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Zweites Buch

Ein Verrauschen, ein Verschwinden
Alles Leben! — doch von wannen? —
Doch wohin? — die Sterne schweigen,
Und die Welle rauscht von dannen.
 


Leben und Traum
Lyrisch epische Gedichte
 

Die Werbung
Der Schifferknecht
Marie und Wilhelm
Begräbnis einer Bettlerin
Die Waldkapelle

 
Der Raubschütz
Warnung im Traume

 

Die Werbung


Rings im Kreise lauscht die Menge
Bärtiger Magyaren froh;
Aus dem Kreise rauschen Klänge:
Was ergreifen die mich so? —
Tiefgebräunt vom Sonnenbrande,
Rotgeglüht von Weinesglut,
Spielt da die Zigeunerbande
Und empört das Heldenblut.
"Laß die Geige wilder singen!
Wilder schlag' das Zimbal du!"
Ruft der Werber, und es klingen
Seine Sporen hell dazu.
Der Zigeuner hört's und voller
Wölkt sein Mund der Pfeife Dampf,
Lauter immer, immer toller
Braust der Instrumente Kampf,
Braust die alte Heldenweise,
Die vor Zeiten wohl mit Macht
Frische Knaben, welke Greise
Hinzog in die Türkenschlacht.
Wie des Werbers Augen glüh'n!
Und wie all' die Säbelnarben,
Ehrenröslein, purpurfarben,
Ihm auf Wang' und Stirne blüh'n!

Klirrend glänzt das Schwert in Funken,
Das sich oft im Blute wusch;
Auf dem Csako, freudetrunken,
Taumelt ihm der Federbusch. —
Aus der bunten Menge ragen
Einen Jüngling, stark und hoch,
Sieht der Werber mit Behagen:
"Wärest du ein Reiter doch!"
Ruft er aus mit licht'ren Augen;
"Solcher Wuchs und solche Kraft
Würden dem Husaren taugen;
Komm und trinke Brüderschaft!"
Und es schwingt der freudigrasche
Jenem zu die volle Flasche,
Doch der Jüngling hört es schweigend,
In die Schatten der Gedanken,
Die ihn bang und süß umranken,
Still sein schönes Antlitz neigend.
Ihn bewegt das edle Sehnen,
Wie der Ahn ein Held zu sein;
Doch berieseln warme Tränen
Seiner Wangen Rosenschein.
Außer denen, die da rauschen
In Musik, in Werberswort,

Scheint er Klängen noch zu lauschen,
Hergeweht aus fernem Ort.
"Komm zurück in meine Arme!"
Fleht sein Mütterlein so bang;
Und die Braut in ihrem Harme
Fleht: "O säume nimmer lang!"
Und er sieht das Hüttchen trauern,
Das ihn hegte mit den Seinen;
Hört davor die Linde schauern,
Und den Bach vorüberweinen. —
Pochst du lauter nach den Bahnen
Kühner Taten, junges Herz?
Oder zieht das süße Mahnen
Dich der Liebe heimatwärts?
Also steht er unentschlossen,
Während dort Geworb'ne schon
Zieh'n in's Feld auf flinken Rossen,
Lustig mit Drommetenton.
"Komm in uns're Reiterscharen!"
Fällt der Werber jubelnd ein! —
"Schönes Leben des Husaren!
Das ist Leben, das allein! —
Jünglings Augen flammen heller,
Seine Pulse jagen schneller.

