zurück

weiter
zu den Sonettenkränzen
 

Gedichte 5
 

Räubertod
Indische Liebeserklärung
Stammbuch-Blätter
Zum Herrn
Natur
Fruchtloser Wunsch
Der wahnsinnige Dichter
Warum
Im Traume
Reisesehnsucht
Am Grabe Krufft's
Ganimed
Auf der Redoute
Im Hafen von Calais
Siwa und Kama
An den Maler Franz Hayez
Am Sarge der letzten Blondine

Nichts Neues unter der Sonne
Tulpenfrage
Liebesabschied
Wahn
Einer Hoffnungslosen
Im Lenze
Trost
Vor einem Kanarienkäfig

Geheiligt werde dein Name!
 

Räubertod


Flinke Reiter, rasche Schergen
Stöbern durch den Waldesgrund;
Zu den hohen, stillen Bergen
Flieht der Räuber todeswund.

Kugeln Pfeifen, Hörner schallen
Durch den aufgeschreckten Hain;
Der Verfolger Flüche hallen
Wie Gebell der Rüden d'rein.

Über Gräber, über Quellen,
Über Hecken, durch die Schlucht
Stürzt der Räuber — selbst Gazellen
Überholte seine Flucht.

Auf dem höchsten, steilsten Gipfel
Hält er, stürzt er todesmatt;
Von der morschen Eiche Wipfel
Fällt auf ihn ein welkes Blatt.


Tiefe Stille herrscht im Walde,
Und der Räuber blieb allein;
Seine Seufzer klagen: Balde
Wird es hier noch stiller sein.

Auf der kreideweißen Stirne
Stockt der Blutquell und versiegt —
Eine schneebedeckte Firne,
Drauf der Sonne Purpur liegt.

Rabenschwarze Locken schwanken
Um das starre Angesicht —
Sind's verkörperte Gedanken
An des Himmels Zorngericht?

Selbst das sonst so kühne Auge
Trotzt nicht länger dem Geschick;
Denn des Schmerzes Tränenlauge
Wusch den Mut aus seinem Blick.

Zu der Sonne blickt es traurig,
Die ihm nicht mehr leuchten will;
Von den Lippen tönt es schaurig:
"Vater unser!" — dann wird's still.

Unerreichbar dem Gewehre,
Hoch in Lüften schwebt ein Aar —
Gibt er dem die letzte Ehre,
Der im Leben ehrlos war?


Indische Liebeserklärung

Du kennst mich nicht? Sagt deines Herzens Beben
Nicht eidgewiß: "wir kennen uns schon lange?"
Wir waren Herzversippt durch sieben Leben,
Und sind es auf dem achten Wandergange.

Die Perle lag im Meer, das Gold im Schachte —
Da kam ein Taucher, kam ein Schmied gezogen;
Der Taucher war es, der die Perle brachte
Zum Ringe, den der Schmid aus Gold gebogen.

Einst fiel ein Blitz aus regenschwangern Lüften,
Und laublos war ein Palmenbaum zu schauen,
Und eine Rose gab's — auf ihren Düften
Zog palmenwärts ein neues Lenzvertrauen.

Auf einer Lilie träumte die Faläne,
Da flog ein Glühwurm durch die Nacht, die schwüle,
Und sank herab, wie eine goldne Träne
Zu schimmern auf dem Nachbarblumenpfühle.


An einem See im Tamarindenforste
Hielt einst ein Schwan — er kam, weiß Gott von wannen;
Da sang die Nachtigall im Rosenhorste,
Und nimmer zog der weiße Schwan von dannen.

Ein weißer Hirsch strich durch die öde Halde,
Als sei mit Phantasie sein Lauf beschlagen,
Und zärtlich flog aus nahem grünen Walde
Ihm nach die Hindin, wie vom Wind getragen.

Die Löwin jagte Nachts im Talreviere,
Und sank in Balsamstauden in die Falle;
Da kam der Leu, der stolze Scheikh der Tiere,
Und riß das Netz entzwei mit scharfer Kralle.

Hart an der Mündung sprang aus seinem Flusse
Der Nix ans Land, und schlief auf grüner Matte,
Und träumte von der Meerfei und dem Kusse,
Den sie zur Flutzeit ihm gegeben hatte.

Drum schönes Kind, was soll dein blödes Zittern,
Als sei dein Herz so schüchtern wie Mimosen?
Trotz Zeit und Raum, trotz Sturm und Ungewittern
Sind unverwelkt geblieben unsre Rosen.

