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Gedichte
J.Ch. Freiherrn von Zedlitz

Stuttgart und Tübingen 1832
Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung


Vorwort

Seht hier meines Frühlings Rosen,
Frisch, wie ich sie abgebrochen;
Mancher Dorn hat mich gestochen.
Mancher Duft hat mich erquickt! —

 


Gedichte 1

 

Dichtersehnsucht
Die Dorfkirche
Die Reise
Wiedersehn
Die Heide
Der Beduine
Der Gefangene
Der Bote
Erwartung
Liebestrost
Der fremde Buhle
Mariechen
Der blinde Geiger
Weltlauf
Froher Besitz

 
Spätes Erkennen
Bewußtlose Neigung
Sicherer Trost
Beruhigung
Schwere Wahl
Erstes Begegnen
Wacher Traum

 

Dichtersehnsucht


Wenn ich entflammt im Innersten mich fühle,
Um Lust und Weh in Liedern auszuhauchen,
Daß sich das Glüh'n in meinen Adern kühle:
Mag oft und gern Dein edles Bild ich brauchen,
Du stiller Schwan, der Du auf dunklen Wogen
Dort rudernd kommst im Abendrot gezogen!

Zwiefach in Dir seh' ich Mich selbst gedeutet:
Du schwimmest einsam auf des Teiches Spiegel,
Und was das Herz bald enget, bald erweitet,
Mußt Du verschließen mit des Schweigens Siegel;
Es wollte, grausam, Deinen Schmerz zu klagen,
Ein hart Geschick die Tone Dir versagen.

So ring' auch ich nach Worten, süßen Klängen,
Mein tiefstes Sein in ihnen auszusprühen:
Gleich Quellen rauscht's in mir, ich fühl' es drängen,
Wie Wasser sich, am Felsen brechend, mühen.
Wohl tobt es laut; doch ist's vergeblich Streben,
Nicht Stimme kann ich meinem Herzen geben.

Im flüssigen Kristall ziehst Du dir G'leise
Und hebst den Blick sehnsüchtig in die Ferne,
Als ob ein Bild sich in den Wolken weise
Und lächelnd schweb' im Reigen goldner Sterne.
O, Armer! stirb! Mag auch das Bild sich zeigen,
Nie wird's hinab in deine Fluten steigen.

Ein Phönix, schwebt's hoch oben in den Lüften,
Im Sonnenstrahl glüht blendend sein Gefieder:
Vom Quell des Lichts taucht zu den dunklen Grüften
Der Flammenvogel nicht, der hehre, nieder.
Stirb nur! o, stirb! Uns Beiden ist im Leben
Nicht, ihm zu nah'n, — im Tode erst gegeben!

Ja, fühlest Du den Tod Dich nah' umweben,
Dann hört man's süß aus blauen Wellen klingen:
Hin im Gesang entströmt der Brust das Leben,
Zum Phönix fliegst Du auf des Liedes Schwingen.
O, nähm' auch mir in jener Scheidestunde
Ein milder Gott das Band von meinem Munde!

Dann wüßtet Ihr, was lang' ich stumm getragen,
Unzähl'ge Tränen, hoffnungsloses Glühen,
Angstvolle Kämpfe, peinliches Entsagen,
Der Danaiden nie beendigt Mühen;
Und was der schwerste ist von allen Schmerzen: —
Der Zweifel Schlangenbiß im wunden Herzen!

Die Dorfkirche

In einem Dorf, am frühen Morgen,
Sah ich ein Kirchlein offen steh'n,
Und wie's mir freundlich schien zu winken,
Trieb mich das Herz, hinein zu geh'n.

Nur wenig Beter fand ich knien,
Denn Werktag war's und Erntezeit;
Ein greiser Priester sprach den Segen
Und hielt das heil'ge Mahl bereit.

Da naht' ein Weib sich dem Altare,
Den zarten Säugling an der Brust:
Ihr Antlitz schwamm in Doppelgluten
Der Andacht und der Mutterlust.

