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Neue Gedichte
Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almásy

Wien 1869
Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn

Gedichte 1
 

Der See, der ungemess'nen gleich
Wie Wolken hinsausend
Wie bist du ruhevoll, Natur!
An die Sterne
Sehnsucht
Holdes Glück!
Die Welle
Lebensmut
Mondlicht
Sich dem Glück dahinzugeben
Die Liebe fehlt
Erinnerung
Wanderlied
Wenn es mich drängt, . .
Nichts kann den Gang des . .

 
Wie dunkel und wie bunt
Dir vorgezeichnet ist die . .
Die ihr euch oft in heit'ren . .
Schließ dich auf, bewegtes . .
Wahn und Wahrheit
Ein Gleiches
Wo bist du Waldeseinsamkeit?

 

Der See, der ungemess'nen gleich

Der See, der ungemess'nen gleich,
Unendlich breitet sich das Leben:
Hinaus mein Schiff in's Flutenreich,
Ich will nicht vor den Wogen beben.
Noch zögerst du und säumest, Flut.
Mich von dem Ufer wegzutragen;
Glaubst du, es mangelt mir an Mut
Mich in die hohe See zu wagen?

Mich lockt die wilde Größe dein,
Was soll dies lange Zaudern frommen?
Wie? oder soll's ein Wink mir sein
Daß meine Zeit noch nicht gekommen?
Hält mich ein mildes Geschick zurück,
Weil sich die Wogen drohend türmen?
Ist es vielleicht mein gutes Glück,
Das mich bewahren will vor Stürmen?

Wie dem auch sei, ich dränge nicht,
Und will nicht beben vor Gefahren,
Ich lenk' getrost zum Sternenlicht
Den Blick hinauf, zum ewig klaren,
Und blicke fest in's Wellengrab,
Das tief sich senkt und ungeheuer:
Das Ruder führ ich auf und ab,
Ein Größ'rer aber lenkt das Steuer.

Wie Wolken hinsausend

Wie Wolken hinsausend
So rauscht das Jahrtausend
Mit Eile des Sturmes dahin!
Hier bauend, errichtend,
Dort grausam vernichtend,
Mit wilder Gewalt im Entflieh'n.

Hier Knospen gestaltend,
Dort Eichen zerspaltend,
Mit unwiderstehlicher Macht; —
Gedanken erweckend,
Gedanken bedenkend
Geschwind mit dem Schleier der Nacht.

Doch wie's auch gewaltet,
Verändernd gestaltet,
An Sieg, an errungenem reich:
Das Herz ist geblieben,
Sein Leiden, sein Lieben,
Das bleibt sich in Ewigkeit gleich.

Drum waltet ihr Jahre!
Das Tiefe, das Wahre,
Es darf eurer Macht sich entzieh'n;
Was wahrhaft empfunden,
Es kann durch der Stunden
Der Jahre Gewalt nicht entflieh'n.

Das Tiefe, das Klare,
Das wird durch die Jahre
Im Innern gestärkt und verklärt;
Und was sie verwehen,
Das war zu bestehen,
Zu dauern, zu reifen nicht wert.

Was frommt dir das Neue?
Das Glück ist die Treue,
Drum suche was ewig besteht,
Daß tief in der Seele
Sich stärke, sich stähle,
Was nimmer verbleicht und vergeht.

Und was du mit Schmerzen
Im blutenden Herzen
Beweinest zu Tode betrübt,
Es lebt und es dauert,
So lang' es betrauert
Im Herzen noch wird und geliebt.

Wie bist du ruhevoll, Natur!

Wie bist du ruhevoll, Natur!
Kaum regt sich's in den Zweigen!
Doch du bist stumm zum Scheine nur,
Beredt in deinem Schweigen.

Wem, dich zu hören Gott beschied,
Dem schweigest du nicht länger,
Denn deine Stimme ist das Lied
Und dein Prophet der Sänger.

Es neigt die Rose vollbelaubt
Zum feuchten Rasen nieder
Im Abendhauch ihr duftend Haupt,
Und was sie haucht, sind Lieder.