Laß' unsre Herzen treu den alten Gluten
Das untrennbare Liebesbündnis schließen,
Bis sie wie Ströme, die ins Weltmeer fluten,
Sich einstens in das Urherz: Gott ergießen!


Stammbuch-Blätter

1.
Ein Bösewicht erkor — so spricht die Sage —
Ein Kruzifix zu seines Schusses Ziel;
Der Heiland neigte wie am Todestage
Das Haupt — und nur die Dornenkrone fiel.

Das Glück hat seine Rosen dir gewunden,
Und duftend schmücken sie dein schwarzes Haar;
Doch Rosen blühen nur durch kurze Stunden,
Und ach! das Glück ist falsch und wandelbar.

Drum wenn das Unheil droht mit seinem Pfeile,
So schirme Gott dein schönes, bleiches Haupt,
Daß jener Pfeil in seiner blinden Eile
Nur Dornen dir, doch keine Rosen raubt!


2.
Ich las bei einem wilden Sturme
Auf einer alten Sonnenuhr,
Auf einem moosbewachsenen Turme:
"Die heitern Stunden zähl' ich nur!"

So soll auch dich das Glück umschweben,
Dir bleibe ewig fremd der Schmerz;
Ein Tag des Lenzes sei dein Leben,
Und eine Sonnenuhr dein Herz!


Zum Herrn

Zerbricht der Tod die Scheidewand des Herrn,
Zerfällt der Leib, dies Staubgewand des Herrn,
Was weint ihr um den Toten, der aus Nacht
Stürmen zum Gestade fand des Herrn?
Drum werft euch nicht in schwarze Trauertracht,
Doch sorgsam nehmt den Leuchtturmbrand des Herrn,
Das helle Totenlicht am Sarg in Acht.
Bedenkt, der Friedhof ist der Strand des Herrn;
Zu diesem führt der Tod die Seelenfracht,
Und schifft sie aus am grünen Land des Herrn.
Dort halten fromme Engel treue Wacht,
Als wären sie der Zöllnerstand des Herrn,
Und fragen jeden, der die Fahrt gemacht:
Wo ist das anvertraute Pfand des Herrn?
Wohl dem der festen Glauben mitgebracht,
Den Paß geschrieben von der Hand des Herrn!


Natur

Hadert nicht, daß meine Blicke
Ewig sind von Tränen naß,
Daß ich weichend dem Geschicke,
Längst das Lied vom Glück vergaß.

An dem Grab der Liebe trauernd
Pfleg' ich treu ihr Kind, den Gram,
Der wie eine Wolke schauernd
Über meine Seele kam.

Alles folgt dem Trieb, dem innern —
Lustig schäumt der Wasserfall,
Doch ein schmerzliches Erinnern
Rauscht im Sang der Nachtigall.

Freundlich grünen Waldesräume,
Und kein Lenz ist blumenleer,
Aber bang wie schwere Träume
Ziehen Stürme übers Meer.

Duft ist Pflicht dem Rosenvolke;
Pflicht der Sonne, daß sie scheint
Und so ists Natur der Wolke,
Daß sie sich zu Tode weint.


Fruchtloser Wunsch

Der Himmel blaut — ein junges Angesicht,
Das nie verdüstert hat ein bittrer Kummer,
Die Falter schwärmen froh im Mondenlicht
Und stören Rosen kußgewandt im Schlummer.

Nur eine Wolke — ein verirrtes Kind —
Hält still und rastlos auf dem blauen Pfade,
Und frägt umsonst um ihren Freund, den Wind,
Ob er sie tragen will zum Meergestade.

Ein Wunsch, für den es nicht Erfüllung gibt —
Du weinst dich langsam tot, die Falter scherzen,
Wie oft ein bleicher Mensch, den niemand liebt,
Allmählig stirbt an Einsamkeit im Herzen!

Der wahnsinnige Dichter

Ich ward so arm durch Schmerz, daß selbst die Träne
Nicht langer mehr sein Dolmetsch wollte sein —
Unheimlich klang mein Lied, als lullten Schwäne
Sich bang zur Rast, die ewig dauert, ein.

Man hieß mich toll — wild drohten bleiche Schergen —
Ich sprang ins Meer lautschäumend, weit berifft,
Und fand das Glück, den wundervollen Fergen,
Der über Tränen rasch ins Lächeln schifft.

Nun bin ich Herr im größten Paschalike,
In dem die Sonne niemals untergeht;
Eunuchen lauschen zitternd meinem Blicke,
Und Palmenschwestern reichen mir Scherbet.

