Gartendistichen
Distichen
Im Garten
Blumen duften und blüh'n, des Lenzes lächelnde Kinder,
Von der Sonne gekost, reichlich von Faltern gefreit.
Weste küssen den Kelch der Wohlduft atmenden Rose,
Und von Minne beseelt spiegelt der Bronnen ihr Bild;
Nachtigallengeflöt ertönt vom schattenden Eichbaum,
Bulbul weihet das Lied glühenden Blumen im Hag;
Herrliches Leben der Lust, des Lenzes, der wonnigen Jugend! —
Ach, daß Jugend und Lust schwinden, wie kräuselnder Rauch.
Morgens Blüte und Duft; doch Abends sinken die Kelche,
Lebensmüde und schlaff hat sich der Stengel gebeugt.
Primeln
Primeln blühen in Reih'n so traulich im bunten Gewande,
Märchen, wie sie zum Spiel Kindern der Frühling erzählt.
Maiglöcklein
Klinget im blühenden Kreis ihr Glöcklein freudig und helle,
Feiern ja Minne und Mai selig ihr göttliches Fest.
Ciane
Wie ein freundlicher Stern erblühest du blaue Ciane,
In der reifenden Saat fügst du zum Nutzen den Schmuck.
Tulpe
Seh' ich, Tulpe! dich an in deiner prunkenden Schöne,
Sehnt sich traurig mein Herz zu der Viole zurück.
Kapuzinerblume
Wo sich freuet das Volk, da ruft es den Pater zum Feste,
Das ist Sitte und Brauch alt in den Bergen gepflegt.
Sieh' es feiert ein Fest das fröhliche Völkchen der Blumen,
Und es findet der Mönch brauner Kapuze sich ein.
Brennende Liebe
Flamme im lodemden Rot, du feurig leuchtende Blume,
Bild der himmlischen Glut, liebenden Herzen so lieb!
Mittagsblume
Mittagsblume, du öffnest den Kelch der leuchtenden Sonne,
Aber sie flieht, und schnell schließet dein Busen sich zu;
Gleichest du nicht dem Gedicht, das erblühet in Stunden der
Wonne?
Traurig welket es hin, rasch, wie die Freude verblüht'.
Rebenblüte
Rebenblüte so schlicht, wie hauchest du liebliche Düfte!
"Traun! die Düfte so mild werden ein mächtiger Geist!"
Lindenblüte
Duftend, bescheiden und zart bist du, o Blüte der Linde,
Zarter Weiblichkeit Bild sei du vom Sänger begrüßt.
Myrthe
Tief im Grunde des Gartens wie stehet so sinnig die Myrthe!
Träumt sie schon von der Braut, die sie einst wonnig umkränzt?
Lorbeer
"Siehst du das Lorbeergebüsch? Wir pflanzten die glänzenden
Blätter,
Dir zu winden um's Haupt ehrend den dunkelnden Kranz."
Also sprachst du im Scherz — doch sieh ich konnte nicht lächeln,
Denn ich gedachte des Fluchs, der die Poeten verfolgt.
Der Granatenbaum
Lieblich bist du fürwahr ein Bild des sternigen Himmels,
Zweige sind das Gezelt, Blüten die Sterne darin.
Kaktus
Ferne dem glühenden Land, wo dunkel flutet der Niger,
Weil' ich im kalten Gebirg, Nebel umhüllen das Tal.
Machtvoll zieht es mich fort und der Sehnsucht zehrende Gluten
Drängen als Blüten ans Licht, funkelnd in feuriger Pracht.
Unkraut
Wo die Blumen erblüh'n, da kommt auch schleichend das Unkraut,
Neben der Rose Duft machet die Nessel sich breit.
Nirgends findest du rein der Freude himmlische Klänge,
Neben vollendeter Form bricht sich das Häßliche Bahn.
Vergißmeinnicht
An dem äußersten Beet, dort blühen so viele der Blumen,
Und ein Vergißmeinnicht pflückt' ich zum Abschied im Geh'n;
Dürre ist es und fahl, denn eilig altern die Blumen,
Doch wehmütige Lust hat es der Seele geweckt.
An Maria
Teures Schwesterhaupt, dir weih' ich die Distichen liebend,
Die ich sinnend zum Kranz heiliger Erinn'rung dir wand.
Blumen spielen darin und Blumen scheinen sie selber,
Nimm die Blumen dahin, dir von dem Bruder gereicht.
Jede ist dir bekannt, du kennst ja das trauliche Gärtchen,
Wo das Rosengezweig, hoch die Zypresse dich grüßt.
Der Erinnerung Hand hat dort sie gepflückt und gewunden,
Wo der Kindheit Lust wir mit einander verlebt,
Wo wir traulich gepaart einst kosten im Schatten der Reben,
Und von den Lippen das Wort unserer Mutter gehascht,
Wo du mich liebend geführt zum Quelle kindlicher Dichtung,
Mir beim Abendrot schillernde Märchen erzählt.
O der seligen Zeit, wo Kleines die Kleinen erfreute
Und in Liebe vereint immer die Hore uns fand!
Oft entschwebet mein Geist, mag steigen die glückliche Sonne,
Oder nieder sie geh'n, hin zur vergangenen Welt;
Traurig schöpft er und froh sich tief wehmütige Wonne,
Und erblickt er dein Bild, löst sich in Freude mein Herz!
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