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Die Abendglocken läuten,
Du wandelst durch die Flur,
Und denkst der süßen Tage,
Als ich mit Liebesklage
Vereint der Liebe Schwur.

Und bei den Träumereien
Von längst genoßnem Glück,
Bewegt tief im Gemüte,
Tritt wie der Tau der Blüte
Die Träne in den Blick.

Zu trocknen diese Träne,
Schwebt leis mit stillem Gruß
Auf leichtbeschwingten Füßen
Ein Zephier, Dich zu küssen —
Das war mein Genius.
 


III. Das Bild

 

An eines sonn'gen Hügels blum'gen Rand
Lehnt sich ein Hüttchen, ringsum reiches Land.
Die Ähren überstrahlet Sonnenglut
Und läßt sie wogen eine gold'ne Flut;
Es ist ein Wallen, Regen und ein Rauschen,
Ein Köpfenicken und ein Küssetauschen,
Wie auf dem Markt im wogenden Gedränge
Geschäftig treibt und strebt des Volkes Menge.

Hart an das Hüttchen stößt ein kleiner Garten
Mit schmucken duft'gen Blüten aller Arten,
Die Rose dort den Purpurkelch erhebt
Und neben ihr die Tulpe höher strebt,
Duftlos, nur überreich an äuß'rer Pracht
Im Blnmenreich ein Bild geistloser Macht,
Dort hat sich die Viol' im Laub versteckt.
Glühwürmchen war des Nachts zu ihr gekommen,
Doch weil sein Lichtlein allzuhell erklommen
Hat Blümlein fürchtend, daß man es entdeckt,
Mit einer kleinen Raupe angesponnen,
Die um der Blüte dünnen Stengel kriecht,
Sich nährt von ihrem Saft im Sonnenlicht,
Und eh' vielleicht ein kurzer Mond verronnen,
Mit schändlichem und herzlosem Gemüte,
Und feist geworden an der armen Blüte,
Als Falter sie verläßt, sich auf den Auen
Nach einem schmuckern Liebchen umzuschauen;
Ein Junker, der so schändlich sich entfernt
Vom Liebchen, hat's dem Falter abgelernt.
Und auf des Teiches eb'ner Spiegelflut
Ein Stück des endlos weiten Himmels ruht,
Desselben Himmels, welcher heute blau
Und morgen blitzeschwanger, wolkengrau,
Und dessen Sonne heut die Blüten weckt,
Die Knospen springen macht aus ihrer Hülle,
Und dessen Blitz dich morgen tief erschreckt
Und Eichen niederschmettert mit Gebrülle.
Ja! dieser ungewisse Himmel ruht
Sanft auf des Teiches silberheller Flut,
Wie abgespiegelt aus der Unschuld Blick
Des Räubers Bild anmutig strahlt zurück,
Und dich, wenn es dir draus entgegenlacht,
Daß es ein Mörder ist, vergessen macht.
Auf seiner Fläche schwimmt ein Schwanenpaar
Und kräuselt sanft die Flut, die runden Bahnen
Durchkreuzen sich; so mag des Menschen Ahnen
In seines Nächsten Denkkreis wunderbar,
Geheimnisvoll sich, unenträtselt senken,
Und so verketten aller unser Denken.

Hoch in der Luft, balsamisch rein und heiter,
Da klettert auf der Töne Himmelsleiter
Die Lerche immer höher und ihr Lied
Fühlt nicht allein die freie Menschheit mit,
Sie darf mit glutdurchdrungenem Gemüte,
Wenn es im Zauber der Natur erglühte,
Dasselbe auch in lauten Hymnen singen.
Ach! diese vollen Freiheitstriller dringen
In jedes Herz, denn gleich der Lerche frei
Sind jetzt die Sterblichen und die Gedanken; —
O! nicht mehr eingepfercht in enge Schranken
Löst Freiheitslust in einen bangen Schrei
Sich auf; das Wort, das hehre, heil'ge schafft
Und wirkt in seiner angestammten Kraft. —
Lang labte sich der Menschen zager Geist
Am Lerchensange bloß im Himmelblauen;
Nun er die Fessel, die ihn hemmte, dreist
Zerriß, wallt frei ein Gott er durch die Auen.
Denn auch von Auenpracht und Sonnenscheine,
Von Lenzesfrische und von Blütenduft,
Und wenn zum Herzen dann die Lerche ruft
Erwacht in Menschenbrust der Gott-Gedanke,
Droht Allem, was ihn fesselt, mit Vernichtung
Und in dem Auferstehungskleid der Dichtung
Schwebt er empor zum Himmel ohne Schranke!
Läßt frei in himmlisch schönen Liederchören,
Wie sie gesungen deutschen Sanges Meister,
Entzückend und entflammend alle Geister,
Und sie zu Taten drängend, dann sich hören.

