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Kunst
 

Gedichte
 

Die Poesie
Lohn des Liedes
Der Reim
Begeisterung zum Liede
Eigene Weise
Die Sehnsucht
Eine wahre Geschichte
Einer Sängerin
Die Weigerung
Saadi
Gleichnis
Mein Herz
Sängerwerk

 
Die sieben Musikanten
Gnomen und Xenien
Kanne starb
An Hammer
An Rückert
Der Dichter

 

Die Poesie


Lieb hab' ich sie all,
Wie sie da heißen:
Musik, die Nachtigall,
Mit ihren herrlichen Weisen,
Mit ihrem klagenden Laut,
Der schmelzend niedertaut,
Oder mit ihren Wettern,
Die Herzen können zerschmettern.

Und die stille malende Kunst,
Geschaffen, daß sie entzücke,
Die mit freundlicher Gunst
Festhält die Augenblicke,
Und was sie der Natur
Ablernt auf grüner Flur,
Oder in schöner Augen Klarheit,
Bewahrt in treuer Wahrheit.


Und dann das hohe Weib,
Die mit kühnem Zwingen
Den allerschönsten Leib
Dem Stein weiß zu entringen;
Die Mutter Laokons,
Die den Schmerz ihres Sohns
Und die Schlangen der Qual, die wilden,
In Marmor weiß zu bilden.

Sie, auf deren Wink
Erstehen Riesenkolosse,
Im weiten Zeitenring
Die kräftige, große,
Die nach Jahrhunderten noch
Trotzt jeglichem Zeitenjoch,
Und mit kräftigem Mahnen
Den Enkel weist auf die Ahnen.


Dann mit dem Winkelmaß
Die schöne, nahverwandte,
Die mit dem Zirkel niedersaß
Und kühne Bogen spannte,
Und Dome luftig groß
Entzaubert dem Erdenschoß,
Die riesig emporgestiegen,
Und, Wunderwerke, vor uns liegen.

Und sie, die zu heben weiß
Den Geist auf scharfen Blicken,
Und zu dem Sternenkreis
Aufbauet kühne Brücken;
Die Sonnen und Räume mißt,
Wenn sie nicht im Keime ist,
Und wo sie entstanden, Wunder
Vom Himmel wahrsagte herunter.

Doch vor Allen lieb
Ist mir die Eine
Mit dem Flammentrieb,
Die herrliche, reine,
Die Zauberin Poesie,
Die mit verliebter Müh'
Sich Feenreiche gestaltet,
Drin sie als Königin wallet.


Die mit unendlichem Licht
Erfüllt das Menschenauge.
Damit es das Angesicht
Der Göttin zu sehen tauge,
Damit es im Himmelsraum
Erspähe den Himmelsbaum,
Aus dessen goldenen Zweigen
Segen und Lust herniedersteigen.

Sie, die Prometheus gleich
Den Sonnenfunken entwandte,
Wodurch sie das Reich
Des Menschenherzens entbrannte,
Auf daß es auflodere hell,
Das Höchste fordere schnell,
Und mit reinen Liebesflammen
Schlage um ihr Bild zusammen.


Die selbst ein Wunderbaum,
Daran vieltausend Äste,
In dessen frohem Raum
Viel liebe Sängergäste,
An dessen grünen, rauschenden
Gezweigen alle Lauschenden,
Wie Absalon, bleiben gefangen
Mit dem Haar der Gedanken hangen.

Ihr geflügeltes Wort
Erklingt als süße Kunde,
Wandelt von Ort zu Ort
Und von Mund zu Munde:
Jahrhunderte klingen es nach,
Und Enkel singen es nach
Im Süden und im Norden
Zu kräftigen Akkorden.

Und die Erde ist Poesie,
Und Poesie ist der Himmel,
Mit all ihrem Schönen die
Und ihrem frohen Getümmel,
Der mit seiner Unendlichkeit
Und reinen Verständlichkeit,
Mit seiner ewigen Wahrheit
Und seligen Klarheit.


Ihr Odem weht überall,
So in Kiesen und Erzen,
Wie im Liede der Nachtigall
Und klopfenden Herzen;
Sie eint den Sternenglanz
Mit der Blumen fernem Kranz,
Und treibt den Gedanken
Hinaus in unendliche Schranken.

So walten und gestalten
Sich ihre Wunderwerke,
Und halten und entfalten
Den Himmel mit Kraft und Stärke;
Blüten in der Blume auf,
Tun sich im Heiligtume auf,
Und entkeimen und entsprossen
Allem Schönen und Großen.

Wo aber das Geringe sich
Entwickelt in Kleinheit,
Oder niedere Dinge sich
Zeigen in Gemeinheit,
Verklingt ihr süßer Hall,
Und wird zum Donnerschall,
Drin sich ihr Zorn entledigt
Und ewige Strafe predigt.


Denn eine Glut ist Poesie,
Die verzehret und sich erweitert;
Metall begehret sie,
Damit es werde geläutert:
Doch naht ihr niedres Holz,
So bäumt sie auf in Stolz,
Und nagt mit zürnenden Flammen
Es bald in Nichts zusammen.


Lohn des Liedes

Du hast mir Segen oft gebracht
In meine stille Brust,
Hast meiner Schmerzen dunkle Nacht
Erfüllt mit lichter Lust;
Du hast den Menschen oft gesagt,
Wie sie mir wert und lieb,
Du hast den Menschen oft geklagt,
Wie meine Seele trüb.

