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Ungarische Volkslieder
 

Gedichte 2
 

Ich sah vor mir des Lebens Meer
Wozu dies Drängen?
Im Frühling war's
Du stiller Geist
An die Poesie
Wiederkehr
Waldesdunkel
Was uns am tiefsten trifft
Es fliegt ein Vogel über den See
An Grillparzer
Verständnis
Sechs vierzeilige Strophen
Lobelia fulgens
Siehst du dort hell die Sonne . .
Wartend
Einst und Jetzt
Glück
Geweihter Tag
Dann ist's schon wahre Liebe nicht
Stamm und Ranke
Drei Gedichte nach Edgar Poe

Ich sah vor mir des Lebens Meer sich breiten

Ich sah vor mir des Lebens Meer sich breiten
Mit ungeduldig sehnsuchtsvollem Blick,
Voll wilden Dranges maß ich seine Weiten,
Verachtend mein ereignislos Geschick.

In's Meer hinaus hat mich der Sturm getrieben,
Und nach dem Ufer sehn' ich mich zurück,
Wo Frieden ach! und Freude mir geblieben,
Ein schönes, doch ein unbewußtes Glück.

Soll denn die Seele niemals Ruhe finden?
Wo ist das Glück, wo ist Befriedigung?
Wo ruht des Herzens glühendes Empfinden?
Und wo des Geistes ruheloser Schwung?

Wo weilt das Herz, und sagt: "Es ist gefunden,
Was ich gesucht, warum ich mich gequält."
Wann kommt die Zeit, wo nicht das Herz die Stunden
Mit ungestillter Sehsucht ewig zählt,

Noch in das Paradies verlor'ner Wonnen
Mit bangem Vorwurf still zurückgewandt,
Sich sagen muß: "das Glück, es ist zerronnen,
Dein war es, dein! du hast es nicht erkannt."

So wär's denn wahr, das Leben will getragen,
Und nicht genossen sein, wie ich's geträumt?
"Groß ist das Streben, größer das Entsagen."
Das ist das Lied, das in den Wogen schäumt.

Wozu dies Drängen, Trachten, dieses Treiben?

Wozu dies Drängen, Trachten, dieses Treiben?
Was kann dir von dem bunten Leben bleiben,
Wenn einst am Schluß erlahmt der Seele Schwung?
Als nur die Narben von den blut'gen Wunden,
Die es dir schlug, und von den schönen Stunden
Ein Schimmer schmerzlicher Erinnerung?

Im Frühling war's

Im Frühling war's, es sproßten Keim und Blüte,
Da brach dein Aug', da brach mit ihm mein Herz,
Da ward die Welt dem trauernden Gemüte,
Die ganze Welt, ein einz'ger großer Schmerz.

Und doch! — die Sonne war heraufgestiegen,
Mir blieb es Nacht, und stille stand die Zeit, —
Das Herz blieb starr und die Gedanken schwiegen,
Was ich empfand, — es war nicht Schmerz, nicht Leid,

Es war Verzweiflung nicht — es war nicht Trauer,
Es war nicht Furcht und es war Liebe nicht,
Es war ein starrer, namenloser Schauer,
Ein Dunkel, das kein Schimmer unterbricht.

Ich weinte nicht, ich hatte keine Tränen,
Wie leblos fühlt' ich mein gepreßtes Herz,
Ich fühlte nichts, als nur ein wildes Sehnen
Nach herzaufwühlendem, nach großem Schmerz.

Da kamst du selbst aus deinen lichten Sphären,
In meine Seele stieg dein Geist herab,
Und flüsterte: "Wir dürfen noch verkehren,
Nur such' mich nicht versenkt im tiefen Grab."

Ich fühlte dich, ich fühlte deine Nähe,
Ich fühlte deines reinen Geistes Macht,
Und in der Trennung namenlosem Wehe,
Hast du mir selbst den ersten Trost gebracht.

Und sternenhell durchdrang mich der Gedanke:
"Wir sind nicht ganz geschieden und getrennt,
Es bleibt noch Eines, trotzend jeder Schranke,
Es bleibt die Liebe, die den Tod nicht kennt!"

Du stiller Geist in einer besser'n Welt

Du stiller Geist in einer besser'n Welt,
Verlass' mich nicht auf dieser kalten Erde,
Dring' mir in's Herz, damit die Liebe werde
Das Band, das ewig uns vereinigt hält.

Grüß' mich von oben durch der Sterne Licht,
Schick' deine Grüße durch die Sonnenstrahlen,
Die sich im siebenfarb'gen Bogen malen,
Und durch des Mondes stilles Angesicht.

Die Allmacht Gottes, die uns Beide schied,
Ließ uns noch manchen Weg, uns zu vereinen,
Im Himmelsglanz seh' ich dich mir erscheinen, —
Ich grüß' dich durch die Träne und das Lied.

An die Poesie

Sei mir gegrüßt, du Freundin meiner Seele,
Die mir von je des Lebens Trank versüßt,
Vor der ich keine Regung je verhehle,
Sei mir gegrüßt, wie ich dich nie gegrüßt.
O nimm mich auf und lass' in deinen Armen,
Mich, wie bisher, erstarken und erwarmen!