Am Baume schwingt ein leiser Wind
Die Zweige auf und nieder,
Im Laube rauscht's und flüstert's lind,
Und was da rauscht sind Lieder.

Im Frieden wird dein Lied uns kund,
Es braust in deinen Stürmen,
Wenn mit der Windesbraut im Bund
Sich wilde Wogen türmen.

Der Strom, der laut und schäumend saust,
Der Gießbach, der hernieder
Mit jähem Sturz vom Felsen braust,
Er saust und brauset Lieder.

Es steigen Wolken, Donner grollt,
Das Echo hallt ihn wieder,
Daß es von Kluft zu Klüften rollt:
Und was da hallt sind Lieder.

Ja, wunderkündend klingt ein Lied
In jedem Lebenstriebe,
Die ganze Schöpfung singt ein Lied
Von Allgewalt und Liebe.

An die Sterne

Sterne, die ihr uns glüht
Und tausendgestaltig
Durch den Weltraum sprüht
Gering und gewaltig!

Gibt's eine Welt wohl, sagt,
Wo selig Träume
Nimmer der Morgen verjagt,
Wie trügliche Schäume?

Wo nicht in ewiger Pein
Das Leben verblutet,
Und ein beruhigtes Sein
Beglückender flutet?

Nimmer der Geist verdirbt
In niedriger Schranke,
Ach, und gehemmt nicht erstirbt
Der stille Gedanke?

Bebend das Herz nicht bricht
In rauhem Erfassen,
Gluten der Seele nicht
Verkümmern, verblassen?

Oder ist hier wie dort,
Dies schöne Gefilde,
Dieser beglückende Ort
Ein Schattengebilde?

Seele! sei deiner bewußt
Und such' ohne Wanken
Ihn in der eigenen Brust,
Im Reich der Gedanken.

Baue dir selbst eine Welt,
Sie wird sich verklären,
Milde von Strahlen erhellt
Unnahbarer Sphären.

Folgt im verwandten Sinn
Zu sel'gem Vereinen
Dir noch ein Herz dahin,
Das fühlt mit dem deinen,

Blicke zum Himmelszelt
Von Jubel durchdrungen,
Die du ersehntest, die Welt,
Du hast sie errungen.

Sehnsucht

Wie mächtig, Sehnsucht, du die Schwingen hebst,
Als könntest du jedweder Fessel achtlos
Dem schönen Ziel dich nah'n, was du erstrebst:
Und doch, wie bist du schwach, wie bist du machtlos.

In raschem Flug durcheilst du Raum und Zeit,
Wohl tausend Meilen fliegend überspringst du,
Und trägst auch nicht die kleinste Strecke weit,
Den Fuß, nicht einen Augenblick bezwingst du.

Je mächtiger du deine Flügel regst,
Je tiefer läßt du mich die Ohnmacht fühlen,
Wie du die Seele in die Ferne trägst,
Mehrst du des Wunsches Glut, statt sie zu kühlen.

Je täuschender du mir Erfüllung lügst,
Je mehr, je fester fühl ich mich gebunden,
Je lieblicher du mir den Sinn betrügst,
Je tiefer ist der tiefe Schmerz empfunden.

So lang' die Hand das teure Ziel nicht faßt,
Was frommt dem Herzen seiner Pracht Enthüllung?
Senk deine Schwingen, Sehnsucht; ihre Hast
Zerreist die Brust und bringt ihr nicht Erfüllung.

Wie Erdennebel nach dem Sternenzelt
Aufschwebend steigt, dem hohen, dunkelblauen,
Doch aus geringer Höh' zerflossen fällt,
Die Flur, der er entstiegen, zu betauen.

So sinkst du, Sehnsucht, — schwangst du dich empor, —
Herab in deiner Ohnmacht bitt'ren Schmerzen.
Die Flugkraft schwindet und du brichst hervor,
Ein Tränenstrom aus dem zerriß'nen Herzen.

Holdes Glück!

