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Nimmer zweifl' ich, daß der Liebe
Sich manch sinnvoll Bild gestalte,
Wenn ihr Aug' nur liebend schauet
Was die Hand mit Liebe malte.
Sei's nun Landschaft, Blume, Schlachtstück,
Was sich ihrem Blick entfalte.
 

IV.
Vignetten für Liebende

 

Deutung
Der Ausgeschlossene
Elfenliebe
Elfenkönig O'Donoghue
Name, Bild und Lied
Die Farben
Des Klephten Gaben
Das Land der Freiheit
Harfe und Elemente
Ein Traum
Verschiedene Trauer
Die beiden Sängerheere

Deutung


Tief im Gewühl des Jahrmarkts
    Da stand ein Puppenspiel,
Der Mann, dem es zu eigen,
    Der war gar blaß und still.

Mit Schwänken und mit Possen
    Ergötzt er wohl den Schwarm;
Er selbst blieb trüb und traurig,
    Versenkt in stillen Harm.

Die Menge klatscht ihm Beifall,
    Und lohnt ihm reich mit Gold;
Der Mann blieb trüb und traurig,
    Was soll ihm auch das Gold?

Ein Gönner schickt zur Labung
    Manch schönes Faß mit Wein,
Der Mann blieb trüb und traurig,
    Was soll ihm auch der Wein?

Ein dritter Kunstentzückter
    Sandt' ihm gar einen Kranz;
Der Mann blieb trüb und traurig,
    Was soll ihm auch der Kranz?

Ein Mädchen sah von ferne
    Zum bleichen Manne hin;
Ihr Auge blieb nicht trocken,
    Als naß das seine schien.

Der Mann war nimmer trübe,
    Sein Aug' ist heller Glanz;
Erst jetzt gewann Bedeutung
    Ihm Wein und Gold und Kranz.

Sein Glas, voll edlen Weines
    Schwingt er nun lustverklärt;
Ein Herz ist ja gefunden.
    Auf dessen Wohl er's leert.

Ein friedlich Haus zu bauen,
    Genügt das Gold ja ganz,
Und in des Mädchens Locken
    Fügt sich so schön der Kranz.

Der Ausgeschlossene

Ich hegte neun Freund' in des Herzens Grund,
Der zehnte war ich im verbrüderten Bund;
Ein Band war's, das um all die Herzen sich wand,
Schied gleich uns das Leben mit feindlicher Hand.

Einst traten im festlichen Saale wir ein,
Da standen der vollen Becher wohl neun;
Ein jeder der Neune erlabte sich,
Ach! aber kein Becher erquickte mich.

Es schwirren im Dorf neun Rädchen im Chor,
Wohl sitzen neun liebliche Mädchen davor,
Ein jeder der Freunde holt eines sich,
Ach! aber kein Mädchen umschlinget mich.

Neun Trauungsaltär' und Geschmeide von Gold,
Neun Lieder der Freud' und des Trostes, so hold,
Und eines für jeden der seligen Neun,
Kein Lied doch, kein Altar, um mich zu erfreun!

Im friedlichen Tal' sind neun Hütten zu schau'n,
Drin wohnen die Freunde mit ihren Frau'n,
Doch hätt' ich ein Bräutchen auch mit mir gebracht,
Für mich war wohl keine der Hütten gemacht.

Es stoßen neun rüstige Schiffe vom Strand,
Drin segeln die Freunde zum seligen Land,
Kein Nachen doch führt zu dem Ufer mich hin,
Wo Lieb' und Freud' und Seligkeit blühn.

Und als sie geankert am seligen Strand,
Da trägt man vom Borde neun Leichen zu Land;
Sein Weib verlor wohl ein jeder der Neun,
Mir aber starb keines, weil keines mein!

Längst ruhn auch die Neun im ewigen Trau
Beisammen dort drüben im Gartenraum;
Das Gärtchen doch faßt die neun Gräber kaum.
O Himmel, o mach' für ein zehntes noch Raum!

So einte, so schied uns des Lebens Gebot,
So trennte, so eint einst die Müden der Tod;
Denn faßt auch das Gärtchen neun Gräber jetzt kaum:
Der Himmel, der macht für ein zehntes noch Raum.

Elfenliebe

Es kam der Lenz, das Bächlein schwoll,
Und rauscht' und klang gar wundervoll;
Der Lenz blickt sanft in den Wellenreihn
Und streut all seine Blüten hinein.

