!

Winter hat geschnürt sein Bündel

Winter hat geschnürt sein Bündel,
Macht sich auf den Weg
Und das lockere Gesindel
Schwirrt schon im Geheg';
Kaum noch grünt der Hain,
Aber Amsel, Fink und Zeisig
Lockten aus dem nackten Reisig
Schon ihr Weibelein.

Husch herüber, husch hinüber!
"Kommst Du nicht, komm' ich!"
Da geht's d'runter, da geht's d'rüber:
"Wart'. jetzt hab' ich Dich!"
Tolle Kumpanei,
Kannst Du nicht ein Weilchen warten,
Bis in Wald und Wies' und Garten
Einzug hält der Mai?

Ach, was hast Du mich getrieben
In den Frühlingsschwarm?!
Wär' ich still daheim geblieben,
Wär' ich minder arm!
Geh! bist mir verhaßt,
Frühlingsfreude, Frühlingsfrische,
Denn ich darb' an Deinem Tische,
Ein vergeß'ner Gast!

Wenn zur Sommerszeit . . . .

Wenn zur Sommerszeit über Wald und Haid
Ging ein Wirbelwind,
Hat der Wald gelacht, aus dem Schlaf erwacht,
Wie ein lustig Kind.

In der Jugendzeit war mir Herzeleid
Nur ein Kinderspiel!
Nun erbebt es jäh vor dem kleinsten Weh,
Wie das Blatt am Stiel.

Herbstnebel über Wald und Hügeln

Herbstnebel über Wald und Hügeln,
Trübsal, wohin ich seh' —
Die Seele mit erlahmten Flügeln
Trägt still ihr Weh.

Die Sonne, in dem Qualm verloren,
Hat schon entsagt dem Streit
Und was der Sommertraum geboren,
Ist nichts als Leid!

Der Baum, mit stillen Abschiedsgrüßen,
Verstreut der Blätter Rest
Und wirft erschauernd mir zu Füßen
Ein leeres Nest!

Du alte Erde, das ist Alles,
Was Deine Hand uns gab
Und Du versprichst uns, trüben Schalles,
Nur noch ein Grab!

Und streng hör' ich Dich zu mir sagen:
Ich gehe nun zur Ruh'
Und schlumm're nach des Schaffens Tagen —
Was tatest Du?

Frühling wieder!

Frühling wieder!
Vom Himmel nieder
Zur Erde schwingt
Sich säuselndes Weben
Und aus der Erde zum Himmel dringt
Ein knospendes Leben.
Wie manchen Lenz hab' ich gesehen
Kommen und gehen:
Da ich ein Kind war mit Traumbehagen,
Knospengleich —
Dann, in der Jugend sonnigen Tagen,
Hoffnungsreich!
Und dann, dann zog der Mai
An mir vorbei
Und ist mir verflossen —
Ungenossen!
Ich sah das Keimen und Schwellen,
Ich hörte das Rieseln und Quellen,
Ich fühlte des Werdens wärmenden Hauch,
Der noch den kargen, verlassenen Strauch,
Der auf dem Felsen das ärmliche Moos
Freundlich umspielt an der Schöpfung Ende —
Ich fühlt' ihn und legte die Hände
Dumpf in den Schoß!
Und nun?
O Gott! nun seh' ich mit reuigem Grauen
Des Winters eisige Krusten tauen
Und fühl' mich verdammt zu ruh'n!
Hier steh' ich verzagt an der Bahre
Der eig'nen verlorenen Jahre
Und möcht' in die Kniee sinken
Und beten: Du schaffender Geist,
Der in den Adern der Erde kreist,
An Deiner Quelle laß mich trinken!
Der Du der kahlen, erstarrten Firne
Leise betauest die glänzende Stirne,
Der in der Erde verborgenstem Schacht
Keime belebt und Funken entfacht,
Der in des Meeres Schlünden lebt,
Der in des Äthers Gründen webt,
O blas' auch mir Deinen Atem ein!
Warum soll ich nur vergessen sein?
Warum schon vor dem Tode tot?
Ist nicht mein Blut noch warm und rot?
O komm' und dring' mir in Herz und Mark —
Der Wille ist heiß, o mach' ihn stark!
O komm'! Erhöre mein Angstgebet
Und reich' mir die Rechte, noch eh's zu spät!
Drück' in die Hand mir Griffel und Spaten —
Mir gilt es gleich, nur gib mit Taten — Taten!
Ich frage nicht nach Ruhm,
Ich geize nicht nach Ehren,
Nur in Dein Heiligtum
Geräuschlos einzukehren,
Schaffendes Leben, verlang' ich!
Mit stillem Frohsinn genießen,
Wo immer mir Knospen sprießen,
Danach nur bang' ich!
Zu stillem Segen rühren die Hände
Und lieben und leben bis an's Ende,
Daran nur hang' ich!
Die Brust befrei' mir,
Wie den Strom vom Eise
Und Leben verleih' mir,
Wie dem jungen Reise,
Und aus des Frühlings Weben und Wallen
Und aus der Erde quellenden Poren
Laß es mir fließen, laß es mir schallen:
Noch nicht verloren!