Holdes Glück!
Wechselnd gestaltest du dich:
Lieblich stets und erquickend,
Aber am lieblichsten doch,
Wenn wie des Morgenwindes
Schmeichelnder Hauch
Spielend umfächelt
Die wiegende Rose, —
Spielend dein Hauch
Die winterstandlose,
Beseligte Seele umfächelt!
Wenn du dich senkst in die Seele,
Wie der Tau sich senkt
In die schwellende Rose;
Durch sanfte Notwendigkeit
Unaufhaltsam
Bezwungen,
Aber dem Himmel nicht
Gewaltsam
Abgerungen!
Wenn du die Seele erfrischest,
Wie der Tau die Rose,
Daß sie sich schöner gestaltet,
Und im Innern erquickt
Vor dem weckenden Strahle des Morgens
Still sich entfaltet.

Die Welle

Lieblich rauschest du mir,
Sanft hingleitende Welle!
Selbst unscheinbar und schmucklos,
Strahlst du lieblich verklärend
Schönheit und Anmut wieder;
Schönheit und Anmut des Schönsten,
Das reich segnend gespendet,
Ewiger Allmacht und Liebe,
Prachtverschwendende Hand.
Lächelnd vertraut dir die Blume
Ihrer flüchtigen Schönheit
Liebes, reizendes Bild,
Flüsternd und schaukelnd sich spiegelnd,
Elfenhaft leise sich schwingend,
Über dich, zitternde Welle,
Neigt sich das schwankende Schilfrohr,
Über dich neigen sich wiegend
Baum und Blütengesträuch;
Mond uns Sterne ergießen
Lächelnd in deine Tiefe
Ihren himmlischen Reiz,
Selber die Sonne wirft
Ihre Strahlen dir zu,
Selbstgefällig in deiner
Tiefe ihr Antlitz betrachtend.
Alle Pracht der Natur
Nimmst du auf in den reinen
Mild verklärenden Spiegel! —
Seele! gleiche der Welle!
Lebendes Herz, erfasse,
Fühle die ewige Schönheit,
Wellengleich sauge sie ein!
Aber wellengleich laß' nicht,
Was du gewonnen, dir rauben.
Durch den nächsten, zerstörenden,
Wolkenbringenden Sturm! —
Strahlentrunken verschließe,
Tief im Innern behalte
Ewig belebender Schönheit
Lenzbewahrende Fülle.

Lebensmut

Schlage freudig, poche heiter,
Lebenskräftig, warmes Herz!
Strebe mutig, hoffe weiter,
Kehr dich jubelnd freudenwärts.

Auf! vergiß der Qual und härme
Nimmer dich in Schmerz und Pein;
Lebensfülle, Lebenswärme
Ströme aus, und atme ein.

Überwölkt sich's trüb und schaurig,
Wird es düster um dich her,
Werde du nicht kalt und traurig,
Klage du nicht bang und schwer.

Soll es dir dunkel werden
Weil es draußen dunkel ist?
Achte Gram nicht und Beschwerden,
Zeige, daß du stärker bist!

Mag dich dunkel rings umgeben,
Seiner Macht erschließ dich nicht:
Nimmer trübe dich das Leben,
Mache du das Leben licht!

Mondlicht

Sanfter, klarer, friedlich-stiller,
Silberbleicher Mondenstrahl!
Laß mich ruh'n in deinem Scheine,
Nach des Tages Müh' und Qual.

Bleich, wie durch die Nächte leuchtet
Eines Geistes Lichtgewand,
Liegt dein Schleier ausgebreitet,
Schimmernd über Fluß und Land.

Sind das jene kahlen, grauen
Felsen, die der Tag gezeigt?
Wie sie leuchten, wie sie glänzen,
Seit auf sie dein Licht sich neigt!

Ist das jenes Baches Murmeln,
Der am Tage mir gerauscht?
Ist mir's doch als habe niemals
Solchem Klang mein Ohr gelauscht.

Sind das jene Büsch' und Wälder,
Die versengt der Sonne Licht?
Nein, sie schwangen sich so reizend,
Flüsterten so lieblich nicht.

Holdes Licht! das still verwandelnd
Leuchtet über Tal und Höh'n,
Das verklärend strahlt und schimmert,
Trüglich — aber reizend schön, —

Könntest du als Leuchte dienen,
Meinem Weg durch's Erdental,
Denn der Tag ist unbarmherzig,
Schonungslos der Sonnenstrahl.

