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Quelle:

Gedichte
Ignaz Vinzenz Zingerle

Innsbruck 1853
Verlag der Wag'nerschen Buchhandlung

I. Lyrisches
 

Vorfrühling
Im April
An einem Frühlingsmorgen
Das gefangene Vöglein
Spruch im Frühling
Ein Frühlingstag
Glaube
Minnelieder
Zum Abschiede
Einer Trauernden
Abschied von Meran
Auf Reinegg
Auf dem Tummelplatze
Angelus Domini
Abendruhe
Nachts
Morgens
Zuruf
Vertrauen
Im Mai

 

Vorfrühling


Mit Wonne schlagen schon die Nachtigallen,
Wenn sie noch fern den Blütenjüngling ahnen,
Was staunest du, wenn meine Lieder schallen,
Denn lustig weh'n der Hoffnung grüne Fahnen.

Was staunest du, wenn in des Winters Tagen
Die Rosen frühlingsmunter schon erscheinen,
Wenn duft'gen Honig schon die Bienen tragen,
Am sonn'gen Hügel schon die Reben weinen?

Die süße Hoffnung und ein selig Ahnen
Hat sie erweckt zu frühen Lenzeswonnen —
Die süße Hoffnung weist mir neue Bahnen
Und lockt an's Licht des Liedes lust'gen Bronnen.

Im April

So nah'st du wieder, gold'ne Frühlingsstunde,
Der Winter floh; schon wehen laue Winde,
Sie sprengen rasch des Eises starre Rinde
Und lispeln uns der Hoffnung frohe Kunde.

Es quillt erwartungsreich in weiter Runde,
Das Veilchen bricht der Knospe zarte Binde
Und blicket ahnungsvoll gleich einem Kinde,
Das seligbang sich weiht dem Liebesbunde.

So nahst du nun — wir harrten nicht vergebens
Du Zeit des Sanges und der Frühlingslüfte,
Du Morgenstunde neuerwachten Strebens:

O sprenge du des Herzens kalte Grüfte,
Durchwehe sie mit deinem Hauch des Lebens
Und streu' in sie der Liebe Rosendüfte.

An einem Frühlingsmorgen

Der Morgen kam mit seinen Rosenbändern,
Mit Tauesperlen und mit Lerchensängen,
Er streute sie als Gruß den frohen Ländern,
Den Ährenfeldern und den Rebenhängen.

Drauf kam die Sonne auf den Feuerrossen,
Die nimmermüde, stolze Amazone;
Sie ließ der Strahlen Flammenblumen sprossen,
Und flammend strahlte die demantne Krone.

Und Alles rief: Sieh her! Die Bienen schwärmen,
Die Lerchen steigen, laß das stille Trauern!
Was willst dein junges Leben du verhärmen
In deiner kalten Klause dumpfen Mauern?

Das gefangene Vöglein

Draußen winkt der helle Tag,
Draußen lockt die goldne Sonne —
Trinke, wer da trinken mag,
Dieser Stunde klare Wonne.

Wenn ich frei und ledig wär,
Wollt ich fliegen, wollt ich singen,
Pflückte hier die rote Beer',
Lenkte dorthin meine Schwingen;

Stiege hier den Baum hinauf,
Wollte gramgebeugte Föhren
Einen buntern Lebenslauf
Und ein lustig Liedlein lehren.

Ach ich sitze hier allein,
Kann nicht fliegen, kann nicht singen —
Denn es lähmt der enge Schrein
Meine leichten, jungen Schwingen.

Spruch im Frühling

Du willst nach Disteln greifen,
Wenn ringsum Rosen blühn?
Im düstern Nebel schweifen,
Wenn Maientage glüh'n?

Und traurig willst du wohnen
In dumpfer Hütten Grau'n,
Wenn tausend Blütenkronen
Ein duftig Dach dir bau'n?