Und als ihr Mund das Brot des Lebens
Empfangen aus des Priesters Hand,
Sie's kaum berührt mit ihren Lippen
Und mit verklärtem Blicke stand,

Da drückte schnell in hoher Wonne
Sie an den Mund den Säugling zart;
Reicht' ihm den Teil der Himmelsspeise,
Den sie ihm liebend aufbewahrt. —

O, süße Macht der Mutterliebe,
Die Gottesblume dieser Welt,
Die Alles teilt; den Leib des Herren
Selbst nicht für sich allein behält! —

Zieh', junge Frau, mit frommem Troste,
Und reicher Segen sei Dein Teil!
Wie Du vertraut, so sei erhöret,
Dem Kinde blühe Glück und Heil!

Und weinend trat ich aus der Kirche
Und dacht' an ein entferntes Grab:
Dort ruht schon längst, bedeckt von Rasen,
Die beste Mutter, die es gab!

Die hätte wohl, wie Pelikane
Die Brust sich öffnen für die Brut,
Auch ihre Kinder gern genähret
Mit ihrem besten Herzensblut!

Die Reise

Schon verschwinden jene Berge,
Die die heit're Stadt umzieh'n,
Jene fernen blauen Höhen
Seh' ich auch vorüber flieh'n.

Und des Stromes grüne Wogen
Rollen unaufhaltsam fort,
Und ich fahr' an seinem Ufer,
Neben, mit ihm roll' ich fort.

Doch, so wie von seiner Quelle
Bis wo er in's Meer sich gießt,
Jeder Tropfen seines Wassers
Liebend dort vorüberfließt;

Und wie er mit seinen Fluten
Sehnend an die Stadt sich schmiegt,
Und wie, selig, seine Traute,
Sie an seinem Busen liegt;

Und, ob Woge strömt an Woge,
Und wie eilig sie entrinnt,
Doch der Strom sich nicht vermindert,
Neue Macht im Lauf gewinnt, —

So ist, was ich denke, fühle,
Meiner Liebsten zugesellt:
Hin zu ihr hat all' mein Sehnen
Immer seinen Lauf gestellt.

So umfängt sie meine Liebe,
So schmiegt sich mein Herz ihr an,
Und so ist ihr jede Regung
Meiner Seele untertan.

Und so viel ich Liebe spende,
Sie mir immer doch gebricht;
Woge treibt die Woge brausend,
Doch der Strom versieget nicht.

Wiedersehn

Rings öde Fläche, und der Horizont
Durch nichts begrenzt! Kein Ort, kein Wald,
Auf dem der müde Blick vermöcht' zu ruh'n! —
Die sand'gen Hügel, die der Wind gehäuft,
Vom Grase spärlich überwachsen, dehnen sich
Wie eines Friedhofs alte Gräber aus,
Unübersehbar, als ob d'rüberhin
Der Pest grau'nvoller Todeshauch geweht,
Und die das Land bewohnt, sie lägen nun
Gestorben und verwest in seinem Schoß,
Gewürgt bis auf den Letzten! Trüber Anblick! —
So liegst Du, Frist der Trennung, vor mir da,
Wie diese Heide, leblos, wüst und leer:
Und nichts, o Zeit, beschleunigt deinen Gang,
Und es beschwingt der Atem, meiner Sehnsucht
Dein träges Segel nicht durch's tote Meer
Einsamer Bangnis, tränenvollen Harms! —
Dort glänzt ein Sonnenstrahl, ein einzelner,
Und spielet golden auf dem Plätzchen Raum,
Das er beleuchtet! — Wie es hellgrün lacht,
Indes der Nebel rings die Öde deckt! —
O, traute Hoffnung, schönes Wiederseh'n!
Ich grüße Dich mit süßem Kuß der Sehnsucht,
Mit aller Wehmut, die mein Herz erfüllt!
Sei mir gesegnet, wie Du fern auch liegst! —

Die Heide

Währ't ewig denn die lange Heide,
Liegt sie denn niemals hinter mir?
Wohl ziehen Herden auf der Weide,
Doch keine Menschen seh' ich hier.

Der Hirt nur liegt dort ausgestrecket,
Und senkrecht brennt der Sonne Licht
Ihm auf das Haupt, das unbedecket; —
Er aber schläft und fühlt es nicht! —

Soll ich ihn neiden, ihn beklagen,
Dem, wenn die Zeit vorüberstreift,
Sie nichts gebracht; nichts fortgetragen,
Dem auswärts nie ein Wunsch geschweift?