Plötzlich zeigt sich mir im Kreise
Eine finstere Gestalt,
Tiefen Ernstes, schreitet leise,
Und beim Werber macht sie Halt.
Und sie flüstert ihm so dringend
Ein geheimes Wort in's Ohr,
Daß er, hoch den Säbel schwingend,
Wie begeistert loht empor.
Und der Dämon schwebt zur Bande,
Facht den Eifer der Musik
Mächtig an zum stärksten Brande
Mit Geraun' und Geisterblick.
Aus des Basses Sturmgewittern,
Mit unendlich süßem Sehnen,
Mit der Stimmen weichem Zittern,
Singen Geigen, Grabsirenen.
Und der Finst're schwebt enteilend
Durch der Lauscher dichte Reihe,
Nur am Jüngling noch verweilend,
Wie mit einem Blick der Weihe. —
Bald im ungestümen Werben
Wird der Liebe Klagelaut,
Wird das Bild der Heimat sterben!
Arme Mutter! arme Braut! —

In des Jünglings letztes Wanken
Bricht des Werbers rauhes Zanken,
Lacht des Werbers bitt'rer Hohn:
"Bist wohl auch kein Heldensohn!
Bist kein echter Ungarjunge!
Feiges Herz! so fahre hin!"
Seht, er stürzt mit raschem Sprunge —
Zorn und Scham der Wange Glüh'n —
Hin zum Werber, von der Rechten
Schallt der Handschlag in den Lüften,
Und er gürtet, kühn zum Fechten,
Schnell das Schwert sich um die Hüften.
Wie beim Sonnenuntergange
Hier und dort vom Saatgefild
Still waldeinwärts schleicht das Wild:
Also von der Ungarn Wange
Flüchtet in den Bart herab
Still die scheue Männerzähre.
Ahnen sie des Jünglings Ehre?
Ahnen sie sein frühes Grab?

Der Schifferknecht

Am Boden auf dem Rohrgeflecht,
Vom harten Glück verstoßen,
Da ruht der arme Schifferknecht
Mit seinen müden Rossen.

Er haust bei Tag und Nacht am Strand,
Der Herd- und Hüttenlose,
Und ihm gedeiht im Ufersand
Wohl keine Freudenrose.

Die Nacht ist kühl, es braust der Wind,
Still blickt der Mond hernieder;
Die Donau murmelt ihrem Kind
Gewohnte Schlummerlieder.

Sein Schlaf ist süß, er schlürft ihn ein
In starken, tiefen Zügen:
Berauschet ihn, ihr Fantasei'n,
Aus euren Zauberkrügen!

Laßt wandeln ihn am Wiesenhang
Im gold'nen Morgenscheine,
Und ihm ertöne Vogelsang
Im aufgeblühten Haine!

Gebt ihm ein Häuschen still und traut,
Umrankt von grünen Bäumen,
Und eine schöne junge Braut,
Gebt ihm in seinen Träumen!

Beim Hüttchen auf der Abendbank,
Da sitzen selig beide;
Heimkehrt mit frohem Glockenklang
Die Herde von der Weide.

Nun hört er nicht der Pferde Huf,
Und nicht die Geißel knallen,
Hört nicht der Schiffer langen Ruf
Im fernen Wald verhallen.

Er sieht nicht, wie vom Strand hinab
Den armen Kameraden
Samt seinem Roß in's Wellengrab
Fortreißt der arge Faden.*

*
Faden, das Hauptseil, an dem die Donauschiffe
gezogen werden.


Marie und Wilhelm

Im Abendschein am Fenster saß
Allein mit ihrem Harme
Marie, das Antlitz welk und blaß
Gesenkt auf ihre Arme.

So saß das Mädchen still und sann,
Sann nach den alten Zeiten,
Und manche heiße Träne rann
Den schönen alten Zeiten:

Als sie im trauten Hüttlein noch
Bei lieben Eltern wohnte,
Und süßer Gottesfriede noch
Der reinen Seele lohnte;

Als sie so fromm zur Kirche ging,
Und ihre Wange glühte,
Wenn jedes Aug' im Dorfe hing
An ihrer Jugendblüte;

Als sie am lauten Erlenbach
Dem Wilhelm, freudetrunken,
Das erste Wort der Liebe sprach,
Und ihm an's Herz gesunken;

Und er sie nannte "süße Braut! —
Das Alles ist vorüber!"
So dachte sie und schluchzte laut,
Ihr Herz ward immer trüber.