Aus Rosen web' dir Kränze,
Durchzieh' im Lenz die Welt,
Und schlinge frohe Tänze
Im duft'gen Blütenzelt.

Ein Frühlingstag

Die Lerche singt ihr Tageslied,
Hoch in den blauen Lüften,
Da regt's sich schnell am grünen Ried,
Auf Höhen und in Schlüften.

Schneeglöcklein fängt zu läutetn an
Und ruft: Herbei zum Feste!
Da ziehen Rose und Cian'
Das Kleidchen an, das beste.

Da schlingt den Schleier weiß und fein
Die Lilie um die Stirne,
Da schmücket sich zu Tanz und Reih'n
Maßlieb, die kleine Dirne.

Da kleidet sich der Blumen Schar
In bunte, weiche Seide,
Sie duften süß, sie glänzen klar
Im neuen Hochzeitkleide.

Und stehet sie zum Tanz bereit,
Da nah'n auf duft'gen Schwingen
Die Falter all' in samt'nem Kleid
Ein Ständchen ihr zu bringen.

In ihren Panzern goldenschwer
Geschäft'ge Käfer schwirren,
Es rauscht, als hört man Schwert und Speer
Im Waffentanze klirren.

Da gibts ein Tanzen froh und keck,
Ein Glüh'n an süßen Lippen,
Da fühlt die Rose keinen Schreck,
Wenn Falter Küsse nippen.

Gesang von jedem Baume schallt,
Wie klingen frohe Chöre!
Es dirigiert der Meister alt
Kuckuck vom Zweig der Föhre.

So tönt es fort, so glüht es fort
Bis zu des Abends Prangen;
Die Sonne sinkt, und duftumflort
Kommt still die Nacht gegangen.

Und wenn den goldnen Himmelslauf
Die Sternlein fromm beginnen,
Da bricht man rasch vom Tanze auf
Und zieht beglückt von hinnen.

Glühwürmchen zündet eilig an
Die kleine Blendlaterne,
Und zeigt den Gästen stumm die Bahn
Zur lieben Heimatsferne.

Und weit und breit verstummet bald
Des letzten Tanzes Weise,
Es tönet aus dem düstem Wald
Des Baches Lied nur leise.

Glaube

Der Himmel blaute; lichte Wölkchen schweben
Sah ich am Himmelsmeer, gleich gold'nen Kähnen;
Mir war's, als sähe ich die Wellen beben,
An jedem Nachen einen Engel lehnen.

An meinem Haupte lachten Rebenranken,
Mit ihnen spielten froh die lauen Weste;
Und in dem Tal sah ich die Ähre wanken,
Als brächte sie ein Opfer zu dem Feste.

Im Kelch der Rose zitterte die Zähre,
Sie war in stiller Andacht ihr entronnen,
Und an dem Strauche glänzte eine Beere
Und blickt' als Kindesaug' empor zur Sonnen.

Die Bienen summten und die Falter flogen,
Es war ein Klingen rings in allen Kronen,
Da fühlt' mein Herz sich mächtig hingezogen,
Dem großen Feste gläubig beizuwohnen.

Es schmolz das Herz, die Träne blinkte wieder,
"Ein Kind will werden ich; o Herr! ich glaube."
Da lächelte die Sonne gold'ner nieder,
Und duft'ger winkte mir die Blütentraube,

Die Quelle sang so frisch und freudetrunken,
Die Blumenglocken klangen in dem Tale;
Da war ich gläubig betend hingesunken,
Mein offnes Herz war eine Opferschale,

Und ihr entstiegen, als des Weihrauchs Düfte,
Der höchsten Andacht heiligste Gedanken;
Und drinnen klang es, wie wenn Maienlüfte
Zersprengten froh des Eises kalte Schranken.

Minnelieder

                        1.

Im goldnen, klaren Morgenschein
Zieh ich in's weite Tal hinein,
Es steigt das Lied, es schwelgt der Blick,
O süßes, süßes Wanderglück!