Ums Häuschen schlingen sich die saft'gen Reben
Und halten es mit ihren grünen Armen
Umschlungen sanft, indes die lenzeswarmen
Und gold'nen Sonnenstrahlen Kreise weben
Und über Blatt und Beere glühend streifen.
Darin das Tränkchen der Begeistrung reifen;
Zuvor in einer Traubenbeere lag.

Und auf der Straße, die zum Hüttchen führt,
Sich emsig kummerloses Leben rührt:
Dort ziehen Schnitter heim und singen Lieder,
Erzählen Märchen sich und singen wieder.
Ach! denn das Lied in jedes Menschen Brust,
Ein treuer Engel ist's in Leid und Lust.

Ein Wandrer, einsam, wallt den breiten Pfad,
Gar munter blickt er drein; den Frohen hat
Gewiß vor Kurzem erst ein Leid gequält,
Du er es heut so mit der Frende hält
Und wohl vergaß er daß nach Sonnenschein
Auch wieder Stürme und Gewitter dräu'n.
Dort treibt ein Hirt in's Stall die trägen Rinder,
Sie traben langsam fort, die fette Flur
Macht feister sie, von Tag zu Tag gesünder, —
Zum Leben braucht man Ruh' und Nahrung nur.
So unlängst noch Regierungen die lieben,
Getreuen Völker gleich den Rindern trieben
Zum Mittagsfraß und Nachts ins Ebebett;
Da aber ist der große Tag gekommen
Und es in jeden Volkes Brust erglommen,
Daß sich die Welt um andre Angeln dreht
Als Kost und Ehebett, und daß der Geist
Die Achse ist, um die der Erdball kreist.

Inmitten zwischen solchem heitern Leben
Rollt auf der Straße hin ein prächt'ger Wagen;
Er taugt zur Landschaft nicht, die Rosse jagen
Auch um so rascher hin, als ob sie eben
Das fühlten, was der Reichbesternte kaum
Jetzt fühlen möcht' in der Karosse Raum.
Und vor der Hütte hält der Schwimmer still,
Ein greiser Mann steigt langsam aus dem Wagen;
Es scheint das nette Haus ihm zu behagen,
Da dessen Inn'res er besehen will.
Schon tritt er durch das Pförtchen in das Zimmer,
Auf dessen Wand spielt gold'ner Sonnenschimmer.
Nun steht der Fürst selbst in dem Sonnenkreis
Und fast zu tauen scheint des Herzens Eis,
Er sieht das Kämmerlein mit trauten Blicken
So freundlich an, es scheint ihn zu erquicken.
Da rauschen draus im Feld die gold'nen Ähren.

Schon sieht er seiner Orden reiche Last
Ins schönre Gold des Sonnenscheins gefaßt
Und fühlt, wie auch die heit're Stube klein,
So schließt sie dennoch seine Größe ein.
Er fühlet wie er dasteht hoch entzückt,
Wie solch ein Hüttchen reich am Sonnenscheine,
Mit einem Gärtchen, wie das duft'ge kleine
Zur Freude eines Menschenseins genügt, —
Da mahnt es gar ihn, wie zu seinem Leben
Viel Tausende ihr warmes Herzblut geben.—

In Garten aber nagt die arme Blüte
Die Raupe an mit herzlosem Gemüte
Und sauget sich an ihrem süßen Mark,
Mit Küssen sie berückend, feist und stark;
Entkräftet sinkt alsbald die Blume nieder,
Ihr Kelch erblaßt, die Blätter dorren ab,
Der erste Hauch verweht sie hin und wieder,
Ein Fels, ein Strauch, ein Acker sind ihr Grab.
O hättest du der Raupe zugeseh'n,
Du hättest müssen, stolzer Mann, erröten,
Da du und deine Brüder es verstehn
Der Blüte gleich ein armes Volk zu töten! —

Zum Fenster schwankt der Fürst von Scham durchglüht.
Denn längst berührten eines Vogels Lieder,
Der dort im Käfig klagte, sein Gemüt;
Sein Herzblut wallt gar hastig auf und nieder. —
Im Freien aber schlug in hoher Luft
Die Lerche hell und laut, daß in's Gemach
Zu des gefangnen Vögleins Weh und Ach
Und zu der Gartenblume frischem Duft
Die jubelvolle Freiheitshymne drang
Und in des Fürsten Herzen wieder klang, —
Da schnitten sich, wie auf dem Teich die Kreise
Der Wellen, die das Schwanenpaar so leise
Gezogen hat, mit eines Volkes Ahnungen
Im Kämmerlein des Fürsten stille Mahnungen,
Es tauchet aus der Tiefe seiner Seele
Ein heiliger Gedanken auf; er fühlt,
Was schon zu lange seinem Volke fehle,
Und jeder neue Schlag der Lerche wühhlt
Gewalt'ger in sein Herz; dazwischen wieder
Des Vogels in dem Käfig Klagelieder.