Sich dem Glück dahinzugeben

Sich dem Glück dahinzugeben,
Sonder Furcht und sonder Beben,
Sorglos seiner Freude leben:
Wer wagt es?
Zitternd, mit gedämpftem Schlage,
Zählt das Herz die Freudentage,
"Folgt dem Glück nicht bald die Klage?"
So fragt es.

Ganz in Kummer sich verzehren,
In der Brust allein die schweren
Klagen, und kein Hoffen nähren:
Wer trägt es?
Hoffnungsfunken still sich regen,
Sieht das Herz auf dunklen Wegen
Freudig ihrem Licht entgegen
Dann schlägt es.

Von des Kummers Nacht umrungen,
Sieht es Freudendämmerungen,
Fühlt zu sanfterm Lauf bezwungen
Die Schmerzen;
Darum stille deine Klagen,
Wenn an schönen Wonnetagen
Sorg' und Bangigkeit dir nagen
Am Herzen:

Wir erfahren nicht hienieden
Vollen Schmerz, noch vollen Frieden,
Ganzes ist uns nicht beschieden
Auf Erden!
Der mit Furcht der Luft Geflimmer
Trübt, und dämpft der Freude Schimmer,
Der läßt auch ganz elend immer
Uns werden!

Die Liebe fehlt

Da seid ihr alle, meines Herzens Lieder,
Von meines Herzens regem Schlag beseelt!
Legt' ich in euch nicht meine Seele nieder?
Und wär' es wahr, daß euch die Liebe fehlt?

"Die Liebe fehlt!" So hat das Wort geklungen!
Und doch mein Herz fühlt sich nicht liebeleer,
Von ihrer Wärme fühl' ich mich durchdrungen,
Sie grünt und blüht und leuchtet um mich her.

Ich liebe sehnend Sterne, Mond und Sonne,
Und liebe fröhlich Vogel, Blüt' und Baum,
Und fühl' des Frühlings heit're Liebeswonne
Und fühl' des Herbstes sanften Liebestraum.

Und lieb' in froher Treue hingegeben,
Mit meinem Herzen manches liebe Herz,
Und lieb' mit ihm das ganze reiche Leben
Mit seiner Lust und selbst mit seinem Schmerz.

Die ganze Schöpfung liebend zu umfangen
Treibt mich der Seele liebevoller Drang,
Ich blicke liebend nach des Himmels Prangen,
Und Liebe fehlte, Liebe fehlte meinem Sang?

So wär's denn wahr, daß nur die Glut der Leiden
Dem Lied die inn're Lebenswärme schenkt?
Bedarf's der Lieb', die in den Kelch der Freuden
Stets einen bittern Tropfen Wermut senkt?

Bedarf's der Liebe, die den Duft der Blüte
Mit einem Hauche süßen Giftes mengt?
Die Zweifel nährt im liebenden Gemüte,
Statt zu genießen immer treibt und drängt?

Die in der eig'nen Glut sich will verzehren
Und unentwirrbar Freud' und Schmerz vermählt?
Die, statt ihr Glück mitteilend zu vermehren,
Mit steter Furcht und Eifersucht sich quält?

Es sei! — Wer wird sie zu beschwören wagen,
Die Geister, die der Zukunft Flor verhüllt?
Vielleicht wird, Lieder, euer Glanz erst tagen,
Wenn mir die Seele Gram und Elend füllt!

Doch wenn ihr dann die Schmerzen werdet schildern,
Wenn einst mein Herzblut sich in euch ergießt,
Mög' euer Klang jedweden Mißton mildern,
Der in der Seele Harmonien fließt!

Wie jetzt die Lust leg' ich in euch dann nieder
Den Schmerz, der mir im Herzen glüht und glimmt,
Bis er euch Wärme leiht, geliebte Lieder,
Und euer Klang ihm jedes Herbe nimmt.

