Stammbuchblätter
1.
Dies Blatt soll dir nicht sagen
Von meiner Seele Drang,
Dies Blatt soll dir nicht klagen
Von meines Schweigens Zwang.
Dies Blatt soll weder Bote
Noch soll es Herold sein,
Und tönend mein Geheimnis,
In alle Lüfte schrei'n.
Dies Blatt soll Worte finden
Erst spät in ferner Zeit,
Wenn dir vom Lebensbaume
Herbstwind die Blätter streut.
Dann soll es zu dir sprechen
Manch freundlich stilles Wort
Von Tagen lang verklungen,
Von Blüten lang verdorrt.
Dann magst du klar erkennen
Was jetzt sich dunkel zeigt,
Erinn'rung soll dir nennen.
Was Gegemwart verschweigt.
2.
Die Rose glüht und duftet
Und welket und verblüht,
Laß nicht der Rose gleichen
Dein jugendlich Gemüt.
Gleich du der Apfelblüte,
Laß flücht'ger Reize Schein
Die Bürgschaft innern Wertes,
Den Herold von Früchten sein.
Und gleiche nicht dem Springquell,
Der rauschend steigt und fällt;
Bewahr' dir stät' die Seele
Im wirren Drang der Welt.
Gleich' du dem tiefen Meere,
Es birgt in dunkler Flut
Die schimmernde Koralle,
Der Perle köstlich Gut.
Nicht weichem Wachse gleiche
Leichtflüssig dein junges Herz;
Pass' nicht in alle Formen,
Schmilz' nicht in jedem Schmerz.
Des edlen Stahles Härtung
Sei Vorbild deinem Sinn,
Aufschnellend unterm Drucke
Leb' deine Tage hin!
3.
Es gleicht das Glück der goldnen Pomeranze,
Die schimmernd aus der Blätter dunklem Grün
Dir zuzurufen scheint in ihrem Glanze:
"Verschmähst du mich? Komm her und nimm mich hin!"
Doch pflückst du sie aus weißem Blütenkranze,
Die saftvoll, süß und längst gereift dir schien,
Dann faßt du erst, wie oft uns goldne Schalen
Den bittern Kern, die herbe Frucht umstrahlen.
Drum, Mensch, laß ab von nichtigem Bestreben,
Ein frommes Kind vertraue dem Geschick;
Ein Hauch der Freude weht durch jedes Leben,
Den trübsten Herbsttag schmückt ein Sonnenblick,
Mag winkend auch am Zweig die Goldfrucht schweben,
Lang nicht nach ihr! Erwarte still das Glück;
Vom Himmel muß es in den Schoß dir fallen.
Dann ist es reif, dann halt' es fest vor Allen.
In das Album Ludwig
Löwe's
Wenn ich ein Maler, Meister Ludwig, wär',
So malt' ich hier dir einen Löwen her,
Und lenkend des gewalt'gen Tieres Lauf
Mit Leierklängen, säß' ein Amor drauf,
Und diese Worte schrieb' ich drunter hin:
"Sieh hier im Bilde deines Genius Walten,
Die Kraft von Anmut schön im Zaum gehalten! —
Wie Schade, Freund, daß ich kein Maler bin!"
Imogen an Julie Rettich
Nach
der Aufführung des Cymbelin
Verhängt vom Schicksal ward mir hier auf Erden
Verkannt, verleumdet und geschmäht zu werden,
Empfing mich doch erst Wien wie Posthumus,
Mit einem Schlag erwiedernd meinen Gruß.
Willkommen war Cloten, mein treues Lieben
Stand ihnen fern, ist ihnen fremd geblieben
Doch war's nicht ihre Schuld! — Zu leise spricht
Für Viele Poesie; sie hörten nicht.
Auch groll' ich ihnen nicht, die welk im Herzen
Nicht fassen mehr der Jugend Glück und Schmerzen,
Ihn klag' ich an, des unbedachte Hast
In schlechtes Blei den Diamant gefaßt.
Ihn klag' ich an, der aus des Buches Schweigen
Mich weckte, auf der Bühne mich zu zeigen,
Ihn, der so doppelt meinen Wert gekränkt,
Den eigenen und den du mir geschenkt!