An deiner Hand bin ich bisher gegangen,
Du warst es stets, die meinen Pfad erhellt;
Selbst da im Traum der Kindheit noch befangen,
Mein Aug' bedachtlos schweifte durch die Welt,
Selbst damals zählt' ich meine schönsten Stunden,
Da ahnungsvoll ich dich vorausempfunden.

Und als der Kindheit bunter Traum zerflossen,
Da wecktest du zu neuem Leben mich,
Mit deinem Kuß war mir die Welt erschlossen,
Mit deinem Kuß der Blick in's eig'ne Ich;
Du lehrtest mich im Land der Geister leben
Und dem Alltäglichen Bedeutung geben.

In deiner Nähe seligem Beglücken
Lag mir ein Reiz, wie ich ihn nie gekannt:
Ich gab mich hin dem trunkenen Entzücken,
In deinen Schoß legt' ich die Seele nieder,
In deinem Schoß fand ich verklärt sie wieder.

Und als die Seele, reisend mit den Jahren,
Zu kämpfen hatte manchen schweren Streit,
Und zweifelnd rang und forschte nach dem Wahren,
Da klagt' ich dir des Herzens Bangigkeit;
Und hatt' ich dir der Seele Kampf geschildert,
So war die Glut gedämpft, die Qual gemildert.

Und faßte Ungeduld der Seele Flügel
Und schien das Leben mir zu eng und klein:
In deine Hände legt' ich dann die Zügel,
Und klagte dir des wilden Sehnens Pein,
Und in der Wünsche traulicher Enthüllung,
Lag wie im Keim, ein Teil schon der Erfüllung,

Und jede Freude, die mein Herz genossen,
Und jede Hoffnung, die mich still durchglüht.
Vertraut' ich dir, hab' ich vor dir erschlossen,
Mit sel'gem, unbefangenen Gemüt;
Und meine Freude schien mir erst vollkommen,
Wenn ihren Klang du liebreich aufgenommen.

So wandelt' ich bisher in deinem Lichte,
Und wie bisher dich suchte dieses Herz;
So steh' ich heut' vor deinem Angesichte,
Zum ersten Mal mit einem großen Schmerz.
In deinen Schoß leg' ich die Seele nieder,
Gib, wie bisher, sie mir geläutert wieder.

Zum ersten Mal komm' ich zu dir geflüchtet,
Daß du mit mir an einem Grabe weinst,
Wo mir ein schönes Hoffen liegt vernichtet, —
Und meiner Klage deinen Sang vereinst,
Daß ich dem Schmelze deiner sanften Töne
Mit ihrem Schmerz die Seele sich versöhne.

Wer dürfte mit der ew'gen Allmacht rechten?
Und doch wer könnt' mit ungebrochnem Mut
Zum Totenkranz sie Hoffnungsblüten flechten,
Wo reich geströmt des Lebens volle Glut
Und in des Blütenkelches heil'gen Tiefen,
Im Keime noch die schönsten Früchte schliefen.

Es ist die Erde nicht der Sitz des Schönen,
Und wie die Pflanze aus dem Morgenland
Sich an des Nordens Hauch nicht kann gewöhnen,
Wo sie die aufgedrung'ne Heimat fand;
So muß, verpflanzt, das Schöne hier verbleichen,
D'rum eilt es heimwärts, eilt zu seinesgleichen.

So fahr' es hin! doch wenn die Wunden brennen,
Noch allzu neu, zu heftig, — armes Herz!
Trotz allem tapfern Ringen nach Erkennen,
Empfindest du nur Eins, — Der Trennung Schmerz
Was du geliebt, es lebt in höh'rer Sphäre,
Dir aber bleibt die Öde nur, die Leere, —

Bis daß sich legen still der Seele Wogen,
Bis daß in ihre Tiefe glatt und rein,
Sich senken darf vom klaren Himmelsbogen
Der hellen Sterne friedenvoller Schein,
Bis daß sie's fühlt und still beglückt empfindet,
Daß uns das Bild des Schönen nicht entschwindet.

Ja, daß wir selbst an seinem Glanz beteiligt,
Mit ihm verbunden sind für alle Zeit,
Wenn wir das Herz zum Tempel ihm geheiligt,
Den nie ein bitteres Gefühl entweiht;
Und wenn uns nichts auf dieser Erde bliebe,
Es bleibt der Frieden dann, es bleibt die Liebe.

Nun sei gegrüßt, Gefährtin meiner Seele,
Du treue Freundin, sanfte Poesie,
Vor der ich keine Regung je verhehle,
O sei bedankt, so innig, wie noch nie:
In deinem Schoß legt' ich die Seele nieder,
Und sieh', besänftigt gibst du sie mir wieder!

Wiederkehr

                           I.

Da winkt ihr mir mit ernstem Gruße wieder,
Ihr Hallen, Zeugen meiner Kinderzeit!
Ihr, die ihr höret meine ersten Lieder,
Und willig lauschet ihrer Heiterkeit.

Ein halb Jahrtausend ging an euch vorüber,
Gar manche Wandlungen habt ihr geseh'n;
Ob's klarer ward am Horizont, ob trüber,
Ihr bliebt im Wechsel unverändert stehn.