Soll ich beklagen ihn, beneiden,
Der noch kein Herzweh je gekannt;
Des Tieres Lust und seine Leiden,
Und sein Bedürfnis; nur empfand?

Der nicht die Gegend noch ergründet
Im Innern, wo die Seele thront,
Der mit der Herde lebt, empfindet,
Und mit ihr weidet, mit ihr wohnt? —

Armselig Los, das ihm beschieden!
Die war' ein Ziel, des Strebens wert?
Wert, daß der Mensch nach solchem Frieden
Die ganze Glut der Seele kehrt? —

Doch ist's dies Glück, das Eure Weisen,
Die Ihr im Staate hoch gestellt,
Als dieses Lebens Blüte preisen!
Dies Glück vergönnen sie der Welt!

Der Beduine

Ich leb' im heißen Sonnenbrand,
Die Wüste ist mein Vaterland,
Die Heimat, wo mein Zelt erbau't,
Und wo ein grüner Weidplatz schau't.

Und wo ein dürftig Quellchen rinnt,
Ein Dattelbaum sein Mark gewinnt;
Wo müde das Kamel sich streckt,
Dort wird mein Lager ausgesteckt.

Ich hab' ein Roß, das, wie ein Pfeil
Vom Bogen, fliegt mit Windeseil',
Es geht zur Weide zügelfr
Und kommt auf meinen Ruf herbei.

Und auf der Haut vom Panther wild
Hängt Bogen, Köcher, Schwert und Schild,
Und hinter meines Zeltes Tor
Mein sichertreffend Feuerrohr.

Mein' Habe hält kein Zaun umfaßt,
Ich bin mein Wirt und eig'ner Gast;
Mein nächster Nachbar neben mir
Wohnt hundert Meilen wohl von hier!

Ich bin von Welt und Menschen fern,
Hab' keinen König, keinen Herrn;
Bin Fürst, wohin mein Wurfspieß reicht,
Bin Fürst, wohin mein Bolzen fleugt.

Frei, wie der Wind der Wüste weht,
Frei, wie die Antilope geht,
Zieh' ich auf dem durchglühten Sand,
So weit die Eb'ne gusgespannt. —

Weib meines Herzens, meiner Lust,
Du einzig liegst an meiner Brust,
Dein braunes Aug blickt mild und klar,
Wie Moschus wallt Dein dunkles Haar!

Nie werd' ich Deiner Schönheit satt,
Nie werd' ich Deines Reizes matt;
Noch glüh' ich wie am ersten Tag,
Wo ich in Deinen Armen lag.

Denkst Du der wonnesel'gen Nacht
Unter des Sternenhimmels Pracht,
Wo süß gebuhlt die laue Luft
Mit der Akazie Blütenduft?

Der Gefangene

Zwei alte hohe Burgen
Glänzen im Sonnenschein
Einander gegenüber,
Inmitten fließt der Rhein.

Gefangen in der einen
Härmt sich ein Rittersmann,
Daß er nicht in die and're
Zu seiner Liebsten kann.

Die Stromflut hört er rauschen
Mit ruhelosem Schlag,
Die Wellen kommen, gehen,
Gleichförmig Tag für Tag!

Er rüttelt an dem Gitter
Die Stäbe weichen nicht;
Er möcht' die Pforte sprengen,
Allein kein Riegel bricht.

Da nimmt die werte Zither
Er wieder von der Wand,
In der er Lust im Glücke
Und Trost im Leiden fand.

So sitzt er auf dem Lager
Schwermütig, seufzt und wacht;
Dann greift er in die Saiten,
Singt einsam in die Nacht.

Der Bote

Auf ihres Schlosses Zinnen
Das holde Fräulein steht,
Durch ihren weißen Schleier
Die Abendkühle weht.

Sie hält in ihren Händen
Ein Täubchen, und sie drückt
Es zärtlich an den Busen,
Und blickt es an entzückt!

Sie läßt das Täubchen fliegen;
O, liebes Täubchen mein;
Du sollst hinüber schwingen
Dich über den blauen Rhein!

Sie folgt ihm mit den Augen,
So weit sie blicken kann,
Und über ihre Wange
Die warme Träne rann!