Geduld!

Als ich Dich sah zum ersten Mal,
Du felsumgrenztes stilles Tal,
Wie ward mir da die Brust so weit,
Wie schlug in Hoffnungsfreudigkeit
Dir dieses arme Herz entgegen!
Auf Deinen Gipfeln Gottes Segen,
Sein Trost in jeder Traube Saft,
In jedem Lufthauch Heil und Kraft,
In jedem Sonnenstrahl das Leben —
So schienst Du mir! So fühl' ich hold
Mit tausend Fäden mich umweben
Der Hoffnung gleißnerisches Gold! —
Seither, wie oft auf Deinen Höh'n
Sah ich die Wintersonne glänzen,
Den Schnee verweh'n im warmen Föhn,
Das Rebgeländ' sich neu bekränzen
Und jeder Lenz, der Dich geschmückt,
Hat mir ein Hoffnungsreis geknickt.
Ein Jahr — noch eins und wieder eines —
So zieh'n sie hin und keines, keines
Bringt mir die alte Kraft zurück!
So starr' ich oft mit nassem Blick
In martervollen Sehnsuchtsschauern
Nach dieser Felsen Kerkermauern
Und denk' in meinem Wahn: Da drüben,
Da ist Dein altes Ich geblieben!
Dort rauscht das Leben seinen Gang
In Schaffenslust und Tatendrang,
Raff' Dich nur auf mit Wandermut
Und dann ist Alles wieder gut!
In dieser Stille ist kein Heil,
Hast Du am Leben denn kein Teil?
In seinen Festen, seinen Fehden,
Hast Du kein Wörtlein mitzureden?
Und darf nicht, wo sie Lieder singen,
Auch Deine Stimme mit erklingen?
Horcht auf! Mein Lied sei keine Klage,
Nur lang entbehrte Lebenslust!
Ich war so lange stumm und trage
Gefang'ne Lerchen in der Brust!
Laßt sie zum Himmel schmetternd steigen,
Anstimmen einen Jubelreigen,
Wie nach dem Winter, lang und kalt,
Im Lenzhauch er durchjauchzt den Wald!
O schöner Traum, o töricht Wähnen,
Wohin ich geh' und wo ich sei,
Nichts ist geblieben, als das Sehnen
Und alles And're ist vorbei!
Vorbei! Aus dunklem Nebelschleier
Taucht der Erinn'rungsbilder Schar —
Hinweg! Vergessen will ich Euer,
Vergessen, was ich selber war!
Vergessen, daß des Lebens Fluten
Aus vollem Becher mir geschäumt,
Vergessen, was in Wunschesgluten
Der Ehrgeiz noch vorausgeträumt!
Nur Eins, in Tagen und in Nächten,
Sei's noch, wonach die Seele wirbt:
Jedweden Lebenstrieb zu knechten,
Bis auch der letzte Wunsch erstirbt.
Erstarren soll das Glutverlangen
Und jedes Heil will ich empfangen
Als eine nie gehoffte Huld.
Geduld — Du stille, nie gekannte,
Sei Du nun meine Trösterin,
Du, die ich frevelnd sonst verbannte —
Mein Nacken beugt sich — nimm mich hin!