O Lied, du hast mein ganzes Herz
Der Welt gebracht zur Schau,
Du bist mein ritterliches Erz,
Worauf ich kühn vertrau';
Du bist der Bote, für und für
An Herzen ausgesandt,
Du bist mein herrlichstes Panier,
Bekannt im ganzen Land.


Du bist der Seele Widerhall,
Der in der Welt verklingt,
Du bist des Herzens Nachtigall,
Die liebend klingt und singt;
Du bist die Rede, die ich red',
Wenn es zu Menschen gilt,
Bist das Gebet mir, das ich bet',
Wenn Heil'ges mich erfüllt.

Du bist mein Land, du bist mein Reich,
Du bist mein goldner Thron,
Du bist der grüne Lorbeerzweig,
Die diamantne Kron',
Du bist mein faltenreiches Kleid,
Das üppig mich umfließt,
Dran Demant sich an Demant reiht,
Und Perl' an Perl' sich schließt.

O Lied, was ich gewonnen hab',
Und was ich kühn ersiegt,
Was ich entriß dem Zeitengrab,
Daß Herzen es vergnügt;
Was ich erdacht, was ich vollbracht,
Was ich dem Nichts entrafft,
Geschehen ist's durch deine Macht
Und deine Wunderkraft.


Du hast das Auge mir gewandt
Nach oben, sternenwärts,
Du hast mich liebend festgebannt
An's liebe Menschenherz;
Du hast mir aufgeschlagen ganz
Das große Weltenbuch,
Und mir gezeigt im Sternenglanz
Den hohen Gottesspruch.

Du hast mir aufgeblättert mild
Die herrliche Natur,
Daß ich vor ihrem heil'gen Bild
Dir ew'ge Treue schwur;
Du hast die Seele mir gestillt,
Wenn ihr der Schmerz genaht,
Du hast das Auge mir erfüllt
Mit milder Perlensaat.


Du hast die Liebe mich gelehrt
Und ihr geheimes Glück,
Du hast mein trübes Herz bekehrt
Durch holder Augen Blick;
Du hast der sehnsuchtreichen Brust
Ein Wesen zugesellt,
Und mir bereitet Glück und Lust,
Wie Keinem auf der Welt.

Du hast mir Menschen stets gezeigt,
Die mich und dich verstehn,
Und Augen, die im Schmerze feucht,
Und hell in Freuden sehn;
Augen hast du auf mich gelenkt,
Draus eine ganze Welt
Von Lieb' sich auf mich niedersinkt,
Und mich umschlungen hält.

Dies Alles dank' ich dir, o Lied,
Dies Alles und noch mehr:
Daß alles Niedre vor mir flieht
Und mir mißgünstig sehr;
Daß der Gemeine in den Kreis
Der Seinen mich nicht zählt,
Und daß entkeimt mein Lorbeerreis
In meiner eignen Welt.


Doch denken Manche anders wohl
Als ich im Herzen hier,
Verkennen jenen heil'gen Pol,
Zu dem ich ring' mit dir.
Doch ob mein Herz, du recht auch meinst,
Oder ob Jene mehr:
Es wird sich offenbaren einst
Über dem Sternenheer!


Der Reim

Ein wunderbares Bild,
Das sich dem Wachen zeigte,
Und auch im Traume mild
Zu ihm sich niederneigte;

Ein süßer Sehnsuchtlaut,
Der in das Meer geschwommen,
Und mit der holden Braut,
Der Antwort, heimgekommen;

Ein Ton, der leis verklingt,
Und den im letzten Schwinden
Das Echo wiederbringt
Aus weiten Felsengründen:

Das ist der Reim, der Schluß
Und Giebel des Gedichtes,
Der Muse zarter Gruß,
Der Quell des Liederlichtes.


Ein Zauberfaden, weiß
Er schön sich zu verschlingen,
Und fernem Enkelkreis
Dein Wort zu überbringen.

Wie goldner Blütenkeim,
Von grünem Blatt umgeben,
Mag frisch und froh der Reim
Aus deutschem Liede schweben.


Begeisterung zum Liede

Oft hast du mich gefragt, du Engelgute,
Wie ich zum Dichter mich emporgeschwungen?
— So wie die Lerche sich in's Blau gerungen,
So wie zur Stunde anwächst die Minute.

Mag sein, daß es geheim schon in mir ruhte,
Was aus der Seele später erst erklungen,
Doch ist es dir alleinig nur gelungen,
Mich aufzuregen zu dem Liedermute.

So ist die Erde reich an Edelerzen,
Doch kann sie selbst sie nicht zu Markte schaffen,
Gefunden wollen sein die goldnen Stufen:

Ein Gleiches tatest du an meinem Herzen,
Du hießest es dem Schweigen sich entraffen,
Und hast es in den Liedersaal berufen.


Eigene Weise

Ich will mich einmal gehen lassen,
Und dicht' ein Lied, wie's eben kommt:
Den Andern stets mich anzupassen,
Sie sagen, daß mir's wenig frommt.

Gibt es so viel doch, was mir teuer,
Gibt's doch so viel, was mir gefällt:
Ich hab' ein Liebchen, eine Leier,
Und eine wunderschöne Welt.

Wem solcher Reichtum ist gegeben,
Und auch ein Herz, das ihn erfaßt,
Der kann am eignen Herde leben,
Und gehe nimmermehr zu Gast.

