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Wohl müssen die Lieder im Abend sein
Und dort meines Weges warten,
Denn geh ich in seine Arme hinein,
So tönt mein Herz ganz glockenrein
Und klingt wie der Wind durch den Garten.

Ist dies der Abend, der also singt
Und den meine Lieder erlauschen,
Ist's Mondglanz, der süß und silberbeschwingt
In die perlenden Kelche der Blüten sinkt,
Ist's der Wälder traumraunendes Rauschen?

Ich weiß nur: ein lockender Wille drängt
Mich hin in die Abendgelände,
Und wie das Herz dort sinnt und denkt,
Fühlt es oft, wundersam beschenkt,
Eines Liedes aufpochende Hände.

Und fühlt: der Abend ist reich und rein
Und voll von rauschenden Gnaden.
Was wir uns ersingen, war alles sein
Und unser Wandern ein Weg allein
Auf seinen ferndunkelnden Pfaden.

 
Heard melodies are sweet, but those unheard
Are sweeter.
                                                         Keats



Die Dinge, die die Abende erzählen,
Die sind so seltsam süß und wunderbar,
Weil sich in ihnen Wunsch und Wort vermählen
Und küssen, wie ein Schwesterlippenpaar.

In ihnen schläft der Schmelz der Violinen
Und träumt ein Trost, der nicht dem Tag entstammt,
Und sorglos nimmst du Süßigkeit von ihnen
Gleich einer Rose, die am Wege flammt.




 

Lieder des Abends
 

Träume
Lied des Einsiedels
Überglänzte Nacht
Herbst
Der dunkle Falter

 
Sinkender Himmel
Graues Land

 

Träume

Du mußt dich ganz deinen Träumen vertrauen
Und ihr heimlichstes Wesen erlernen,
Wie sie sich hoch in den flutenden blauen
Fernen verlieren gleich wehenden Sternen.
Und wenn sie in deine Nächte glänzen
Und Wunsch und Wille, Geschenk und Gefahr
Lächelnd verknüpfen zu flüchtigen Kränzen,
So nimm sie wie milde Blüten ins Haar.
Und schenke dich ganz ihrem leuchtenden Spiele:
In ihnen ist Wahrheit des ewigen Scheins,
Schöne Schatten all deiner Ziele
Rinnen sie einst mit den Taten in Eins.

Lied des Einsiedels

Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin!

Der stummen Sterne reine Nähe
Weht mich mit ihrem Zauber an
Und hat der Erde Lust und Wehe
Von meinen Stunden abgetan.

Der süße Atem meiner Geige
Füllt nun mit Gnade mein Gemach,
Und so ich mich dem Abend neige,
Wird Gottes Stimme in mir wach.

Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin.

Und von der Welt nur dies begehre,
Die weißen Wolken anzusehn,
Die lächelnd, über Schmerz und Schwere,
Von Gott hin zu den Menschen gehn.

Überglänzte Nacht

Der Himmel, dran die blanken Sterne hängen,
Hat seine Fernen atmend ausgespannt,
Und nachtverhüllte Blüten übersprengen
Mit heißen Düften das verklärte Land.

Die Wälder brennen blau wie Amethyste.
Sie rauschen nicht. Stumm stehen ihre Reihn,
Und solche Stille liegt im Land, als müßte
Der Engel Schwinge über ihnen sein.

Und jedes Herz muß diesen Segen spüren,
Und alle Wege, die noch irre gehn,
Wird nun ein Traum zu jenen Türen führen,
Die vor den Landen der Verheißung stehn.

Herbst

Traumstill die Welt. Nur ab und zu ein heisrer Schrei
Von Raben, die verflatternd um die Stoppeln streichen.
Der düstre Himmel drückt wie mattes schweres Blei
Ins Land hinab. Und sacht mit seinen sametweichen
Schleichschritten geht der Herbst durch Grau und Einerlei.

Und in sein schweres Schweigen geh auch ich hinein,
Der unbefriedigt von des Sommers Glanz geschieden.
Die linde Stille schläfert meine Wünsche ein.
Mir wird der Herbst so nah. Ich fühle seinen Frieden:
Mein Herz wird reich und groß in weitem Einsamsein.

Denn Schwermut, die die dunklen Dörfer überweht,
Hat meiner Seele viel von ihrem Glück gegeben.
Nun tönt sie leiser, eine Glocke zum Gebet,
Und glockenrein und abendmild scheint mir mein Leben,
Seit es des Herbstes ernstes Bruderwort versteht.

Nun will ich ruhen wie das müde dunkle Land . . .
Beglückter geht mein Träumerschritt in leise Stunden,
Und sanfter fühle ich der Sehnsucht heiße Hand.
Mir ist, als hätt ich einen treuen Freund gefunden,
Der mir oft nahe war und den ich nie gekannt . . .

Der dunkle Falter

Noch glüht, umwölkt von kühlen Abendrosen,
Vor mir die Heimat. Doch mein Herz erbebt
Vom Sehnsuchtslied der ewig Heimatlosen
Und fühlt den Schmerz, den es doch nie erlebt.

Wie eine milde, traurig–süße Mahnung
Umfängt mich dieses fremde Bruderleid.
Früh flügelt schon der dunkle Falter Ahnung
Über die Gärten meiner Jugendzeit.

So deutungsvoll ward mir das Stundenschlagen,
So müd mein Herz. Und selbst den tiefen Glanz
Der Frauenblicke weiß ich nur zu tragen,
Wie bange Hände einen welken Kranz . . .

Sinkender Himmel

Du Herz, das immer die Sterne begehrte,
Für jeden Wunsch verschenkt sich ein Traum.
Sieh, schon neigt sich der abendverklärte
Himmel zu dir, und du faßt es kaum.

Neigt sich und neigt sich. Und in sein Sinken
Hebt die Erde verschreckt ihr Gesicht,
Und wie mit purpurnen Lippen trinken
Die Höhen das letzte löschende Licht.

Alle Bäume schon müssen ihn fühlen,
Steil greift ihr Schmerz in den Abend empor,
Und mit den zitternden Armen wühlen
Sie sich in den samtenen Sternenflor.

Und tiefer rauschen die Wolkenfernen.
Schon streifen sie dich, wie ein Kuß, wie ein Kleid,
Und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
Dein Herz in die nahe Unendlichkeit.

Graues Land

Wolken in dämmernder Röte
Drohn über dem einsamen Feld.
Wie ein Mann mit trauriger Flöte
Geht der Herbst durch die Welt.

Du kannst seine Nähe nicht fassen,
Nicht lauschen der Melodie.
Und doch: in dem fahlen Verblassen
Der Felder fühlst du sie.