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Wenn Wellen sturmergrimmt ein Fahrzeug jagen,
Sind schwere schwarze Wolken vorgeschoben,
Wenn Blitz und Donner durch das Dunkel toben
Die Schiffer bald im Schiffe schon verzagen,

Dann wirft den Anker man mit frommen Zagen,
Lugt nach dem goldnen Sternenlichtern oben
Und späht, wo rettend vor des Sturmes Toben
Ein schmaler Felsenriff mag gastlich ragen.

Herz! sturmgepeitschtes Schiff, wann wirst du finden
Die Rast? Wann glänzen dir der Hoffnung Sterne?
Wann endlich wird dein Rettungsanker gründen?
Wohl winkt ein Fels, doch dich zerschmetternd gerne!
Wohl glänzt ein Stern, doch Rettung nicht verkündend!
Der Anker fällt, den Boden nicht ergründend!
 


II. Das Kind des Sturmes

 

Der Himmel glänzt in rosenroter Glut,
Sich spiegelnd in des Meers kristallner Flut,
Die Wogen rauschen leise an den Strand,
Und spülen farb'ge Muscheln an den Strand,
So treibt des Denkens Flut in stetem Schwanken
Oft an den Strand des Lebens die Gedanken.

Die Wellen türmen, senken sich, das ist
Ein heimlich Tun und wie das rauscht und fließt,
Und wie sie traulich flüsternd, ohne Weilen
Rastlos die eine nach der andern eilen!
Was haben sich die Flüchtigen zu sagen?
O das ist Jammer nicht, das ist nicht Klagen!
So eilt die Freude nur, die noch im Lauf
Gefall'ne Blüten hebt vom Boden auf.

Hin durch die See zieht sich ein gold'nes Band,
Verknüpfend mit dem Meer das starre Land,
Und in den allertiefsten Hintergrunde,
Wo See und Himmel in dem engsten Bunde
In einem sel'gen Kuß zusammenfließen,
Dort steigt die Sonne in das Flutbenbad,
Das wogt und wallt! die goldnen Wogen schießen
In Hast empor, sobald die Jungfrau naht;
Man sieht sie um den Leib der goldnen Frau
Im lust'gen Taumel immer höher springen,
Bis immer matter aus dem Wogenblau
Die geisterbleichen Sonnenstrahlen dringen;
Das ist zuletzt ein Strahlenbrechen, Flimmern
Am Meeresgrunde ein gespenstisch Schimmern,
Da schon die tückischen und kühnen Wogen
Die Sonnenjungfrau in die Tiefe zogen;
Bis um das still geheimnisvolle Meer,
Das nächtlich graue Dunkel zieht daher.
Der Mensch lernt von den Wogen sich verschwören:
Das auserseh'ne Opfer erst betören
Mit Kosen und Küssen und mit Tücken
Die Sorge ihm benehmen, es berücken;
Es fassen, würgen dann mit kaltem Blut
Und es versenken in die dunkle Flut! —
O Mensch! in deinem Herzen, sanft und gut,
Da hatte das Verbrechen keine Rast,
Da war der Frevel nie ein heimscher Gast;
Doch als durch Denken du entdeckt die Spur
All der geheimen Wege der Natur,
Da mochtest du Unseliges beginnen
Und erst auf Frevel und Verbrechen sinnen.

Hin durch den Himmel sieht man Wolken wandern
Ein Sternlicht schon verlöschte nach dem andern,
So tilgt das Weh in tiefer Menschenbrust
Die tausend Stunden einst genoß'ner Lust.
Die Wolken lagern dicht und immer dichter,
Den Hintergrund durchzucken Blitzeslichter,
Wie Lächeln der Verzweiflung, tränenfeucht
Durch uns're gramverstörte Miene schleicht,
Das Meer, endlos und öd — die ferne Küste
Erspähet auch der schärfste Blick nicht mehr —
Liegt eine grauenvolle Wasserwüste
Und ächzt in seinen Tiefen bang und schwer.
Die Wellen, noch vor kurzem winz'ge Zwerge,
Erheben sich und werden Riesenberge;
So wächst in Menschenbrust auch der Gedanke,
Der los sich lösend von des Körpers Schranke,
Den Raum der Welt zu seinem Raume hat
Und endlich wird zur riesengroßen Tat.