Ein Liebchen hab' ich so wie keines
Auf diesem weiten Erdenrund;
Ein liebes, gutes, engelreines,
Mir angetraut im Geisterbund.

Was mir ansonst der Herr gegeben
An Liedern und an Liedermut,
Es adelt sinnig mir das Leben,
Als meiner Seele bestes Gut.


Ob And're das erkennen wollen,
Ob sie erkannt es oder nicht;
Ob sie mir Lob und Ehre zollen, —
Darüber halt' ich nie Gericht.

Ich wuch're still mit meinem Pfunde,
Und hab' erwuchert manche Lust,
Und hingerissen manche Stunde,
Und tief bewegt so manche Brust.

Ich fragte niemals nach der Menge:
Das Herz, die Liebe war mein Ziel;
So wurden täglich mehr Gesänge, —
Gibt es im Herzen doch so viel!

Das dritte aller dieser Güter,
Es ist die wunderschöne Welt,
Worin mein Geist als treuer Hüter
Mit stillem Staunen Wache hält.

Die Welt, das unbegrenzte Alles,
Die Gottheit und der Gottheit Spur,
Des Strebens Szene und des Falles,
Die Wunderstätte der Natur.


O Reichtum, groß und unermeßlich,
Wo Gegenwarten, wunderschön,
Vergangenheiten, unvergeßlich,
Vom lichten Himmel niedersehn.

Du wechselreiche Lebensmasse,
Du Rätselanfang, Rätselschluß,
Gedanke, den ich halb nur fasse,
Und den ich ewig denken muß!

Das Alles ist mein großes Habe,
Das mir die Schöpfung zugeführt,
So groß, daß, wenn ich einst im Grabe,
Es lang mich überdauern wird.

Und nicht beendet ist das Gute,
Noch ist so manches mir vereint:
So manche selige Minute,
So mancher treugesinnte Freund.


Manch Herz, das, wenn ich sein gedenke,
Mit Liebeflügeln mich umkreist,
Und, dem ich gern Bewundrung schenke,
So mancher riesengroße Geist.

So vieles Edle, das geschehen,
So vieles Große, das geschieht,
Das rege Tatenauferstehen,
Das heilig stille Zeitenlied.

Und wer so Großes sein kann nennen,
Und wer so Herrliches erwarb,
Der muß im Herzen jubeln können,
Wenn ihm so manche Lust auch starb.

Der steht für alle Zeit erhöht da,
Mit ungetrübtem, festem Blick,
Ein kühner Herkules am Oeta,
Erhaben über sein Geschick.

Das Haupt in lichten Sonnenstrahlen,
Die Seele kraftbewußt und rein:
Was kümmern ihn der Erde Qualen,
Der ganze Himmel ist ja sein!


Die Sehnsucht

Ich habe oftmal schon gesungen
Von meiner Sehnsucht stillem Gram,
Doch ist es niemals mir gelungen
Zu ahnen nur, woher sie kam?

Erst als ein toller heit'rer Junge,
Da hielt ich sie für leichtes Spiel,
Wenn sie mit ihrem Zauberschwunge
Die Seele plötzlich überfiel.

Ich wußte selbst nicht, was ich wollte:
Nichts war dem Wunsche zu gering,
Und wenn ich's nun erfassen sollte,
So war es nie das rechte Ding.

Und dann, als man mich Jüngling nannte,
Da schien die Sehnsucht mir ein Schmerz,
Ein Schmerz, des ich mich nie ermannte,
Ich überließ ihm gern mein Herz.


Ein Schmerz, in Liebe groß gezogen,
Und aufgesäugt mit meinem Blut,
Ein Schmerz, an den ich blindgewogen
Verschwendet meine schönste Glut.

Da wurde mir in ernstern Jahren
Die Seele klar, der Busen still,
Und freudig kann ich's offenbaren,
Was jene tiefe Sehnsucht will.

Jetzt gibt's kein Wanken und kein Scheinen:
Dies tiefe Sehnen ist mein Glück!
Es wendet zu der hohen Einen,
Der Kunst, mir den beseelten Blick.

An sie geht meines Herzens Sendung,
Sie geht mein Feuerstreben an,
Und nur der Segen der Vollendung
Ist's, der mich ganz beglücken kann.

So wie die Liebe nach dem Kuße,
So wie das Auge nach dem Licht,
So sehn' ich nach dem Weihegruße,
Den einst die Hohe zu mir spricht.


Der Drang, dem ich genügen möchte,
Der mir begeistert Herz und Blick,
Ich frage rings, ob nicht mit Rechte
Genannt ich ihn mein höchstes Glück?


Eine wahre Geschichte
1837

Ich stand in Wien an einem Krankenlager,
Da lag ein Mann, von Leiden tief gedrückt,
Verwelkt die blühende Gestalt und hager,
Das Auge starr, das siegreich einst geblickt.

Ein Künstler war's, von hohen Feuertrieben,
Den einst die Welt "den Schönen" zubenannt:
Jetzt war der Mensch nur noch zurückgeblieben,
Hinfällig, trüb und krank in fremdem Land.

Zur Kaiserstadt war er herangezogen,
Dort aufzurollen seiner Kunst Panier:
Doch war das Mißgeschick vorangeflogen,
Den Markstein setzend seinem Streben hier.

Und wie er lag im Leiden und Ermatten,
Stand engelgleich bei ihm die Tochter da,
So daß er durch der Krankheit düst're Schatten
Im Traum noch einen Strahl von Hoffnung sah.