Und wo ich geh' und wo ich eil',
Und wo ich steh' und wo ich weil,
Mein Lied stiegt über Berg und Tal
Und grüßet dich viel tausendmal.

                        2.

Und schmückt der Frühling Zweig und Ast
Mit hellen Blütentrauben,
Du freuest dich an ihrem Glast
Und wirst dem Lenze glauben;

Und wenn der Liebe Lenz erwacht
Und schenkt dir Blut' um Blüte,
Du zweifelst an der Liebe Macht
Und an des Himmels Güte?

                        3.

O goldne, holde Frühlingszeit,
O wonniges Singen und Klingen!
Wie ist mein Herz so froh und weit,
Es möchte vor Lust zerspringen.

Es glühet ja die Liebe mir
Und schaffet Lust und Wonne;
Und ob der Blumen bunter Zier
Lacht golden die ewige Sonne.

                        4.

Was willst du, Lieb! noch traurig sein,
Vergeh'n im stillen Harm?
Der Frühling schenkt den Freudenwein,
Fragt nicht nach Reich und Arm.

Er dichtet froh sein Schöpfungslied
In Gottes freier Welt,
Die Blumenkarawane zieht
Bei Lerchensang durchs Feld,

Und streuet süßen Veilchenduft,
Und gibt gar lichten Schein.
Drum eil' hinaus zur Frühlingsluft
Und wasch' die Äug'lein rein.

O weinet nicht, ihr Augen klar!
Sei froh, du liebes Herz!
Der Frühling liebt ein liebend Paar
Und heilet Weh und Schmerz.

Er stickt den Blumenteppich dir,
Den Blütenbaldachin,
Und zaubert dort, und zaubert hier
Ein Liebeseden hin;

Drum jauchze heut am Frühlingstag:
"Lebt wohl ihr, Leid und Schmerz!"
Und was der Mai nicht bieten mag,
Biet' ich — ein liebend Herz.

                      5.

Es dunkelt, Föhnn und Tannen,
Sie nicken schlummernd ein,
Es wirft in die Wolkendecke
Sich schläfrig der Mond hinein.

Die Birken nur wallen im Winde,
Der säuselnd im Tale geht,
Der Wildbach rauschet im Grunde
Sein lautes Abendgebet.

Ich kann nicht schlummern, nicht träumen,
Ich habe schon lange gewacht,
Ich hab' mit dem Bache gebetet
Und liebend deiner gedacht.

                      6.

Wenn zur stillen Burg ich walle,
Blütensträuche mich umranken,
Steigen zu des Himmels Halle
Meine seligen Gedanken.

Und sie preisen hoch und mächtig
Unsern lieben Vater droben,
Der die Liebesrose prächtig
In des Lebens Kranz gewoben.

                      7.

Unser Streben, unser Trachten
Sei ein Blicken nur nach Oben,
Wenn auch Stürme uns umnachten,
Wollen wir den Vater loben.

Mag es dunkeln, mag es tagen,
Mag er Weh und Lust uns senden,
Nimmer wollen wir verzagen,
Denn wir ruh'n in seinen Händen.

                      8.

O zweifle nicht, mein Lied ist dein,
Ob's juble, ob es klage,
Dir klingt es bei dem Mondenschein,
Dir klingt's am lichten Tage.

Und wem das Lied, dem schlägt mein Herz
In hohem Schlag entgegen,
Du lächelst auf des Dichters Schmerz
Des Friedens heil'gen Segen.

                      9.

Und wie wir treu uns lieben heut
Von Jugendlust umglänzet,
So steh' der Bund noch fest erneut,
Wenn greises Haar uns kränzet.

O süße Lust, wenn spät im Jahr
Noch lächelt hold die Sonne,
Man träumt am Herbstestage klar
Sich neu des Frühlings Wonne.

                      10.

