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Johann Kaspar von Wörndle

Scherzhafte Gedichte
für Freunde heiterer Laune
und gesitteter Fröhlichkeit.

Augsburg 1828
Verlag der Kranzfelder'schen Buchhandlung

Scherzhafte Gedichte 1
 

Der verliebte Mathematiker
Die Tobakspfeife
Lied der Schmiede
Verzweiflung eines Friseurs
Die Kindsmörderin
Pachomius und der Teufel
An den Magen
Der Astrolog
Witwenleben
Wetter-und Schicksals Prophezeihung
Die Grammatik der Liebe
Mäher-Lied
An einen gefangenen Floh
Mißmut und Lebenseinförmigkeit
An die Küche

Der verliebte Mathematiker

Nicht länger kann ich dieses Feur bezähmen;
Ins Zahlenreich setzt Amor selbst den Thron,
Soll ich mich hoffnungslos zu Tode grämen?
Schon ist mein ganzes Herz nur Fraktion.

Die Liebe wagt's, die Zirkel zu zerstören,
Mit ihr verschwor sich tückisch die Natur;
Eh ich's vermag, den Eingang ihr zu wehren,
Erfind' ich selbst des Zirkels Quadratur.

Jüngst wollt' ich Kubikwurzel extrahieren,
Da trieb mit mir Schalk Amor nur sein Spiel:
Vergaß die drei Produkte zu addieren;
Man kann sich denken, wie die Rechnung fiel.

Auf meinen Zahlen schaukeln sich schon Kinder;
Ich selber passe bald für's Schattenreich;
Mein Bauch, ehmals ein niedlicher Zylinder,
Ist Parallelepipedon itzt gleich.

Einst war ich schlank gewachsen, schön gestaltet,
Daß manches Mädchen lüstern nach mir sah;
Doch itzt macht Liebe, die so mächtig waltet,
Mich zur
Fugura Curvilinea.

Viel hundertmal maß ich so in Gedanken
Ab die Distanz, die bis zu Röschen ist;
Will messen auch auf Leitern, die nicht wanken,
Die Höhe, wenn sie akzessibel ist.

Man liest nicht bloß betrachtend in dem Buche,
Und brütet über Zahl und Quantität;
Wir Mathematiker machen auch Versuche,
Ob in der Praxis wohl der Satz besteht.

Die Küsse sind die Koeffizienten;
O, spräche Röschens Mund nicht negativ.
Verliebte Seufzer sind die Exponenten,
O wäre das Produkt doch positiv!

Steckt etwa eine — sollt ich' wohl mich irren? —
Mir unbekannte Quantität im Herz?
Die werfen wir heraus durch's Transponieren;
Das ist uns Mathematikern nur Scherz.

O möchte Röschens Mund mein Glück verkünden,
Denominiert wär' dann schon das Problem!
Wie leicht wär's dann, höchste Mensur zu finden,
Wenn man gemeinsam diesen Maßstab nähm?

Ich lobe mir die
Axis conjugatus;
Wie wird die Lösung des Problems mich freu'n!
Wie süße will ich ruh'n an ihrer
Latus,
Wie sanft schlaf ich an ihrem
Sinus ein!

Die Tobakspfeife

Mag auch draußen wilder Sturm
Laut den Wald durchbrüllen,
Und den grauen Kirchenturm
Regenflor umhüllen,
Wenn nur meine Pfeife glüht,
Und der Dampf in Wolken zieht.

Prächtig wallt er in die Luft;
Weiber nur und Gecken
Können bloß Lavendelduft,
Nicht die Blätter schmecken.
Laßt den Toren ihren Brauch;
Männer ziert der Blätterrauch.

Wenn sich trübt mein froher Blick,
Wenn ich schmoll' und zürne,
Scheucht der Rauch im Augenblick
Wolken von der Stirne.
Rauhe Mienen werden sanft,
Wenn mein liebes Pfeifchen dampft.

Nicht nur deutscher Gauen Brauch
Ist das edle Rauchen.
Stolze Muselmänner auch
Lieben's Tobak-Schmauchen.
Selbst des Muftis Pfeife glüht,
Daß man kaum den Turban sieht.