Und wie der Ritter einsam
In seiner Zelle singt,
An seines Fensters Gitter
Wie Flügelschlag es klingt.

Er springt empor und schauet,
Die Taube flattert dort,
Ein Blatt in ihrem Schnabel
Mit der Geliebten Wort!

O, Bote, treuer Bote!
Wie bist du mir so wert!
Du kommst an jedem Tage
Mit holder Post beschwert!

Du meine einz'ge Wonne,
Mein einz'ger Trost im Leid!
Sie, die Dich hat gesendet,
Sei ewig benedeit! —

Erwartung

Am Fenster saß der Ritter
Schon um den achten Tag;
Auf seinem Herzen doppelt
Die Qual des Kerkers lag.

Die Taube war entflohen
Und war nicht mehr gekehrt,
Wie auch nach ihrem Kommen
Des Ritters Herz begehrt.

Was ist mit ihr geschehen,
Daß sie so lange weilt?
Hat sie auf ihrem Fluge
Des Jägers Pfeil ereilt?

Hat ihr ein Vogelsteller
Ein trüglich Netz gestellt?
Verrat ist nimmer müßig,
Voll Arglist ist die Welt!

Ist denn mein Liebchen gestorben?
Dann webe meiner Not!
War sie doch, als wir schieden,
Wie eine Rose rot! —

Wie, oder zieht, die Taube
Nun einen neuen Flug?
Trägt Botschaft sie nun Andern
Wie sie zu mir sie trug? —

Dann stürzt zusammen, Mauern,
Und decket mein Gebein!
Dann nimm in deine Wogen
Mich auf, du alter Rhein! —

Liebestrost

Laß mich diese Worte küssen,
Diese Züge Deiner Hand!
Ja, gewiß, die Liebe war es,
Die den Trost der Schrift erfand!

Ja, ich lese Deine Zeichen
Und Du stehst vor meinem Blick,
Sprichst zu mir, und jede Silbe,
Zaubert mir mein Gluck zurück!

Und ich küsse Deine Hände,
Deine Augen, deinen Mund;
Und ich trinke Deinen Atem,
Und die Seele wird gesund!

Alle Räume schwinden, fliehen;
Alles, was die Brust beengt.
Hat das Herz mit kräft'gen Schlägen
Losgerüttelt, weggesprengt! —

Der fremde Buhle

Ein Mädchen stand am Abend
Vor ihres Hauses Tür:
Der Mond trat aus den Wolken
Mit blassem Schein herfür.

Da kam ein junger Reiter
Und nahm sie bei der Hand,
Und spielt' in ihren Locken
Und mit dem Busenband.

Und unter'm Federhute
Quoll sein goldlockig Haar,
Und sein Gesicht viel süßer
Noch als das Mondlicht war.

Und schmeichelnd klang die Stimme,
Und in des Mädchens Brust
Wogt' unbekanntes Drängen,
Wie Schmerz halb und wie Lust!

Und als er lang' geschmeichelt,
Ließ sie den Knaben ein
In ihrer stillen Klause
Verschlossen Kämmerlein.

Und faßt' ihn in die Arme
Und blickt ihm in's Gesicht; —
Da traf sie jäher Schrecken —
Es war sein Antlitz nicht!

Ein Totenschädel grinste
Sie hohlen Auges an;
"Hilf Jesus!" schrie sie weinend,
Und all' ihr Blut gerann! —

Die Dirne liegt im Wahnsinn
Nun schon in's dritte Jahr;
Sie konnte nie erfahren,
Wer doch ihr Buhle war!

Mariechen

Mariechen saß am Nocken,
Im Grase schlummert' ihr Kind;
Durch ihre schwarzen Locken
Weht' kühl der Abendwind.

Sie saß so sinnend, so traurig,
So ernst und geisterbleich;
Dunkle Wolken zogen schaurig,
Und Wellen schlug der Teich.

Der Reiher kreist' über dem Rohre,
Die Möwe streift' wild umher,
Der Staub fegt' wirbelnd am Wege,
Schon fielen die Tropfen schwer.

Und schwer von Mariechen's Wangen
Die heiße Träne rinnt,
Und weinend in ihre Arme
Schließt sie ihr schlummernd Kind.