Nicht wich die milde von der heil'gen Stelle,
Den Tod abwehrend mit der frommen Hand,
Des furchtbare Erscheinung auf der Schwelle,
Verschüchtert durch so viele Liebe, stand.

Bemüht, daß sie dem Armen Lind'rung brächte,
Weint' betend sie ihr schönes Auge naß,
Und wachte durch die langen langen Nächte —
Da ward die zarte Rosenwange blaß.

Und diese Blässe und der Kraft Verschwinden,
So fühlbar in des Herzens mattem Schlag,
Sie mochten wohl dem stillen Dulder künden:
Es nahe hier der Trennung dunkler Tag.

Da, als Erschöpfung einstmals ihre Glieder
In willenlosen Schlummer hat gebeugt,
Erhob der Sterbende die Augenlider,
Es schien, als spräch' er über sie geneigt:

"O Herr, vernommen hab' ich wohl Dein Rufen,
Doch hegt das Herz noch eine Bitte hier:
Ich flehe auf des Lebens letzten Stufen,
Ein Vater betet für sein Kind zu Dir!

Laß Mißgeschick von Allen sein gewendet:
Ihr aber, die mein letzter Trost und Stab,
Die ihre Jugend meinem Schmerz verpfändet,
Ihr sprieße Segen, Herr, aus meinem Grab!

Laß sie der innern Rätsel Lösung finden,
Die heil'ge Wahrheit in Natur und Kunst,
Gib ihr die Kraft, das Hohe zu verkünden,
Der Wundertöne wunderbare Gunst.

Entfalten möge reich sich diese Blüte
Und strebend nach Vollendung schön gedeih'n —
Laß alle Schätze in der Kunst Gebiete
Ein Erbe ihr durch Vatersegen sein!" —

Die kalte Hand berührt die heiße Stirne,
Da ist die holde Schläferin erwacht;
Und eh' noch einmal glänzten die Gestirne
Umfing des kranken Dulders Auge Nacht.

Fünf Jahre sind indes vorbeigegangen,
Den Segen legend auf der Tochter Haupt;
An ihrem Scheitel siehst du Kränze prangen,
Die selten eine Stirne noch umlaubt.

Begonnen hatte sie den Weg zum Schönen
Vertrauend in der Kindesliebe Macht:*
Jetzt ist sie kühne Meisterin den Tönen,
Und steht vor euch in der Vollendung Pracht.

Von ihren Lippen rollen Perlen nieder,
Entzückenspfeile für der Lauscher Sinn:
Wer kennt sie nicht, die Königin der Lieder,
Die erste deutsche Sangeskünstlerin?

Sophia Löwe, hallt's vom Donaustrande,
Von Spree und Rhein und Elbe tönt es gleich;
Entzücken faßt die Herzen aller Lande,
Erscheint Sophie bescheiden, schön und bleich.

Gewährung hat des Vaters Wort empfangen
An diesem reichgesegneten Talent;
Die schöne Lilienblässe dieser Wangen,
Sie ist der Kindesliebe Monument.
 
*Anmerkung des Hrsg.: Da diese Darstellung mehr als Dichtung sein soll,
genüge zum Verständnis:
Daß Sophie Löwe ihr erstes theatralisches Debüt
in einer Oper machte, welche den Titel führte: "Acht Monate in zwei Stunden, oder: D i e  M a c h t  d e r  k i n d l i c h e n  L i e b e."
 
Einer Sängerin

Immer Gesang, nur Gesang,
Gibt es noch Etwas so Schönes,
Als den bezaubernden Klang
Lieblichen Liedergetönes?

Als den melodischen Schlag,
Den durch die trunkene Kehle
Froh in der Nacht wie am Tag
Wirbelt die Nachtigall Seele?

Reich ist die Rose an Duft,
Reich ist die Harfe an Klängen,
Reich an Gestirnen die Luft:
Reicher die Brust an Gesängen.

Gieße dein Feuergemüt,
Gieß es nur aus im Gesange:
Herzen, sie beten im Lied,
Herzen, sie leben im Klange.


Meister wohl haben den Schatz
Süßer Gesänge gesparet,
Und sie auf sicherem Platz
Fünffacher Gitter bewahret.

Wurde der Zauber dir kund,
Wohl denn, so lös ihn und singe,
Daß dein melodischer Mund
Perlen vom Schatze uns bringe.

Singe! und frei gib den Ton,
Der mit entfesselten Schwingen
Wird in die Lichtregion
Milder Begeisterung dringen.

Der seinen zaubrischen Glanz
Über die Herzen wird gießen,
Daß sie in Seligkeit ganz
Und in Entzücken zerfließen.


Die Weigerung

Es floh der Schlummer Harun al Raschid,
Da kam der Mond ihm zu Besuch, und riet,
Daß durch des Gartens wunderhelle Pracht
An seiner Hand er wandle in der Nacht.

Dem Rat des Gastes folgte der Kalif,
Und als er an den Springquell kam, da schlief
Die Sklavin, die ihn niemals noch erhört,
Von ihrer Schönheit vollem Glanz verklärt.

Wie lag sie da in wunderbarem Reiz,
Der Schleier ließ von seinem Tagesgeiz,
Wand sich von ihrem Antlitz sanft zurück,
Gab Hals und Busen frei dem Mondesblick.

Sie schlief an eines Blumenbeetes Saum,
Und Blumen schienen sanft in ihren Traum
Gedrängt zu haben sich im Schlummerlauf:
Mit Küssen weckte der Kalif sie auf.