Wie lieg' ich jetzt so weich auf duft'gen Rosen —
Mein Ohr berauscht ein seltsam süßer Schall —
Dank Allah dir, du hast dem Harfenlosen
Ins Herz geschleudert eine Nachtigall.

Die Favorite naht — sie blickt so heiter,
Neigt rasch das Haupt — ein Wunder wirkt ihr Kuß —
Ich bin Jusuf auf seines Vaters Leiter —
Als Schatten hängt die Luft an ihrem Fuß.

Ich kenne dich, du warst mein erstes Lieben;
Komm, setze dich und trage Märchen vor.
Wo sind wir gestern Abends nur geblieben?
Dein Wort ist Silber, gern sein Dieb mein Ohr.

Was soll der Lärm? die Bajaderen gaukeln
Falänenlustig beim Patolaklang.
Nur nicht so rasch — wozu dies tolle Schaukeln?
Gebt Eis, gebt Wein —mir wird so schlimm, so bang.

Wie, seh' ich recht? Ihr tanzt nicht mit den Beinen?
An jedem Fuße hängt mein eignes Haupt,
Und tanzt und springt, und rast, fast sollt' ich meinen,
Daß es Gedanken auf den Rasen staubt!


Ein Neger naht mit raschem Schritt auf Stelzen,
Und trägt die grüne Seidenschnur herbei.
Was griff ich auch nach schwarzen Zobelpelzen,
Die nur der Sultan trägt, ich frecher Dei?

Er stürzt auf mich — ich zittre wie die Espe —
Nein Schwarzer zittre selbst — ich bin sehr stark!
Nun wird er klein — verschrumpft — und kriecht als Wespe
Mir tief ins Hirn — wie Feuer brennt das Mark.

Fort Leila, fort! die alten Schergen drohen,
Verauben dich mit starker Faust des Shawls —
Zum bunten Stricke drehen ihn die Rohen —
Er wird zur Schlange — Scheitan hilf! — mein Hals!


Warum

Aus dem grünen Moose
Zieht der Duft der Rose
Wie ein Liebesgruß,
Wie ein erster Kuß.

Auf der Tamarinde
Sanft gewiegt vom Winde
An dem Wasserfall
Schlägt die Nachtigall.

Im vergilbten Moose
Welkt die junge Rose —
Eine trübe Maid,
Maß durch Liebesleid.

Durch die schwülen Lüfte —
Der um ihre Düfte
Früher betteln ging —
Flieht der Schmetterling.

Auf der Tamarinde
Sanft gewiegt vom Winde
Nachtigall, warum
Gar so plötzlich stumm?


Im Traume

Ein grüner Anger — drauf ein Mandelbaum —
Die Sonne brennt — gewitterschwül die Luft —
Ein Blitz — entschlief die Nacht? war dies ihr Traum?
Der Donner rollt — drauf Stille einer Gruft.

Das Wetter floh — der Mandelbaum entlaubt —
Ein Freier schien der Blitz nach seiner Glut —
Und hat doch alle Blüten ihm geraubt —
O Jünglingsübermut — o heißes Blut!

Ein öder Anger — kahl der Mandelbaum —
Die Schwalbe flog — wie eisigkalt die Luft! —
Der Schnee, ein Bahrtuch, deckt den Waldesraum —
Die weite Erde — eine stille Gruft —

Der Frühling naht — der Mandelbaum erwacht —
Ein Totengräber schien der Schnee zu sein —
Und hat doch neue Blüten ihm gebracht —
O Männerachtung kalt, doch fest wie Stein.

Verstehst du Weib, den Träumer, sein Gedicht? —
In deinem Busen früher tiefes Weh —
Und jetzt — noch tränennaß — dein Angesicht? —
Du kennst den Blitz — bin ich vielleicht der Schnee?


Reisesehnsucht

Kühn die Perserharfe schlag' ich.
Und mich selbst belauschend frag' ich:
"Sind aus Morgenland dies Klänge?"
Doch mir selbst als Antwort sag' ich:
"Nie des Sprosser Glutgesänge
Lernen Spechte!" — da verzag' ich,
Und die fremde Wunderharfe
Fürder nicht zu schlagen wag' ich,
Fürchtend die Kritik, die scharfe:
Aber warm im Herzen trag' ich
Dich Hafis; die Zauberweise,
Die du sangst, nur hören mag ich;
Daß ins Perserland die Reise
Gar so weit sei, dies beklag' ich.