Und auf des Meeres tiefstem Grund gekauert
Der fürchterliche Hai auf Beute lauert,
Den Raub hat er im Sturm nicht aufgegeben;
Und auch der kleinen Fische reiche Brut
Erbebend vor des Elementes Wut,
Birgt in Versteck und Schluchten bang das Leben,
Ein Schwarm von Heringen, erst herbeigekommen
Aus fernem Meer, der hoch zu rudern liebt,
Taucht auf den Grund, wo es Seepflanzen gibt
Die als Versteck ihm gut zu Statten kommen.
Ein Sägefisch, der noch nicht satt vom Morden,
Hebt sich empor und meint wohl, was die Wellen
Mit ihrer Wucht im jähen Sturz zerschellen,
Sei nur für seinen Fraß erschlagen worden;
Ansägend eines Klippfisch frische Leiche
Schmaust er das fette Fleisch, das zarte, weiche;
Da fährt ein Blitz ins Meer, zerspaltet ihn,
Und über beide stürzt die Woge hin,
So nährt im Leben dieb'scher Übermut
Von fremdem Mark sich längst verschollner Geister,
Worüber sich gewälzt der Zeiten Flut:
Wenn ein Gedankendieb schlau aufbeschwört
Im modischen Gewand den alten Meister,
Der längst schon der erwesung angehört;
Dann kommt zur Zeit der Flammenblitz  K r i t i k
Und schleudert beide in ihr Nichts zurück.

Selbst die Koralle lugt nicht mehr heraus
Und zog zurück sich in ihr Felsenhaus;
So zieht bestürmt, bedrängt von ird'scher Tücke
Der Mensch sich in sein Innerstes zurücke.

Und wenn im Donnerschlage die Wellen schüttern,
Da mag die Quelle halbbewußtlos zittern,
Und steckt die ausgestreckten Arme ein;
So fühlen wir im sturmbewegten Leben
Das arme Herz in tiefster Brust erbeben
Und alle Sympathien schlummern ein.
Die Perlenmnmuschel schließt sich fest und hemmt
Der reißenden Gewalt der wilden Welle,
Die ihr sonst rasch das Kleinod weiter schwemmt;
Denn solcher Schatz erzeugt sich nicht so schnelle,
Der Geist, daß ihn nicht Unverstand entweiht,
Schließt seinen Hort in sturmbewegter Zeit,
Der Wahrheit und der Weisheit heilig Wort
Reißt sonst die Welle kalten Spottes fort.

Und wer den Blick jetzt in die Tiefen richtet,
Der sieht wie sich's am Grunde hellt und lichtet.
Was sonst die dunkelblaue Himmelsau
Dem Auge zeigt, gewahrt er in den Tiefen:
Die Sterne, dir verhüllt von Wolkengrau
Heut auf der weiten Himmelsdecke schliefen,
Sieht auf dem Meeresgrunde, auf dem dunkeln
In wunderbarer Form man zahllos funkeln;
Die hoch am Himmel unbewegt sonst stehn,
Sieht in den Tiefen man sich wälzen, rollen,
Kein Menschenauge hat so wundervollen
Und unterird'schen Himmel noch geseh'n.
Dort glänzt ein Punkt, dort wieder ein Koloß,
Dort eine ganze Saat von Feuerfunken,
Ha drüben sich ein Flammenstrom ergoß,
Als wär' die Milchstraß' in das Meer gesunken,
Und alle diese tausend Lichter leben!
Und während überm Meer pechschwarze Nacht,
Wenn nicht ein Blitz aus Wolkengrau erwacht,
Herrscht unten eine Flammenhelle eben
Und zeigt dem Auge riesengroße Bäume,
Seepflanzen aller Art, durch mächt'ge Räume
Korallenstauden, Klippen, Felsenhallen,
Worin statt Lerchen und statt Nachtigallen
Hai, Roche und des Klippfisch garst'ge Brut
Das Lager aufschlug in des Sturmes Hut,
Es wähnt wer in die grausen Tiefen blickt
Von oben, wo Nacht lagert anf der Welle
Das Höll und Himmel auf dem Meergrund liegt,

