Scheue Liebe
Oft schon wollt' ich kühn es wagen;
Meine Lieb' ihr zu bekennen,
Wunsch und Sehnen ihr zu nennen,
Aber immer stumm und ferne
Hielt mich unbekanntes Zagen!
Rauh sind Worte! Es zu sagen,
Möcht' ich keine Sprache brauchen;
Leis' in Klänge möcht' ich's hauchen,
Nur in Hauchen möcht' ich's klagen!
Sprach' zu ihr das Licht der Sterne,
Wäre Red' in Blumendüften,
Süße Wort' in linden Lüften,
Rief' ich's ihr entgegen gerne.
Worte würden sie erschrecken,
Und doch möcht' ich, daß sie's wüßte! —
Ihren Zorn fürcht' ich zu wecken,
Daß ich hart es büßen müßte! —
Nun, so sprechet denn, ihr Augen,
Mit den demutvollsten Blicken;
Scheue Liebe auszudrücken,
Stumme Wünsch' und furchtsam Zagen,
Sollt ihr ja am besten taugen. —
Wunsch
Wenig ist, was ich begehre,
Und doch steht es mir so fern:
Aus dem ganzen Sternenheere
Einen einz'gen lieben Stern!
Und was Himmel, Erd' und Meere
Noch umfassen — ließ ich gern! —
Frühlingsliebe
Ich stand, ein dürrer Baum,
Vom Winterfrost entlaubet,
Im eingehegten Raum,
All meines Schmucks beraubet;
Da hat mit lindem Kusse
Mich Liebeslenz berührt,
Und mit dem süßen Gruße
Mir Leben zugeführt!
Und alle Knospen, seht,
Sie sind nun aufgeweht,
Und überdeckt mit Blüten
Steh' ich in Maienpracht,
Vom Lichte angelacht,
Und möcht' mit allen Zweigen
Mich hin zur Liebsten neigen! —
Sie steht ein anderer Baum,
Entfernt im Gartenraum,
Am Tage ist sie still,
Doch kommt die Nacht, im Düstern
Hör' ich sie leise flüstern,
Und frage, was sie will?
Da, durch die kühle Ruh',
Haucht sie mir lispelnd zu:
"Fühlst Du wie ich ein Sehnen,
Fühlst Du der Trennung Harm?
Fühlst Du wie ich ein Drängen,
Am Herzen Herz zu hängen,
Am Arm verstrickt in Arm?"
Und wie wir kosen, klagen,
Und Eins dem Andern sagen,
Wie wir, so nah' uns gern,
Doch immerdar so sern:
Da hebt sich sanft und lind
Ein Lüftchen, und wir lauschen
Entzückt dem süßen Rauschen!
Und Lüftchen eilt geschwind,
Auf seinen Schwingen bringt
Den Staub es meiner Blumen
Zu Liebchens Heiligtumen,
Und süßer Schauer dringt
Vom Stamm nach allen Zweigen!
"Mein bist Du!" rauscht es nieder —
"Und ewig ich Dein eigen!"
So tönt es hin und wieder;
Und Trän' auf Träne hell,
Die wir entzücket weinen,
Wir sehen sie versteinen
Zu duft'gem Harze schnell!
Die Sterne aber sehen
In wonneseel'ger Nacht,
Die zarteste der Ehen
Geheimnisreich vollbracht!
Erhörung
In süßer Lenznacht, bei der Sterne Schein,
Vom hellen Mondenglanze übergossen,
Von Kühl' und Duft und Stille mild umflossen,
Ging ich mit ihr vertraulich und allein
In süßer Lenznacht bei der Sterne Schein!
Reich an Gefühlen, doch an Worten arm,
Ruht Aug' in Aug' in seligem Umfangen,
Schlägt Herz an Herz, und Wangen ruh'n auf Wangen:
"Dein, Dein auf ewig!" ruf ich wahr und warm,
Reich an Gefühlen, doch an Worten arm!