In stiller Stunde wandelst du
Zur dämmernden Kapelle,
Und betest fromm in süßer Ruh
Für mich an heilger Stelle;

O bete nur, in Leid und Lust
Laß uns den Ew'gen loben.
Was je erfreut des Kindes Brust,
Es kommt vom Vater droben.

                      11.

Ich habe dir mein Herz geschenkt,
Es ist und bleibt dein Eigen,
Wie auch der Herr die Lose lenkt,
Des Schicksals Stürme steigen.

Und sollte uns der bleiche Tod
Entführen diesem Tale,
Wir schweben auf im Morgenrot
Zum schönern Hochzeitmahle.

                    12.

Es wechseln Nacht und Morgen,
Der Winter und der Mai,
Es bleibt von Leid und Sorgen
Des Lebens Tag nicht frei.

Wir wollen redlich tragen
Und Heilen unsern Schmerz,
Dann wird im Leiden schlagen
Noch freudig unser Herz.

                      13.

Ich liebe dich, wie Engel minnen
In reiner Liebe sich ergeben,
Du bist mein Trachten und mein Sinnen,
Mein Träumen und mein süßes Leben.

Du bist mein Tag. — Was wär' die Blume,
Wenn sie die Sonne nicht erblickte?
Was wär' mein Herz, das traurig stumme,
Wenn deine Lieb' es nicht beglückte?

                      14.

Du bist ein edles, treues Blut,
Wie man es suchet sonst vergebens,
Ein Morgenstrahl, der lächelt Mut
In diese dunkle Nacht des Lebens.

Was wär' ich ohne deine Lieb?
Was wär' ich, wenn ich dich nicht hätte?
Ein wilder, heimatloser Trieb,
Der traurig welkt an fremder Stätte. —

                      15.

O sich mich nicht so traurig an,
Laß nicht die Träne blinken!
O laß des Schmerzes eitlen Wahn
Zerstieben und versinken!

Die Liebe weilt bei ihrem Hort,
Und trennen sie auch Meere,
Der Himmel spricht sein Segenswort
Und schickt ihr seine Heere.

                    16.

Die Maienrose hat den Thron
Geräumt der Hagebutte,
Die Bäume starren kahler schon
Umringt vom Blätterschutte;

Nur meine Liebe steht so frank,
Wie Rosen, maigeboren,
Die Wunderblume ist nicht krank,
Sie hat kein Blatt verloren.

Zum Abschiede

Laß die klare Silberzähre
Nicht durch deine Wimper dringen,
Auch der Schmerzen dunkle Heere
Kann ein liebend Herz bezwingen;
Wende vorwärts deine Blicke
In der Zukunft heit'res Blauen —
Ewig wechseln die Geschicke,
Laß getrost uns vorwärts schauen.

Ewig währt nicht dieses Bangen,
Ewig wechseln ja die Lose,
Wo einst Wüste, siehst du prangen
Frühlingsfroh die Purpurrose;
Aus den Nächten steigt der Morgen
Mit den gold'nen Lichtgeschossen,
Aus dem Bangen, aus den Sorgen
Will des Glückes Palme sprossen.

Wie nach wilden Sommerstürmen
Sich die Wogen friedlich legen,
Siehst du heut den Schmerz sich türmen,
Morgen taut des Friedens Segen;
Und wenn selbst das Stürmen bliebe,
Und es grollte nah und ferne,
Leuchtet doch so klar die Liebe,
Sie die Fürstin aller Sterne.

Darum laß die Silberzähre
Nicht durch deine Wimper dringen,
Auch der Schmerzen dunkle Heere
Kann ein liebend Herz bezwingen;
Ewig wandeln die Geschicke,
Wie die Sterne auf und nieder,
Darum lenke deine Blicke
Heiter in die Zukunft wieder.

Einer Trauernden

Wie herrlich! Süße Wonne ist es, trau'n!
Dir in das blaue, holde Aug' zu schau'n,
In sel'ger Nähe deinem Wort' zu lauschen,
Und Blick um Blick mit dir in Lust zu tauschen.