Alles daurt nur kurze Zeit:
Essen, Trinken, Lieben,
Und es hat von Eitelkeit
Salomo geschrieben:
Daß nichts in der Welt besteht,
Lehrt mein Rauch mich, der vergeht.

Liebes Pfeifchen dampfe nur,
Schönste meiner Freuden;
Pfeifchen höre meinen Schwur:
Nichts mehr soll uns scheiden,
Bis der letzte Atemzug
Mich ermahnt: Es ist genug! —

Lied der Schmiede

Wir Schmiede sind lustige Brüder
Früh öffnen wir schon unser Tor.
Wir grüßen die Sonne durch Lieder,
Und schwingen den Hammer empor.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Wir hämmern mit fröhlicher Miene,
Wenn Faulheit im Bette noch ruht;
Dem hohen, schwarzen Kamine
Entsprühen Ströme von Glut.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Wir schmieden schreckliche Waffen,
Dem drohenden Säbel, der klirrt,
Die Frieden dem Vaterland schaffen,
Von mutigen Händen geführt.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Doch müh'n wir uns nicht bloß für Kriege,
Und für des Soldaten Bedarf;
Wir schmieden auch nützliche Pflüge,
Und Sicheln und Sensen wie scharf! —
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Zwar sind wir bestaubet mit Ruße,
Dann drohen wir Mädchen zum Scherz
Mit einem freundlichen Kusse;
Doch rein ist stets unser Herz.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Und Sonntags steh'n wir im Prunke,
Wir kräftigen Söhne des Lands,
Und führen die Mädchen zum Trunke,
Und zu dem wirbelnden Tanz;
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Es schwitzet darum nicht vergebens
Beim Amboß der fleißige Schmied.
Bis auf dem Herde des Lebens
Der letzte Funke verglüht.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank!

Den Hammer legen wir nieder,
Die Werkstatt schließen wir zu;
Und unsre ermüdeten Glieder
Labt jenseits ewige Ruh'.
Pinkpank, Pinkpank, Pinkpank.

Verzweiflung eines Friseurs

Ja, Welt-Tyrannin, unbarmherz'ge Mode,
Und wandelbar, gleich dem Chamäleon;
Dir weiht mein Grimm jetzt schimpfend diese Ode;
Verderben deinem tausendjähr'gen Thron! —

Das Reich der majestätischen Perücken
Zertrümmerst du Haarbeutel und den Zopf,
Womit sich ehmals mit erhabnen Blicken
Gebrüstet hat manch Hirnentblößter Kopf.

Betäubt entsinken meiner Hand die Quasten:
So ist's des Schicksals eisenfester Schluß.
Nicht mehr soll ich ein menschlich Haupt betasten,
Und sterben bald vor Ärger und Verdruß.

Einst schimmerten, gleich schneebeeisten Forsten,
Die Haar', umringt von Liebesgötter Chor;
Jetzt sträuben sie, gleich rauhen Igel, Borsten.
Gleich Eumeniden — Schlangen sich empor.

Ja, spottet nur, der Mode treue Jünger,
Verdinget euch auf ewig ihr zum Knecht.
Bald spüret ihr der Gottheit schweren Finger;
Hohnlächelt immer, bald bin ich gerächt.

Mein Fluch beginnt, bereits sich zu erfüllen,
Merkt ihr's nun, daß gerechte Götter sind? —
Das jüngste Herrchen tragt schon seine Brillen,
Bald werdet ihr total zur Strafe blind.

Die Kindsmörderin
Nach einer Anekdote von Kretschmann

Neulich saß im Mondenscheine
Ich im düstern Erlenhaine;
Ringsum herrschte milde Ruh';
An der Quelle Veilchensaume
Deckte sanft mit süßem Träume
Meine Phantasie mich zu.

Sieh, da rauscht's nach Geistessitte
Durchs Gebüsch, mit leisem Schritte
Wie der Elfen lustig Heer
Schwebt die Tochter des Verwalters,
Einz'ge Freude seines Alters,
Röschen feierlich einher.