Und "Dein auf ewig!" tönt es mir zurück;
Der Himmel schien sich über mir zu spalten,
Das Leben seine Wunder zu entfalten;
Das Herz durchströmt ein lang' entbehrtes Glück,
Und "Dein auf ewig!" tönt es mir zurück! —
Der Abendhimmel
Wenn ich an Deiner Seite
Im Abenddunkel geh',
Den Mond und sein Geleite,
Die tausend Sterne seh',
Dann möcht' ich den Mond umfangen
Und drücken an meine Brust,
Die Sterne herunter langen
In voller, sel'ger Lust!
Mit ihnen die Locken Dir schmücken,
Und schmücken die schönste Brust,
Ich möcht' Dich schmücken und drücken,
Und sterben vor Wonn' und Lust! —
In die Ferne
Nachtvertraute Liebesklagen
Send' ich meiner Freundin zu;
Eile Kunde ihr zu sagen,
Mond, gefäll'ger Bote Du;
Jedes Wort aus ihrem Munde,
Jede selige Sekunde
Glüht in meiner Phantasie,
Meine Seele denkt nur S i e!
Traget, Wolken, traget, Sterne,
Meinen Gruß! Verschwieg'ne Luft,
Sag' ihr, daß der Sänger, ferne,
Ihren holden Namen ruft.
Tönt er überall nicht wieder,
Sind verhaßt mir meine Lieder,
Klanglos, ohne Harmonie:
Mich begeistern kann nur S i e!
Ob das Glück mir seine Krone,
Reichtum mir sein Füllhorn beut;
Ob die Welt zum Dichterlohne
Einen Lorbeerzweig mir weiht:
Gold und Ehre, eitler Schimmer,
Euern Glanz begehr' ich nimmer,
Eure Kränze wünsch' ich nie;
Mich beglücken kann nur S i e!
Nicht der frohe Ton des Lebens
Weckt des Busens Wiederhall;
Freud' und Lust, ihr ruft vergebens,
Nicht'ge Töne, leerer Schall!
Ach, dahin sind meine Wonnen,
Meine Freude ist zerronnen,
Der die Liebe Farben lieh;
Freude geben kann nur S i e!
Glühe immerhin, Verlangen,
Tief im Herzen sonder Ruh',
Sehnsucht, halte mich gefangen,
Nage, nage immerzu!
So wie Du, kein Pfeil verletzet,
Es ist kein Schwert, das also schmerzet;
Töte! — heilen wirst Du nie!
Ach mich heilen kann nur S i e! —
Augensterne mild und helle,
Seidenlocken, fließend Gold,
Schnee des Halses, Busens Welle,
Zarte Hände, bleibt mir hold!
Warme Lippen, rosigsüße,
Sänger schickt euch tausend Küsse;
Täuscht mich nimmer! — Täuschen —Wie?
Wer ist wahrhaft, wenn nicht S i e?
Sehnsucht
Als mein Auge sie fand
Und mein Herz sie erkannt,
O, wie glühte die Brust
Von Entzücken, von Lust!
Wie voll Dufte die Au',
Und der Himmel, wie blau!
Und der Wald voll Gesang,
Und die Lüfte voll Klang!
Ohne Sie, wie so kalt,
Und die Welt, wie so alt!
Und die Erde, wie leer,
Und das Herz, ach! — so schwer.
Düstere Ahnung
Mißtrau' nicht meinen Eiden,
Mißtraue meinem Glück!
Noch ist es Zeit, zu fliehen,
Noch kannst Du ruhig ziehen,
Nimm Deinen Ring zurück!
Mir träumt von nahen Leiden,
D'rum besser ist's, mich meiden!
Sieh' an der Stirn ein Zeichen,
Daran werd ich erkannt;
Es deutet Kampf und Kriege,
Das hat an meiner Wiege
Ein Dämon eingebrannt!