Wie sich im Mai, wenn rings die Knospe springt,
Aus trübem Traum empor die Seele ringt,
Wie sich am Morgen heben die Gedanken
Und lebensmunter hin und wieder schwanken;

So wird es frei in meiner engen Brust,
Es bricht herein der Liebe Frühlingslust,
Und mächtig grünen sie, der Freude Sprossen,
Sie sind in deiner Näh' emporgeschossen.

Doch senkt sich stille Wehmut mir in's Herz,
Les ich auf deiner Stirne sanften Schmerz,
Er mildert sanft der Freudenrose Leuchten
Mit dunklem Flore, mit dem tränenfuuchten.

Gehoben scheint der Schönheit hohe Lust,
Wenn leise Wehmut klopft an uns're Brust;
Drum laß mich sitzen und hochselig schauen
In deiner Augen Glanz, der himmelblauen! —

Abschied von Meran

Du schlingst dir Epheukränze
Aus Ranken frisch und jung,
Daß deinem Innern glänze
Die Blum' Erinnerung.
Daß du in fernen Tagen
Gedenkest an dies Tal,
An seine grauen Sagen,
In süßer Lust zumal.

O laß das stille Weben
Der Kränze und der Mai'n,
Und folge mir nur eben
Schnell auf den Dürrenstein,
Dort will ein Bild ich zeigen,
Das schönste in Tirol,
Das nimm als Gut und Eigen
Heut mit zum Lebewohl.

Sieh, wie das Tal zu Füßen
Dahingebreitet lacht,
Es will dich liebend grüßen
In seiner grünen Pracht:
Die Felsen und die Zinnen
Der Burgen rufen hier:
"Zieh'st, Wandrer! du von hinnen,
Nimm unser Bild mit dir!"

Dort Steinachs Klosterhallen
Im weichen Rebengrün!
Dort träumet Forst zerfallen
Auf luft'gem Bühl dahin.
Kastanienwälder dunkeln
Manch' liebes Häuschen blinkt,
Bis wo der Weine Funkeln
Zu Löwenberg uns winkt.

Und ferner an dem Schlunde,
Aus dem der Wildbach bricht,
Gibt Braunsberg graue Kunde
Vom höheren Gericht,
Und von dem Hügel droben
Schaut Völlan waldumhegt,
Wie Lana rebumwoben
Sich ihm zu Füßen legt.

Die Blicke schweifen gerne
Das weite Tal entlang,
Bis wo in blauer Ferne
Hocheppans Felsenhang;
Doch nicht zur Ferne stiegen
Soll unser Auge klar,
Wenn ringsum schwellend liegen
Die Schätze wunderbar.

Siehst du dort tief zur Linken
Das graue Katzenstein,
Und drüber Fragsburg winken
Im Abendsonnenschein?
Und lieb in blauer Scharte
Das Kirchlein Sankt Kathrein?
Wie blickt die fromme Warte
So ernst in's Tal hinein!

Sie sieht die Trauben blauen
Und hört der Winzer Sang,
Wo einst ob Majas Gauen
Des Berges Sturz erklang;
Sie sah aus den Ruinen
Ein Paradies ersteh'n,
Wo lebensfrohe Bienen
Von Blum' zur Blume gehn.

Und aus dem Wiesengrüne
Blickt traut das Städtlein auf;
Der Kirchturm grüßt, ein Hüne,
Uns mit dem goldnen Knauf.
Und näher sieht man winken
Des Küchelberges Haupt,
Und seine Leiten blinken,
Von Reben überlaubt.

Und hier vom Feigenbaume
Das Hüttchen überdacht,
Das freundlich, wie im Traume,
Zu unsern Füßen lacht,
An ihm ragt die Vignole,
Die Rebe träumt am Stab,
Und sieh! mit flücht'ger Sohle
Springt's Bächlein rasch hinab.