Mit der Stirne voll Erbarmen
Trug sie auf den zarten Armen,
Einen schon verschloßnen Sarg,
Der — das ließen ihre Tränen
Mich und ihre Seufzer wähnen —
Etwas heiß Geliebtes barg.

"Ach!" sprach sie mit tiefem Kummer,
"Schlafe sanft den süßen Schlummer
In der Erde kühlem Schoß.
Immer werd' ich dich erweinen,
Bis mit dir mich zu vereinen,
Mein Gebein bedeckt das Moos.

Dann wird sich mein Jammer enden."
Hier grub sie mit zarten Händen
In die Erd' ein kleines Grab,
Und mit einem Blick voll Schmerzen
Senket mit zerrißnem Herzen
Sie den kleinen Sarg hinab.

Rollet drüber Erd' und Steine,
Und entschwebt dann aus dem Haine,
Blickt oft nach der lieben Gruft.
Durchs Gesträuch sah' ich sie wallen,
Hörte noch die Seufzer schallen
In der westbewegten Luft.

Nimmer gibt es Mädchen-Tugend,
Wenn die Blüte solcher Jugend
Schon der Wollust Wurm zernagt:
Armes Opfer geiler Lüste,
Wie dir von dem Strafgelüste
Blutig bald der Morgen tagt!

Nun wollt' ich nicht ohne Grauen,
An den kleinen Leichnam schauen,
Den das enge Grab verbarg.
Sieh, da lag im weißen Kleide,
Mit der Haub aus roter Seide
— Röschens Schoßhund in dem Sarg.

Pachomius und der Teufel
Nach dem Französischen

Einst betet auf dem heimlichen Gemach
Der heilige Pachomius sein Brevier
Da kam ihm gleich der Teufel nach,
Und tritt herein durch die versperrte Tür.

Er grinst den Heiligen recht höhnisch an, und spricht
Des falschen Eifers voll: "Du altes Schwein,
Unflät'ger Mönch! schämst du dich nicht,
Auf dem Privet der Andacht obzuliegen?" —

"Ereifere dich nur nicht," so spricht mit munterm Spott
Pachom zu ihm, "auch du sollst deinen Anteil kriegen,
Und ja mit mir nicht unzufrieden sein.
Merk nur: Was aufwärts steigt, das wid'm ich meinem Gott;
Was abwärts fällt — das Belzebub — sei dein!"

An den Magen

Schon lang ist's Mode, armer Magen,
Du weisgebautes Körpersglied,
Dir alles Böse nachzusagen!
Ich aber weihe dir ein Lied.

Es schmäh'n auf dich die Moralisten,
Und nennen dies den faulen Schlauch,
Und kam's auf sie nur an, wir müssen,
Wie Engel leben ohne Bauch.

Doch sind sie nur für Andre strenge,
Denn niedlich ist ihr Tisch gedeckt,
Man sieht's, daß trotz dem Wortgepränge
Ein Rebhuhn ihrem Gaumen schmeckt.

Oft mußt für fremde Schuld du büßen,
Mißbrauchen Schwelger dein Bemühn;
Zum Dank, daß du die Leckerbissen
Verschlengst, reicht man dir Medizin.

Du bist nicht wie wir Reiche sehen,
Die ohne Sinn für Nächstenpflicht
Zu nehmen ewig nur verstehen,
Zu geben aber pflegen nicht.

Zwar bleibst du ruhig in der Mitte,
Und harrst bis man dir Speise beut;
Doch pflegst du nicht nach Schlemmerssitte
Dabei bloß der Bequemlichkeit.

Wahr ist's, für dich müh'n sich die Glieder.
Du scheinst geschaffen nur zum Schmaus;
Doch strömst in sie du dankbar wieder,
Was du empfingst, als Säfte aus.

Du bist nur feind dem wüsten Zecher,
Lohnst mit Gesundheit Mäßigkeit,
Erwachst nur dann als strenger Rächer,
Wenn man zum Schwelgen dich mißbraucht.