Der kam aus dunklen Reichen,
Ich werd' ihm nicht entweichen! — —
Einst, als die Schlacht entglommen,
Sah ich in Kampfes-Not
Einen Soldaten trinken,
Und als er trank, ihn sinken
Hin auf den Rasen, tot:
Er hatt's nicht wahrgenommen,
Wie er den Schuß bekommen! —
Nun, weil ein Lächeln schweben
Du siehst um meinen Mund,
Und weil ich kräftig stehe,
Und hellen Blickes gehe,
Meinst Du mich kerngesund?
Ich aber fühl' ein Beben
In meinem tiefsten Leben! —
Drum warn' ich Dich, mein Leben!
Such' Dir ein bess'res Los;
Mir macht mein Unstern bange,
Mir währt kein Segen lange,
Kein Glück zog ich noch groß;
Wenn ich's erreicht, dann eben
Seh' ich's von dannen schweben! —
Willst Du es dennoch wagen —
Nimm Hand- und Herzensschlag!
Laß denn vereint uns wandeln,
Und laß das Schicksal handeln
Und tun, was es vermag.
Was kommt in künft'gen Tagen,
Wohlan, wir wollen's tragen!
Die Wildnis
Soll Such Eure Liebe bleiben,
Müßt Ihr in die Wüste flieh'n,
Dort, wohin nicht Weg noch Bahnen,
Fern von Menschen müßt Ihr zieh'n.
Eine Höhle wählt zum Hause,
In der Öde tiefstem Grund;
Wollt Ihr Euern Himmel retten,
Bergt Euch in der Felsen Schlund!
Und zum Pförtner nehmt den Tiger,
Daß die Nahenden er gleich
Würge! Die er nicht zerreisset,
Wahrlich, sie zerreißen Euch!
Denn, daß zwei sich eigen leben,
Können nicht die Menschen seh'n;
Wo sich Liebende beglücken,
Möchten sie vor Neid vergeh'n!
Darum bergt Euch allen Angen,
Mit dem Tier der Wildnis lebt,
Und mehr als vor seinem Grimme,
Vor dem besten Freunde bebt!
Glaube, Hoffnung, Liebe
Solchen Glauben will ich mir bewahren,
Solcher Hoffnung hingegeben sein,
Solcher Liebe meine Seele weih'n,
Fest in Leiden, Trennung und Gefahren;
Dann, wenn Alles wankt,
Alles unstät schwankt,
Soll das Herz sich siegend offenbaren! —
Ja, ich glaube! Bei dem Strahl der Weihe,
Der begeisternd mich zum Lied entflammt,
Bei dem hohen Gott, von dem er stammt,
Ja, ich glaub' an ihres Schwures Treue!
Oder jenes Band
Wäre Spott und Tand,
Und der Lohn des Heiligsten — die Reue?
Nein! — Ich fühl's, mich hat kein Wahn betrogen,
Bin ich mir des Höchsten doch bewußt;
Fühl' ich doch, daß mich nicht eitle Lust,
Daß der Himmel mich zu ihr gezogen,
Gottes Stimme rief
In der Seele tief,
Oder Seele, Gott und Himmel logen!
Und trügt Alles, kann ihr Wort nicht trügen,
Nicht der klaren Augen selig Licht,
Nicht das huldverklärte Angesicht;
Täuschung wohnt ja nicht in solchen Zügen!
Was sie spricht, ist wahr,
Gleich der Sonne klar,
Lügt der Himmel selbst — Sie kann nicht lügen!
Wohl ich hoffe; hoffe, weil ich glaube! —
Sei willkommen, lächelnde Gestalt!
Von dem Strahl des Morgenrot's umwallt,
Schwebst Du her wie eine Friedenstaube;
Ist die Seele wund,
Machst Du sie gesund,
Läss'st sie nicht dem düstern Gram zum Raube.
O, so senke Deinen gold'nen Schleier,
Trostesengel, auf dies kranke Herz,
Daß Dein Atem kühle seinen Schmerz;
Dann bewegt die Brust sich wieder freier.