Am Grabe Krufft's

Ich stand an einer alten Kirchhofsmauer —
Auf fahle Wiesen, erntereife Saat
Fiel dicht des Wetters letzter Regenschauer
Wie Tränen über eine böse Tat.

Spätsommer war's. Verwelkte Blumen lagen
In ihren Beeten ohne Schmelz und Duft,
Die letzte Nachtigall zog sturmgetragen,
Ein scheuer Wandrer durch die schwüle Luft.

Ich starrte düster auf die öden Tale,
So wie mein eignes Herz, des Grünens satt;
Die Bäume weinten auf die Leichenmale
Als bleiche Zähren ihr vergilbtes Blatt.

Noch war es nächtig auf der Friedhofstätte,
Doch auf die Berge sank das Morgenrot,
Als ob sich dort der Lenz verblutet hätte,
Als ihm der Sommer rasche Flucht gebot.

Was aber duftet dort im grünen Moose,
Um eingesunknen alten Leichensteln?
Sprecht, warf der Frühling seine schönste Rose
Auf eines lieben Freundes Totenschrein.

Sprecht, hat er sie auf seiner Flucht vergessen?
Vergessen, rief der ferne Wiederhall;
Da wußt' ich klar, es sei das Grabmal dessen.
Der weiland hieß "die deutsche Nachtigall."

Ganimed

Ein Grieche ruht im Traum in stiller Nacht;
Vom duft'gen Rosenbaum in stiller Nacht
Singt bang die Nachtigall das Lied vom Schmerz,
Wie eine Waise kaum in stiller Nacht
Beweinen noch das tote Mutterherz.
Was sucht im Waldesraum in stiller Nacht
Der blitzversippte Aar, der Fürst der Luft?
Er trägt zum Wolkensaum in stiller Nacht
Den Jüngling, der erwacht um Hilfe ruft
Mut, Kinn bedeckt mit Flaum, in stiller Nacht!
Zum Halbgott wird der Erde blöder Sohn
Berauscht von Nektarschaum in stiller Nacht;
So trägt ein Dichterherz zu Gottes Thron
Begeistrung wie ein Traum in stiller Nacht!

Auf der Redoute

Maske, wunderliche Larve,
Blicke mir ins Angesicht —
Trüber noch, als meiner Harfe
Schall durch Mitternächte bricht,
Künden seine Faltenlettern,
Daß mein Frühling nimmer kehrt.
Wie der Hall von Sommerwettern
Einer Blume Welken ehrt,
Sage dir mit Donnerklange
Meiner Seele Jammerschrei,
Daß die Rose: Liebe lange
Ach! wie lang gestorben sei.
Glaube meinen trüben Zügen,
Und des Herzens Perlenschrift,
Will sie dir Empfindung lügen,
Meine Träne taufe Gift.
Wie das Upasgift auf Java
Sengt sie dir das grüne Herz —
Ein Vulkan wälzt heiße Lava,
Aber heißer weint der Schmerz!
Aus der tausendjähr'gen Schichte,
Grub der Mensch Pompeji auf;
Aber Weib, die Weltgeschichte

Seit der Sonne erstem Lauf,
Dürfte dir zu nennen haben
Keinen Tag, an dem ein Glück
Unter Tränen tief begraben
In die Seele kam zurück!
Drum mein Kind, für alles Leben
Lebewohl! Du zitterst nicht?
Willst dich nicht von dannen heben —
Maske weg vom Angesicht!
Prägte dir sein Malerzeichen
Drauf der Meister Kummer ein,
Darfst du mir die Hände reichen,
Meine letzte Liebe sein!
Zärtlich magst du mit mir kosen —
Deine Seele nehm' ich hin,
Eine Braut zwar nicht mit Rosen,
Doch bekränzt mit Rosmarin.
Uns wie Brüder zu vereinen,
Stürzen wir den Bechern zu,
Und im stärksten Wein — im Weinen
Trinken wir auf du und du!

Im Hafen von Calais

Die Nacht war schön, war still wie eine Mutter
Die ihres ersten Kindes Schlaf bewacht;
Geräuschlos flog durchs Meer der leichte Kutter,
Als sei verschämte Armut seine Fracht.

Ein Lotse stieß, zum Hafen uns zu leiten,
Vom sichern Strand, bald lagen wir im Port;
Da gab es auf dem Schiff ein Drängen, Streiten —
So lärmen Buben aus der Schule fort!

Mein Nachbar reichte sinnend mir die Hände,
Er dachte still "dem Himmel sei's geklagt!"
Wenn englisch dieses deutsche Blut verstände,
Ich hätte gern was Liebes ihm gesagt!