Wo einst die ernsten Mönche freudlos wallten,
Da war der Schauplatz meiner Jugendlust,
Doch nicht beengte, düstere Gestalten,
Je eure Spur die sorgenfreie Brust.

Zuweilen ließ ich auf den Vorhang rollen
Und maß zurück der Zeiten Wechsellauf,
Und mit dem Reize des Geheimnisvollen
Stiegt ihr in meiner Kinderseele auf.

Da sah ich still, euch ernste Mönche wallen,
Auf euren Stirnen lag's, wie Grabesruh',
Ihr rieft, durchschreitend diese düstern Hallen,
Euch nur ein dumpf "Memento mori!" zu.

Ich sah euch stumm das eig'ne Grab bereiten,
In ernstes Sinnen freudelos vertieft,
Und Abends still in eure Zellen schreiten,
Wo ihr die Nacht in euren Särgen schlieft.

Ich sah, wie durch die düstern Klostermauern
Der bleiche Silberstrahl des Mondes streift,
Da faßt's mich wohl mit kindisch bangem Schauern,
Wie's bei Gespenstermärchen uns ergreift.

Doch schnell, durch einen heit'ren Scherz vertrieben,
War das "Memento" in der Luft verhallt,
Kein Schatten war von euch zurückgeblieben,
Die Gegenwart übt' ihres Rechts Gewalt.

Was sollt ich auch mich quälen, mich betrüben,
Umgab mich doch nur Heiterkeit und Glück,
Es fehlte Keines, Keines meiner Lieben! —
Du schöne Zeit, ach kehrtest du zurück!

Du armes Herz, seit jenen frohen Jahren,
Wie anders siehst du dieses Leben an!
Das Bitterste hast du seither erfahren,
Du hast gelernt, daß man verlieren kann:

Seid ihr zurückgekehrt, in diese Hallen,
Ihr Mönche all', aus eurer Grabesruh?
Wohin ich schreite, seh' ich Schatten wallen,
Ruft's mir ein dumpf: "Memento mori" zu.

II.

Entweicht! Entweicht! ihr düsteren Gestalten,
Bezwinge Herz des Schmerzes wilden Trieb,
Und lerne dankbar dich an d a s zu halten —
Ist's doch so viel noch! — was dir übrig blieb!

Und hast du, was verlieren heißt, erfahren,
So lerne jetzt zu tragen den Verlust,
Und, glaub' es, für die Lieben; die da w a r e n
Und die da s i n d, ist Raum in deiner Brust.

Und erst wenn du der Gegenwart, dein Leben,
Die Liebe schenkst, die du ihm schuldig bist,
Wird dir die Liebe rein zurückgegeben,
Die unser Teil an den Verklärten ist.

Waldesdunkel

Im dichten Dunkel des Wald's,
Wo die Quelle quillt,
Dem Felsen entfließend
Über Steine stürzt,
Und Well' auf Welle
In wogendem Wallen
Zur Tiefe sendet,
Und drüber die Buche sich beugt
Schattenverbreitend, —
In ihren Zweigen zwitschern die Vögel,
In ihrem Laube lispeln die Lüfte,
Und durch die Blätter blickt
Ein sanfter Sonnenstrahl,
Suchend den Ausweg, —
Da sitz' ich und sinne,
Weile und weine,
Und blick' in die Fluten
Stundenlang!
Da web' ich Gewebe
Dunkler Gedanken,
Und manche Träne der Trauer
Fließt in die Fluten,
Und flieht mit den Fluten,
Wie geflohen die Stunden
Um die sie geflossen.
Aber mit ihnen flieht nicht der Schmerz;
Nur stiller wird's in der Seele,
Stiller und heller!
Die Wogen wiegten zur Ruhe das Herz
Und durch das dichte Dunkel
Der schattenden Buche,
Fand der suchende Sonnenstrahl
Den Weg in das dichtere
Dunkel der Seele!

Was uns am tiefsten trifft

Mich dünkt, was uns am tiefsten trifft,
Das ist ein erster Schmerz,
Denn als der einz'ge nimmt er ein
Das ganze warme Herz.

Als Grenze steht er da, die scharf
In zwei das Leben teilt,
Und, was da immer kommen mag,
Als Markstein auch verweilt,

So ist dein Grab der Markstein mir,
Am zweiten Teil der Bahn,
Was drüben liegt, es strahlt so hell,
So lieblich lacht's mich an!

Doch hier ist still und trüb, wenn auch
Manch schöne Frucht noch reift,
Nichts blüht, daß nicht ein kalter Hauch,
Ein Schatten d'rüber streift.

Doch still, mein Herz! und gib dich drein,
Das ist der Dinge Gang;
Die Sonne sinkt, die Luft wird kühl,
Die Schatten werden lang.

Es fliegt ein Vogel über den See

Es fliegt ein Vogel über den See,
Wohl einem schönern Lande zu:
Der See das ist mein tiefes Weh,
Der Vogel, der Vogel der bist du!

Du flohst dahin und nahmst mit dir,
Auf deinen Flügeln all' mein Glück,
Und wie der Wasserspiegel hier
Blieb tief und still mein Schmerz zurück.