Der Astrolog

Einst war die Zeit, da man in den Gestirnen
Sein Schicksal las,
Und ob die Parzen lächeln oder zürnen,
Die Sterne maß.

Da waren noch der Sternenkunde Priester
Den Fürsten gleich;
Regierten oft als Premier-Minister
Ein ganzes Reich.

Jetzt höhnet man, was man nicht kann erfassen,
Und nennt es Wahn;
Der Pöbel spricht, zu prophezeien aus Tassen,
Zigeuner an.

Der weissagt Väterchen mit sechzig Jahren
Noch Frau und Kind;
Ein Männchen noch Altmütterchen mit Haaren,
Die grau schon sind.

Ich selbst bin nie ein Astrolog gewesen,
Guckt' nie empor;
Doch kann ich deutlich in den Sternen lesen,
Auch ohne Rohr.

Nicht in des Äthers dunkelblauer Ferne
Strahlt mein Gestirn;
Ganz nahe glüh'n zwei wunderschöne Sterne
In runder Stirn'.

Auch pflege ich nicht Andern wahrzusagen,
Um mein Geschick
Will ich die holde Sterne nur befragen
Mit einem Blick.

Wenn unter schwarzer Locken dunkelm Saume
Mein Sternlein glüht,
Und in der zarten Stirne glattem Raume
Gewölke zieht, —

Ein Zeichen ist's, das Sturm und Krieg und Plage
Und Wetter spricht,
Das plötzlich los mit einem derben Schlage
Des Fächers bricht.

Und leuchtet mir mein Sternlein plötzlich trübe,
Mit düsterm Schein,
Dann wird nicht fern am Horizont der Liebe
Der Regen sein.

Doch wenn mein Sternlein klar und fröhlich schimmert,
Und lieblich strahlt,
Wie Hesperus in Sommernächten flimmert
Auf Flur und Wald.

Dies deutet Glück, das, wie die Sterne sagen,
Mir zugedacht,
Verkündet mir nach vielen heitern Tagen
Noch schön're Nacht.

Witwenleben

Man reißt sich aus am Sterbetag
Verzweiflungsvoll die Haare,
Und wanket blaß mit lauter Klag'
Nach hinter Mannes Bahre.

Man läßt ein Monat dann vergeh'n,
In süßem Wehmutsschauer;
Den jungen Witwen steht so schön
Die elegante Trauer.

Im zweiten Monat fängt man an,
Schon Langweil zu empfinden,
Und auch (wie man sichs denken kann),
Die Nacht sehr lang zu finden.

Im dritten Monat wird es Licht
In Mienen und in Blicken,
Man wäscht das Tränen-Angesicht,
Und fängt an sich zu schmücken.

Im vierten Monat sieht man ein,
Daß der entschlafne Gatte
Nicht war von allen Fehlern rein,
Fatale Launen hatte.

Im fünften Mond — man ist noch jung —
Nach langen Trauertagen
Pflegt man, nur zur Erheiterung,
Ein Walzerchen zu wagen.

Man hängt die Trauer an die Wand,
Samt keuschem Witwenschleier,
Und sieht sich klüglich unter Hand
Um einen hübschen Freier.

Wer wollte ewig Witwe sein? —
Im sechsten Mond im Jahre
Tritt mit dem Männchen, glatt und fein,
Man zu dem Brautaltare. —

Wetter-und Schicksals Prophezeihung
auf das Jahr post Christum natum 1827

"Herr Kantor sagen sie uns an —
Sie sind ein Mann von Jahren,
Ein weiser, hochstudierter Mann,
Und haben viel erfahren;
Was wird dies Jahr für Wetter sein?
Soll man sich fürchten oder freu'n?" —

So sehr's mir auch zum Ruhm gereicht,
Daß sie mich so betiteln,
So kann ich doch so was nicht leicht
Just aus dem Ärmel schütteln;
Es ist die
Mathematica
Gravissima scientia.