Ich dachte trüb wie er "so gerne brächte
Mein Herz dir seinen warmen Abschiedskuß!"
Da flog wie Wetterschein durch Mitternächte
Auf meinen Mund der schönste Scheidegruß.

Da rief ich "Byron" meine Tränen rannen
"Grillparzer" sprach der Brite feierlich.
Verschiedne Boote trugen uns von dannen.
Doch unsre Seelen, die verstanden sich!
Im Hafen von Calais.

Siwa und Kama
Indische Mythe

Betrachtend ruht am grünen Waldessaum
Der Herr der Welt auf taubenetztem Boden;
Der Balsamstrauch, der Tamarindenbaum,
Umfrieden ihn als grüne Laubpagoden.

Da naht der Liebesgott mit stolzem Blick:
Gegründet hab' ich meinen Thron auf Erden,
Der Himmel sei mein zweites Paschalik,
Sein Herrscher träumt — er soll mein Sklave werden.

Er spannt des Bogens Bienenflügelseil,
Und wie der Zitterblitz vom Wetterscheine
Fliegt rasch an Siwa's ew'ges Herz der Pfeil,
Und in die weißen Händchen schlägt der Kleine.

Da trifft ihn sengend des Allmächt'gen Blick,
In Flammen steht das Kind, das waglich rasche,
Und durch die Welt — sein erstes Paschalik —
Verweht wie Blumenduft der West die Asche.

Und wo sie sinkt, durch alle Wälder geht,
Durch alle Anger hallt ein trübes Klagen
Wie Seufzer durch des Nutzers Nachtgebet —
Da spricht der Ew'ge sanft: Was soll dein Zagen?

Um deine Schönheit, Kama, weine nicht —
Ungreifbar ist aus Nachtigallenkehlen
Der süße Klang, des Mondes keusches Licht —
Was willst du mehr, du Klang, du Licht der Seelen!

An den Maler Franz Hayez

"Wie Paris tödlich haß' ich dich, Achilles,"
Sprach zornerfüllt am Granikus Iskender,
"Homer ist tot, der blinde Lorbeerspender,
Und seine Harfe birgt ein Grab, ein stilles.

Was ich vollbracht, in Verse bringen will es
Mein Hofpoet der feile Lobverschwender,
Gedankenräuber, freche Bildentwender;
Doch bleibt sein Sang ein Rabenlied, ein schrilles."

O wärst du jetzt am Leben, starker König,
Du klagtest nicht, daß ungefeiert starben
Seit Trojas Fall die kühnsten Kapitani!

Zwar hallt kein Lied aus Hellas wundertönig,
Doch schrieb ein Künstler griechisch klar mit Farben
Die neue schöne Ilias: Pisani.

Am Sarge der letzten Blondine

Nie blickt das letzte blaue Auge wieder —
Dies Veilchen, drin ein ganzer Himmel Raum
Gefunden hätte, decken blaße Lider,
So wie die Sonne schlingt der Wogenschaum.

Das blonde Haar — sprecht, warf ein erstes Lieben
Auf diesen Scheitel all sein goldnes Glück?
Sagt, ist der Erde sonst kein Schacht geblieben,
Und nahm sie deshalb dieses Gold zurück?

Der zarte Busen weich, schneeüberzogen —
Nie hatte Keuschheit einen schönern Pfühl —
Nun liegt er flach, nie fürder macht ihn wogen
Die Ebbe Schüchternheit, die Flut Gefühl!

Verweinte Mädchen knien an der Bahre,
Bis auf dies Weinen lautlos wie der Tod;
Um ihre Stirnen flattern schwarze Haare,
Von ihren Wangen strahlt's wie Morgenrot.

Sie war zu schön — dies könnt ihr nicht verschmerzen,
Drum schminkt so rot das Antlitz euch die Scham;
Doch weil ihr sie geliebt im tiefsten Herzen,
So färbt so schwarz die Locken euch der Gram.

Die Lilie stirbt, umrankt von hundert Rosen,
Drauf fällt der Tau wie Tränen bleich und schwer,
Als schluchzten leis die Nebenbuhlerlosen:
Noch mancher Lenz, doch keine Lilie mehr!

Nichts Neues unter der Sonne


Nichts Neues unter der Sonne,
So sprechen die Weisen am Belt,
So fabeln die Dichter im Süden —
O Lüge alt wie die Welt!

Ich sah im Herbste ein bleiches,
Verwelkendes Lilienbeet;
Zwar wurde keines der Blätter
Vom Sturme aus Norden verweht —

Doch floß aus den zitternden Kelchen
In Strömen das warme Blut;
Beim blutigen Tode der Lilien,
Wie ward mir so seltsam zu Mut!