Und Strömman sitzt inmitten drin,
Die Wellen rauschen flüsternd um ihn,
Er schaukelt sich im Flutengewühl
Und meistert sein klingend Harfenspiel.

"Schön Elma, willst mein Liebchen sein,
Dir will ich die klingende Harfe weihn,
In Frühlings schönstem Rosenstrauß
Erbau'n wir aus Lenzduft unser Haus.

Da will ich singen von Wundern der Luft,
Von Wundern der wogenden Stromesgruft,
Ich will Dir singen zu Tag und Nacht
Von herrlichen Wundern, die Liebe vollbracht.

Wir baden uns im Morgentau,
Wenn er herabperlt auf die Au;
Und küßt sich ein liebend Menschenpaar,
Dann ist ihre Lippe unser Altar.

Und weint ein liebend Menschenpaar
Die Träne, die Liebessehnen gebar,
Die Träne soll Dein Spiegel sein,
Und lächelnd blickt Dein Antlitz drein." —

— — So sang der Elfenbarde im Quell,
Und sang noch oft zur selben Stell,
Und sang nicht umsonst zu Tag und Nacht
Von herrlichen Wundern, die Liebe vollbracht.

Und küßt sich ein liebend Menschenpaar,
Dann schimmern wohl Tränen perlenklar,
Und drin glänzt oft ein lächelnd Gesicht,
Wer kennt nun das lächelnde Antlitz nicht?

Elfenkönig O'Donoghue

Die Maiensonn' kommt aus dem See gezogen,
Wie eine Kön'gin aus des Bades Flut,
Noch schwimmt der Purpurmantel auf den Wogen,
Nenn' ich sie glüh'nde Fluten, flüß'ge Glut? —
Weißbärt'ge Diener dort: die alten Berge,
Sie bringen Goldgeschmeid', der Schönheit Zoll;
Die jungen Hügel hier: dienstfert'ge Zwerge,
Sie stehn mit Blumen alle Hände voll.

Seht nun, wie's kocht im schäumenden See!
Auf sprüht's, wie stäubende Flocken von Schnee,
Und wühlt, wie mit Rossehuf, sich hervor,
Und glitzert, wie flammende Panzer, empor.

Auf weißem Rosse steigt, im Waffenglanze,
Ein junger Held, aus der gespalt'nen Flut;
Ob auch das Schlachtschwert an den Lenden ruht,
Schlingt doch um's Haupt der Ölzweig sich zum Kranze.
Ob Schild und Panzer sich zum Kriegsschmuck eine,
Spricht Friede doch die milde Glut des Blick's,
Und ob er auch des Krieges Sinnbild scheine,
Ist Schutzgeist er des Friedens doch und Glück's.

In kühlen Fluten, da blüht sein Reich,
An Fried' und Segen ist keines gleich;
Und daß er auch segn' und beglücke die Welt,
Erscheint mit dem Lenz alljährlich der Held.

Vor allen doch will er die Menschen segnen,
Die seiner stillen Friedensbahn begegnen;
Beglückt, wer ihm in's Auge schauen kann!
Da zündet Lieb' ihr mildes Licht sich an,
Der goldne Friede blickt aus seinen Augen,
Und hagres Elend wandelt sich in Glück,
Der blasse Tod selbst könnte Leben saugen
Und Siechheit Kraft aus seinem Wunderblick.

Hierher, o Freundschaft den welkenden Kranz!
Rasch blühn die Blumen im Frühlingsglanz.
O Wehmut, hierher Dein gebrochnes Herz!
Bald schlug' es entfesselt von Sorg' und Schmerz.

Seht seine Schar in Schneegewändern glänzen,
Von Perlen trieft das weiche Lockenhaar,
Hier bieten Jungfrau'n goldne Früchte dar,
Dort winken Jünglinge mit Blütenkränzen.
Und über'm Wasser singt's, wie junge Quellen,
Wenn Rosen singen könnten, wär's ihr Klang;
Doch ist's ein Frühlingspsalm der regen Wellen?
Ist's liebestrunkner Elfen Zaubersang? —

"Heran all ihr Menschen und hierher den Blick!
O' Donoghue nahet und spendet euch Glück:
Erfreut euch der Sonne, so lange sie blinkt.
Umarmet das Glück, so lang es euch winkt!"