Sie fährt erschreckt aus ihren Träumerei'n,
Den Schleier faßt sie schnell und hüllt sich ein,
Sie blickt um sich, erbebt, und sieht den Herrn,
Und bleibt vor Angst, und flöhe doch so gern.

"O Herr, gewärtig war ich nicht des Glücks:
Doch gönnst du mir die Ehre deines Blicks,
So sei's am Licht des Tags!" Sie bebt, sie fleht;
Harun besinnt sich, willigt ein und geht.

Doch als am Tag durch Gold und Diamant
An ihr Versprechen sie sein Bote mahnt,
Da ließ ihr Witz antworten ihm geschwind:
"Am Tag zerrinnt das Wort der Nacht in Wind."

Halb lächelnd, da noch halb ihn Zorn beschlich,
Entbot drei Dichter Harun drum zu sich,
Erzählte, was ihm Nacht und Tag gebracht;
Ein Vers sei d'rauf von Jeglichem gemacht.

Abu Nowas, der erste, sang von Lieb',
Von ihrem Scherz, den sie mit Herzen trieb,
Wie durch das Wort sie zu entschlüpfen sinnt:
"Am Tag zerrinnt das Wort der Nacht in Wind."


Ernst nahm das Ding der zweite, Rakaschi:
Vertrau'n und Gnade nicht verdiene die,
Die durch den Witz ihr Wort zurückgewinnt:
"Am Tag zerrinnt das Wort der Nacht in Wind."

Der dritte, Moßab, sank in Schwärmerei'n:
Er malt die Nacht und Mondenglanz hinein,
Den Garten, der in seine duft'ge Flut
Zum Abendbade den Kalifen lud.

Dann kam sein Lied dem hellen Springquell nah,
Und stand bezaubert vor der Schönheit da,
Die hingegossen in der Gräser Samt,
Wie eine Rose auf dem Busche flammt.

"Sie lag," so sang er, "da in vollem Reiz,
Der Schleier ließ von seinem Tagesgeiz,
Wand sich von ihrem Antlitz sanft zurück,
Gab Hals und Busen frei dem Mondesblick.

Sie schlief an eines Blumenbeetes Saum,
Und Blumen schienen sich in ihren Traum
Gedrängt, durchrankend ihn mit Glanz und Gold,
Drum lächelte ihr Mund so süß und hold.


O Unglück, wer von solcher schönen Maid
Ein süßes nächtliches Versprechen heut,
Und morgen nur das Sprichwort sich gewinnt:
"Am Tag zerrinnt das Wort der Nacht im Wind."

Es schweigt der Dichter. Harun winkt nach Gold,
Und sieh, es zahlt ein reicher Ehrensold
Abu Nowas und Rakaschi's Gedicht;
Dann wendet er zu Moßab sich und spricht:

"Du aber, den verraten hat sein Wort,
Dich führe man von hier zum Tode fort:
Denn wie du deine Worte stellst und paarst,
Sind Zeugen sie, daß selbst du Zeuge warst."

Und Moßab drauf: "O Herr, dein Geist sieht klar,
Wie Dichtern das Geheimste offenbar,
Und wie Begeistrung selbst was man verschweigt,
In ihrem Spiegel dir wie lebend zeigt.

O Harun al Raschid, es weiß dein Geist,
Wie daß der Dichter auch ein Seher heißt."
Und Harun al Raschid, er war der Mann,
Der solchem Worte Deutung geben kann.

"Ein wahrer Dichter, das begreift mein Sinn,
Du, Moßab, bist's, so wahr Kalif ich bin!"
Dreidoppelt Gold hat er ihm zugelegt,
Und Fürst und Dichter schieden tiefbewegt.

Saadi

Manchem ist zu Sinne kommen,
Auszugehen nach dem Orient,
Manchem ist das Herz entglommen,
Mehr zu sehen als der Okzident.

Und ich konnte sie nicht tadeln,
Höher will ein Jeder stehen,
Unsre Schwingen woll'n wir adeln,
Und erschaffend neue Sterne sehen.

Und zu dir sind sie gegangen,
Saadi, dir, der Perser Liebe;
Wollten glüh'n wie deine Wangen,
Blüh'n wie deiner Rosen Triebe.

Sonnen wollten sie verdunkeln,
Sonnen, wie sie Mittags glüh'n,
Und sie hielten in ihr Funkeln
Fackeln sinnbefangen hin.

Ihnen blieb es unbegreiflich,
Wie dein Spielen still begeistert:
Darum haben sie gar reiflich
Dir den Namen Schwätzer angemeistert.

Weil du spendest Lebensarten,
Und nicht ewig klagst die Lieb' an,
Darum ruht dein Rosengarten
Wohl im goldgeschmückten Diwan.

Doch die spottend sich vergaßen,
Mußten selber sich verdammen,
Weil sie nicht die Düfte fassen,
Die aus deinen Rosen stammen.

Muham's Schwert, das wie ein Sturmheer,
Läg' es ruhig in der Scheide,
Saadi's Zunge, wenn sie stumm wär', —
Welchen Wert wohl hätten beide?


Gleichnis

Zusammen wenn ein alter Turm gebrochen.
Und hingeschleudert hat die Riesenglieder,
Da strömt ihr allenthalben aus und nieder,
Und müßig schaut das Volk dort Tag' und Wochen.