Ich liebte dich so inniglich,
So herzlich friedenvoll und wahr,
D'rum sei's auch jetzt, denk' ich an dich,
Im Herzen friedlich still und klar.

An Grillparzer
Auf dessen Gedicht: "Abschied von Gastein."

Was Großes wir besitzen auf der Erde,
Es ward durch Kämpfe an das Licht gebracht;
Nur eines Gottes Stimme spricht: "Es werde!"
Und Glanz und Licht zerteilt die dunkle Nacht, —
Der Mensch vollbringt durch Leid nur und Beschwerde,
Die großen Taten, die der Geist erdacht;
Und soll das Werk den Meister überleben,
Muß er dazu vom eig'nen Herzblut geben.

Das ist das Los der Großen, der Erwählten,
Das ist d e i n Los, du auserwählter Mann;
Beklag' ich dich, den Höchsten Beigezählten,
Der ein Elisium dafür gewann,
Daß ihm der Erde karge Freuden fehlten?
O sieh zurück auf deines Lebens Plan,
Wie reich, wie voll! wenn auch getrübt von Qualen,
Das Trübe selbst durchblinkt von Himmelsstrahlen.

Wenn oft mißdeutet, auch und mißverstanden,
So hast du doch vergebens nicht gesä't;
Denn Tausende, die deinen Geist empfanden,
Die deiner Seele reiner Hauch umweht,
Erstarkten in dem Worte dein, und fanden
Durch dich den Weg, der zu den Sternen geht!
Du aber klagst! — Dein Los ist: Andern geben,
Nicht im Genuß des eig'nen Reichtums leben.

Und doch, — könnt'st du zum zweitenmale stehen
Am Eingang einer neuen Lebensbahn,
Und ließ das Schicksal dich ein Leben sehen,
Durch das dich trüg' ein stillbewegter Kahn,
Dem kein Gewitter droht, kein Sturmeswehen,
Dem keine Wogen himmelstürmend nah'n,
Weil friedlich streifend an des Ufers Rande,
Er nicht die See durchschweift nach fernem Lande, —

Und ernst und milde winkte dir daneben
Die Göttin mit dem dunklen Dichterkranz,
Aus dem sich Blumen lichtverklärt erheben,
In ihrem Kelch der stillen Träne Glanz, —
Im Hintergrund dein reiches Dichterleben,
So schmerzlich schön, wie du es lebtest ganz —
Du würdest, glaub'! — wär' dir die Wahl gelassen, —
Zum z w e i t e n m a l den Dichterkranz erfassen.

Verständnis

Du wallst und wandelst durch die Welt,
Gleichwie im halben Traum,
Und was sich deinen Blicken stellt,
Das unterscheid'st du kaum.

Drum, fühlen dir nur Wen'ge nach,
Was dir im Herzen spricht,
Versteht die Welt dich nicht, — gemach!
Auch du verstehst sie nicht.

Es stellt sich dir das Leben dar
In ew'gem Mondenlicht,
Das Dunstgebild erscheint dir wahr,
Das Wahre siehst du nicht,

Den Boden prüfe wohlbedacht,
Vor jedem neuen Tritt,
Willst du nicht straucheln in der Nacht,
Mißtrau' dem eig'nen Schritt!

Am ersten fällt, der, dreist im Wahn,
Sich allzusicher glaubt,
Durch Übermut der eig'nen Bahn
Den festen Boden raubt.

Du gehst und siehst, und wirst geseh'n,
Gleich wie im Mondenschein,
Denn unser Fluch ist: halb versteh'n,
Und halbverstanden sein.

Sechs vierzeilige Strophen

Wie in der Luft die Lerche will singen,
Mit Lerchenfreiheit, Lerchenfreudigkeit!
Wozu das Lied in strenge Formen zwingen,
Ist's nicht genug, wenn es die Brust befreit?

◊◊◊

Beglückend ist's in Worten zu ergießen
Des Herzens Lust und Pein;
Beglückender es schweigend zu verschließen
Und doch verstanden sein.

◊◊◊

Das Herz des Einzelnen zerbricht und blutet,
Doch ruhig bleibt die Welt in ihrer Bahn;
Die Welle schwillt und schwindet, ebbt und flutet,
Derselbe immer bleibt der Ozean.

◊◊◊

Ob rauh der Hauch des Schicksals weht, ob lind,
In uns erklingen meist nur einzle Saiten,
In wenig Augenblicken, in geweihten,
Nur tönt der Vollklang dessen, was wir sind.

◊◊◊

Lehrsatz und Spruch, sie mögen dienlich sein
And're zu richten; aber zur Bewahrung
Vor eig'nem Irrtum, dient uns ganz allein
Die eig'ne, oftmals bittere Erfahrung.

◊◊◊

Begegnet eine große Seele Dir,
O nimm sie g a n z, und mäkle nicht an ihr:
So wirst Du näher ihrem Werte stehen,
Als der sie, tadelnd, meint zu übersehen.

Lobelia fulgens

Ein Pflänzchen stand in meinem Garten,
D'ran hing die Knospe hoffungsvoll,
Die Blüte konnt' ich kaum erwarten,
Der ahnend sie entgegenschwoll.

Ein Gleiches hatt' ich nie gesehen,
Ein Rätsel war die Knospe mir, —
Da kam des Morgenwindes Wehen
Und öffnete die Blätter ihr.