Du aber, die mich armes Luftgebilde
So reich durchdrang mit Glut und Kraft und Milde,
Du, die des Dichters Traum so treu und wahr
In sich empfing und wieder ihn gebar.
Du, einz'ger Trost, den mir das Schicksal spendet,
Du, steh' ich, wenn mein kurzer Lauf vollendet,
Und Schweigen wieder schützend mich begräbt,
Du zürn' mir nicht, daß ich durch dich gelebt.
Und ob mir auch der Menge Beifall fehle
Erkenne klar in deiner klaren Seele
Die Macht Shakspeare's, der schaffend mich verklärt,
Mein Mißgeschick und deinen eignen Wert.
An Grillparzer
Zur
Feier seines fünfzigsten Geburtstages
Es sind nun zwanzig Jahre,
Auch wohl noch mehr, da saß
In stiller Nacht ein Knabe
Bei einem Buch und las.
Er las das Buch zu Ende,
Fing wieder an von vorn,
Und schlägt's zusammen endlich,
Und wirft es weg im Zorn.
Gleich drauf da holt er's wieder,
Und küßt's und drückt's, und liest
Bis Trän' auf Träne glühend
Vom Aug' ihm niederfließt.
Da birgt er in die Hände
Sein Antlitz fieberheiß,
Und diese Worte wehen.
Von seinen Lippen leis,
Und tief im Herzen prägen
Die Worte sich ihm ein:
"Der ist's, der ist der Rechte;
Wie der so möcht' ich sein!"
Und frägst du nach dem Buche,
In dem der Knabe las,
Und frägst du nach dem Knaben
Der dort beim Buche saß;
Verehrter Mann, die Ahnfrau
War jenes Buch genannt,
Und ich war jener Knabe,
Der's wegwarf zornentbrannt.
Ich war's, der dich bewundernd
So hoch, den Sternen nah',
Und sich im kind'schen Neide
So tief im Staube sah.
Ich war's, den du entzündet
Mit deines Liedes Strahl,
Ich war's, dem deine Größe
Den Schlaf der Nächte stahl.
Und wenn mir's auch nach Jahren
Voll Müh' und heißem Drang
Auf deinen Pfad von Ferne
Zu folgen dir gelang.
Wenn mir auch seitdem im Busen
Des Liedes Klang erwacht —
Ich fühl' es noch wie damals
In jener stillen Nacht!
Noch spricht mir die Kinderstimme,
Im Herzen, denk' ich dein:
"Der ist's, der ist der Rechte,
Wie der, so möcht' ich sein!"
O fühl' auch du es freudig,
Fühl's blinder Demut bar:
"Ich war's, ich bin der Rechte!"
Des Kindes Mund sprach wahr!
An die Elfen
Als
Fürsprache für eine zu fleißige Freundin
1843
Muntre Elfen, groß und klein,
Die ihr schweift durch Feld und Hain,
In die frisch betaute Flur
Prägend eures Tanzes Spur,
Die ihr hier um Blüten gaukelt,
Dort im Blumenkelch euch schaukelt,
Die ihr durch des Weihers Wogen
Auf dem frischen Blatt der Linde,
Keck zum grünen Kahn gebogen,
Schifft im Hauch der Abendwinde,
Muntre Elfen, groß und klein,
Kommt, ich ruf' euch, kommt herein!
Kommt, denn seht bei tiefer Nacht,
Da kein Späher lauschend wacht,
Richt' ich euch im stillen Haus
Ein Bankett gar herrlich aus.
Frische Sahne hier im Töpfchen,
Sieben Tropfen auf jedes Köpfchen,
Gelbe Butter und duftend Brot,
Erdbeer'n auch und Kirschen rot,
Kommt, da steht es; nach Behagen
Mögt ihr schlürfen dran und nagen;
Seht, da steht es an der Tür',
Tut mir einen Dienst dafür!
Seht im Korb dort in der Ecke
Ruht gehäkelt eine Decke,
Eine Decke rot, grün, weiß,
Lobend ihrer Schöpferin Fleiß;
Schafft sie dran gleich Tag und Nacht,
Halb nur ist das Werk vollbracht.
Muntere Elfen, groß und klein,
Kommt denn, Helfer ihr zu sein!