Da hüpft der Gießbach froh im schnellern Drange,
Fromm blickt das Veilchen blauen Aug's empor,
Zur Sonne steigt ein junger Lerchenchor,
Und Ros' an Rose lehnt die glüh'nde Wange:
In Morgenwolken taucht die Fichte kühn,
Im Kronenschmuck der Lilien blühn Demanten,
Aus Grüften selbst ist Leben frisch erstanden,
Und Gräber kleiden sich in Hoffnungsgrün.

Und was sich noch regen und singen kann,
Laut schwebt's im Liedersturme heran;
Ach aber kein Mensch vernahm den Gesang,
Kein Mensch die weiten Gefild' entlang! —

Schon will mit seiner Schar hinab der Held,
In's Reich des Friedens, in die Heimatwelt;
Noch einmal sieht man Schild und Panzer glänzen,
Noch einmal scharrt der Rosse Silberhuf,
Noch einmal winkt es mit des Segens Kränzen,
Noch einmal freundlich klingt des Liedes Ruf;
Sieh da, jetzt kann's sein forschend Aug erspähen:
Ein Menschenpaar auf blum'gen Ufershöhen!

Im Grünen da ruht ein liebendes Paar,
Das blickt sich in's Antlitz, so innig und klar,
Das blickt sich in's funkelnde Auge hinein,
Und sieht nicht die Welt, sieht sich nur allein.

Der Kranz winkt wieder, — ach sie sehen nicht!
Gesang ertönt, umsonst,— sie hören nicht!
Der Held blickt segnend auf die Fluren wieder,
Jetzt aber fährt er in die Fluten nieder,
Die lust'ge Wunderschar sinkt tönend ein,
Und ruhig drüber rauscht der Wogen Reih'n.
Doch, wo versunken sie, an jener Stelle
Taucht nun ein Blumeneiland aus der Welle.

Die Liebenden ruhn umschlungen, wie vor.
Nur seliger pochen die Herzen empor,
Der Himmel ist doppelt goldig und licht;
Doch wie es so kam? — sie wissen es nicht.

Name, Bild und Lied

Es ziehn drei Gesellen in's Weite hinaus,
Es litt sie nimmer im engen Haus;
Ein jeder doch nahm was Liebes mit sich.
Das hegt' er und pflegt' er gar inniglich.

Der Erste ein wackerer Goldschmied war,
Der trug ein Ringlein aus Liebchens Haar,
Das hatt' er gefaßt in Gold und Stein
Und Ihren Namen gegraben darein.

Der Zweite ein herrlicher Maler war,
Der trug ein Bildnis gar wunderbar,
Es war des Liebchens lächelndes Bild,
Das trug er auf seinem Herzen als Schild.

Ein Dichterjüngling der Dritte war,
Mit blühendem Antlitz und güld'nem Haar,
Trug Bild und Namen im Herzen sein,
Manch schönes Lied noch obendrein.

Und wie sie einst seh'n in den Strom hinab.
Sinkt's Ringlein des Ersten in's Wellengrab;
Und wie sie einst stehn auf hohem Turm,
Da raubt das Bildnis des Zweiten der Sturm.

Die Beiden ringen die Hände sich wund.
Doch jubelnd tönt des Dichters Mund;
Trägt Namen und Bild ja im Herzen sein,
Manch schönes Lied noch obendrein.

Die Farben

"Drei der Farben liebt' ich innig.
Hätte für sie Leib und Gut,
Und der Augen Licht geopfert.
Und des Herzens warmes Blut;
W e i ß  die erste war der Farben:
Meines Vaters Silberhaar,
R o t  die zweite war aus ihnen:
Meiner Liebsten Wangenpaar,
Dritte war: das G r ü n  der Fluren,
Deiner Fluren Festgewand,
Deiner Auen Brautgeschmeide,
Süßes, teures Vaterland!

Alle drei hast Du vernichtet,
Gottesräub'rischer Barbar!
Hast erwürgt den süßen Vater,
Und zerrauft sein greises Haar;
Hast geschändet die Geliebte,
Und gebleicht der Wangen Rot,
Daß sie eine welke Blume
Sank und starb im grausen Tod;
Hast zertreten und zerstampfet
Meines Landes friedlich Grün,
Daß, wo einstens Dankaltäre,
Fackeln der Verheerung glühn!