Astronomia vollends gar,
Da muß man Sterne fragen;
Doch gegen billig Honorar
Will ich mich nicht entschlagen.
Käs, Eier, Butter, Brot und Schmalz,
(Kann Alles brauchen) Flachs und Salz.

Gott segnet meine Ehe mit
Zwölf Kindern, leben eilfe.
Die Jungen haben Appetit,
Sie fressen wie die Wölfe.
Ich selbst gehöre auch dazu,
Trink auch mein Gläschen gern in Ruh'.

Doch meine Herrn! Ich muß zuvor
Die Sterne erst sondieren,
Deshalb belieben Sie vor's Tor
Mit mir nun zu spazieren.
He, Christoph, trag den Tubus nach,
Im Winkel sieht er unterm Dach.

Nur stille, meine Herrn, nur still;
Werd' jetzt zu Werke schreiten. —
Ei, Ei, der Stern Saturnus will
Mir gar nichts Gut's bedeuten;
Doch
Venus in Quadrangulo
Die macht mich wieder frisch und froh.

Es läßt dies Jahr sich trefflich an,
Viel Glück ist uns beschieden;
Und kommt dies Jahr kein Krieg heran,
So bleibt es richtig Frieden.
Wenn ferners Alles wohl gedeiht,
Bekommen wir die beste Zeit.

Ein jedes Kind, das heu'r im Jahr
Geboren wird auf Erden,
Kriegt blondes oder schwarzes Haar,
Doch kanns auch anders werden.
Ist übrigens schön von Gestalt,
Wenn keines stirbt, so wird es alt.

Der Frühling stellt zuerst sich ein —
Daran ist viel gelegen —
Sobald es aufhört Winter sein;
Vielleicht bringt er uns Regen.
Doch, wie's die Witt'rung manchmal treibt,
S'kann sein, daß es schön Wetter bleibt.

Gerät die Aussaat, oder nicht? —
Davon die Sterne schweigen;
Ein Tor, der sich den Kopf zerbricht —
Im Herbste wird sichs zeigen.
Ich denke, daß die Saat gerät,
Sobald schön das Getreide steht.

Im Sommer — (lehrt mein Tubus mich) —
Gibt's eine große Hitze,
Und jedes Wetter bringt mit sich,
Viel Donner und viel Blitze;
Die schlagen — wie kann's anders sein?
In Häusern oft und Scheuern ein.

Im Herbst ist es nicht mehr so heiß
Auf Feldern und auf Straßen.
Und wie ich recht bestimmt es weiß, —
Sie können sich verlassen,
Gibts Weizen, Haber, Korn genug,
Wenn dieses Jahr kein Wetter schlug.

Rückt endlich dann der Winter an,
Der noch kein Jahr uns fehlte,
So gibts, wie man sich denken kann,
Viel Schnee und viele Kälte,
Die wie es geht nun in der Welt,
Zuweilen steigt, zuweilen fallt.

So, meine Herrn, steht's nun dies Jahr;
Auf's Jahr, wenn wir's erleben,
Will ich für billig Honorar,
Bescheid aufs Neue geben.
Jetzt können sie nach Hause geh'n,
Ihr Diener, bis auf's Wiederseh'n.

Die Grammatik der Liebe

Gar heilsam ist's, die Liebe zu studieren
Dem Jüngling, wie dem Mann.
Drum wollen heute wir mit Deklinieren
Die Lehre fangen an.

Das
generis communis ist die Liebe,
Nur üblich im Plural;
Weil zu empfinden gleich gestimmte Triebe
Zwei müssen sein an Zahl.

Wenn ich das Mädchen, das ich lange kenne
(Ihr Blick dringt tief)
Euch allen jetzt bei ihren Namen nenne,
Ist's der Nominativ.

Vom Genitiv St! — Doch den Dativ wissen
Muß Jeder der da liebt.
Wohl dem, der ihn mit wonnevollen Küssen,
An seinem Mädchen übt.

Will sie zu einem Kuß sich nicht bequemen,
Aus Starrsinn allzumal,
Muß man mit dem
Accusativ sie zähmen
Vor Amors Tribunal.