Süßes Wunderbild,
Leuchte hold und mild,
Wie der Mond in stiller Nächte Feier.
Glänzend schwebt auf hellem Goldgefieder
Mir dann neu ein schöner Tag herauf;
O, beginne strahlend Deinen Lauf,
Dich begrüßen jauchzend meine Lieder!
Eile, blühend Licht,
Zög're länger nicht,
Denn Du bringst mir meinen Himmel wieder!
Ha, schon fühl' ich an des Herzens Schlägen
Ihrer Nähe zaubermächt'ges Band;
Dort — sie ist's — sie hat den Ruf erkannt,
Streckt die Arme liebend mir entgegen!
Selig, Mund an Mund,
Gibt kein Wort es kund,
Welche Wonnen sich im Busen regen!
Heil'ge Flamme, Urquell Alles Guten,
Die Du leuchtest in des Lebens Nacht;
Gottes Odem hat dich angefacht,
Und sein Hauch belebet Deine Gluten.
Schwelle um mich her
Wie ein wogend Meer,
Daß ich tauch' in Deine Feuerfluten!
Warum ist die Zunge mir gebunden,
Wenn die Seele in Begeistrung glüht?
O, wie kalt und klanglos tönt mein Lied!
Spricht kein Laut das aus, was ich empfunden?
Dieses Herz ist warm,
Doch die Sprache arm,
Die kein Wort für mein Gefühl erfunden!
Doch Du kennst ja jenes inn're Leben,
Wenn entzückt sich Aug' in Auge senkt,
Lippe fest sich an die Lippe hängt
Und die Herzen an einander beben;
Was die Zunge spricht,
Stammelt, hörst Du nicht,
Doch Du fühlst, daß Sprache ihr gegeben.
Ja, Du fühlst es, und die Arme drücken
Dann den Freund, in stummempfund'ner Lust,
Fester an die liebeswarme Brust,
Gleich wie Reben um den Baum sich stricken;
Heiliger Genuß!
Seele schmilzt in Kuß,
Und in Tränen löst sich das Entzücken!
An die Freunde
Weil mir großer Reichtum fehlt,
Meint Ihr, daß mein Herz sich quält? —
Was mir not, ward mir beschert,
Reichtum hab' ich nie begehrt!
Wär' es das, nur das allein,
Könnt' ich froh und freudig sein! —
Weil mich Kreuz nicht schmückt noch Stern?
Würdige verehr' ich gern;
Doch beugt sich mein stolzes Knie
Vor wertlosem Dünkel nie!
Wär' es das, nur das allein,
Freunde, könnt' ich freudig sein!
Weil mir auf des Kampfes Bahn
Manch ein Bess'rer eilt voran? —
Allen ward nicht gleiche Kraft;
Was ein Jeder kann, er schafft!
Wär' es das, nur das allein,
Könnt' ich froh und freudig sein! —
Fragt nicht weiter, gebt mich auf,
Laßt dem Kummer freien Lauf!
Was mich drückt, mir ist's bewußt,
Ruht tief unten in der Brust!
Das nur läßt, und das allein,
Mich nie froh, nie freudig sein!
Verlust und Ersatz
Was ich eigen je besessen,
Was ich spähend fern gewahrt,
Was auf rauh umstürmter Fahrt,
Aus dem tiefsten Grund der Wogen
Wagend ich heraufgezogen,
Jede Perle, jede Blüte,
Jede Frucht, die golden glühte,
Jede Knospe meines Strebens,
Blume, Mark und Kern des Lebens
Gab ich für die Liebe hin —
Und es däuchte mir Gewinn!
Mit dem reich belad'nen Schiffe,
Das die Himmlische mir trug,
Fuhr ich hin im stolzen Flug!