Erinnerung

Vorüber stets, durch keine Macht gebunden,
In raschem Flug vorüber, eilt die Zeit!
Sie winkt von ferne, — naht — und ist verschwunden,
Und ruht im Schoße der Vergangenheit.
Sie gibt und nimmt, und läßt auf ihrem Zuge
Von dem was uns verhaßt und was uns lieb,
Nur was Erinn'rung, trotzend ihrem Fluge.
In unser Herz mit festen Zügen schrieb.
Ob's nun wie Felsen starrt, — ob's duftet linde,
Ein Blümlein, das verschont des Wand'rers Tritt,
Ob es in uns'res Herzens zarte Rinde
Der Schmerz mit scharfgeschliff'ner Klinge schnitt;
Ob es der Abglanz einer Lichtgestalt,
Die engelgleich an uns vorbeigewallt
Ob als Gedanke unser Geist es hegt,
In dem der Keim sich, spät'rer Taten regt.
Nach müdem Fluge ruht der Seele Schwung,
Im stillen Reiche der Erinnerung
Und taucht hinab in ihre kühlen Fluten,
Wenn von der Gegenwart die Wunden bluten,
Und kühlt des Herzens ungestilltes Sehnen,
Im sanften Laufe stillgeweinter Tränen.
Was sie berührt, verklärt Erinnerung,
Mit leisem Schimmer, milder Heiligung,
Sie bietet Ruh' der wilden Leidenschaft,
Dem Herzen Milde, — und dem Geiste Kraft.

Wanderlied

Greift Einer nach dem Wanderstab,
So sei's mit frohem Mut!
Er ziehe froh, Tal auf, Tal ab,
An Wald und Stromesflut!

So zieh ich hin und seh' vor mir
Die Welt im Morgenglanz.
Und ihrer bunten Blumen Zier,
Die wind' ich mir zum Kranz.

Der ist der Weise, — der allein, —
Der sich des Lebens freut,
Dem sich mit jedem Sonnenschein
Der frohe Mut erneut;

Der sich erschließt der Freudenglut,
Der stillen Lust, dem Scherz,
Und in des Lebens Armen ruht,
So, wie an Freundes-Herz.

Ihr Klugen! ruft mir immer zu,
"Betrüglich sei die Welt!"
Ich wandre fort in froher Ruh,
Und lieb', was mir gefällt!

Und freudig will ich weitergehn,
Fort über Wald und Au,
Das Wort, das ich mir ausersehn,
Ist: "Glaube und vertrau!"

Wenn es mich drängt, die Leier zu ergreifen

Wenn es mich drängt, die Leier zu ergreifen
Und alle Sängerlust die Brust verspürt,
Wenn meine Finger froh die Saiten streifen,
Bleibt eine Saite stumm und unberührt.

Sie zu ergreifen hab' ich nie vermieden —
Des Dichters Leier, Äolsharfen gleich,
Singt das allein, was ihr ein Gott beschieden,
Ein Hauch nur weckt sie aus dem Ätherreich.

Und jene Saite, wird sie je erzittern,
Die Saite, die den Klang der Liebe trägt?
Sie, deren wunderwirkendes Erschüttern
Noch niemals mir das stille Herz bewegt?

Gedenken kann ich nicht an ihr Erklingen,
Daß nicht ein leiser Schauer mich durchbebt,
Hell jubeln kann sie wohl, doch auch zerspringen,
Wenn einst der Hauch des Himmels sie belebt.

Nichts kann den Gang des großen Ganzen hemmen

Nichts kann den Gang des großen Ganzen hemmen,
Das Einzelne verschwindet in dem All;
Willst du die schwache Kraft entgegenstemmen,
Dem Strome, der dich trägt in seinem Schwall?

Vergebens stets wirst du ihm widerstreben,
Doch treibst du mit, wenn du dich ihm ergibst;
Selbst sterbend zahlst du deinen Zoll dem Leben,
Gleichwie du lebend seine Pulse triebst.

Notwendigkeit, sie, deren Bild mit Schrecken,
Mit bangem Grau'n die Brust der Menschen füllt,
Mir will sie sich in and'rem Licht entdecken,
In sanfterm Licht hat sie sich mir enthüllt:

Wohl kann ich nicht, was kommen soll, verhindern,
Mit Tränen nicht und nicht mit meinem Groll;
Doch muß, zu denken, meinen Schmerz nicht lindern,
Daß ich umsonst nicht tragen, leiden soll?