Es kam der Feind im Sturmeslauf
Mit grimmen Todesstreichen;
Das Hüttlein sank ein Aschenhauf,
Die Eltern — wunde Leichen.

Die Eltern tot! Er in der Welt!
Die Träne rann vergebens!
Ich in die Nacht hinausgestellt
Des unbekannten Lebens! —

Da glänzt' ein wilder Strahl daher
Im hoffnungslosen Dunkel,
Ein böses Irrlicht, lockend sehr
Mit lieblichem Gefunkel:

"Laß ab zu klagen, Kind, laß ab!
Komm, folge deinem Sterne!
Die Eltern kühlt und heilt das Grab,
Den Bräutigam die Ferne!

Bald sollst du als beglückte Frau
Genesen aller Leiden;
Komm, folge mir zur Liebesau
Voll ewig grüner Freuden!"

Ich wischte mit treuloser Hand
Die Tränen von der Wange,
Und ging — und ging — das Irrlicht schwand
Am furchtbar steilen Hange!

Nun ist mein Herz so grabesdumpf,
Verlassen wie die Wüste,
Seit in den bodenlosen Sumpf
Gesunken ich der Lüste! —

Marie blickt in die Nacht hinein
Aus ihrem stillen Zimmer;
Schon ist am Himmel Sternenschein
Und sanfter Mondenschimmer.

Im Garten ruft die Nachtigall,
Sie scheint in bangen Weisen
Zu klagen um des Mädchens Fall,
Die Unschuld süß zu preisen.

Und leise kommt der Abendwind,
Der ihren Locken schmeichelt,
Als wollt' er trösten, ihr gelind
Die bleiche Wange streichelt.

Geh fort, o West, vom Mädchen, geh!
Laß ruh'n den welken Flieder!
Du tust ihr mit den Blüten weh,
Die du auf sie streust nieder! — —

Da öffnet sich das Kämmerlein:
Es ruft ein Mann: "Maria!"
Die Freude stoßt ihn wild herein:
"O meine Braut Maria!

Ich habe nun mein Glück erjagt,
Mich durch die Welt getrieben;
Hab' viel gelitten, viel gewagt,
Und bin dir treu geblieben!

Wenn schier mein Herz vor Leide brach
An lieblos fremdem Orte,
So dacht' ich an den Erlenbach,
Ich dacht' an deine Worte!" —

Er preßt sie selig an das Herz;
Sie aber muß sich wenden,
Sie hüllt, zerknickt von ihrem Schmerz,
Das Antlitz mit den Händen.

Und leichenblaß und zitternd bricht
Sie hin zu seinen Füßen;
Er weint, er deckt ihr Angesicht
Mit feurig bangen Küssen.

"Mir nicht den Kuß! bin sein nicht wert;
Tief sank ich in's Verderben!
Bin treulos, Wilhelm, und entehrt!
Zieh' fort, und laß mich sterben!" —

Wie also sie zu Wilhelm sprach,
Da schied er, schwer beklommen,
Ging still hinaus zum Erlenbach,
Der ihn mit fortgenommen.

Begräbnis einer alten Bettlerin

Vier Männer dort, in schwarzem Kleid,
Die tragen auf der Bahre,
Lastträger, ohne Lust und Leid,
Des Todes kalte Ware.

Sie eilen mit dem toten Leib
Hinaus zum Ort der Ruhe.
Schlaf wohl, du armes Bettelweib,
In deiner morschen Truhe!

Dir folgt kein Mensch zum Glockenklang
Mit weinenden Gebärden;
Die Not nur blieb dir treu, solang
Von dir noch was auf Erden.

Dir gab der Menschen schnöder Geiz
Ein Leichentuch zerfetzet,
Hat ein verstümmelt Christuskreuz
Dir auf den Sarg gesetzet;

Doch kränkt dich nicht der bittre Spott
In deinem tiefen Frieden,
Daß man selbst einen schlechtern Gott
Dir auf den Weg beschieden.