Jubelnd schwamm ich in dem hellen
Strahle meines Glück's; die Wellen
Schmiegten sich zu meinen Füßen,
Sklaven, ihren Herrn zu grüßen;
Jauchzend scholl's aus allen Tiefen,
Tausend Geisterstimmen riefen:
"Heil! o Heil! — Ihr Winde, ruht,
Eine Göttin trägt die Flut!" —
Ach! umsonst! Es ist gewesen!
Schnell zeronnen ist der Traum,
Und die Göttin wieder Schaum!
Ausgelöscht sah ich die Sterne —
Immer weiter in die Ferne
Schwand das Ufer — wild und wilder
Jagten sich die Wolkenbilder —
Aus der Höhe zuckten Flammen —
Krachend stürzt das Schiff zusammen!
Ärmer bin ich nun als arm,
Überreich an Qual und Harm!
Nun, wohlan — so sei's verloren!
Fahre wohl, du Maienzeit
Seliger Vergangenheit! —
Aber Ihm, dem nichts geblieben,
Weil er Alles für sein Lieben
Tauschte, Götter, eine Gabe
Gebt für die verlorne Habe!
Senkt die Friedenstaube nieder,
Daß ihr fächelndes Gefieder
Kühle seiner Stirne Glut,
Trockne seiner Tränen Flut!
Gebt, daß mit der Kraft des Liedes,
Was das Leben ihm geraubt,
Träume, die sein Herz geglaubt,
Er vermöge fest zu halten;
Laßt die zaubrischen Gestalten,
Ob er nie sie auch umfange,
Doch ihm winken im Gesange!
Ob auch leer um ihn die Räume,
Laßt die Schatten seiner Träume;
Gebt ihm so für trübes Sein
Bess'res Glück — den holden Schein!
Das Beständige
Alles hat mir schon gelogen,
Jedes Hoffen mich betrogen,
Alles sich wie eitel Tand
Wechselnd von mir abgewandt;
Eines nur blieb mir getreu,
Ewig wahr und ewig neu:
Mein Herz — mein Schmerz!
Gelähmter Flug
Fragt Ihr mich, warum allein
Fort ich ziehe meine Straße,
Fern von mir die Freunde lasse?
Während Jeder auf den Wellen
Lustig treibt, im Rosenschein
Seiner Jugend, ich den hellen
Spiegel der besonnten Flut
Und die fröhlichen Gesellen
Traurig meide??
All' mein Mut
Still verglomm in herbem Leide —???
Seht! wie durch die Lüfte hin,
Weiß gefiedert, dichte Schwärme
Wandervögel nach der Wärme
Einer mildern Sonne zieh'n!
Horch! wie ihrer Flügel Schläge
Ungebahnte Wolkenwege
Rasch durchschiffen, und Gesang
Tönt den ganzen Zug entlang!
Einen nur seht Ihr aus Allen
Einsam wallen
Durch den heitern Raum der Luft;
Mühsam folgt sein matter Flug
Nur von fern dem lauten Zug;
Ob ihn auch die Stimme ruft
Seiner eilenden Genossen,
Ach, — ihm ist die Brust durchschossen,
Und ein Pfeil lähmt seine Kraft!
Wie er sich auch aufgerafft,
Sehnsucht ihn auch lockt nach Süden,
Nimmer zeigt dem Schmerzensmüden
Sich das warme Hoffnnngsland.
Weit vor ihm dehnt sich das Meer,
Und, eh' er erreicht den Strand,
Schon von Todesgrau'n bezwungen
Sinket er,
Und ihn hat die Flut verschlungen.
Seht! so traf auch meine Brust
Mir ein Pfeil. Die herbe Wunde
Blutet, zehrt am Lebensmark.
Ich, der wie der Stärkste stark,
Einst mit Frohen ging im Bunde,
Sichern Todes mir bewußt,
Weile einsam nun zur Stunde!