Es dient zum großen Werke seiner Hände,
Dem mächtigen Erhalter dieser Welt
Mein tiefer Schmerz so gut zu seinem Ende,
Als jeder Stern an seinem Himmelszelt.

Wie dunkel und wie bunt ist unser Sein!

Wie dunkel und wie bunt ist unser Sein!
Verworr'ner Schimmer nur und keine Klarheit,
Rings Glanzesfülle, greller Flitterschein,
Und ach! dazwischen kaum ein Fünkchen Wahrheit!
Und doch dies eine Fünkchen zu erstreben
Lohnt königlich ein ganzes Menschenleben.

Dir vorgezeichnet ist die feste Bahn

Dir vorgezeichnet ist die feste Bahn,
Die unabänderliche, durch das Leben,
Und doch ist unser Sein ein ew'ges Streben,
Den Weg zu finden zwischen Trug und Wahn.

Ein ew'ges Schwanken an des Abgrund's Rand,
Ein ew'ges Irren in des Dickicht's Dunkel,
Ein ew'ges Suchen nach des Stern's Gefunkel,
Der leitend weist nach uns'rer Sehnsucht Land.

Verstand und Herz begegnen sich im Streit,
Sich gegenüber stehen Pflicht und Neigung,
Und in der Bahnen endlosen Verzweigung
Verliert sich bald des Blickes Sicherheit.

O schwerer Kampf, wo Nacht und Dunkel weilt!
O schwere, schwere Kämpfe dieses Lebens,
Ich kämpf' euch ehrlich, darum nicht vergebens:
Doch wehe, wehe! wenn das Herz sich teilt!

Wenn Liebe gegen Liebe kämpft und ficht,
Da hilft kein menschlich Ringen und Bestreben,
Da muß die Liebe rettend niederschweben,
Die droben wohnt im ew'gen Himmelslicht.

Die ihr euch oft in heit'ren Mußestunden

Die ihr euch oft in heit'ren Mußestunden
An Dichterwerken zu ergötzen liebt,
Ihr ahnt wohl nicht, wie tief der Klang empfunden,
Der euch ein Spiel nur, das Erheit'rung gibt.

Ihr ahnt es nicht, was im den Heiligtume
Des Lied's der Sänger liebevoll verschloß;
Ihr seht vor euch die frische Frühlingsblume,
Was kümmert's euch, ob sie auf Gräbern sproß?

Weil sie melodisch sind, des Dichters Klagen,
Vergeßt den Schmerz ihr, der sein Herz durchwühlt,
Und meint, was diese leichten Töne tragen,
Sei nur erdichtet und nicht tief gefühlt.

Ihr könnt den duft'gen Siegeskranz nur sehen,
Die Kämpfe aber bleiben ungeahnt;
Ihr seht den Dichter nur am Ziele stehen
Und kennt die Kraft nicht, die den Weg gebahnt.

Doch sag' ich euch, ein jeder dieser Klänge,
Ein jeder ist ein Tropfen Lebensblut,
Und reich ergossen fließt durch die Gesänge
Der Freuden — und der Schmerzenszähren Flut.

Der Dichter lebt ein schönes, ernstes Leben:
Er lebt und singt, — ist Beides nicht gleichviel?
Er klagt und jauchzt — der Leier Saiten beben, —
Er ist der Harfner und das Saitenspiel.

Schließ dich auf, bewegtes Leben

Schließ dich auf, bewegtes Leben,
Zeig' dich meinem Sehnsuchtsblick!
Taten leihe meinem Streben
Und ein reicheres Geschick!

Müde bin ich dieses Träumen,
Dieses Bau'n im Wolkendunst;
Lebenswellen hör' ich schäumen
Nur im Traumbereich der Kunst.

Nur ein Ahnen und Erraten,
Wie in Dämmerung gehüllt!
Kein Erleben, keine Taten,
Nur ein Sehnen unerfüllt.

Nur ein Inneres "Sich fühlen,"
Eine glüh'nde Tatenlust,
Und die Schmerzen, die da wühlen
In der sehnsuchtsvollen Brust.