Nimmer müde ohne Ende,
Liebe Elfen, regt die Hände,
Faßt, verschlingt und knüpft die Fäden
An der rechten Stelle jeden,
Daß die Arbeit sei beschlossen
Eh' die Nacht dahin geflossen,
Daß ihr, schleicht voll Angst und Sorgen
Sie zur Arbeit wieder morgen,
Fertig schon entgegen strahl',
Was ihr Müh' war und mir Qual;
Daß ihr Auge, klar und frisch,
Nicht mehr kleb' am Wollgemisch,
Daß fortan sie ruhen lasse
Jene Nadel, die ich hasse,
Um ihr Züngelein dagegen
Desto muntrer zu bewegen!
Ein Bankett richt' ich euch aus,
Muntre Elfen kommt zum Schmaus!
Laßt nur bis zum Morgenschein
Mir die Decke fertig sein!
Auf dem Krankenbette
Es ruhte in Dämmerhelle
Das schweigende Gemach;
Da war kein Laut des Lebens,
Der seine Stille brach.
Es pickten des Uhrwerks Schläge
Eintönig von der Wand,
Es knisterte in der Ampel
Verglimmend des Dochtes Brand.
Mir aber auf meinem Lager,
Mir war's im Fieberdrang,
Als spräche der Ampel Schimmer,
Als spräch' mir des Uhrwerks Gang!
Mir sagte des Raumes Stille:
"Laß deine Freunde sein
Zahllos wie Sand am Meere,
Ein Tag trifft dich allein!"
Mir sagten der Wanduhr Schläge:
"Sieh Tag verrinnt für Tag,
Und sieh die Zeit wird kommen,
Da tönt dir mein letzter Schlag!"
Mir sagte der Ampelschimmer:
"Laß meinen dürft'gen Schein
Dir einen Strahl von Jenseits,
Ein warnend Sternbild sein!
Erkenn' in diesem Leiden,
Das deine Stärke brach,
Ein Strichlein unter der Rechnung,
Und zähl' deinen Tagen nach!"
Am Sylvesterabend
Wir saßen unser vier zu Tisch,
Zu Ehren St. Sylvestern,
Wir saßen froh und traut am Tisch,
Mir ist als wär' es gestern.
Und Einer sprach, noch hör' ich ihn:
"Wir sitzen hier beisammen,
Das Herz so weit, so leicht der Sinn,
Die Brust voll heil'ger Flammen.
So soll es bleiben immerdar,
Und will das Jahr entschwinden,
Laßt traulich noch im grauen Haar
Uns hier zusammenfinden."
Und sieh es füllt sich des Jahres Kreis,
Tag war für Tag verglommen,
Und wieder war mit Schnee und Eis
Sylvester herangekommen.
Und wieder trat ich in das Gemach,
Wo wir zu Viert einst saßen —
Wie hallte dumpf mein Fußtritt nach,
Wie öd' war's, wie verlassen!
Da flammt kein gastlich heller Brand,
Leer steht das Vogelbauer,
Am Boden knistert Staub und Sand,
Rings brütet Nacht und Trauer.
Und Alles still und Alles leer
Da tönet kein Willkommen;
Die Stühle stehen trüb umher,
Der Tisch war weggenommen.
Da stellt kein trauter Gast sich ein
Zur frohen Bundesfeier;
Das Mondlicht nur blickt fahl herein
Durch trüben Wolkenschleier.
Da sprach ich zu mir selber still:
"Was ist der Menschen Wollen?
Es ist nur Einer, der da will,
Wir Andern alle sollen!"
Einem jungen Mädchen
Da liegt sie fahl, bestäubt, verblichen
Die Puppe, die dir einst weithin —
Nur wenig Jahre sind verstrichen —
Das höchste Gut der Erde schien.
Ich seh dich noch ans Herz sie drücken,
Wenn schläfrig du zu Bette gingst,
Ich seh es noch, wie mit Entzücken
Erwachend kaum du sie umfingst!
Dein Frühstück teilte sie am Morgen
Und saß mit dir beim Mittagsmahl,
Und wachsam stets mit Muttersorgen
Umwob sie deines Blickes Strahl!