Da hebt vom Grund das Lichtmeer sich und helle,
Gespenstisch helle funkelt Well an Welle,
Daß, wo zuvor das tiefste Dunkel lag
Mit einem Male aufblitzt lichter Tag,
Und man erschaut wie durch dies Flammenmeer
Ein mastlos Schiff die Sturmflut wälzt daher;
Auf dem Verdecke alles Rettung sucht,
Man pumpt, man schreit, man betet, hilft und flucht,
Bis wieder eine Well' das Schiff ergreift,
Es in die Höhe treibt mit einem Mal
Und unter Donnerschlag und Blitzesstrahl
Hinab dann in den Wasserabgrund schleift.
So reißt Verzweiflung, die dir kurz zuvor
Den schönsten, herrlichsten Gedanken gab,
Daß sich dein Geist dem Himmel nahe wähnet,
Dich tief hinab, wie sie dich hob empor
Hinab dich in das schauervolle Grab,
Das dir geheimnisvoll entgegengähnet.

Das arme Schiff, ein Spielball gier'ger Wellen,
Umgeben von den Lichtern von den hellen,
Die auf den Fluten auf- und niederschaukeln,
Wie Fackelträger einen Sarg umgaukeln,
Bot der Verwüstung grauenvollstes Bild:
Den einen Mast hat bald der Blitz zersplittert;
Als sich am zweiten mehr kein Segel hielt,
Und hin und her die kahle Stange zittert
Ward sie auch umgehaun; zuletzt schon warf
Man alles über Bord in's wilde Meer,
Zurück nur lassend nötigsten Bedarf,
Und steuerlos schwankt irr das Schiff umher —

So wirft der Mensch auch das Gesetz, das Recht,
Die Tugend und die Milde aus dem Herzen,
Und wird der Leidenschaften feiler Knecht,
Ein traurig Opfer ihrer tausend Schmerzen,
Und irrt ein schwankes Schiff, dem Alles fehlt:
Mast, Segel, Steuer, durch die weite Welt.

Auswandrer trägt das Schiff an fernen Strand,
Die, suchend sich ein neues Vaterland,
Weil ihres blutet an viel tausend Wunden,
Auf hoher, wildbewegter See gefunden,
Was sie daheim besaßen: "tollen Sturm"
O Mensch! du aberwitz'ger Erdenwurm!
Begreifst du nun die schnöde Ironie,
Mit der du auf der Welt zu kämpfen hast?
Den Satan, den du eben fliehst, jagt sie
Auf's Meer dir nach als ungebetnen Gast. —

In dieses Fahrzeugs engsten tiefsten Raum
— Zum Glück hat noch kein Leck das Schiff beschädigt —
Dort liegt ein Weib, gebärend, hörend kaum,
Wie brav auf dem Verdeck mit Flüchen predigt
Der Kapitän, empört im vollen Grimme
Grollt ein Duetto mit des Donners Stimme,
Der oft das Wort ihm aus dem Munde stahl,
Es zuckt aus dem Gewölke Blitzesstrahl
Auf Blitzesstrahl und Donnerschläge jagen
Sich einer losgelass'nen Meute gleich,
Empörung wütet heut im Himmelreich,
Noch weiß man nicht wer Sieger, wer geschlagen?
Da fährt ein Blitzstrahl aus pechschwarzer Höh'
In's Schiff welch neu Entsetzen! neues Weh!
Es hat der Donner noch nicht ausgekracht,
Da hat das Weib, vergessen von den Leuten,
Ein Knäblein, hold und frisch, zur Welt gebracht.