Wie schläfst Du so ruhig und träumest,
Du armer, verlaß'ner Wurm!
Es donnert, die Tropfen fallen,
Die Bäume schüttelt der Sturm!

Dein Vater hat Dich vergessen,
Dich und die Mutter Dein;
Du bist, Du armer Waise,
Auf der weiten Erde allein!

Dein Vater lebt lustig in Freuden;
Gott laß' es ihm wohl ergeh'n;
Er weiß nichts von uns Beiden,
Will Dich und mich nicht seh'n!

Und stürz' ich, während Du schlummerst,
Mit Dir in den tiefen See,
Dann sind wir Beide geborgen,
Vorüber ist Gram und Weh! —

Da öffnet das Kind die Augen,
Blickt freundlich auf und lacht;
Die Mutter schluchzt und preßt es
An ihre Brust mit Macht!

Nein, nein! wir wollen leben,
Wir Beide, Du und ich!
Deinem Vater sei vergeben, —
Wie selig macht' er mich! —

Der blinde Geiger

Es sitzt ein blinder Geiger
Am Markt und spielet auf:
Viel Leute geh'n vorüber,
Doch Niemand höret drauf.

Er spielt die schönsten Weisen
Recht aus des Herzens Grund,
Und gibt in Sehnsuchtstönen
Sein tiefstes Leben kund.

Die Leute geh'n und schauen
Hinauf am nächsten Haus:
Da sieht ein großer Affe
Vornehm zum Fenster 'raus!

Ein junges Kind nur einzig
Bleibt bei dem Geiger steh'n,
Und gibt ihm einen Heller
Mild im Vorübergeh'n.

Die arme Dirn' ist töricht,
Weil sie der Herzwurm plagt;
Es ist eine böse Krankheit,
Dem Himmel sei's geklagt!

Wohl weiß ich, was sie heilet,
Doch ist das Mittel rar;
Die Meisten siechen ewig,
Und Viele sterben gar.

Ich selbst, ich bin der Geiger
Und spiele mich in Schlaf;
Wer aber ist der Affe?
Man sagt, es sei ein — Graf!

Weltlauf

Auf der Straße trifft mich ein alter Bekannter,
Der ruft und flüstert leise zu mir:
Mein Bester, der Affe ist nun Gesandter,
Der Affe ist nun ein großes Tier! —

Laßt mich mit dem Affen ungeschoren!
Was geh'n mich Eure Bestien an
Mit langen Schwänzen und hohen Ohren
Ist man d'rum noch kein rechter Mann! —

So schweigt doch! sprecht nicht in solchem Tone!
Der Affe ist ein hämisch Tier;
Der macht sich wenig aus Eurem Hohne,
Denn, lieber Freund, was seid denn Ihr? —

Daß nichts ich bin in solchen Tagen,
Hat immer mich zumeist erfreut:
Wenn Tiere hohe Würden tragen,
Dann, Bester, ist nicht meine Zeit! —

Der Affe wird vielleicht noch Kater,
Trägt Stern und Orden, bedenkt das doch! —
Sie machten den Affen zum Gott Vater,
Lebte nicht der alte Gott Vater noch!

Froher Besitz

Einst war auf umrollender Welt
Wechselndes Treiben
Mein Auge gerichtet, mein Sinn gestellt;
Nun laß' ich's bleiben!

Fort im behaglichen Müßigang
Leb' ich die Tage,
Daß um der Zeiten Begebnis und Drang
Nimmer ich frage!

König bin ich im schönsten Reich,
Regier' in Wonne;
Keine Kron' ist der meinen gleich
Unter der Sonne!

Nicht um das alte Liebchen des Stier's,
Europa, tausch' ich
Meine Liebst'! Auf das Brüllen des Tier's
Nicht länger lausch' ich!

Auch nicht auf das verweinte Gesicht
Der betrogenen Schönen,
Die statt Kränzen nun Dornen dicht
Umfangen und krönen!

Sie ist gewandert aus Hand in Hand,
Aus schlechter in schlechte;
Nimmer ein treuer Buhle sich fand,
Nie kam der rechte!