Hier blüh'n die Anemonen,
Das Veilchen sinnet hier,
Sobald die Blütenkronen
Der Frühling lockt herfür,
Im Schatten dunkler Feigen
Träumt sich's so lieb und bunt,
Drum laß uns niedersteigen
Zum wonnereichen Grund.

Und laß das stille Weben
Der Kränze und der Mai'n,
Doch laß dies Bild stets leben
Im lieben Herzen dein;
Und weilest du am Strande,
Wo rauscht die Nordsee hohl,
So träum' von unserm Lande,
So denke an Tirol!

Auf Reinegg

Die Mauern und die Zinnen
Zerfallen, öd und grau!
Nur Schlinggewächse spinnen
Ein Netz dem alten Bau.

Es halten Fichten, Tannen
Die stille ernste Wacht,
Verfeite, alte Mannen
In dunkelgrüner Tracht.

Das Röslein blüht so munter
Und spricht zur Morgenluft:
"Du trag' in's Tal hinunter
Zum Gruße meinen Duft!"

Der Bronnen traumverloren
Rauscht leis vorbei daran,
Als summe seine Horen
Der alte Schloßkaplan.

Ich stehe drob im Gaden
Und fühl' mich froh und frei,
Als ob von Gottesgnaden
Ich Reineggs Schloßherr sei.

Auf dem Tummelplatze

Ein waldumhegter Plan. Die Fichten halten Wacht
Um's stille Heiligtum und lispeln leis und sacht,
Wie wenn ein Freund zum Freunde flüstert;
Es ist ein eig'ner Platz, das hab' ich oft gefühlt,
Wenn in dem Fichtengrund die Luft des Abends wühlt,
Und sich das weite Tal umdüstert.

Im freien Waldesreich da liegen sie in Ruh',
Die Feinde und den Freund deckt eine Scholle zu,
Da sammeln sich die frommen Beter;
Da liegen sie und fleh'n auf den gebeugten Knie'n,
Da schwebt der nasse Blick zur Flur der Sterne hin,
Der Blick der Mütter und der Väter.

Und in der Runde steht, den Stürmen ausgesetzt,
Auf Gräbern manches Kreuz, verwittert und zerfetzt,
Wie eine morsche Oriflamme.
So blickt oft altersgrau im Abendsonnenstrahl,
Der längst versunknen Zeit ein ernstes Totenmal,
Die Zinne von des Hügels Kamme.

Ein Kreuz nur überragt, wie niedern Strauch der Baum,
Ganz heil und unversehrt die Bilder in dem Raum,
Vor dem die waise Lampe schimmert:
Da hab' ich oft gelauscht, wie Christ den Segen spricht,
Wie er Entzweites eint, das schwache Rohr nicht bricht,
Und nicht erlöscht den Docht, der flimmert.

Da fühlt' im dunkeln Wald ich seinen Odem weh'n,
Der einst die Schläfer ruft zum großen Aufersteh'n,
Wenn die Posaunen dröhnen mächtig;
Da schlief die Welt um mich und meines Innern Flut,
Wie wenn im Mondenschein des Meeres Fläche ruht,
D'rin sich die Sterne spiegeln prächtig.

Da schaute ahnungsvoll des Himmels Blau herab,
Da sah geheimnisreich zu mir herauf das Grab,
Das Grab mit seinen gilben Blüten;
Da stieg in mir ein Traum in heller Pracht empor,
So treibt die Ros' im Mai und widmet Gott den Flor,
Wenn auch die Veilchen schon verglühten.

Da sann ich still bei mir: O stünde in dem Tann
Ein schlichtes Gotteshaus und wiese himmelan
Mit seines Turmes spitzem Strahle. —
Ein Zeichen grün umhegt, daß dort die Liebe schwebt,
Die siegreich Länder eint und heil'ge Bande webt,
Und trennten uns auch tiefe Tale.