Doch wenn ein Dichterherz sein lautes Pochen
Nun eingestellt, und wie ein Lebensmüder,
Zum letztenmale seufzte und nie wieder,
Weil er bereits im Himmel eingesprochen;

Da sieht man Keinen zu dem Grabe wallen,
Verlassen muß der blasse Schläfer liegen,
Und leise Geisterklagen nur erschallen.

Die Menschen aber strömen nur in Zügen
Hin, wo ein Riesenwerk zusammgefallen,
Nicht wo ein Riesengeist emporgestiegen.


Mein Herz

Ich hab' ein eitel töricht Herz,
Es wünscht, was nie geschieht,
Und klagt dann über Leid und Schmerz
In manchem stillen Lied.

Es schlägt so treu in meiner Brust
Für eine Frau allein,
Ob es ihm lange gleich bewußt,
Sie werde niemals sein.

Es ist ihr so ergeben ganz,
Wie einem Heil'genbild,
Und schlingt von Liedern einen Kranz
Um ihre Seele mild.

Wo And're lachen, weint es still,
Lacht, wo sich Weinen schickt:
Es weiß so recht nicht, was es will,
Und fühlt sich nie beglückt.

Begegn' ich einem edlen Mann,
Da jubelt es mit Macht,
So wie der stille Ozean,
Von Sternen angelacht.


Und seh' ich Vater, Mutter mein,
Ist's gar ein eignes Ding,
Da scheint die Liebe ihm zu klein,
Und Weinen zu gering.

Es wird ihm wohl und wehe ganz,
So wie der lieben Welt,
Wenn Gottes Bote, Sternenglanz,
Ihr in das Auge fällt.

Den Freunden ist's ein offnes Haus,
Gebaut auf festem Grund,
Es ist kein Jubel d'rin und Braus,
Doch Treue jeder Stund.

Und was ein milder Gott ihm gab,
Das reiche Liedergut,
Erfüllt es bis an's tiefe Grab
Mit stillem, festen Mut;

Mit Wohl und Weh, mit Kraft und Klang
Und ungebeugtem Sinn,
Denn wie die Welt es niederrang,
Das Lied ist sein Gewinn.


So halte fest am Herzen Lied,
Halt fest am Liede Herz,
Ihr seid mitsammen ja erblüht
Und aufgekeimt im Schmerz.

So haltet aneinander fest,
Bis still das Lied verklingt,
Bis Schmerz und Kummer euch verläßt,
Und bis das Herz zerspringt.


Sängerwerk

Es war einmal ein Mann im Land
Durch viele Lieder wohlbekannt,
Die schrieb er ein genau und rein,
Daß sie sein Denkmal sollten sein.

Und als er nah' zu sterben kam,
Sein Liederbuch er mit sich nahm,
Und stieg den höchsten Berg hinan,
Als wollt' er jetzt den Sternen nah'n.

Dort oben stand ein Riesenbaum,
Und unter ihm ein Felsenraum,
Da legt er hin sein Liederwerk,
Und ging zu sterben heim vom Berg.

Und kurz darauf war er nicht mehr;
Da ging der Wind zum Buche her,
Schlug auseinander jedes Blatt,
Und las, und las und ward nicht satt.

Und flüstert sanft und tobet wild,
Je nachdem er die Lieder fühlt,
Und lispelt froh und schreiet laut,
Nachdem er Lust und Schmerz dort schaut.


Und auf dem Baum die Vöglein all',
Der muntre Fink, die Nachtigall,
Die sahen all in's Buch hinein
Und lernten süße Melodei'n.

Und sangen froh und dichtgeschart
Gesänge heitrer, trüber Art,
Als sängen sie im Liederbuch
Den süß geheimen Liebespruch.

Die Blumen wuchsen rasch empor
Und spannten still ihr Blütenohr,
Und schärften klug ihr Blütenaug',
Daß es die Liederweisen saug'.

Neugierig schickt der Baum heran
Die Zweige blütenangetan,
Er hätte gern vom Felsenort
Geraubt den reichen Liederhort.

Und Mond und Sonne sah'n hinein
Mit wunderbarem Glanz und Schein,
Wohl selbst ein strahliges Gedicht
Im hellen Paradieseslicht.

Die Menschen aber gingen kühl
Vorüber an dem Zauberspiel,
Die schauten nicht in's Buch hinein,
Und schmälten Wind und Sonnenschein.


Die sieben Musikanten

Sieben Musikanten zogen
In die Stadt mit frohem Spiel,
Aller Blick und Herzen flogen,
Jeder an ein liebes Ziel.

Plötzlich blieb der Eine stehen:
"Brüder, nehmt jetzt meinen Gruß,
Kann nicht fürder mit euch gehen,
Weil ich zu der Mutter muß."

Drauf ein Zweiter: "Ihr Gefährten,
Trennen muß ich mich von euch,
Denn es harrt des Rückgekehrten
Hier sein Liebchen, schön und reich."

Und gar bald sprach auch ein Andrer:
"Braten hat der Wirt und Wein,
Bin ein wegemüder Wandrer,
In der Schenke kehr' ich ein."

Dann der Vierte: "Eitles Singen!
Besser ist des Bäckers Los,
Geh' bei ihm mich zu verdingen,
Und dann leb' ich sorgenlos."


Drauf der Fünfte: "Ei, gescheiter
Ist's, ich bleibe ruhig hier,
Zieht ihr meinethalben weiter,
Wer mich braucht, der komm zu mir."