Treu doch lieb' ich noch die Farben
Inniger als Leib und Gut,
Wärmer als das Licht der Augen,
Wärmer als des Herzens Blut,
W e i ß die erste: um zwei Lilien
Die an jenen Gräbern blühn,
Wo die Hüllen meiner Lieben
Rasten von des Lebens Mühn;
R o t die zweite: toller Mörder,
Dein und deines Volkes Blut!
Dritte ist das G r ü n des Rasens,
Unter dem mein Herz einst ruht. —"

Also sprach der Heldenjüngling,
Stehend an der Seinen Grab,
Eine Träne — wohl die letzte —
Perlt auf ihr Gebein hinab,
Traurig blickt sein Feuerauge
Hin auf Hellas Blutgefild,
Rings Entsetzen der Vernichtung,
Rings des Mordes Schreckensbild!
Schon hat er das Schwert umgürtet
In der Rache wildem Krampf,
Und für Vaterland und Freiheit
Stürzt er in den blut'gen Kampf.

Doch schon eh' er ausgekämpfet
Ruht er unterm Rasengrün,
Über seinem Sarge rollet
Wütend noch die Schlacht dahin,
Doch im Tod soll ihn erfreuen,
Was einst seiner Liebe Preis,
Und auf seinem Grabeshügel
Einet sich der Farben Kreis.
Auf des Rasens G r ü n strömt r ö t e n d
Feindesblut im reichen Lauf,
Und im nächsten Frühlingsstrahle
Blüht die w e i ß e Lilie drauf.

Des Klephten Gaben

Heimwärts kam ein Klephte aus dem Kampfe,
An die Brust sinkt ihm die treue Gattin,
Und zwei Knaben frisch und freudig rufen:
"Gott grüß, Vater! dachtest Du auch unser?"
Doch das dritt' und kleinste in der Wiege
Streckt die zarten Hände ihm entgegen.
Und er spricht zum Knäblein in der Wiege:
"Armer Schalk! mich dauert Deine Blöße,
Brachte Stoff zu decken Deine Nacktheit,
Mütterchen soll Windeln draus Dir schneiden."
Zog aus dem Tornister einen Turban. —
Dann zum zweiten sprach er lächelnd also:
"Gern, ich weiß es, spielst Du mit dem Balle,
Habe Dir gebracht drei runde Bälle,
Bring' viel solcher Bäll einst Deinen Söhnen,
Und hoch in die Lüfte laß sie fliegen."
Und er zog heraus drei Türkenschädel. —
Küßt' dann auf die Stirn' den dritten, ält'sten,
Schnallt ein blankes Schwert ihm um die Lenden,
Hängt ihm eine Büchse auf die Schultern,
Also sprechend: "Auf, wir ziehn zusammen!
Freut ihr Andern euch auf uns're Rückkehr!
Doppelt wiegt die Beute, die wir bringen,
Windeln für die Kinder von zehn Dörfern,
Bälle für die ganze Nachbarschaft."

Das Land der Freiheit

Es schlief ein Greis auf jenem Feld,
Wo man die Schlacht geschlagen,
Er schlief wohl an zehn Stunden schon,
Seit ausgetobt der Schlachtlärm,
Und wer den grauen Schläfer sah,
Seufzt: Friede mit den Toten! —
Doch jetzt erhebt der Greis sein Haupt,
Und öffnet seine Wimpern,
Und reibt den Schlaf sich aus dem Aug'
Und blicket starr hinfürder.

Es lag ein stiller See vor ihm
Mit purpurroten Wellen.
"Du ebner See!" so lispelt er,
"Wie friedlich fließt dein Wasser,
Wie glühen deine Wellen all'
So schön im Morgenrote!
So hehr erglänzt das Frührot nur
Im gold'nen Land der Freiheit!" —

Viel hundert Männer lagern rings
Am Strand des See's und schlafen.
"Du sel'ge Schar, wie schläfst du süß
Im freien Himmelssaale!
Nicht scheinest du des Wütrichs Ruf,
Nicht Räuberschwert zu fürchten;
So sicher, traun, und friedlich schläft
Sich's nur im Land der Freiheit!"