O stünd' am Friedensplatz im dunkeln Fichtensaal
Ein würd'ger Sarkophag, ein deutsches Totenmal,
Und zeigte, daß hier Brüder hausen;
Der Glaube Brücken baut, die Liebe Herzen fügt,
Der Hoffnung Anker fest in vielen Seelen liegt
Bei uns, wie in dem Flachland draußen;

Daß längst der Hader schwieg, der Groll sich längst verzog,
Der einst, ein Würgergeist, der Brüder Reih'n durchflog
Und morden hieß selbst Bergeswände. —
Dies Alles ist vorbei, zerstoben ist der Wahn,
Der Liebe Rose treibt die Blüten himmelan,
Umwindet hold die Bruderhände.

O hört' der Fichtenwald der Kelle frischen Klang,
O tönte überall der Maurer Schlag und Sang,
Daß wonnevoll die Waldung lauschte!
O sah' vom First herab ich bunte Bänder weh'n
Und frisch und jugendgrün die stolze Maie steh'n,
Die mit den Lüften Küsse tauschte! —

O säh' ich! — — Doch die Zeit ist meinem Traum nicht hold,
D'rum schweig' mein schlichtes Lied. Du hättest eh' gesollt
Nicht stören heil'gen Waldesfrieden
Wir wallen stumm dahin — im Schweigen blüht das Glück —
Doch eh' wir fürder zieh'n Ein Wort noch, Einen Blick:
"Ruht, teure Brüder, sanft hinieden!"

Angelus Domini

Wird es kaum im Osten helle.
Bei des Tages erstem Schein
Ruft das Glöcklein der Kapelle
In dem morgenkühlen Hain,
Ruft in wunderbarer Weise
Silbertönig, leise, leise:
Gruß, o Jungfrau! dir Maria!

Strahlt die Sonne senkrecht nieder
Auf das frühlingsheit're Tal,
Ruft dasselbe Glöcklein wieder
Milde wie das erste Mal,
Ruft in wunderbarer Weise
Silbertönig, leise, leise:
Gruß, o Jungfrau! dir Maria!

Wühlt im dicht verzweigten Walde
Kühler schon die Abendluft,
Von der veilchenduft'gen Halde
Noch einmal das Glöcklein ruft,
Ruft in wunderbarer Weise
Silbertönig, leise, leise:
Gruß, o Jungfrau! dir Maria!

Und im heil'gen Liebesdrange
Schwebt die Seele himmelan,
Und die Hölle zittert bange,
Und die Himmel beten an.
Engel singen leise, leise,
In gar wunderbarer Weise:
Gruß, o Jungfrau! dir Maria!

Abendruhe

In den Mandelbäumen leise
Weht und lauscht es: Gute Nacht,
Während seine Silbergleise
Zieht des Mondes heil'ge Macht.

Und die Sterne kommen mählig,
Lachen her in goldner Pracht,
Wandeln ihre Bahnen selig,
Flüstern leise: Gute Nacht!

"Gute Nacht!" ertönt es wieder
Aus Zikaden Kehlen sacht,
Und der Sturzbach rauschet nieder
In den Frieden: "Gute Nacht!"

Und ins Singen und ins Klingen
Ruft mein Lied mit aller Macht:
Allen, die da streben, ringen,
Lache süß die schönste Nacht!

Allen, die zum Höchsten klimmen,
Bringe Ruh und Traum die Nacht,
Bis ihm klingen Engelstimmen
Und der ew'ge Morgen lacht;

Bis die Engel zleh'n und wallen
Mächtig rufend: "Nun erwacht,
Denn es winkt in ew'gen Hallen
Euch des Tages ew'ge Pracht!"

Nachts

So weine
Alleine,
Ins Meer der dunklen Nacht.
Laß deine Tränen fließen,
Wenn lauschend Niemand wacht;
Als ferne
Die Sterne,
Die dich hellschimmernd grüßen.

So weine
Alleine,
Erheb' vom Erdengrab
Den Blick zur ew'gen Ferne!
Es träufeln Trost herab
Auf Zähren
Die hehren
Gestirne mild und gerne.