Wenn um mich — wär's auch Scherz nur — zu berücken
Mein Mädchen mir entlief,
Ruf ich sie schnell mit Worten und mit Blicken,
Dies ist der
Vocativ.

Wenn nun sich die Potenz der Liebe steigert,
So braucht man einen Kniff;
Und nimmt, wird dem
Dativ der Kuß verweigert,
Ihn mit dem
Ablativ.

Mäher-Lied

Wie Balsam weht die Morgenluft
Auf Höh'n um alte Linden,
Und Blumen hauchen süßen Duft,
Und graue Nebel schwinden.

Hinab in's dunkle, kühle Tal,
Wo zwischen Erlen-Bäumen,
Am klippenreichen Wasserfall
Die Silberwellen schäumen.

Wo unterm grünen Blätter-Dach
Die Amseln singend sitzen,
Und auf der Flur am blauen Bach
Des Taues Perlen blitzen.

Wo um die graue Felsenwand
Die Morgenröte bebet,
Und um der Quelle Blumenrand
Der Rosenschleier webet.

Wetzt eure Sense, daß sie blinkt,
Und jubelt frohe Lieder;
Vor euern raschen Streichen sinkt
Der Schmuck der Fluren nieder.

Saftreiche Kräuter mähen wir
Der Kuh zu süßem Futter,
Und sie reicht uns zum Dank dafür,
Milch und wachsgelben Butter.

Seid munter, wenn euch schon der Schweiß
Von Stirn und Wangen fließet;
Lang Leben ist der Arbeit Preis,
Das Heiterkeit versüßet.

Wenn übern schwarzen Tannenhain,
Hinab die Sonne sinket,
Auf stille Flur mit milden Schein
Des Mondes Scheibe blinket

Und dunkle Nacht mit Schattenkranz
Den Eichenwald umgittert,
Und goldner Sterne sanfter Glanz
An Alpenhütten zittert,

Dann schmeckt auf Heu uns Schlaf und Ruh
Als wie auf seidnen Kissen,
Deckt Frohsinn uns mit Rosen zu,
Und unser gut Gewissen.

An einen gefangenen Floh

Gefangen kleiner Räuber, ha, gefangen!
Wer rettet dich? Du bist in meiner Macht;
Wird dir nicht vor dem Strafgerichte bangen,
Räch' ich mich für schlaflose Mitternacht? —

Wie oft hast du mit Kannibalen-Bissen,
Den Rücken und die Arme mir zerfleischt?
So quält bei Nacht den Wucherer sein Gewissen,
Wenn die gedrückte Armut Rache heischt.

Wer kann, wie du, so hoch empor sich schwingen,
Tief von der Ferse bis hinauf zum Knie?
Selbst Lavater ersah's an deinen Sprüngen,
Daß du bist ein geborenes Genie.

Doch ohne Scherz, was soll ich mit dir machen,
Du braun montierter, flüchtiger Husar? —
Soll wie ein Rad mein Nagel auf dir krachen?
Sträubt sich vor Furcht gen Berg dein borstig Haar? —

Hör denn! Ich will aus Großmut dir vergeben,
Verziehen sei für diesmal deine Schuld.
Dir Inquisiten wird geschenkt das Leben,
D'rum bess're dich, und preise meine Huld.

Doch ganz umsonst kann ich dich nicht entlassen;
Du mußt — auf diese Art nur wirst du frei —
Was ich dir jetzt befehle, sorgsam fassen,
Und es vollzieh'n gewissenhaft und treu.

Du sollst jetzt hin zu einem Mädchen hüpfen,
Und diese Nacht mein Rache-Engel sein;
Hab Acht: wenn sie wird in ihr Bettchen schlüpfen,
So hüpfest du zugleich mit ihr hinein.

Korsaren gleich fall an sie ohne Gnade,
Dein Stachel färbe sich mit ihrem Blut;
Zerstich sie von dem Nacken bis zur Wade,
Damit sie auch nicht eine Stunde ruht.