Einst blühtest du im Jugendglanz,
Vom ganzen Dorf gepriesen
Die schönste Maid am Erntetanz,
Dort unten auf der Wiesen.

Folgt keiner dir der Bursche nach,
Die dort mit dir gesprungen?
Wohl längst die muntre Fiedel brach,
Die dort so hell geklungen!

Die Waldkapelle

                              1.

Der dunkle Wald umrauscht den Wiesengrund,
Gar düster liegt der graue Berg dahinter,
Das dürre Laub, der Windhauch gibt es kund,
Geschritten kommt allmählig schon der Winter.

Die Sonne ging, umhüllt von Wolken dicht,
Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen,
Und die Natur verstummt, im Dämmerlicht
Schwermütig ihrem Tode nachzusinnen.

Dort, wo die Eiche rauscht am Bergesfuß,
Wo bang vorüberklagt des Baches Welle,
Dort Winker, wie aus alter Zeit ein Gruß,
Die längst verlass'ne, stille Waldkapelle.

Wo sind sie, deren Lied aus deinem Schoß,
O Kirchlein, einst zu Gott emporgeflogen,
Vergessend all' ihr trübes Erdenlos? —
Wo sind sie? — ihrem Liede nachgezogen!

                              2.

Horch! plötzlich stört ein Ruf die Einsamkeit:
Klang's nicht aus der Kapelle öden Mauern?
Wer ist es, der so wunderlich dort schreit,
Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?!

"Herr Gott! wir loben dich — ha, ha, ha, ha!"
Nun schweigt er still, der grause Gottverächter,
Und donnernd ruft er nun: "Hallelujah!"
Und überdonnernd folgt sein Hohngelächter.

Da stürzt er sich vorbei voll scheuer Hast,
Das wirre Haar von bleicher Wange streifend,
Die Augen wild bewegt und ohne Rast,
Irrlichter, in der Nacht des Wahnsinns schweifend.

Er eilt waldein, von seinem Tritte rauscht
Das dürre Laub im dunkeln Eichenhaine:
Wie sinnend bleibt er plötzlich steh'n und lauscht,
Und leise hör' ich's nun, als ob er weine.

Mitleidig rauscht ihr ihm, — o rauschet nur! —
Den Trost: "Vergänglichkeit!" ihr welken Blatter!
O locket seine Seele auf die Spur
Des milden Todes, nennt ihm seinen Retter! —

Zur sanften Wehmut lichtet sich das Tal,
Dort kommt der Mond zum stillen Abschiedsfeste,
Es will sein Silberschimmer noch einmal
Sich schmiegen an des Sommers karge Reste.

Wie schwach ist schon der Eiche fahles Laub!
Den leichten Mondstrahl kann es nicht mehr tragen;
Es bricht und zittert unter ihm in Staub,
Und läßt die kahlen Äste traurig ragen. —

Da steht der Irre, bleich und stumm, den Blick,
Das bitt're Lächeln auf den Mond gerichtet;
Es prallt das Mondlicht scheu von ihm zurück,
Und scheu der Wind an ihm vorüberflüchtet.

Starrt so des Wahnsinns Auge wild hinauf
Zum stillen, klaren, ewiggleichen Frieden,
Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf:
Ein Anblick ist's der traurigsten hienieden. —

Was hat, o Schicksal, dieser Mensch getan,
Daß mit des Wahnsinns bangen Finsternissen
Du ihm verschüttet hast die Lebensbahn,
Aus seiner Seele seinen Gott gerissen?

                              3.

Er hat geliebt! — vor langer, trüber Zeit,
Da ging er einst, ein fröhlicher Geselle,
Mit seinem Lieb durch diese Einsamkeit,
Und kam mit ihr zur stillen Waldkapelle.

Sie traten ein, sie knieten hin; da glomm
Durch's Fenster hell herein die Abendröte,
Er betete mit ihr so selig fromm,
Und draußen sang des Hirten weiche Flöte.