Die lagen still vor mir erschlossen,
Mit hellem Feuerrot bemalt,
So schön, wie reichlich ausgegossen,
Es an den Morgenhimmel strahlt.

Hat hier ein Zauber sanft gewaltet?
Was faßt mich an mit einem Mal?
Auch meine Seele liegt entfaltet,
Erschlossen ihrem Sonnenstrahl.

Dein Blick hat mich mir selbst erschlossen,
Das Feuerrot, noch nie gekannt,
Am Himmel seh' ich's rings ergossen,
In meiner Seele ist's entbrannt.

Des Himmels Segen hat gewaltet
In seinem reichsten Maße hier,
Und, wie die Blüte, liegt entfaltet
Mein ganzes Innere vor Dir!

Mir ist, wie ihr die Macht der Sonne,
Unwiderstehlich Deine Macht;
Mich zieht's zu Dir in stiller Wonne,
Der Morgen kam — ich bin erwacht.

Siehst du dort hell die Sonne steigen?

Siehst du dort hell die Sonne steigen?
Sie hebt sich leuchtend himmelan;
Wie lange währt's, bis sie sich neigen
Und senken wird auf ihrer Bahn?

Nur ein geringes Maß von Stunden,
Ein Nichts in der Unendlichkeit;
Wie schnell, wie eilig abgewunden
Vom Riesenwebestuhl der Zeit!

Und doch, in jener engen Hülle
Ist Raum für Leben oder Tod
Und Raum für eines Himmels Fülle
Vom Morgen — bis zum Abendrot.

Minuten kann's, Sekunden geben,
Gewichtiger als manches Jahr:
Ein Hauch! — verwandelt ist das Leben
Und umgestaltet, was da war.

Dir strahlt die ganze Welt entgegen,
Gleichwie im Maiensonnenschein,
Und was der Himmel birgt an Segen,
Dann senkt sich's dir in's Herz hinein.

Was auch noch segnend dich berühret,
Hier liegt der Keim zu allem Glück,
Und jeder Strahl des Lebens führet
Zu diesem Lichtpunkt dich zurück.

Wartend

Es folget eilig Well' auf Welle,
Ich zähl' sie mit des Herzens Schlag,
Sie zieh'n mit fabelhafter Schnelle
Vorbei an Feld und Wald und Hag.

Es folget Well' auf Well' unzählig
Und die Sekunden eilen mit,
Und doch, wie langsam und allmählig,
Bewegt die Zeit sich, Schritt für Schritt.

Ich möcht' die Sonne weiter schieben
Und stiegen dann die Sterne auf,
Möcht' ich auf's Neue, rasch vertrieben
Sie sehen von der Sonne Lauf;

Bis den Tag, der uns soll vereinen,
Ich werd' am Himmel leuchten seh'n; —
Gleichviel dann, ob die Sonne scheinen,
Verlöschen mag, ob stille steh'n.

Einst und Jetzt

Es gab wohl eine Zeit, da war zu enge
Mir diese ganze, weite Gotteswelt;
Ich sehnte mich hinaus in das Gedränge,
Wo immer Neues jeder Tag enthält.

Damals war Ruhe mir der Qualen größte
Und folgten friedlich meine Tage sich,
Ersehnt' ich einen Blitz, der mich erlöste
Aus jener Schwüle, dumpf und schauerlich.

Der Mond, die Sonne schienen mir vergebens,
Für mich gab's Nacht nur, ohne Dämmerung,
Nur in dem wilden Tatensturm des Lebens
Wähnt' ich zu finden die Befriedigung.

Und nun?! — Was hab' ich Großes denn geschaffen?
Und welche Heldentat hab' ich vollbracht?
Daß ich befriedigt niederleg' die Waffen
Und mir das Leben reich entgegenlacht?

Ist mein Geschick so bunt, so vielgestaltig,
Daß immer Neues jeder Tag mir bringt?
Ward meines Lebens Plan so mannigfaltig,
Daß Bild mit Bild in stetem Wechsel ringt?

O nein! Verschmolzen in ein einzig Bildnis
Ist mir der Bilder wildverworr'ne Zahl,
Durch der Gedanken dichtverschlung'ne Wildnis
Drang der Empfindung milder Sonnenstrahl.

In meines Herzens tiefsten Grund gedrungen
Ist deines Blickes stille Zauberkraft,
Der Sehnsucht wilde Lieder sind verklungen
Und neue klingen leis' und märchenhaft,

Und einen sich in leicht geschloss'ner Reihe
Zu einem Lied mit steigender Gewalt,
Das mir mit heil'ger, jubelvoller Weihe
Von allen Seiten freudig widerhallt.

Hier steh' ich still, und soll ich weiter wallen,
Sei's nur, wenn führend mich dein Arm umschlingt,
Und sollen tönend neue Lieder schallen,
Bist du's allein, dem meine Seele singt.

Und soll gejagt, gekämpft sein und gestritten,
Wohlan! — an deiner Seite kämpf' ich mit
Und soll geduldet sein und stumm gelitten,
Wir geh'n vereint mit festem, gleichem Schritt.