Wie süß wird dir das Blut, mir Rache schmecken,
Wenn es begierig deine Zunge leckt;
Ha, Falsche, so wie dich die Flöhe necken,
So hat verschmähte Liebe mich geneckt:

Hat wie ein Floh getobt in meinem Herzen,
Geraubet mir den Schlaf der Mitternacht;
Empfinde, Mädchen, einen Teil der Schmerzen,
Die deine Härte mir bisher gemacht.

Vielleicht wirst du gebessert dann bereuen,
Durch Selbstgefühl belehrt, die Grausamkeit,
Und dann dich meiner treuen Liebe weihen,
In Zukunft mit der größten Zärtlichkeit.

Mißmut und Lebenseinförmigkeit

Die Nacht entflieht, der Tag graut in der Ferne,
Wie eine Wache pünktlich ruft der Hahn;
Und Phortus löschet aus die Mondlaterne
Und tummelt, wie gewöhnlich, sein Gespann.

Madame Aurora macht erst die Toilette,
Und schminket tüchtig sich das Angesicht,
Dann tritt sie buhlerisch zu meinem Bette,
Liebäugelnd weckt sie mich mit ihrem Licht.

Mittags kommt dann in vollester Parade
Der Sonnen-Gott her über Berg und Tal;
Er brüstet sich und brennt nur ohne Gnade
Die fünfzehn Haar meines Scheitels kahl.

Nun schleicht die Nacht herbei zu meinem Fenster,
Ich hör' es laut, wie ihr Pantoffel scharrt,
Es gucken durch Gardinen die Gespenster,
Indes die alte Türe schaurig knarrt.

Zeit ist es, die Tragödie zu beschließen,
Und zu verlassen dieses Schauspielhaus,
O lieber Hain, lösch' er in den Kulissen
Die matten Lampen meines Lebens aus.

An die Küche

Nichts ist in Wasser, Feuer, Luft und Erde,
Was nicht beging ein dichterisch Genie,
Nur von der Küche und von ihrem Herd
So viel wir wissen, sang ein Dichter nie.

Kein Stoff ist dieses für Appollos Söhne,
Der zur Begeisterung ihren Flug erhebt.
Den Dichter reizt, der nur von Hipokrene,
Von dünner Suppe und Kartoffeln lebt.

Gesagt sei es, zu unsrer Zeiten Ehre:
Mehr als den Dichter schätzt man den Hanswurst,
Und sängen unter uns auch noch Homere,
Sie litten Hunger, auch wie wir, und Durst.

Ich aber will, o Küche, dich besingen,
Wo auf dem schwarzen Herd die Köchin thront;
Vielleicht kann ein Stück Braten ich erringen,
Womit sie meine Muse huldreich lohnt.

O Küche, sind auch rußig deine Wände,
So bist du doch des Schlemmers Paradies;
Für ihn bereiten kunsterfahrne Hände,
Was sie Genie und Fleiß erfinden ließ.

Dir leisten willig ihre reichen Schätze,
Das Tier- und Pflanzenreich, das Mineral,
Daß ihr Gemisch des Prassers Gaum ergötze,
Wenn froh er sitzt beim schwelgerischen Mahl.

Hier ist das Reich des Tods; es mäht die Hippe
Geflügel (so würgt in der Schlacht das Schwert),
Und müd' vom Morden lehnt mit blasser Lippe
Der Tod sich hin auf blutbespritzten Herd. —

Es prophezeit der Küchenrauch das Wetter,
Wie sichs am Horizont der Freundschaft zeigt,
Er ist ein sicherer, treuer Barometer,
Mit dem die Freundschaft pünktlich fällt und steigt.

Einst Mode war's, daß sie nur Köche hatten;
Die sind in Bettelklöster nun verbannt
Es speisen jetzt selbst Fürsten und Magnaten
Viel lieber nur von einer schönen Hand.

Es wird kein Koch mehr aus Paris verschrieben;
Was brauchen wir französischen
Haut-Goût?
Laßt uns dafür die deutsche Kochkunst lieben,
Und eine deutsche Köchin auch dazu.