Da hob die Hand sie schnell und feierlich,
Und sprach, so schien's, mit tiefbewegter Stimme:
"Lieb' ich nicht warm, und treu, und ewig dich,
So strafe mich der Herr mit seinem Grimme!"

Und höher glomm der helle Abendstrahl,
So wie sein Herz, sich ewig ihr zu weihen,
Und draußen klang im stillen Waldestal
Des Hirten Lied wie Himmelsmelodeien. —

Wie bald, wie bald, daß ihn ihr Herz vergißt!
Daß ihr ein And'rer schon des falschen Eides
Das letzte Wort von falscher Lippe küßt,
Sie mit dem Glanze schmückt des Brautgeschmeides!

Und all' ihr Leben, Freudentaumel nur,
Den noch kein flüchtig Leid ihr jemals störte,
Zieht, unverfolgt von ihrem falschen Schwur,
Und frech am Gott vorüber, der ihn hörte. —

Das war's, o Schicksal, was der Mensch getan,
Daß mit des Wahnsinns bangen Finsternissen
Du ihm verschüttet hast die Lebensbahn,
Aus seiner Seele seinen Gott gerissen!

D'rum flucht er nun empor mit wildem Spott,
Gequält von seinem Schmerz, an jener Stelle,
Wo er so selig einst gekniet vor Gott:
D'rum irrt er, wie gebannt, um die Kapelle.

Der Raubschütz
Nach einer Sage

Der alte Müller Jakob sitzt
Allein beim Glase Wein.
Schwarzmitternacht, nur manchmal blitzt
Ein Wetterstrahl herein.
Das Mühlrad saust, es braust der Wind;
Doch schlafen ruhig Weib und Kind.

Der Alte tut manch raschen Zug,
Er denkt an Zeit und Tod.
Wie draußen jagt des Sturmes Flug,
So jagen Lust und Not,
Die längst begrab'nen, neuerwacht,
Ihm durch die Brust in dieser Nacht.

Die Tür geht auf, er fährt empor:
Wer kommt zu solcher Stund?
Ein Waidmann mit dem Feuerrohr,
Mit seinem Stöberhund,
Hahnfeder, Gemsbart auf dem Hut,
Das grüne Wams befleckt mit Blut.

Der Müller starrt, zurückgebeugt,
Dem Jäger in's Gesicht,
Sein Haar entsetzt zu Berge fleugt,
Sein Blut zum Herzen kriecht:
Der Raubschütz ist's, der wilde Kurd,
Der jüngst im Wald erschossen wurd.

Der finst're Jäger an die Wand
Auf Jakobs Büchse winkt;
Der preßt sein Glas in zager Hand,
Daß es zu Scherben springt;
Gehorchend nimmt er sein Gewehr,
Und schleicht dem Grausen hinterher.

Sie streifen in den Wald hinaus,
Nach süßem Wildesraub;
Stets lauter wird der Winde Braus,
Der Pfade dürres Laub.
Der Jäger ruft voll heißer Gier:
"Komm, Bruder, jagen, jagen wir!"

Sie zieh'n fort, fort im finstern Wald
Durch Strupp und Strom gar frisch;
Das Wild schrickt auf, die Büchse knallt,
Der Stöbrer im Gebüsch
Rauscht mit arbeitendem Geruch,
Der Jäger ruft: such, Hundel such!

Doch an des Wald's geheimstem Ort,
Auf seinem liebsten Stand,
Wo jüngst die Kugel ihn durchbohrt
Aus meuchlerischer Hand,
Da bleibt er steh'n, und donnert: "schau
Hier schoß er mich wie eine Sau!"

Es ächzt der Wald im Sturm, verzagt,
Vom Monde jetzt erhellt;
Der kühn geword'ne Müller fragt:
Was ist's in jener Welt?
Da murmelt trüben Angesicht's
Der Jägersmann: "es ist halt nichts!"