Fern vom frischen Strom der Lust,
Berg' ich mich im tiefsten Schatten,
Bis die matten
Glieder mir, dem Lebenssatten,
Lös't der Tod! — Die mir gesendet
Einst den Pfeil, mir schlug die Wunde,
Hoffe nicht, daß ich gesunde;
Bald, daß meine Qual geendet,
Komme ihr gefäll'ge Kunde! —
Ewige Leuchte
Bist noch immer nicht verglommen,
Trübe Leuchte, stirbst noch nicht?
All' Dein Öl ist Dir genommen,
Und es dämmert noch dein Licht?
Liebe strahlt, ein ew'ger Schimmer,
Flamme, die stets wächst, nie ruht;
Braucht kein Öl und brennt doch immer,
Braucht nicht Nahrung ihrer Glut,
Und doch löscht ihr Feuer nimmer.
Winterlieder
1.
Das Leben ist ein Garten,
Wo tausend Blumen blüh'n,
Wo goldne Früchte lachen
Und aus dem Laube glüh'n.
Die Quellen rauschen rege
Durch's duftende Gehege,
Die süße Biene schwärmt,
Sonne von oben wärmt.
Und froh, die Brust geweitet,
Atm' ich die frische Luft;
In freien durst'gen Augen
Trink' ich den würz'gen Duft.
Mich kühlt im Bad die Welle,
Mich stärkt die Sonnenhelle,
Ich fühl' im Lebensmark
Mich überwohl und stark.
Dort in der Rosenlaube,
Welch süßes Engelbild!
Es schlummert hold; ein Lächeln
Spielt um den Mund so mild.
Auf blütenweißer Hülle
Der Brust die Lockenfülle,
Gleich Sonnenstrahl auf Schnee,
Golden ich schimmern seh'!
O, wecket, Nachtigallen,
Die schöne Schläferin,
O, flatt're, holde Taube,
Auf ihren Busen hin!
Sie regt sich! — Schnell, o sage,
Ob ich vermessen wage
Die Hoffnung, daß Du mein?
Wonne! — sie lispelt: Nein!
Nun schwelge, Herz, und schwelle,
Berausche Dich in Glut;
Tauch' in des Lebens Tiefen
Mit frohem Übermut!
O, nicht den Nektar nippen;
Nein, schlürft, ihr gier'gen Lippen,
Den Becher leer! — Noch nicht
Senket der Tag sein Licht!
Doch weh'! Orkane brausen,
Die Luft streicht feucht und kalt;
Der Nebel, dicht und schaurig,
Ringsher die Flur umwallt.
Die Blüte welkt, und düster,
Durch wehend Laubgeflüster
Bricht bang' die Nacht herein,
Hüllet die Sonne ein,
Leb wohl! so klingt ein Tönen
Mir aus der Ferne traut:
O Stimme, liebe Stimme,
Noch einen einz'gen Laut!
Umsonst! — Hinweggetragen
Hat sie der Wolkenwagen;
Ich steh' und blick' hinab
In meiner Freuden Grab.
2.
Auf fernem Bergesgipfel
Liegt wolkennaher Schnee;
Wohl die bekannten Wipfel
Ich wieder vor mir seh'.
Wie streckst du, braune Eiche,
Die weiß bereiften Zweige
Nach Lenzen, die dich flieh'n,
So bang' und traurig hin!
So starrt auch mein Gemüte,
Da meine Sonne fern!
Ich treibe keine Blüte,
Kein Leben schwillt im Kern.
Auch ich streck' ohne Ende
Hinaus nach Ihr die Hände;
Doch weit steht noch mein Licht, —
Noch naht der Lenz sich nicht.
3.
Ja, ich lebe, Leben ohne Sonne,
Ohne Wärme, ohne Glanz und Licht;
Oder besser: Nacht des Todes sterb' ich,
Nach lebend'gem Leben aber werb' ich; —
Doch ich finde, was ich suche, nicht.