Und neben ihm, im grünen Gras,
Da ruhn zwei holde Kinder;
Zwar regungslos, doch halten sie
Sich warm und fest umschlungen.
"O schönes, zartes Blumenpaar,
Umkos't vom Hauch der Liebe!
Solch süße, heil'ge Liebe lebt
Nur in dem Land der Freiheit."

Es neiget mild sich über ihn
Ein lieblich Frauenantlitz;
Sein müdes Silberhaupt ruht sanft
Im Schoß des holden Wesens.
"Auf solchem Kissen schläft man nur
Im schönen Land des Friedens!
Und solche Engel wachen nur
Im gold'nen Land der Freiheit!" —

Er lispelt's leis, und senkt das Haupt,
Und schließet still das Auge,
Und nimmer öffnet's mehr der Greis,
Erhebt nie mehr das Antlitz. —
O armer und doch sel'ger Greis,
O schlafe fort und träume!
Erwache nie, daß keiner Dir,
Was Du gesehn, je deute!

Nicht lieh das ros'ge Morgenrot
Dem See den Purpurmantel:
Vom Blute nur ist er so rot,
Vom Blute Deines Volkes!
Die Schläfer — Deine Brüder sind's.
Erwachen nimmer wieder,
Die Kinder — Deine Enkel sind's —
Die starben Hungertodes,
Das Frau'nbild — Deine Tochter ist's —
Weint über Deiner Leiche.

Harfe und Elemente

Ein Greis, gekrönt mit Lorbeer, stand
Auf einem Fels am Meeresstrand,
Die Harfe hielt er in der Hand,
Und blickte starr in's weite Land,
In's tiefe Tal hernieder strahlt
In hoher Würde die Gestalt,
Ein ruhigschönes Heil'genbild;
Und wie ein Frühlingswölkchen spielt
Der greisen Locken Silberstrom
Hinaus in den azurnen Dom.

Jetzt rollt der Zeiten ernster Lauf
Vor seinem innern Blick sich auf,
Er sieht manch Bild, so klar und schön,
Manch teures Wesen vor sich stehn,
Sieht sich vor allen Sängern reich,
So kräftig kühn, so mild und weich;
Die Kunst reicht ihm den schönsten Kranz,
Die Liebe strahlt im hellsten Glanz,
Und schützend führt das Leben ihn
Zum Tempel ew'gen Ruhmes hin. —

O schöner Traum, du blühst nicht mehr,
Das ganze Herz ist welk und freudenleer,
Des Auges Glut, der Sehnen Kraft
Ist nun erloschen und erschlafft,
Die Kränze all' erbleicht, zerstört,
Der Tempel zum Ruin verkehrt!

Nun mit dem eignen Lorbeerreis
Bekränzt sein Harfenspiel der Greis.
"Hab' Dank du freundlicher Kumpan,
Nur Du bliebst treu dem greisen Mann,
Du sangst mit mir der Liebe Lust,
Mein Bild sangst Du in manche Brust,
Hast mir manch Freundesherz erjagt,
Mit mir gejauchzt, mit mir geklagt,
Hast mitgesiegt in manchem Streit,
Hast manche Freundesbrust erfreut,
Und bliebst allein dem greisen Mann,
Hab' Dank, Du treuer Leidskumpan.
Dein Tagwerk hast Du nun vollbracht.
Die Lieben drückt des Grabes Nacht,
Zerronnen ist des Lebens Meer,
Die Welt ist wüst und tatenleer.
Vom Frieden träumen sie zumal.
Und träger Fried ist überall.
Der mag' wohl sein im Grabe gut.
Im Leben doch verdirbt er's Blut;
Drum gibt es für uns beide nun
In dieser Welt nichts mehr zu tun."

Er faßt die Harfe fest am Schaft,
Und schwingt sie mit der letzten Kraft,
Sie fliegt durch blaue Äthersbahn
Hell sausend durch die Luft hinan;
Jetzt ist sie nur ein Punkt zu sehn.
Jetzt kann kein Blick sie mehr erspähn.
Die Harfe schwand dem Auge kaum,
Da sieht der Greis im blauen Raum
Ein mildes Rosenwölkchen glühn,
Das neigt sich sanft zur Erde hin.
Und siehe da! inmitten glänzt
Die blanke Harfe frisch bekränzt,
Und durch die Saiten leis' und lind
Weht klagevoll der Abendwind.