Das ist ein Wechsel fast von Weh und Lust,
Daß es ihm zu zersprengen droht die Brust.
Hinaus zieht es ihn, fort, mit Allgewalt,
Das Stübchen wurde ihm zu enge bald —
Nun fällt ihm in das Aug' ein schmucklos Bild,
Ein welker Kranz frischer Erinnerungen
Hält dieses Kleinod inniglich umschlungen,
Das einen Jüngling vorstellt, sanft und mild. —
Der Fürst steht da, als wär' er fest gebannt,
Denn in dem Bilde hat er sich erkannt,
Wie er in Jugendglut vor vielen Jahren
Als Recht und Volkesglück ihm heilig waren,
Als noch sein Herz der Hort der reinsten Triebe,
Als er noch Priester war im Haus der Liebe,
Den Kranz gebracht der Holden, die er dann
Vergessen hatte als ein falscher Mann.
Laut schlug im Herzen der Gewissenshammer.
Da öffnet sich die Tür der Rebenkammer
Und kaum über die Schwelle trippelt leis
Ein Mütterchen, das Haar schon silberweis,
Und tritt zum Fürsten, den sie nicht erkennt,
Indes sein Herz ihm ihren Namen nennt.
Ein Wiedersehn, wie selten eins im Leben!
Das Mütterchen blickt lächelnd nach dem Bild,
Ach und mit Worten, zitternd aber mild,
Die Seufzern gleich von ihren Lippen beben,
Beginnt sie: "Ach! das waren schöne Tage!"
Und schweigt, nur eine Träne perlt im Blick,
Es ist das einz'ge Zeichen einer Klage
Um ein empfund'nes, schnell verlornes Glück.
Da stürmt der Fürst in wilder Hast hinaus,
Es hielt ihn nimmer in dem kleinen Haus.
Er will nicht an die Tage seiner Jugend,
An jene Zeit des Biedersinns, der Tugend
Erinnert sein, ach denn sein wüstes Herz,
Einst der Gefühle heilig Tabernakel,
Glüht als unheil'ger Triebe lohe Fackel,
Gibt keinen Ton mehr, wie gesprung'nes Erz.

Rasch trägt ihn fort der Wagen, spornstreichs jagen
Als sollten sie aus dieser Welt ihn tragen,
Die Rosse hin und die Gedanken nur
Ziehn rascher noch vorbei als Wald und Flur — —
Gar bald vergaß er Alles im Salon,
Der Heimat eitlen Prunks, wo reicher Flitter
Herzlose Damen ziert und blöde Ritter,
Wo alle Regungen erstickt der Hohn,
Der Spott und Witz der Höflingsschar, der feilen,
Die wie um Sirup Fliegen alldort weilen.

"Ein freies Volk" so heißt das Ideal,
Wofür ein Fürst im flammenden Gemüte
In heiliger Begeisterung goldnem Strahl
Voll Jugendlust und Tatendrang erglühte.
Im Taumel doch wollüstiger Vergnügen,
Die nie gesättigt er mit frischen Zügen
Ein toller Junge schlürft, vergaß er bald
Das holde Bild der Jugendfantasien,
Und was dem Jünglinge noch edel galt
Löst sich dem Greise auf in Ironien.
Das Volk, das er getäuschet schlau und klug,
Erlahmte unter schnödem, hartem Druck.
Dem geist'gen Fortschritt eine steile Wehr
Wacht' um dasselbe der Spione Heer,
Und rings umstellt von Tausend Bajonetten
Seufzt es ersterbend unter seinen Ketten.
Da versetzt ein Traum ihn in die Zeit,
Als noch das Volk treu und voll Glutverlangen
An ihm, der es beglücken konnt, gehangen,
Das er betrogen um die Geistigkeit;
Das in der Wirklichkeit auf einer Krücke
Daher zu humpeln schien, sich sehnend noch
In seiner Knechtschaft bitterschwerem Joch
Nach dem geträumten nie genoßnem Glücke,
Das geistig frei zu sein, gewaltsam ringt.
Da rafft der Fürst sich auf, damit im Wachen
Der Taumel seines Traumes Bild verschlingt,
Er es vergesse unter Witz und Lachen,
Die jede Regung schon im Keim ersticken
Und jede Blüte des Gefühles knicken.

Wohl ahnt er nie in seines Herzens Tücke,
Daß einst das geisterstarkte Volk die Krücke
Ihm der ihm stahl des Geistes Sonnenlicht
Und es in Nacht und Dunkel nur ließ wandeln,
Der Dämme setzte seinem freien Handeln,
Kühn schleudern werde in das Angesicht;
Um sich in neuer Jugend, neuem Leben,
Vom Geist der Zeit gekräftigt zu erheben.

Glück auf! ruf' jubelnd ich dem Bergmann gleich,
Der an das Taglicht tritt aus dunkelm Schacht.
Glück auf! auch wir sind aus der geist'gen Nacht
Getreten in der Freiheit Lichtbereich.
Es ist vollbracht! Du bist mit einem Tag,
Mein Ö s t e r r e i c h , gekräftigt und beraten,
Und bist erstarkt mit einem Zauberschlag,
Zu deiner Völker Glück, zu großen Taten.