Ja, es sanken weit in Nacht und Ferne
Alle Frühlingsblicke süßer Lust;
Wie der Schnee die grüne Saat bedecket,
Hat ein scharfer Eishauch mich erschrecket,
Kalte Flocken überweh'n die Brust.
4.
Ruhet ihr, o Bäche,
Rieselt nicht mehr?
Schweigende Wipfel, so einsam und leer?
Alles ist stumm
Rings auf der Fläche
Um mich herum!
Rastlos im Fluge
Über mir hin
Eilend die Wolken vorüberzieh'n;
Und wie sie geh'n,
Wandernd im Zuge,
Keine von allen wir wiedersehen.
Ob ich sie frage,
Lautlos vorbei
Jagen sie alle, selbander, frei,
Antworten nicht;
Wie ich auch klage
Keine mir spricht!
Ach, wer des Lebens
Leuchte verlor,
Ruhet umsonst, ihn vernimmt kein Ohr,
Wohl nach dem Licht
Ringt er vergebens;
Einmal verglommen, erblühet es nicht!
Kalt, wie dein Schauer,
Eisige Luft,
Starret die Brust; eine Totengruft,
Deckt sie; was starb,
Gifthauch der Trauer
Langsam verdarb.
Herz, deiner Blüten
Kränze, die karg
Grünten, bewahrst du, ein edler Sarg.
Willst sie noch hüten,
Asche und Staub,
Die du besessen wie heimlichen Raub.
Abendphantasie
Abend war's; auf fernem Steige
Ging ich in des Waldes Grün,
Wilde Apfelblütenzweige
Wehten Flocken auf mich hin;
Tausend süße Stimmen drangen
Fröhlich durch den kühlen Hain,
Buntbeschwingte Vögel sangen
Süße Liebesmelodein.
Wo die Wipfel nicht so dicht
Äste ineinander woben,
Glänzt' ein sanftes Dämmerlicht,
Von der Abendröte droben,
Nieder auf die Silberquelle,
Wo der Glühwurm funkelnd flog,
Und die zitternde Libelle
Sich im Hauch des Windes bog.
Alles fühlte stille Feier
In der herrlichen Natur,
Jeder Busen hob sich freier
In dem Abendglanz der Flur;
Jedes Lüftchen rauschte Freude,
Jede Welle hüpfte Lust,
Und der Lenz im Strahlenkleide
Hauchte Wonne in die Brust.
Mir nur war das Herz beklommen.
Und des Frühlings Rosenlicht,
Das am Horizont entglommen,
Nahm des Busens Bürde nicht.
Sehnsucht nach den lichten Räumen,
Die der goldne Glanz beschien,
Wo aus tausend zarten Keimen
Ew'ger Liebe Blumen blüh'n:
Zog mich nach des Äthers Fernen,
Und begeistert rief ich aus:
Hinter jenen Silbersternen,
Ja, dort ist der Liebe Haus!
Dort verstummen alle Schmerzen,
Was geschieden, sieht sich dort.
Ewig schlägt dort Herz am Herzen
Keine Trennung reißt uns fort.
Bilder der verstorb'nen Lieben
Glaubt' ich rings um mich zu seh'n:
Wie ein Blumenduft von drüben,
Fühlt' ich ihren Atem weh'n.
Meine Mutter! — schluchzt' ich weinend:
Ruft mich Deine Stimme nicht
Dorthin, wo die Treuen einend
Immortellenkranz umflicht?
Geister von den Tapfern allen,
Die in mancher heißen Schlacht
Blutig um mich her gefallen
In die finst're Todesnacht,
Sah ich aus besternten Hallen,
Rings von Lorbeerfproß umlaubt,
Mir verklärt entgegen wallen —
Ach, ich fand manch liebes Haupt!
Und ich streckte meine Arme
Nach den Waffenbrüdern hin,
Liebend sie an dieses warme,
Treue Bruderherz zu zieh'n;
Aber ihre Schatten bebten
Fort im letzten Rosenstrahl,
Und die Seligen entschwebten
Heim, zum gold'nen Friedenstal!