Was gabst du ihr für Schmeichelnamen;
Nur Goldkind, Sternchen hieß sie dir,
Und wenn des Lernens Stunden kamen,
Wie schmerzlich schiedest du von ihr!
Du suchtest nicht um Spielgenossen;
War Lottchens Kopfputz wohlbestellt,
Und saß ihr Kleid wie angegossen,
Was lag dir weiter an der Welt?
Und jetzt — da mit der Kindheit Tagen
Der Traum der Kindheit dir versank,
Jetzt liegt sie, der dein Herz geschlagen,
Bestäubt, verblichen hier im Schrank!
Und Rührung fühl' ich mich bestechen,
Und Wehmut hält mich festgebannt,
Und diese Worte muß ich sprechen
Im Geiste still zu dir gewandt:
"Du wirst noch viele Puppen finden
Und für sie schwärmen, ach, wie sehr,
Und legst wohl in der Jahre Schwinden
Noch manche in den Schrank hieher;
O mögst du alle nur, wie jene,
Wenn ihre Stunde einmal kam,
Bei Seite legen ohne Träne,
Und ohne Reue, ohne Scham!
Und möge mit der Jahre Reifen
So froh begeistert dein Gemüt
Das Große, Schöne auch ergreifen,
Wie's für die Puppe einst geglüht'
Und mögst du reifend mit den Jahren
Stets weiser in der Wahl dich nur
Und treuer zeigen im Bewahren,
Als jene Puppe einst erfuhr!
Und wählst du einst fürs ganze Leben,
O denk' an deine Puppe dann,
Und denk, wie oft du aufgegeben,
Was kaum dein ganzes Herz gewann!
O wähle klug und wähl' bedächtig!
Vorzügen nicht noch Fehlern blind,
Bedenke, wie die Zeit so mächti
Wie schnell verblichen Puppen sind!"
Sonette
Die lieben Gäste
Habt ihr von meinen Gästen schon vernommen,
Die zwar mich nur besuchen, wenn sie müssen,
Doch mild versöhnend immer mich begrüßen;
Die Trost mir bringen, hält mich Gram beklommen;
Die, jauchz' ich auf in Freude wild entglommen,
Mir fromme Demut in die Seele küßen!
Kennt ihr sie nicht, die Lieb' und Leid versüßen,
Und wären sie nicht auch zu euch gekommen? —
Ihr kennt sie wohl, die stumm sind und doch sprechen,
Die mild wie Tau, doch gleichen Flammenbächen,
Die herb sind, und doch Honig bittrem Sehnen;
Ihr kennt sie wohl der Menschheit Kronjuwelen,
Die echten Herzensfesten niemals fehlen,
Ihr kennt sie wohl die lieben Gäste — Tränen!
Waldmünster
Ich hab den Wald zum Münster mir gedichtet;
Getragen von den Pfeilern stolzer Eichen
Seht hier die Kuppel in die Wolken reichen,
Die Klippe dort als Kanzel aufgerichtet!
Vor dem Altar aus Felsen aufgeschichtet
Blüht Thymian, ein Teppich ohne Gleichen;
Weihwasser sprudelt aus der Erde Weichen
Hier, wo des Dickichts grüne Wand sich lichtet;
Als Orgel hört den Wasserfall ihr dröhnen,
Als Chorgesang der Vöglein Lieder tönen;
Die Sterne flammen wie geweihte Kerzen,
Wie Weihrauchdüfte weht es aus der Rose,
Und ich sink' betend hin im grünen Moose,
Vor dem Madonnenbild in meinem Herzen.
Ein krankes Kind
Mein Herz gebärdet sich wie kranke Kinder,
Verschmäht des Heiltranks bittersüße Welle,
Will stets hinaus und zögert an der Schwelle;
Vermehrt sein Leid und wünscht, es wäre minder.
Der eignen Qual nie ruhender Erfinder
Das Dunkel scheut's und flieht des Tages Helle,
Ruht nie bequem auch auf der weichsten Stelle,
Und die verlaß'ne dünkt ihm stets gelinder.
Doch Liebe kommt als Wärterin gegangen
Und küßt des Kindes fieberheiße Wangen,
Und spricht ihm zu mit tröstendem Gekose;
Und singt ihr Lied voll heil'ger Wundersagen,
Und sieh das kranke Kind hört auf zu klagen,
Und lächelnd schläft es ein in ihrem Schoße.