Urplötzlich flog aus dem Beete
Ein Adler schnell wie der Blitz;
Die höchste Alpe im Süden,
Sie wurde sein Königsitz.

Drauf zog er über die Meere,
Als sei die See ein Forst.
Am Nile dienten ihm willig
Die Pyramiden als Horst.

Am Abend zog nach Norden
Mit stolzem Fluge der Aar:
Doch ach! im Brand einer Weltstadt
Erstarrte sein Flügelpaar.

Daß Lilien wie Menschen verbluten,
Wie kommt es natürlich mir vor,
Bewein' ich den blitzschnellen Adler,
Der mitten in Flammen erfror!

Nichts Neues unter der Sonne,
So sprechen die Weisen am Belt,
So fabeln die Dichter im Süden —
O Lüge alt wie die Welt!

Tulpenfrage

In grauer Zeit verhauchten Tulpenkelche
Den süßen Duft, der Rosen eigen ist;
Doch eine böse Fee — gleichgültig welche —
Gewann die Rosenschwesterschaft durch List.

Ihr Zauber stahl der Tulpe Nachts die Düfte,
Und als es kund ward, daß sie duftlos sei,
Zog selbst der schöne Don Juan der Lüfte,
Der Falter ohne Kuß an ihr vorbei.

Ein stolzes Weib, zwar schön und stuartreizend,
Doch ohne Geist und Herz, wer liebt es lang?
So sprach ich höhnisch, nie mit Bildern geizend,
Auf einem mitternächt'gen Wandergang.

Viel lieber sterben als dies Leichenleben,
Was ist ein Blumendasein ohne Duft?
Da fühlt' ich plötzlich tief mein Herz erbeben,
Als stünd' ich an des eignen Glückes Gruft —

Als früge jede Tulpe mich, den Blassen:
Ich weiß mein Duft: der Sang der Blumen schied,
Doch wirst du Mensch, das schöne Leben hassen,
Wenn du gesungen hast dein letztes Lied.

Liebesabschied

Der Herbstwind zieht gleich Worten tiefer Reue
Um ein verscherztes Glück durch Wald und Flur,
Vielleicht als Seufzer um gebrochne Treue —
Brach doch der Lenz der Erde seinen Schwur!

Der Nebel lagert dicht im öden Tale,
Wie eine Witwe sich in Trauer hüllt;
Die Sonne mahnt mit ihrem feuchten Strahle
An Blicke, welche Gram mit Tränen füllt.

Nur wenig Vögel scheuen angstbeklommen
Die Fahrt, die längst die Mehrzahl unternahm,
Wie nur die guten Kinder trösten kommen,
Wenn Schmerz und Leid ins Herz der Mutter kam.

Die Anger blumenleer — kein Laub am Baume —
Was will die Rose dort im fahlen Moos?
Sie warf gewiß der Lenz vom Alpensaume,
Und riß sich dann mit leichterm Herzen los.

Ist's doch, als müßten sich zwei Menschen meiden —
Der Jüngling wandert ohne Liebe fort,
Und flüstert doch, eh' sie für ewig scheiden
Aus Mitleid noch das letzte süße Wort.

Die arme Erde möchte fröhlich scheinen,
Doch ist's umsonst, daß sie nach Fassung ringt;
Denn ihre Augen, ihre Quellen weinen
Das trübe Lied, das ein Verlaßner singt.

Wahn

Müde lagern die Kabylenhorden
In der Wüste an des Atlassaum.
Sprecht, ist hier ein Meer zum Bettler worden
Durch den Glühwind, unbekannt im Norden,
Der statt Silber stiehlt den Wogenschaum?

Hart an einer halb verdorrten Palme
Schlägt das Wandervolk das weiße Zelt,
Und erzählt bei blauem Pfeifenqualme
Wie zu Memphis einst die kluge Alme
Sagen aus der toten Märchenwelt.

Abend wird's, die Sonne ging zur Rüste,
Und die Sterne funkeln wunderbar;
Biledulgerid, nach deiner Küste
Eilt in rascher Flucht das Schiff der Wüste,
Zieht in schnellem Trab das Dromedar.

Eine Dirne schlank wie eine Zeder,
Sonnenäugig gießt die Wasserflut,
Auf die Palme aus dem Schlauch von Leder;
Brummend schilt ihr weiches Herz der Rheder,
Der bereits am Bord, im Sattel ruht.