Nur ein still ermüdend Ringen,
Und kein Kampf, der Ruhm verleiht,
Nur ein Spielen mit den Dingen,
Und der Ernst nicht, der sie weiht.

Schließ' dich auf, bewegtes Leben,
Zeig' dich meinem Sehnsuchtsblick!
Taten leihe meinem Streben,
Und ein reicheres Geschick!

Wahn und Wahrheit

Was Wahn und Wahrheit, Traum und Wirklichkeit,
Wie willst du's unterscheiden?
Weil es ein Wahn, der dir den Schmerz verleiht,
Sind Wahn drum deine Leiden?

O welch ein matter, schwacher Strahl genügt
Zu täuschen, zu betrügen
Das arme Herz, das nur sich selbst betrügt
Mit seinen heil'gen Lügen!

Und wär's ein Wahn, der es zerreißt und quält,
So bluten doch die Wunden; —
Weil deinem Leid der feste Boden fehlt,
Ist's minder tief empfunden?

Der sanfte Traum, der tausend Blüten schafft,
Wie Zephir-Hauch im Lenze,
Er gibt dem Leben seine Lebenskraft
Und seine Freudenkränze!

Der kaltberechnende Verstand, er weiß
Zu leben, nicht zu lieben;
Vor ihm erstarrt die Blum', und dürres Reis
Ist dir allein geblieben.

Weil's ein geliebter Traum, der mich entzückt,
Ist meine Freude kleiner? —
Nicht der Verstand, das Herz allein beglückt,
Das Herz ist wahrer, reiner.

Nur das Gefühl, das aus dem Herzen dringt,
Ist wahr und ist ursprünglich,
Und Wahrheit ist allein was uns bezwingt,
Gewaltig, unbezwinglich.

Und unbezwinglich ist des Herzens Art;
Von Fremden unbemeistert
Liegt ganz und gar das Herz geoffenbart,
Im Wahn, der es begeistert.

Ein Gleiches

Der Mutter Erde gleich
Sind wir, ihre Kinder!
Sie pranget in Blüten reich,
Umweht sie ein linder,
Erwärmender Frühlingshauch,
Leis' fächelnd durch Busch und Strauch.
Doch welkend an Busch und Strauch,
Erstarren die Blüten
In rauhem Eiseshauch
Und Sturmeswüten.
Und Sturm und Eiseshauch
Ergriff meine Seele auch,
Und die d'rin keimten, die Blüten,
Die sind erstorben,
Die sind im Sturmeswüten
Erstarrt und verdorben;
Du rauher Schicksalshauch
O wehe gelinder!
Denn wie die Erde auch,
Sind wir, ihre Kinder.

Wo bist du Waldeseinsamkeit?

Wo bist du Waldeseinsamkeit,
Die meine Seele mild umfing,
An der in stiller Heiterkeit
Mein Herz mit aller Liebe hing?
Wo kamst du, heil'ge Ruhe hin,
Die mir die Seele ganz erfüllt,
Die sanft gelenkt den wirren Sinn
Und jede wilde Glut gestillt?
Da gab's kein Ringen, keinen Streit,
Und Alles, was um mich erklang
Ward meinem Liede angereiht,
Ein Ton zum eigenen Gesang.
Ich schwebte mit der Vögel Zug
Durch ferne Wolkenräume hin,
Es hemmte nichts der Seele Flug,
Und jeder Herzschlag war Gewinn.
Und nun, wie irren die Gedanken,
Der Seele Flügel, wie sie schwanken,
Den matten Flug 'gen Himmel lenken
Und, bald erlahmt, sich wieder senken!
Wo kamst du, heil'ge Ruhe hin,
Willst nie mehr du dies Herz durchzieh'n? —
— O töricht Herz, dir schwand mein Glück,
Die stille Lust kehrt nicht zurück.
Die schöne Zeit ist hingeschwunden,
Mit ihr, was du in ihr empfunden;
Der Tag entschwand, die Lust verklang,
Es winken tausend Nachtgestalten, —
Suchst du den Lichtstrahl festzuhalten,
O Tor! nach Sonnenuntergang?