Kunz von der Rosen
Der Hofnarr Kunz und Max, der blonde Ritter,
Man sagt, sie tauschten die Gewänder beide;
Der Ritter floh im bunten Narrenkleide,
Der Narr gefangen trotzt dem Ungewitter.
Und als die Genter spähten durch das Gitter,
Da glaubten sie dem trügenden Geschmeide;
Maria nicht, ihr Blick, ob trüb vom Leide,
Erkennt den Teuerdank im Narrenflitter!
Mein armes Herz, von Gram und Leid befangen,
Hat auch die Narrenjacke umgehangen,
Und Genter werden schwerlich es erkennen;
Dient doch ein Holzschwert mir als Wehr und Stütze,
Ertönt vom Schellenklang doch meine Mütze;
Doch dir, Mathilde — muß ich dir mich nennen?
Ein Traum
Mir träumte jüngst ich läg' im Kelch der Rose
Und lebte tief in ihrem tiefsten Leben,
Und mir erscholl von Purpurnacht umgeben
Verhallend ferneher der Welt Getose;
Doch Alles schaut' ich klar im Knospenschoße,
Wie zart errötend ihre Blätter beben,
Wie Düfte den Errötenden entschweben,
Als milde Antwort mildem Westgekose;
Dies Alles schaut' ich; nur den Kern der Holden
Befand ich nicht, wie ich vermutet, golden,
Wollt' gelber Staub auch täuschend es verhehlen;
Ich aber weinte sehr vom Traum befangen,
Daß Rosen hell in Duft und Farben prangen,
In jedem Reiz — doch ohne Herz und Seelen.
Der schwarze Punkt
Es ist ein schwarzer Punkt in meiner Seele,
Und wie ein Brandmal ist er anzuschauen;
Und denk ich sein, so faßt mich Angst und Grauen,
Ob Mut auch dreifach mir den Busen stähle;
Und wie ich mit Arzneien auch mich quäle,
Mir grünt kein Kraut der Heilung auf den Auen,
Kein Balsam will vom Himmel niedertauen;
Mein Übel wächst, welch' Mittel ich auch wähle.
Denn aus dem schwarzen Punkte spinnt ein Faden
Sich durch mein Leben hin, gleich jenem Schaden
Untilgbar, trotzend heißer Tränenlauge;
Und Unheil knüpft er rächend ans Vergehen
Und überall mein' schaudernd ich zu sehen
Den schwarzen Punkt, dein tränendunkles Auge!
Dichterreich
Erledigt ist der Thron der deutschen Dichter,
Wolfgang der Große ist hinabgestiegen,
Bei Schiller in der Fürstengruft zu liegen;
Wer aber wird nun Herrscher sein und Richter?
Wenn hier sich vornehm grämliche Gesichter
In Träumen von Patrizierherrschaft wiegen,
So jubelt, müde sich dem Joch zu schmiegen,
Dort: Republik! plebejisches Gelichter!
Hier ruft es laut: Gesinnung über Alles!
Dort wimmert's kläglich: Zeiten des Verfalles!
Doch mein' ich, ihr geht all' auf falschen Pfaden:
Der, dem's bestimmt, sich mit dem Kranz zu schmücken,
Der wird ihn nehmen, und aufs Haupt sich drücken
Und euer König sein von Gottes Gnaden!
An —
Du sprachst ein Wort letzthin, das mir mißfallen,
Und rügt ich es auch nicht in jener Stunde —
Denn Ort und Zeit war gegen mich im Bunde —
Nie wird im Geiste mir sein Klang verhallen;
Und wie auch mächtig deine Lieder schallen,
Und weithin tragen deines Namens Kunde,
Sie sühnen's nicht, daß deinem Sängermunde,
Dem Gottgeweihten, jenes Wort entfallen;
Sie sühnen's nicht, daß scheidend in die Quelle,
Die labend dich getränkt mit ihrer Welle,
Du Steine warfest, statt ihr Dank zu zollen;
Sie sühnen's nicht! — Du mochtest sie verlassen,
Du mochtest, was du liebtest, glühend hassen,
Doch ihrer spotten hättest du nicht sollen!
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