Und der Sechste sprach: "In Zweien
Ist das Reisen nur betrübt,
Will indes mich hier erfreuen,
Bis es mehr Gesellschaft gibt."

Also meinten die Begleiter,
Jeder hielt an einem Haus,
Nur der Letzte trabte heiter
Singend durch das Tor hinaus.

Eingezogen waren sieben
Musikanten frank und frei,
Einer ist es noch geblieben,
Und der war der Kunst getreu.
 
Gnomen und Xenien
Gnomen

1.
Wie die Bäume dich erweise,
Die mit fruchtbeladnen Zweigen
Aus der Luft blauhellem Kreise
Sich zur Erde niederbeugen,
Weil des Himmels goldnen Segen
Also sie sich fühlen eigen,
Daß so keiner ist verwegen,
Stolz sein Haupt emporzuneigen.
Also von der Weisheit Schwere
Sollst du dich beschämet zeigen,
Und bescheiden soll die Lehre
Deinen Sinn zu Boden beugen.
Denn, wie fallen all die Früchte,
Wenn der Zweig will schüttelnd steigen,
So wird Weisheit auch zunichte,
Der Bescheidenheit nicht eigen.

2.
Und wie Bäume sei zum Zweiten,
Die die goldbeschwerten Äste
Aus in alle Lüfte spreiten,
Ladend tausendfache Gäste:
Wenn die alle froh und munter
Nun beisammen sind zum Feste,
Schütteln gastlich sie herunter
Wohl der Früchte allerbeste.
Und so mit der Weisheit schalte,
Die der Gaben allergrößte:
Daß sie allwärts segnend walte,
Daß sie Alle beßre, tröste.
Wenn der Baum die Frucht verspendet,
Bleibt ihm noch der Trieb, das Beste;
Und wer Weisheit wohl verwendet,
Hat sie selbst noch stets zum Reste.

3.
Glaubt, ihr lieben guten Herren,
Die der Dichtkunst gar so grollen,
Daß trotz eurem Tun und Sperren
Ewig fort die Sterne rollen;
Daß bei jedem Lenzesschimmer
Blüten steigen aus den Schollen,
Daß die lieben Vöglein immer
Ihre Melodie'n uns zollen.
Ach, so reich an schönen Sachen
Ist die Welt, an wundervollen,
Daß sie dich zum Dichter machen,
Wie sie dir in's Herz erschollen.
Doch dies Herz, das all sein Leben
Hat in Liedern hingequollen,
Wahre sich vor bösem Streben,
Vor der Welt verwirrtem Tollen;
Hüte sich vor der Gemeinheit
Die im Stillen, giftgeschwollen,
Um den Heil'genschein der Reinheit
Gern betrügen will Apollen.
Glaubt, es ist ein streng Gewissen,
Das Poeten haben sollen:
Und auch etwas wissen müssen
Die mit Würde dichten wollen.
><
Deines Geistes Lustakkorde
Sind die besten Beifallsworte,
Deines Herzens stille Regung
Ist die beste Überlegung.
><
Deiner Neider gift'ge Waffen,
Laß sie dringen auf dich ein,
Perserpfeile solcher Affen
Trüben nicht der Sonne Schein.
><
Liebe ist das wahre Denken
Nach dem Buche der Natur,
Und der höchste der Gedanken,
Gott, ist reine Liebe nur.
><
Warum wir in Liedern klagen?
Lasset, Freunde, euch belehren:
Weil die Kerzen dann nur leuchten,
Wenn sie selber sich verzehren.
><
Wo die Besten stehen, sich zu stellen,
Hieße große Meinung von sich hegen,
Wo die Argen stehen, nicht zu fehlen,
Dürfte billigen Verdacht erregen.
><
Hat dich etwas gar verdrossen,
Nun so bleibe, bleibe stumm:
Deine bitterbösen Glossen
Wandeln ja das Ding nicht um.
><
Wo des Enthusiasmus Wimpel
Wehen, zieht die Kunst hinein,
Und die Kritikastergimpel
Werden ewig kunstlos sein.
><
Willst du nur auf Füßen schleichen
Kommst du nie zur Poesei:
Fliegend mußt du sie erreichen, —
Füße trage nebenbei.
><
Wenn dein Kartenhaus zerfallen,
Bau' ein andres, wenn dir's frommt;
Danke doch dem Herrn vor allen,
Daß es dich nicht töten konnt'.

Kanne starb*

Sie sagten mir, daß du gestorben bist,
Doch mag darum mich Wehmut nicht erfassen:
Wem nichts des Lieben hier beschieden ist,
Dem kann der Tod wohl nur zum Guten passen.

Ich liebte dich, du armer alter Mann,
So reich an Kraft und Glut und regem Willen
Und reich an Planen, die der Geist ersann,
Um, hartbedrängt, sie — niemals zu erfüllen.

O jener Faden, den das Götterkind,
Die Kunst, dir gab für dieses Wanderleben,
Wie hieltest du ihn fest im Labyrinth,
Das äffend dich und trügerisch umgeben.

Da kam die Welt herbei und trat daraus,
Zerschnitt ihn dir mit scharfen Messern,
Und nötigte dir noch das Stückwerk auf,
Den tiefen Riß des Lebens auszubessern.

Und abwärts gings mit jener Seelenkraft,
Die Flügel hatte, hoch emporzusteigen;
Zum Leiden ward die Götterleidenschaft,
Und nur in Seufzern löste sich das Schweigen.