Horch! Durch lindbewegte Zweige
Rauscht es mir vernehmlich zu:
Wandle, strebe, dulde, schweige, —
Über Gräbern wehet Ruh'!
Eben aus den Wolkenhüllen
Trat der Vollmond und begann,
Ruhig wallend, seine stille,
Langgewohnte Pilgerbahn! —
Erloschene Liebe
Laß, o laß mir Deine Hand,
Zieh' sie nicht so kalt zurücke;
Nimm, Du nahmst's ja schon, mein Glücke,
Laß mir immerhin die Hand!
Wenn Du nichts auch für mich fühlst,
Laß mich dennoch weiter träumen,
Laß mich zweifeln, laß mich säumen,
Wenn Du nichts auch für mich fühlst!
Gönne mir den armen Trost;
Steh' ich hier doch an dem Grabe
Meiner schönsten, reichsten Habe;
Gönne mir den armen Trost!
Wenn auch deine Hand mich drückt,
Wie sie pflegt' in schönern Zeiten,
Werd' ich's nicht wie Liebe deuten,
Wenn auch Deine Hand mich drückt!
Händedruck ist ja nur Gruß,
Liebe bleibt sich nicht so ferne;
Lipp' an Lippe glüht sie gerne,
Händedruck ist ja nur Gruß.
Händedruck ist noch kein Schwur,
Ist kein ewiges Versprechen;
Das auch weißt Du, kann man brechen;
Händedruck ist noch kein Schwur! —
Darum laß mir Deine Hand;
Was geschieden, bleibt geschieden.
Ach, Du nahmst mir ja den Frieden,
Laß mir immerhin die Hand! —
Getäuschte Hoffnung
Im stillen Wiesentale
Ich einsam mich erging,
Als mich mit einem Male
Die feuchte Nacht umfing.
Die Sonne war gesunken,
Das Abendrot verglüht,
Die letzten gold'nen Funken
Verglimmend ausgesprüht.
Die Nachtigall mit Schalle
Sang rings die Fluren ein;
Die Blumen schliefen alle,
Ich wacht' im Tal allein.
Nicht fern aus einem Hause,
Das, wie aus Duft gebaut.
Still wie des Siedlers Klause,
Aus Baumesdunkel schaut';
Hört' ich ein lieblich Klingen
Melodisch durch die Nacht
Von Kuß und Wonnen singen,
Und junger Liebe Macht. —
Und wie auf linden Wogen
Ein Kahn vom Hauch der Luft,
Fühl' ich mein Herz gezogen
Hin, wo das Lied mich ruft.
Und vor mir auf dem Wege
Tanzt hell ein gold'ner Schein,
Durch die verschlungnen Stege
Geleiter mir zu sein.
Doch wie ich näher gehe,
Erstirbt der holde Schein,
Das Lied verklingt — ich stehe
Im öden Moor allein.
Der Weg ist mir verschwunden,
Hinweggerückt das Haus,
Mich hält die Nacht gebunden,
Die Leuchte löschte aus.
Getäuscht hatt' mich ein Schimmer,
Der mich gelockt von fern;
Ein Irrlicht war der Flimmer,
Ich hielt's für einen Stern! —
Selbsterkennen
Andere willst du ergründen,
Eitles, dünkelhaftes Herz!
Kannst dich selbst zurecht nicht finden,
Mit dem eig'nen alten Schmerz!
Wie die Uhre wird beweget
Von der Unruh', die d'rin tickt,
Wirst du stets von dem erreget,
Was stets weiter von dir rückt.
Wie der Zeiger mit den Stunden,
Wandelst du im Kreise fort;
Wenn die Zeit ist hingeschwunden.
Stehst du an demselben Ort.
Was ich auch erlebt, erfahren,
Immer blieb ich doch ein Tor,
Werd' ein Tor mit grauen Haaren,
Solches Los steht mir bevor!
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