Was soll des törichten Weibes Schrei'n
Länger mich stören?
Meiner Liebsten nur ganz allein
Will ich gehören!

Und trifft die Klage der Welt mein Ohr,
Will ich's verschließen,
Sperren mein Haus und sperren mein Tor,
Und göttlich genießen! —

Spätes Erkennen

Ach, wär' ich fern geblieben!
Vom Sehen kommt das Lieben,
Vom Lieben kommt der Schmerz:
Mit ihm rastloses Sehnen,
Mit ihm unzähl'ge Tränen,
In Tränen bricht das Herz!
Das Herz, gebrochen eben,
Kann fürder nicht mehr leben,
Muß sterbend bald vergehen.
Bringt Liebe solche Not,
Und kommt die Lieb' vom Sehen,
So bringt das Sehen Tod!
Ach war' ich fern geblieben
Vom Sehen und vom Lieben! —

Bewußtlose Neigung

Mädchen, nenne den Zauber,
Der mich gefangen hält,
Sage, was hast Du denn eigen,
Das mir so sehr gefällt?

Sind es die schelmischen Augen,
Die so zum Herzen mir geh'n;
Dunkle, bewegliche Sterne —
Hab' doch schon schön're geseh'n!

Sind es die schwellenden Lippen,
Würzig vom Atem versüßt,
Blühende, glühende Knospen?
Hab' doch schon schön're geküßt! —

Ist es des klopfenden Busens
Wogender, wallender Schnee,
Den ich mit gleichem Verlangen
Wieder und wieder seh'?

Sind's diese Hügel der Wonne,
Die so bestürmen das Blut?
Hab' doch wohl früher auch, traulich
Kosend, an manchen geruht!

Mädchen, so nenne den Zauber,
Der mich gefangen hält;
Sage, was hast Du denn eigen,
Das mir so sehr gefällt? —

Ach! es ist die kindliche Seele,
Die noch gedankenlos träumt,
Während in jeglicher Ader
Leben und Jugend Dir schäumt!

Die nichts besorget, nichts ahnet,
Eines nur weiß: daß sie liebt;
Immer Nichts meinet zu geben,
Während sie Alles gibt!

Sicherer Trost

Traurig hängst Du das Köpfchen,
Weil muß geschieden sein:
Meintest Du, närrisches Mädchen,
Ich sei für ewig Dein?

Deine Blume hab' ich nicht gebrochen,
Dein Kränzchen Dir nicht geraubt;
Die Luft hat mit Dir gesprochen,
Dem Winde hast Du geglaubt!

Und weil ich Dich eben genommen,
So wie ich Dich eben fand,
So meinst Du, mich hätte geschlungen
An Dich ein ewiges Band?

Und weil ich gelegen im Fieber,
Und hab' Dich im Traume geküßt,
So meinst Du, ich hätte für's Leben
Als meine Braut Dich gegrüßt? —

Seii ruhig und trockne Dein Tränchen,
Ich weiß, daß Dein Herzchen nicht bricht
Heiß Blut und achtzehn Jahre —
Mein Mädchen, Du stirbst noch nicht!

Beruhigung

Du liebäugelst mit dem Tage,
Doch wenn einst die Nacht wird kommen
Und der Stern wird angeglommen,
Der die Zier des Himmels macht;

Wenn ein wundersames Rauschen
Lind in Deine Seele flüstert,
Und Dein Auge sich umdüstert,
Und Dein Blick in Tränen lacht;

Und wenn zaubervolle Stimmen,
Bang' zugleich und lockend klingen,
Unberührt die Schleifen springen
An des jungen Busens Pracht;

Und die Sinne ruh'n, die Seele
Sich umkränzt mit Glorienscheine,
Dann erkennst Du, liebe Kleine,
Glut, vom Himmel angefacht!

Und ein Strahl fällt in die Tiefen,
Die Begierden werden schweigen,
Und ein Bild vom Himmel steigen,
Wie's Dein Ahnen kaum gedacht.

Dann wird Dir des lauten Tages
Buhlerischer Schein mißfallen,
Dann in Wälder wirst Du wallen,
Blau vom Äther überdacht.

Dann wird jedes Band sich lösen,
Das jetzt Dein Gefühl umdunkelt,
Jener Stern, der droben funkelt;
Dein Geschick ist dann vollbracht!