Wohin sich immer uns're Wege lenken,
Ich halte dich, ich heb' zu dir den Blick; —
Wir lassen Seel' in Seele sich versenken, —
Hier ist Befriedigung, hier ist das Glück.

Glück

Leichtfüßig nennt ihr das Glück,
Und jagt ihm nach, dem entfliehenden
Dem wolkenwärts ziehenden,
Folgt ihm mit sehnendem Blick! —

Blendend nennt ihr das Glück
Und seht in die Strahlen, die blinkenden,
Zu bald, zu bald nur versinkenden,
Mit bangem, verlangendem Blick!

Ich hab' es nicht erjagt und nicht errungen,
Ich hab' nicht in des Weltgewühles Schwarm
Ihm nachgestrebt — mich hat es lind umschlungen,
Mich hat's umfaßt mit sanftem Mutterarm.

Mich hat es nicht betäubt und nicht geblendet,
Wie wenn der Himmel Nachts, mit einem Mal,
Durch's düst're Dunkel helle Blitze sendet,
Mir kam's, ein milder Morgensonnenstrahl.

Ich greif' nach ihm nicht, wie nach seiner Krone
Der Sieger greift mit des Erringers Lust,
Nicht, wie wir greifen nach verdientem Lohne,
Als ein Geschenk schließ ich's in meine Brust.

Aus lichten Wolken kam's herabgeglitten
Und traf mich segnend — ein erhört Gebet!
Doch nein! — nicht einmal das, nein, nicht durch Bitten
Hab' ich es mir errungen und erfleht!

Fühlt' ich auch oft ein ungestilltes Sehnen,
Ward's nicht zum Wunsch, ihm fehlte die Gestalt,
Ein Rätsel blieben mir die eig'nen Tränen,
Und unerklärt ist in der Luft verhallt.

Der eig'ne Seufzer — bis zu jenem Tage,
Da er erreicht das ungekannte Ziel,
Und sich in Lust verwandelte die Klage,
Und von dem Blick der Nebelschleier fiel.

So traf es mich, so kam's zu mir hernieder,
Das stille Glück, ein Engel, leicht beschwingt,
Ein Lächeln Gottes — aus der Sphären Lieder
Der eine Ton, der nimmermehr verklingt.

Der Ton, der vom entlegensten der Sterne
Durch alle Himmelsräume widerklingt,
Und was da lebt und webet, nah und ferne,
Mit sanfter Macht in seine Kreise zwingt,

Und alle Kräfte, die da müßig schliefen,
Mit seinem Zauber weckt aus ihrer Rast,
Die große Macht, die ganz in ihren Tiefen,
Allein das kleine Menschenherz erfaßt.

Und in mein Herz hat sich der Ton ergossen,
Dort klingt er nach, so lang das Herz noch schlägt,
Und weiter, wenn mein Auge sich geschlossen,
Und ihn ein Hauch in seine Heimat trägt.

Geweihter Tag

Viel liebliche Stunden ließ mich erleben
Der himmlischen Huld — viel herrliche Tage,
Seit ich zuerst dich geseh'n und gesegnet;
Aber vor Allem denk' ich an einen
Frohen, friedlichen, freudigen Tag!
Kein Ereignis bezeichnet den Tag,
Keine Begebenheit, groß und gewichtig,
Keine neue Gabe der Götter.
Gibt's denn nicht Stunden, stille, gesegnete,
Da nichts dem Himmel zu geben geblieben,
Weil wir zu wünschen geendet im Herzen?
Stunden, da wir im Innern tragen
Ein Maß von Glückseligkeit, daß wir meinen,
Er habe sich selber erschöpft bei aller
Unendlichen Fülle der Großmut und Liebe.
Solch' einer Stunde gedenk' ich: Wir wallten
Den Berg hinauf zwischen Büschen und Bäumen,
Durch Morgennebel mühte mit mattem
Glanz, doch wachsender Glut sich die Sonne;
Die dünne Decke bedeckte nur luftig
Die liebliche Landschaft — und, leicht zerrissen,
War sie entflohen, verflogen, zerflossen!
Welch' ein Bild! — wir wallten nicht weiter;
Stundenlang stille bewundernd und staunend,
Saßen wir nebeneinander uns schwiegen:
Ob unsern Häuptern der helle Himmel
Wolkenlos leuchtend — wild und gewaltig
Aufragten zu ihm in riesiger Größe
Die Felsen, frei und fantastisch geformt,
Öde und unbewachsen; doch brausend
Quillt ein Quell dort herab und erquickt
Die Fülle der Pflanzen, die unten am Fuße
Reichlich gedeihen, — rote Röschen
Der Alpen, die blaue, liebliche Blume,
Die Enziane, halb im Grase versteckt,
Und Farren, am Fuße der Fichten und Föhren,
Der Tannenbäume und Buchen. — Büsche
Und Bäume wechseln, wild und lieblich
Zugleich, vor dem bewundernden Blick,
Aber — das Schönste von Allem — breitet
Sich blau, in dem Kessel, von Bergen gebildet,
In ruhiger Reinheit die Fläche des See's.
Die ganze Helle des heiteren Himmels,
Der Sonne Glanz und mildglühende Glut,
Die vollste Farbenfülle der Erde
Ruhen darin mit verdoppeltem Reiz!
Weißt du den Tag? — die Fülle des Himmels —
Und alle Freuden, der Erde verbargen,
Dem See gleich, uns're beseligten Seelen.