Fast siegte sie, die schale Alltagswelt,
Und zog in ihren trägen Kreis dich nieder:
Da rief das Mitleid über'm Sternenzelt,
Und gab dich deinem Elemente wieder;

Und läßt dich dort, von Last und Kummer frei,
Des Geistes Saatenfelder überschauen,
Wie du sie hier geahnet mancherlei,
Doch, mutlos, nicht vermochtest zu bebauen.

Und läßt dich sehn, wer's treu mit dir gemeint,
Und sich so ganz in deine Leiden schickte,
Und wer, du lieber, alter, toter Freund,
Mit Rührung nach dir in die Grube blickte.

*
Der Dichter und Compositeur F. A. Kanne starb 54 Jahre
alt, am 16. Dezember 1833 in Wien.
 
An Hammer

Der du Mose'n zu vergleichen, mit dem Stab der Wissenschaft
Riefest die lebend'ge Quelle aus des Ostens Felsenhaft:
Sei gegrüßt mir Hafis Sohn, der das Wort hob auf den Thron,
Zeigend, wie es durch Gesetz sich zum Orionsgürtel schafft.
Sieh der Jünger weiten Kreis, wie sie nun mit regem Fleiß
Schnellen vom Gedankenbogen Pfeile süßer Liederkraft;
Wie des Wortes reiche Garbe sie gereift zu jeder Farbe,
Sei's zum Schnee des Hermeline, sei's zum moschusschwarzen Taft.
Die Zypresse schlank und kühn auf des Wiesenteppichs Grün
Sieht die Strauche um sich knien, jeden voll an Trieb und Kraft;
Und sie denkt, mit edlem Stolze blickend nach dem jungen Holze:
"Alle die zum regen Wachsen hat mein Vorbild aufgerafft."


An Rückert

Wenn lichte Blumen aus der Erde schießen,
Mainachtigalln anfangen sich zu härmen,
Und statt der Flocken, die sich sehen ließen,
Lenzsonne nun mit einmal uns will wärmen;
Und süßer Duft und Strahl gleich Regengüssen
Beginnt erdauf und himmelab zu schwärmen:
Das ist ein Bild von Lenzesparadiesen,
Wie sie alljährig sich dem Blick erwiesen.

Die Dichter aber gelten für Herolde,
Die nun hinaus in alle Lüfte liedern;
Es hat Natur die Herrlichen im Solde,
Und will sich gern zu ihren Söhnen niedern:
Aus Blumenglanz, Maiduft und Morgengolde
Und allen Wundern, die sich jetzt verbrüdern,
Sollen die Kühnen süße Sprüche lernen,
Und Menschen künden, was erglänzt in Sternen.

Und unter Allen, die so ausgestattet
Mit reichem Glanz und hoher Liebeswürde,
Bist du allein es, an dem nie ermattet
Mein Herz in seiner glühenden Begierde,
Bist du's, in dem sich Lust und Leben gattet,
Und dem zum Lorbeer wird die Schmerzenbürde:
Gleich einem Baum, an dessen Riesenstamme
Ein heilig Bild abwehrt des Blitzes Flamme.

Der deutsche Stamm hat schöne Frucht getragen,
Des Liedes Frucht, der Wahrheit und der Lehre
Begeistert denk' ich sein aus Jünglingstagen,
Zu dem begeistert ich als Mann mich kehre.
Sie werden noch in späten Zeiten sagen
Von seiner Kraft und deutschen Dichterehre:
Vielleicht von Einem auch, der ihm sich neigte,
Und vor der Welt die Liebe ihm bezeigte.

 
Der Dichter
Epilog

Was in tiefer Dichterbrust
So geheimnisvoll oft waltet,
Was sie bald mit süßer Lust
Ganz erfüllet, bald zerspaltet;
Was zur Liebe sie bewegt,
Die für ewig nicht erkaltet,
Was ihr tiefen Schmerz erregt,
Der für ewig nicht veraltet;

Ach, es ist der Zauberbann,
Der die Seele hält gefangen,
Der sie knüpfet himmelan
Mit vieltausend Liederspangen,
Der ein wunderbarer Sang
Ist von Sehnen und Verlangen,
Der mit zauberhaftem Klang
An den Dichter ist ergangen.

Seine Seele ist der Born,
Der zum Meere sich erweitert,
Ist das helle Wunderhorn,
Das durch süßen Sang erheitert,
Ist das Gold aus reichem Schacht,
Siebenfach in Glut geläutert,
Ist der Fels, woran mit Macht
Die Alltäglichkeit zerscheitert.

Rasch wie heller Wolkenblitz,
Aber doch kein lauter Lärmer,
Froh und trüb, kerngrad und spitz,
Ernst, und doch ein stiller Schwärmer;
Ein Laokon an Leid,
Und vieltausendmal noch ärmer,
Tief wie der Vesuv und weit,
Aber noch unendlich wärmer:

Also schwebt das Dichterherz
In den Leid- und Wonneschauern,
Wie das Erz mit Lust und Schmerz
In den tiefen Felsenmauern;
Will in Liedern froh nur sein,
Will in weichen Liedern trauern,
Weil die Lieder nur allein
Alle Zeiten überdauern.

Nun wohlan, du Liederkraft,
Zieh hinaus in Lust und Wehen
Aus des Herzens stiller Haft,
Laß die Welt dein Wollen sehen!
Wem ein Herz im Busen schlägt,
Wird dich gern und ganz verstehen,
Und wo keines sich bewegt,
Magst du still vorübergehen.