Der Alte doch, mit kaltem Blut,
Schürt nun empor der Flammen Glut,
Und faßt und wirft mit fester Hand
Die Harfe in des Feuers Brand. —
Es zischt empor und flackert wild.
Doch aus, dem Saitenspiele quillt
Es löschend in der Flammen Schoß:
Es löst sich jede Träne los,
Die auf die Harf' er je geweint,
Und löscht und dämpft den glühen Feind.

Der Greis mit trotzig starrem Mut
Sieht nieder in die Meeresflut,
Und schleudert in des Wassers Grab
Die Harfe kalten Bluts, hinab.
Es schäumt und braust der Wellenplan,
Sinkt höllentief, steigt himmelan;
Die Harfe doch schwimmt über'm Meer,
Wie Amphitritens Kahn einher,
Und sanft an's weiche Ufergrün
Spielt kosend sie die Welle hin.

"Und wahrt Dich nicht des Feuers Glut,
Der Himmel nicht, nicht Meeresflut,
So magst Du denn im kühlen Schrein
Der Erde wohl geborgen sein;
Wo all die Lieben schlummernd ruhn,
Umfang' auch Dich die Ruhe nun." —
Und in den Fels gräbt er ein Grab,
Versenkt die Harfe tief hinab,
Und wallt mit letztem Sonnenstrahl
Hinab in's stille Friedenstal.

Und als die Lerche wieder schlägt,
Die Flur ihr grünes Brautkleid trägt,
Und Alles sprießt und Alles keimt,
Und froh die Lebensquelle schäumt,
Vom ersten Lenztag hell umglüht,
Von tausend Veilchen hold umblüht,
Begrüßt vom muntern Waldeschor, —
Da klimmt zum schroffen Fels empor
Mit festem Schritt der Sängersmann.
Und als er kam den Fels hinan,
Da war rings Alles Lenz und Lust,
Lenz ward es auch in seiner Brust;
Und sieh! — vom Frühlingsstrahl umglüht,
Stand aus dem Erdengrab erblüht,
Die Harfe da, im blanken Glanz,
Geschmückt mit frischem Lorbeerkranz.
Die Saiten wehn so ernst, so rein,
Als griff' ein Geisterfinger drein.

Da blickt der Greis so tränenklar,
Der Fels wird ihm zum Dankaltar,
Er faßt die Harfe innig an,
Und singt, und singt zu Gott hinan,
Singt von beglückter Friedensflur,
Von Liebe, Lenz und von Natur,
Und singet fort in süßem Drang,
Und all sein Leben wird Gesang,
Und manchen Jüngling hebt sein Lied,
Und manchen Greis verjüngt sein Lied,
Und mancher sinkt in sel'ger Lust
Dem Sänger an die Freundesbrust.

Ein Traum

Im fernen, fernen Meere,
     Da. segelt bei Nacht ein Schiff,
Der Schiffsherr in der Kajüte
     Lag auf der Matte und schlief.

Der Kiel schnitt still und ruhig
     Den weiten stillen Raum;
Jedoch so still und ruhig
     War nicht' des Schiffsherrn Traum:

Ihm träumt' ein Blitzstrahl habe
     Den stolzen Mast zerspellt.
Es sei an einem Felsen
     Im Sturm das Schiff zerschellt.

Und über Bord geschleudert,
     Schwimm' er im tosenden Meer,
Und Wogenkolosse und Blitze
     Die sausen um ihn her.

Er rudert mit brechenden Armen,
     Schon sieht er die Küste nahn,
Doch brausend an ihre Felsen
     Schlägt hoch die Brandung hinan.

Auf einem der grauen Felsen
     Sieht er eine Jungfrau stehn;
Sie winkt, und läßt hernieder
     Zu ihm eine Rose wehn.

Doch dort schwimmt nun ein Balken
     Zur Rettung ihm heran;
Soll er zuerst die Rose,
     Zuerst den Balken umsahn?

Schon brechen die Arme, schon sinkt er
     In's flutende Grab hinein;
Da faßt ihn die Brandung und schleudert
     Ihn an das Felsgestein. —

Der Schiffsherr erwacht und stürzet
     Rasch auf's Verdeck hinan;
Doch sicher und ruhig segelt
     Das Schiff durch die stille Bahn.

Die flüsternden Wellen baden
     Ihr Haupt im Morgenlicht; —
Wohl sah er keine Trümmer,
     Doch auch die Rose nicht.