Dann ist's schon wahre Liebe nicht

Dann ist's schon wahre Liebe nicht,
Wenn du dich fragst: Ob ja? Ob nein?
Dich treibt's gleich wie die Blüt' zum Licht!
Du fühlst: Es kann nicht anders sein!

Dir ist's als wär's nach langer Nacht
Nun endlich erst geworden Tag,
Und hold zum Leben erst erwacht,
Was längst schon schlummernd in dir lag.

Dem Wand'rer gleich ist dir zu Mut,
Der endlich seine Heimat fand,
Und sanft auf deinem Haupte ruht,
Dich segnend, Gottes eig'ne Hand.

Und still wie in ein Heligtum
Blickst du in's eig'ne Herz hinein,
Laut wird sein Schlag, die Lippe stumm,
Der Blick in's Leben klar und rein.

Dir strahlt ein Stern, in dessen Licht
Du alles Irdische vergißt;
Wie's kam? Wie's ward? du weißt es nicht,
Und fühlst beseligt nur: Es ist!

Stamm und Ranke

Du bist der Stamm, ich bin die Ranke,
Du stehest fest, auch ohne mich,
Ich aber, Liebster, beb' und wanke,
Und sinke kraftlos — ohne Dich.

Und darf ich schmücken auch dein Leben
Und dich umklammern inniglich,
Du mußt mich stützen, tragen, heben —
Du bist der Stamm, — die Ranke ich.

Drei Gedichte
nach dem Englischen des Edgar Poe

                    I. An Helene

Ich sah dich einmal, einmal nur vor Jahren;
Die Jahre, die seither dahingeschwunden.
Ich zähl' sie nicht, doch ist die Zahl gering.
In Mitten war es einer Juli-Nacht,
Der volle Mond zog, — deiner Seele gleich —
In stillem Fluge durch des Himmels Wölbung
Und warf den lichtgewob'nen Silberschleier,
Mit Sommerschwüle, Friedenshauch und Schlummer,
Herab auf tausend Rosenangesichter,
Die blühten still in einem Zaubergarten,
In dem der Wind nicht rauscht, nur leise flüstert, —
Der Schleier fiel auf jene vollen Rosen,
Die lächelten und starben in dem Garten,
Bezaubert von dem Zauber deiner Nähe.
An einem Veilchenbeete lehnest du,
Halbliegend, — in ein weißes Kleid gehüllt,
Der Mond sah nieder auf der Rosen Häupter,
Die still' gehob'nen, nieder auf dein Antlitz,
Das sich zu ihm erhob in stiller Trauer. —
War's Schickung nicht in jener Juli-Nacht,
Die mich an jenem Garten halten ließ,
Den Weihgeruch der Rosen einzuatmen?
Nichts regte sich, es schlief die arge Welt,
Und Niemand wachte, als nur du und ich!
(O Gott! Barmherz'ger Gott! wie pocht mein Herz!
Indem es diese beiden Worte paart),
Nur du und ich allein; ich schwieg — ich sah —
Und Alles schwand in einem Augenblick!
(Vergiß nur nicht, es war ein Zaubergarten),
Der Perlenglanz des Mondes war erstorben,
Die grünen Matten und die Schlangenwege,
Die frohen Blüten und die stillen Bäume
Verschwanden all', — ja selbst der Rosenduft
War in der Lüfte Schmeichelhauch verweht.
Verweht war Alles, du nur bliebst allein,
Nein, weniger als du, nur deine Augen,
Die Seele nur in deinen klaren Augen.
Ich sah nur sie, sie waren meine Welt,
Ich sah nur sie, sah stundenlang nur sie,
Bis auch der letzte Strahl des Mond's verblich,
— Welch heil'ge Herzensworte konnt' ich lesen,
In jenen himmlischen kristallenen Sternen!
Welch dunkle Trauer! Welcher Hoffnungsschimmer,
Ein glattes, königliches Meer von Stolz,
Ein kühner Wille und doch eine tiefe,
Unendlich reiche Liebesfähigkeit!
Doch endlich sank der stille Mond herab,
Auf dunkle Wolken, die im Westen schwebten,
Und du — dein Geist verschwand im Grabesdunkel
Der Bäume: — Aber deine Augen weilten
Und schwanden nicht, und schwanden nimmermehr!
Sie leuchteten auf meinem stillen Heimweg,
Und schwanden nicht, wie mir seither die Hoffnung;
Sie folgen mir, — sie leiten mich durch's Leben:
Ihr schönes Amt ist: strahlen und entzünden!
Und meine Pflicht: durch ihre sanften Strahlen
Die eig'ne bange Seele zu erretten,
Zu heiligen in ihrem heil'gen Feuer! —
Mit ihrer Schönheit füllen sie mein Herz,
Und ihre Schönheit ist ein Strahl der Hoffnung!
Die Sterne sind sie, die ich betend suche,
Die durch die stille, schlummerlose Nacht
Mir Trost zublicken in der Einsamkeit.
Sie leuchten mir selbst durch des Tages Glut,
Zwei lichte Morgensterne, klar und freundlich,
Die auch der Glanz der Sonne nicht verdunkelt.