Warnung im Traume

In üppig lauter Residenz
Verschmelzt mit reicher Habe
Ein Jüngling seinen Lebenslenz;
Die Eltern ruh'n im Grabe.

Die Mutter lag am Sterbepfühl
Mit matten Herzensschlägen,
Sie legte blaß und todeskühl
Die Hand' ihm auf zum Segen;

Und sie verschwendet noch im Schmerz
Der Kräfte letzten Glimmer,
Daß nun das Kind ihr treues Herz
Verlassen muß auf immer.

Der Mutterliebe ew'ge Macht
Hält sie dem Sohn vereinet,
Wie mildes Mondlicht in der Nacht
Des Wandrers Pfad bescheinet.

Umschwebt sie auch im Geisterflug
Still segnend den Bedrohten;
Gewaltig ist der Sinnenzug,
Und kraftlos sind die Toten.

Sie sah, wie's letzte Röslein sich
Von seiner Wange stehle,
Und wie die Unschuld ihm verblich,
Die Rose seiner Seele.

Sie sah den Sohn die Sinnengier
Stets fesselnder umgarnen;
Ein Trost nur war geblieben ihr:
In Träumen ihn zu warnen.

Nach einem wildverbrausten Tag,
Verbuhlet und vertrunken.
Der Jüngling auf dem Bette lag,
Dem Schlaf anheimgesunken.

Da träumt ihm, daß er Abends irrt
Durch volkbelebte Straßen,
Wo manche Dirne lockend kirrt
Zu lüsternem Umfassen.

Schon wandelt der Laternenmann
Von Pfahl zu Pfahl und zündet
Dem Laster seine Sterne an,
Das hier sich sucht und findet.

Der Jüngling sieht ein lockend Weib
An ihm vorübergleiten,
Um deren üppig schlanken Leib
Sich Licht und Dunkel streiten.

Das Licht ihm wenig nur erhellt,
Die Lust nach dem zu wecken,
Was ihm das Dunkel vorenthält
Mit reizend schlauem Necken.

Er will den Reizen sein zu Gast,
Sie laden ihn so dringend,
Er eilt ihr nach, der Schritte Hast
Je mehr und mehr beschwingend.

Doch wie er nach der Dirne setz',
Er kann sie nicht erreichen,
Er sieht die Dunk'le weiter stets,
Und lockender entweichen.

Sie gleichet einem Nebelbild
Mit leisem, fernem Winken;
Sein Blick dem Sonnstrahl heiß und wild,
Den Nebel aufzutrinken.

Schon haben sie im raschen Zug
Die wache Stadt verlassen,
Und schon durchkreuzt ihr schneller Flug
Der Vorstadt öde Straßen.

Nur hier und dort ein Licht noch brennt
Bei Toten oder Kranken,
Und fort und fort die Dirne rennt,
Er nach mit gier'gem Zanken:

"Was rennst du, Tolle, so geschwind?
Wo steht dein süßes Lager?"
Da pfeift um's Ohr ein kalter Wind
Dem ungestümen Frager.

"Halt' an, halt' an die tolle Flucht!
Ich will dich fürstlich zahlen!"
Also der Jüngling fleht und flucht,
Schwerkrank an Wollustqualen.

Nun ist kein Hans zu schauen mehr;
Mit argbetroff'nen Blicken
Sieht er nur Gräber rings umher,
Und ernste Kreuze nicken.

Da wend't sie sich im Mondenlicht:
Zu seiner Qualgenesung,
Mit grauzerschmolz'nem Angesicht
Umarmt ihn — die Verwesung. —

Doch fuhr er kaum vom Schlummer auf,
War auch der Traum verklungen;
Bald hat der wüste Lebenslauf
Ihn wiederum verschlungen.

Bald ward des Traumes kalte Braut
Am schweigenden Altare
Dem Jüngling wirklich angetraut,
An seiner Totenbahre.