Verschiedene Trauer

Ein Mädchen kniet an einem Leichenstein,
Und pflanzt daneben eine Pappel ein:
      "Streb' auf zum Äther, schlanker Baum,
      Auch Er flog auf zum Sternenraum:
      Wie meine Hände zum Gebet,
      Sei aufwärts jeder Zweig gedreht;
      Wie meine Augen sternwärts spähen,
      Soll jedes Blatt nach oben sehen.
      Zu ihm, zu ihm! empor, empor!
      Rausch' es aus Deinem Laub hervor;
      So, Pappel, auf des Grabes Höhen
      Sollst, meiner Trauer Bild, Du stehen."

Ein Jüngling kniet an einem Leichenstein,
Und pflanzt daneben eine Weide ein:
      "Streb erdenwärts, Du Tränenbaum,
      Auch Sie sank in der Erde Raum;
      Wie meine Zähren auf dies Grab,
      So schüttle Deinen Tau herab;
      Wie meine Arme abwärts ringen
      Und gern den kalten Sarg umfingen,
      Ihr Zweige, so umschlingt dies Grab.
      Zu ihr, zu ihr! hinab, hinab!
      So Weide, auf des Grabes Höhen
      Sollst meiner Trauer Bild Du stehen."

Die beiden Sängerheere

Einst schlief ich im düsteren Ulmenhain
Nicht fern von den Särgen der Barden ein,
Mich sangen die Vögel des Waldes zur Ruh,
Es rauschten die Zweige wie Lieder dazu.

Als jegliches Aug' im Schlummer schon brach.
Und Kummer allein und Liebe noch wach;
Da rüttelt's und schüttelt's an Riegeln und Sarg,
Da rüttelt und sprengt es Riegel und Sarg.

Wie Woge an Woge im brausenden Meer,
Ersteht aus den Särgen ein Harfenheer,
Wohl tausend Gestalten im regen Gewühl,
In knöchernen Armen ein Saitenspiel.

Die Lippen sind dürr und der Blick ist kalt,
Die bleiche Wange verfallen und alt.
Und mit den Händen ohne Gefühl
Gepocht und gehämmert am Saitenspiel!

Und wie sie da pochen und Hämmern fortan,
Kein Ton und kein Laut will dem Ohre da nahn;
So klimpern allnächtlich zur Mitternachtszeit
Ihr ewiges Lied sie: Vergessenheit!

Jetzt schallt's wie der Engel Posaunenruf,
Als Welten und Leben der Ewige schuf.
Es rauschen des Haines Gezweige so hell,
Es säuselt die Wiese, es rieselt der Quell.

Da klappen wohl tausend der Särge zu:
Das herzlose Leyrergezücht geht zur Ruh,
Da springen wohl tausend der Särge auf:
Ein Sängergeschlecht beginnt seinen Lauf!

Ein körnig Geschlecht für endlose Zeit,
Gesaugt an den Brüsten der Ewigkeit,
Das Auge ein Blitz und doch so mild,
Das Antlitz der kräftigen Liebe Bild.

Und siehe der herrliche Bardenchor
Hebt rauschend die klingenden Harfen empor,
Wie Seraphsgebet, wie Sphärengesang,
Verhallt es die weiten Gefilde entlang.

Es horchen die Wasser und hemmen den Lauf.
Was Leben und Sinn hat, das richtet sich auf;
So singen allnächtlich zur Mitternachtszeit
Ihr ewiges Lied sie: Unsterblichkeit!

Wie, liederbegrüßt, von Rosen bekränzt,
Die sinkende Sonne im Berggrab glänzt;
So rauscht es noch einmal durch Erd' und Lust,
Und alle die Sänger versinken zur Gruft.

Da rüttelt's mich rasch aus dem Schlummer empor,
Schon steigt im Osten die Sonne hervor;
Die Steine sind fest, geschlossen die Gruft,
Und leise weht drüber die Morgenluft.

Und sind auch die Sänger schon alle zur Ruh',
Und ihre ewigen Wohnungen zu;
Blieb eines der beiden Lieder mir doch,
Das sang ich und sing es wohl sterbend noch.

Doch welches der Heere zum Sang mich geweiht?
Du wirst es enthüllen, Allrichterin Zeit!
Denn wenn über'm Sarg mir die Grabrose blüht,
Sing ich wohl mit einem der Heere mein Lied.