O, dann wirst Du es erkennen,
Was noch schläft in Deiner Seele;
Fruchtlos ich Dir hier erzähle
Das Geheimnis hehrer Nacht!

Und wenn dann mit allen Ranken
Du Dich klammerst an den Trauten,
Den die innern Augen schauten:
Schirme Dich der Liebe Macht!

Und er denke Dich nicht schlimmer,
Weil in ungeahnten Schlingen
Jugend Dich und Arglist fingen,
Und kein Engel Dich bewacht! —

Schwere Wahl

Die Frauen hab' ich aufgegeben
Es ist ein betrügliches Geschlecht;
Zwar läßt sich's süß mit ihnen leben,
Doch lieben muß man keine recht.

Und seit ich's so mit ihnen halte,
Sind sie mir mehr als je geneigt;
Ich weiß gewiß, wär' ich der alte,
Sie hätten bald sich hart gezeigt.

Zwar freilich, wenn ich Eine fände,
Wie sie mein Herz im Traume sieht,
Wenn sie mir so vor Augen stände,
Wie sie dem Geist vorüber zieht;

Ein Herz, zu fühlen, was im Herzen
Des unruhvollsten Busens glüht,
Ein Herz, das, selbst vertraut mit Schmerzen,
Weich rühret an ein wund Gemüt!

Ein Geist, der lichte Funken sprühet,
Wenn ihn das Herrliche erregt,
Und der, wo meine Seele glühet,
In gleichem Fluge sich bewegt;

Und eine Hand, die hold mir schmeichelt,
Wenn mich ein wilder Strom ergreift;
Die lind an meiner Seele streichelt,
Wenn sie oft nah am Abgrund schweift;

Die mich erkennt mit allen Fehlen,
Und doch mein wahrstes Wesen ehrt;
Der nichts ich hätte zu verhehlen,
Und der ich selbst mit Fehlern wert.

Sie könnte Vieles schon entfalten
Das dämmernd sich im Busen wiegt,
Und Manches wieder neu gestalten,
Das mir nun fern wie Träume liegt.

Die Strenge macht mich wiederstreiten,
Und selbst für gute Absicht blind;
Doch leicht kann mich die Liebe leiten,
Und sanft berührt, bin ich ein Kind!

Könnt' ich ein solches Wesen finden,
Ich hielt' es wie mein Auge wert;
Sie sollt' in jedem Hauch empfinden,
Wie sie mein tiefstes Herz verehrt!

In jedem Pulse sollt' ihr's schlagen,
Wie ganz sie meine Seele liebt,
Und Wonnetränen sollten's sagen! —
Ob's eine solche Frau wohl gibt? —

Erstes Begegnen

Die Frau, die ich jüngst gesehen,
Sie hat ein hold Gesicht,
Und süß, melodisch wehen
Die Töne, wenn sie spricht.

Und was sie spricht ist sinnig,
Anmutig, nicht geziert;
Sie fühlt — so scheint es, — innig, —
Doch leicht ist's, daß man irrt! —

Wacher Traum

Ich trat in's Zimmer, der letzte
Von allen Gästen, herein,
Da saßen die Frauen im Kreise
Und strickten bei'm Kerzenschein.

Und alle waren Bekannte,
Und nickten mir freundlich zu;
Und mit dem Finger am Munde
Winkt' eine mich zur Ruh'.

Denn mitten im Kreis saß ein Dichter
Und macht' ein ernstes Gesicht,
Und focht dabei mit den Händen
Und las ein schlechtes Gedicht. —

Doch unter den Frauen im Saale
War eine mir unbekannt,
Mit lichtem Ringelhaare,
Sie trug ein blau Gewand.

Ich setzte mich neben den Dichter,
Zu horchen, was er las:
Er hatte lang' gelesen,
Ich aber wußte nicht, was.

Ich hatt' indessen von Sternen,
Und Blumen und Tönen geträumt.
Wie die Nachtigall schlägt im Walde,
Und nieder das Wasser schäumt;

Und wie die Königin sitzet
Auf hohem, goldenen Thron,
Und reicht dem Sänger lächelnd
Ein Kleinod zum Sangeslohn!