Staunend streckt der Baum des Nachts die Zweige,
Wie ein Fehmling stumm die Hände ringt,
Und die Arme bang am Trennungssteige,
Drauf sein Glück für immer geht zur Neige,
Um den Nacken der Geliebten schlingt.

Palme, fruchtlos ein gefangner Frommer,
Pochst du auf dein Mairecht glaubensstark,
Spielst umsonst den frohen Haftentkommer —
Ach! am Morgen bohrt der ew'ge Sommer
Dir wie sonst den Sonnenspeer ins Mark.

Und so gleichst du einem Liebeskranken,
Den unrettbar nennt der Arzt Verstand,
Und doch Tränen, die aus Mitleid sanken,
In der Überzeugung machen schwanken,
Daß er keine Gegenliebe fand!

Einer Hoffnungslosen

Du bist gewiß sehr elend, bist sehr krank,
Doch spricht dein blaß Gesicht zu viel von Tagen,
Wo Schnee auf seine jungen Rosen sank —
Du bist ein Mensch, — und Menschen müssen tragen.

In Tränen schwimmt dein Blick in stiller Nacht,
Wie Sterne durch des Herbstes Nebel scheinen
Halb überdrüssig ihrer langen Wacht —
Du hast ein Auge — Augen müssen weinen.

Du schickst die bittre Frage himmelwärts,
Warum dein Lenz so grausam ward zertreten?
Dein ew'ger Vater sandte diesen Schmerz —
Du bist sein Kind — und Kinder müssen beten!

Doch hoffnungslos, das bist du, Ärmste, nicht —
Wer blöd im Schmerz unmöglich nennt die Wonne,
Der müßte sagen, fällt der Regen dicht:
An Wettertagen gibt es keine Sonne!

So lang das Herz in deinem Busen schlägt,
Ist schnöde Lüge dieses Gottbefohlen
An alles Glück, das unsre Erde trägt —
Denn Hoffen ist des Herzens Atemholen!

Im Lenze
An Alexander Julius Schindler

Der Lenz ist da, und Silberquellen springen,
Und stürzen schäumend in die Felsenkluft,
Dem fernen Meer den süßen Trost zu bringen:
Der Lenz ist da, und Wärme, Licht und Duft!

Der Lenz ist da, und muntre Kinder jagen
Durch Feld und Wald lufttrunken, jugendkühn,
Und alte Menschen küssen sich und sagen:
Der Lenz ist da, und Tal und Herz wird grün!

Auch du vermagst nicht länger einzupferchen
In deine Brust zum Frühlingslied den Drang;
Du schwärmst, du singst, als hätten tausend Lerchen
Dir erblich hinterlassen Ton und Klang.

Ich blicke sinnend auf den heitern Bruder,
Den frohen Sänger mürrisch wie ein Greis,
Der plätschern hört im Geiste Charon's Ruder,
Und Sonnenstrahlen hält für goldnes Eis.

Erwärmt sich doch das Herz nicht mehr im Busen,
Ein toter Hekla ward es kalt und hart —
Kassandralieder singen dumpf die Musen —
Es sieht die Zukunft in der Gegenwart.

Schon lauscht der Sommer in der Wetterwolke
Wie ein Bandit, der sicher morden will;
Bald wird die Kunde laut im Blumenvolke,
Gefallen sei der Frühling, sein Achill!

Verstehst du jetzt den alten Thetiskummer,
Der wie ein Traum durch meine Seele stieht;
Obgleich erwacht aus seinem langen Schlummer
Der Blumenkönig durch die Tale zieht?

"Vorüber sind die kaiserlosen Tage,"
So jubelst du, und bietest Oden feil;
Ich aber rüste mich zur Trauerklage:
Ach! Paris: Sommer tödlich traf dein Pfeil!

Trost


Der Abend kam, die Sonne ging zur Rüste! —
Wie trauervoll ihr Strahl das Meer bescheint!
Hat sich der Himmel in der Wasserwüste
Um ihren Tod das Auge rot geweint?

Am Strande rauschen dumpf die Lorbeerbäume,
Und welke Blätter zittern durch die Luft
Wie schöne, aber unerfüllte Träume
Von Ruhm und Glück an eines Jünglings Gruft.

Und schwärzer wird die Nacht. Die Sterne haben
Als böse Zahler ihr erborgtes Licht,
Dies Glanzgeschenk im Regenstrom vergraben,
Der aus des Himmels offnen Schleusen bricht.