       II. An einen Verstorbenen

Du warst's, für den ich lebt' und litt,
Du warst es ganz allein!
Ein Eiland in dem weiten Meer,
Ein stiller Heil'genschrein,
Mit Blumen reich geschmückt, und all'
Die Blumen waren mein.
Ein schöner Traum, zu schön zu dauern,
Ein Hoffnungsstern, der kaum erglüht,
Auch seinen letzten Glanz versprüht,
Versinkend in des Dunkels Schauern, —
Es naht die Zukunft, ohne Ruh,
Und "vorwärts" ruft sie mahnend zu
Den Lebenden, — und eilt, und eilt; —
Vergebens! meine Seele weilt —
Weilt ob dem Abgrund, tief und weit,
Der ewigen Vergangenheit:
Starr, stumm-bewegungslos!
Verblichen ist mir und vergangen
Das Leben und des Lebens Prangen!
Ich hör' des Sturmes wilde Lieder,
Ich hör' der Wogen dumpfes Singen
Nur einen Klang zum Ufer bringen,
"Nie wieder!" brausen sie "nie wieder!"
Nie blüht der blitzgetroff'ne Baum,
Nie schwingt sich in des Himmels Raum
Der Adler mit gebroch'nen Schwingen.

               III. Glocken

I.
Hörst du sausen dort die schnellen
Schlitten mit den blanken, hellen Silberschellen?
Welchen Jubel künden ihre Lieder!
Da sie singen, froh sich schwingend,
Durch die Winternacht erklingend,
Leuchten tausend Sterne nieder,
Von dem klaren Himmel winkend,
Fröhliches Entzücken blinkend
Ob der Schellen Silberklänge
    Und Gesänge,
Ob der Silberschellen Singen
    Und Erklingen.

II.

Hörst du wie die Glocken klingen,
Frohe Hochzeitslieder singen
         Ihre Klänge?
Hörst wie ihre Lustgesänge
In der Nacht, der sternenschönen,
Fröhliches Entzücken tönen?
Wie der Klang so lieblich fließt
Durch die Luft und sich ergießt
Durch die monderhellte Nacht!
         Wie, mit Macht,
         Schwillt und wächst der Töne Pracht,
Zaub'risch in der Luft verhallend,
         Durch den Raum
         Einen Traum
Freudevoller Zukunft schallend;
Und die Glocke lenkt und schwingt
         Nur Entzücken!
         Nur Beglücken
In der Glocke Klängen klingt.

III.

Hörst du Sturmesglocken dröhnen?
         Wie sie stöhnen!
Und Entsetzen heulen mit Gebraus
In die dunkle Nacht hinaus!
Jeder sanft're Ton versagt
Ihrer Stimme, die nur klagt,
Die nur kreischt und heult und klagt;
         Fleht und klagt
Um Erbarmen zu der wilden Wut
         Der Flammen,
Fluchende der erbarmungslosen Wut
         Der Flammen,
Wie sie steigen, steigen, steigen,
Ihre ganze Macht zu zeigen,
Hoch, als wollten sie den bleichen
Mond im wilden Flug erreichen!
Und die Glocken, wie sie stöhnen,
Jammer und Entsetzen dröhnen
         Durch die Nacht.
Wie sie toben, wie sie brüllen,
Und die Lüfte rings erfüllen
Mit entsetzlichen Gesang!
Und es tobt, und kreischt und gellt;
         Und der Klang
         Kündet bang
Wie die Flamme steigt und fällt,
Und der Glocken Töne schallen,
Sinken, schwellen und verhallen,
Wie die Flamme steigt und fällt,
Und mit ihrer Glut gesellt,
         In der Nacht,
         Wild entfacht,
Das Verderben steigt und fällt.

IV.

Hörst du wie die Glocken schaurig,
         Wie sie traurig
Leichenklänge, Grabgesänge tönen?
         Wie sie durch die Nacht erdröhnen,
Ihren Jammer auszustöhnen,
Schaurig bis in's Herz dir tönen!
         Wie sie ächzen,
         Wie sie krächzen
Durch die Nacht!
Welche Kraft wohl, welche Macht
Ist's, die jenen Ton erregt?
Die den Pendel wild bewegt?
Die mit grausamen Behagen
Durch sein Klagen
Bange Menschenherzen bricht?
Die versteckt da droben wohnen,
Nahe an dem Sternenschimmer,
Menschen, Menschen sind es nimmer!
Nein, sie sind, — die an den Strängen,
Zu den dumpfen Schauerklängen
Ziehen, ziehen, für und für,
Weder Mann, noch Weib, noch Tier,
Nur Dämonen!
Und der Glocken Schauerklänge, —
         Siegs'gesänge
Sind es, die sie lustig singen!
Die mit wilder Lust sie singen!
Und dabei, im Mondenglanz,
Führen sie den Reigentanz
         Nach den Tönen,
         Die da dröhnen,
Die da hallen
Und im wildem Takte schallen,
Die da seufzen bang und traurig,
Die da gellen schrill und schaurig
         Durch die Nacht!