Morgens

Danke Gott, aus dunkler Nacht
Bist zum Lichte du erwacht,
Aus der Träume Zauberreih'n
Tritt'st in's laute Leben ein.

Trinkest frische Morgenluft,
Atmest süßen Blumenduft. —
Morgenröte, Sonnenschein
Laden dich zum Schaffen ein.

Streife ab die dunkle Nacht,
Streife ab der Träume Pracht,
Daß du handelst, sah'st du's Licht,
Handle Freund und träume nicht.

Daß du handelst, hat gestellt
Dich der Vater auf die Welt; —
Schau die munt're Biene trägt,
Bis die Sonn' zur Ruhe sich legt.

Handle frei, und handle recht!
Sei des Höchsten treuer Knecht!
Sinkt die Sonne von den Höh'n,
Kannst du wieder träumen geh'n.

Zuruf

Pilger in dem Erdentale,
Der du wanderst ohne Ruh
Deinem kalten Totenmale,
Deinem tiefen Schlummer zu;

Siehst du dich von Leid umrungen,
Wie die bitt're Not dich schreckt,
Wie das Feuer böser Zungen
Zehrend dir am Rufe leckt,

Wie du rings von allen Lieben
Bist verachtet und verkannt:
Denke, bist mir doch geblieben,
Mein geliebtes Vaterland.

Blicke dann zum Himmelszelte,
Wo der ew'ge Vater thront,
Der so reichlich alles Wehe
Seinen treuen Kindern lohnt.

Und des Friedens Regenbogen
Glänzet neu und schöner dir;
Leitet ja durch Sturm und Wogen
Uns ein Vater für und für.

Vertrauen

Nur unverwandt auf Gott vertraut,
Wenn Leid und Not dich drücken!
Die Träne, die vom Auge taut,
Sie wird zur Perle, um die Braut
Im Himmel einst zu schmücken.

Nur unverwandt auf Gott vertraut
In Stürmen und Gewittern!
Wenn auch im Tal der Nebel braut,
In Höhen doch der Himmel blaut
Und lächelt treuen Schnittern.

Nur unverwandt auf Gott vertraut
Im Dunkel und in Nächten!
Wie es auch schweigt und wie es graut,
Ein Vater auf uns Kinder schaut,
Schützt uns mit starker Rechten.

Nur unverwandt auf Gott vertraut,
Will auch dein Herz fast springen!
Nach Sturm und Nacht der Morgen blaut,
Wer unverwandt zum Himmel schaut,
Den wird er einst umschlingen.

Im Mai

                       1.

Die Lerche wirbelt so hoch und frei
Ihr Lied in heiterer Luft,
Die Blume streut am sonnigen Rain
Den zarten, lieblichen Duft
Der sel'gen Jungfrau Maria.

O könnt' ich jubelnden Lerchen gleich
So freudig singen ein Lied,
O könnt' ich breiten herrlichen Schein
Der Blume gleich am Ried
Der sel'gen Jungfrau Maria.

                       2.

Schneeglöcklein läutet sachte, sacht
Am Feldweg seine Weise,
Es ruft den Blumen: "Auf, erwacht,
Zieht an des Kleides bunte Pracht,
Der Himmelsfrau zum Preise!"

Da schmücket sich gar wunderbar
Die Blumenfürstin Rose,
Da schlingt sich Perlen hell und klar,
Die Hiazinth' ins krause Haar,
Die duft'ge, dornenlose.

Da hebt die Tulpe stolz und bunt
Die reichgeschmückte Krone,
Da glüh'n Narzissen in dem Grund,
Und sterbend lächelt noch zur Stund'
Die zarte Anemone.

Und alle steh'n im Festgewand
Und jubeln auf den Auen
Und weben Kränze über's Land
Mit kunstgeübter, zarter Hand
Zum Preis der höchsten Frauen.