Die Wolken drangen sich vom Sturm getrieben,
Und beben durch die Nacht in blinder Flucht;
Denn Scheelsucht lernt erst dann das Große lieben,
Wenn es an seinem — Grabe Hilfe sucht.

Mit diesem Bilde tröstet euch, Verkannte:
Das längste Menschenleben ist nicht lang,
Und jede Sonne, die im Herzen brannte,
Beweint die Welt — nach Sonnenuntergang!

Vor einem Kanarienkäfig

Sprich, kennst du deiner Sippschaft Bahn,
Ihr Schicksal wachsgelber Vogel,
Und wie sie verhandelt deinen Ahn,
Den Herrn im palmigen Kogel?

Die Heimat, wo ewige Mailuft weht,
Das schöne kanarische Eiland,
Wo Nachts der Lenz zwar schlummern geht,
Doch Morgens ersteht als Heiland. —

Wo tausend Quellen, die von fern
Wie Silber glänzten potosisch,
Und brauner Datteln Frucht und Kern
Euch labten süß und ambrosisch —

Doch wenn euer Fittig im Äther schwamm,
Was galt euch da Nektar und Düfte;
Stolz klang es: Wir sind von urfürstlichem Stamm,
Wir duzen den König der Lüfte!

Da kamen Matrosen aus Portugal
Und fingen euch listig in Paaren;
Da wurden zur Stunde als man euch stahl,
Des Adlers Blutsfreunde zu Waren.

Die Knechtschaft ging über von Vater auf Sohn,
Zwar Anfangs wurde getrauert;
Dann gabt ihr um Futter den Silberton,
Ihr habt euch im Bauer verbauert!

Vom blauen südlichen Himmel entfernt,
Im Kerker durch manches Jahrhundert —
Und habt ihr darüber das Fliegen verlernt,
Wahnsinnig, wer deshalb sich wundert.

Ich aber gebe dich Vogel frei,
Du Sprosse erlauchten Geschlechtes,
Nun singe süß wie die Lorelei
Ein Lied deiner Väter, ein echtes!

Du flatterst heraus, wo bleibt das Lied,
Mein Auge scheint mich zu trügen, —
Bist Sklave gewesen ins hunderste Glied,
Und dennoch kannst du noch — fliegen!

Da jauchz' ich zornfroh, wie der Kolk
Durch Murren sich Luft macht im Meere.
Da seh ich im Geiste ein uraltes Volk,
Besiegt durch die römischen Speere —

Wie Spreu nach allen Winden geführt,
Ein Urwald zerstoben in Ranken —
Zweitausend Jahre lag es geschnürt
Doch hat es noch einen — Gedanken!
 
Geheiligt werde dein Name!

Der Blitz, der gaukelnde Irrwisch am nächtigen pfadlosen Himmel,
Der den Donner verlockt, den laut auffluchenden Wandersmann,
Dieser Blitz, des Sommers verarmende, fürstliche Lichtverschwendung —
Die Sterne, die freundlichen silbernen Träume der dunklen Nacht.
Und die Sonne der Stolz des schönen, meerentstiegenen Tages,
Ihn blendend, daß er verachtet sein schwarzes, tauweinendes Weib —
Der unsichtbare Schakal, der wogengewiegte, flüchtige Seesturm,
Verfolgend die Wolke, das weiße, schnaubende, zitternde Reh —
Ja selbst die Alpe, die eisumstarrte, verkörperte Hoffart,
Die keine andere Größe erkennt als sich ganz allein —
Die Flüsse, die Hände, die Völker aus fernen Landen sich reichen,
Sanft zu wiegen den Handel, diesen neuen Findling am Nil —
Der Regen, die Muttermilch aus des Himmels bornvollem Busen,
Zu erquicken die Erde, das arme, halbverschmachtete Kind —
Die Düfte der Blumen, die wortlosen, doch schönsten Gedichte
Und das Nachtigalllied, dieser klingende Rosenduft —
Die Menschenherzen, die rätselhaft wogenden roten Meere
Mit der Flut der Liebe, mit der traurigen Ebbe Menschenhaß —
Und ihre Tränen, dies letzte Almosen des höhnenden Unheils,
Eine Gabe des Urias, ihm selbst am Ende ein tödliches Gift —
Der Gedanken, die göttliche Unterschrift am fertigen Menschen
Zum Zeichen, der Herr selbst schrieb dies episch-tragische Lied:
Sie strahlen und brausen, duften und weinen, beten und preisen?
Wie ein Kind seines Vaters gewaltigen, wiegendem Arm:
Geheiligt, geheiligt werde dein Name!