Die Flamme greift um sich nach allen Seiten;
Es rettet sich, wer noch sich retten kann.
Das eine Boot ist voll, schon hatte man
Das zweite losgebunden; Niemand dachte
Des Weibes mehr im tiefsten Mutterweh;
Da dröhnt ein Donnerschlag, das Fahrzeng krachte
In allen Fugen schon, die wilde See
Speit Fluten auf das brennende Verdeck,
Jetzt fasset ihr minutenaltes Kind
Die Mutter, bahnt durch's Chaos sich den Weg —
Und kämpft mit Flut, mit Flammen und mit Wind
Sie ruft: ihr schwacher Ruf verhallt im Sturm —
An ihre Brust gedrückt den armen Wurm
Stürzt sie auf das Verdeck, schon bricht in Flammen
Das Schiff vor jedem Wellenschlag zusammen —
Das zweite Boot, gefüllt von Menschen, treibt
Soeben eine Woge fort ins Meer —
Das Weib schreit lauter, Niemand hört sie mehr —
Nur Tatkraft der Verzweifelnden noch bleibt. —
Sie drückt ans bange Herz die teure Last —
Ergreift ein Tau in sorgsam eilger Hast, —
Und schlüpft daran herunter in die Flut —
Birgt so wie sie vermag, ihr teures Gut, —
Und schon gelingt ein Brett ihr zu erfassen,
Auf welchem sie mit ihrer süßen Beute
Schwankt durch des tobendwilden Meeres Weite.

Da legt sich schon der Elemente Wut,
Gerührt wohl von so heil'ger Liebesglut
Beginnt des Himmels Toben nachzulassen.
Es schaukelt hin das Paar, das für verloren
Wohl jeder wähnen möcht, der wilde Sturm
Trug selbst Erbarmen mit dem kleinen Wurm,
Den dieses Weib in seinem Schutz geboren,
Und mitten auf dem aufgereizten Meer
Tauft Sturm das Kind — ein heller Blitzstrahl zückt
Als heilig Licht durch's schwarze Wolkenheer,
Das windgepeitschet durch die Höhen rückt.
Da schüttet er, vertretend Priesterstelle
Sanft hin über das Kindlein eine Welle,
Der Donner grollet durch die Lüfte fort,
Das war der heil'gen Formel Zauberwort.
Und so gefeit im mächt'gem Sturmgebraud,
Treibt Kind und Mutter Well auf Welle weiter — —
Bricht Sonnenlicht zur Erde mild und heiter.

Die Boote schlugen um, was jedes barg,
Beherbergt bald die See ein weiter Sarg.
Doch Kind und Mutter wurden wunderbar
Gerettet und getrieben an das Land,
Wo sie ein Haufe Strandbewohner fand,
Bei denen heil'ges Gastrecht Sitte war.
Das Kind doch im empörten Meer geboren
Im Sturm getauft, wozu der Blitz geleuchtet,
Statt von dem heil'gen Bronn von Flut befeuchtet
Ist zu gewalt'gen Taten auserkoren,
Im Sturm gezeuget und vom Sturm gefeit
Ahn' ich in ihm den starken Sohn der Zeit.

Manch Staatenschiff wird auch von wilden Wogen
Die es verschlingen wollen, fortgezogen.
Bürokratie, Gesetzeslosigkeit,
Willkühr, des Despotismus Höllenleid,
Und Sklaverei und die Gedankenhemmung,
Des Geistes Kraft ertötende Beklemmung.
Das ist das Schiffsvolk auf dem Staatenschiff,
Das unstet zwischen Klippen schwankt und Riff.
Es brechen ringsherum los die Gewitter,
Der morsche Bau zerschlägt in tausend Splitter
Und untergehen müssen Mann für Mann;
Wer zu des Schiffes Leitung auserkoren,
Vermochte wohl an Klippen und an Riffen
Auf glattem Spiegel kühn vorbei zu schiffen,
Hat aber kein Gewitter noch beschworen! —
Da hat des Volkes Geist, der tief versteckt
Im Dunkel lag und lang gestöhnt in Wehen,
Ein Kind geboren und sein Schrei erweckt
Die Mutter, sich nach Rettung umgesehen.
Wie heißt wohl der im Sturm geborne Sohn?
Im Sturm getauft, heißt er: Constitution.