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Magyarische Gedichte
 

Schwänke

Der Wiener Meerfahrt   Von zween Hasen   Der Bauer in der Martins-Nacht
 

Die Erklärungen und Einführungen in die Gedichte sind vom Hrsg.

Der Wiener Meerfahrt

Dies Gedicht gehört unter die Vorzüglichsten der hier überarbeiteten.
Lebendigkeit der Darstellung, reiche Erfindung und launiger Vortrag zeichnen es auf gleiche Weise aus.

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Es hat mir ein wahrhafter Mund
Gemacht einst eine Rede kund,
Die mag wohl heißen wunderlich,
Doch ist sie wahr. So hat berichtet mich
Von Theben Burggraf Herrmann,
Und ich sag' es euch wieder an;
Wer hören will, der höre;

So aber ist die Märe.
Wien heiß't 'ne Stadt in Österreich,
Dort lebet man gar wonnereich,
Wer Silber viel, und Gold viel hat,
Der findet mancher Hände Rat.*

*Es steht ihm die Arbeit vieler Hände zu Gebot.

Wien das ist Lobes wert
Man findet dorten Roß und Pferd,
Und großer Kurze-Weile viel
Durch Sagen, Singen, Saitenspiel.
Auch findet man zu Wien genug
Hübschheit und Ungefug; (Mutwille)
Den Hausen, und den süßen Wein,
Und manch ein schönes Jungfräulein,
Viel wonniglichen Mutes,
Und reich alles Gutes.
Dies alles kann zu Wien man sehen.

In dieser Stadt ist nun geschehen
Die seltsame Mär.
Es saßen viel reiche Burger
Bei einem Weine, der war gut.
Der vieltraurigen Mut
Zu Freuden konnt erwecken gar.
Sie ließen holen dar
In höflichen Weisen
Viel wohlgemachte Speisen,
Gewürze und auch Safran,
Deren jedes wohl geben kann
Dem starken Weine süßen Schmack.
Sie tranken fast den ganzen Tag,
Und hatten Kurze-Weil genug,
Die Speise man für sie trug.
Da war gestreuet grünes Gras,
Beide, Becher und Glas,
Ward da selten leer,
Wie groß das Glas auch wär,
Sie tranken alle zu der Stund
Das tiefe Glas bis an den Grund.
Und als der Abend nahte her,
Da tranken stärker sie, als eh';
Sie ließen Wein noch holen mehr,
Das tat dem Wirte gar nicht weh'.

Das war ein frohes Leben!
Der wollte zur Wette geben, (er bot eine Wette an)
Der andere gelobte mit der Hand
Dem Freunde Silber und Gewand;
Der klagte seine Sünde;
Der, wie der Weinberg stünde
Und immer tranken sie noch mehr;
Der eine sagte von dem Meer,
Der andere von der Preußenfahrt,
Und der von Otto mit dem Bart,
Und tranken immer wieder,
Daß selbst die Starken nieder
Sanken auf ihre Bänke.

Als dies geschah, ein Burger sprach:
"Hört, was ich jetzt bedenke,
Gebt alle acht, ich sag
Was uns das Beste möchte sein."
Sie riefen alle: "bringe Wein
So losen wir der Mähr."
Da sprach der reiche Burger:
"Ich sag euch, was mich dünket gut.
O! kehrt nach meinem Rat den Mut,
Reich sind wir, können, was wir wollen;
Dafür wir Gott wohl danken sollen;
Wir sollen über's Meer fahren;
Ich will dafür nicht sparen,
Nicht meinen Leib, und nicht mein Gut.
Sein Nachbar sprach: "Ich hab' denselben Mut."
Und die Kumpanen all mit alle,
Sie riefen da mit lautem Schalle:
"Wir wollen alle fahren
Mit gar kräftigen Scharen,
Und wollen befreien Gottes Gut."
Des starken Weines reiche Flut
Half ihnen viel zu dieser Fahrt,
Und so beschlossen sie die Meerfahrt,
Es riefen alle, gegen Alger zieh'n
Wir, wenn die Zeit nah't, hin.

Der Wein macht sie vermessen,
Es ward da nicht vergessen
Was man mithaben sollte
Vom Silber und vom Golde.
Der Speisen und des Weines viel
Die schafften sie gleich in den Kiel,
Latwerge bracht' der eine her,
Der gab Muskat, und Galgan der,
Zibeben dieser, jener Nelken fein,
Dabei tranken sie stets Wein,
Einmal gewärmet, wieder kalt.
Die Jungen wurden alt,
Die Alten wurden jung,
Der Wein gab ihnen solchen Schwung.

Und die Kumpanen alle
Mit lautem Schalle
Die Meerfahrt lobten,
Sie sangen und sie tobten,
Der Wein hat den Sinn ihnen also verkehrt,
Daß wohl jeder von ihnen schwört,
Sie wären schon halben Weg gefahren,
Da hießen sie den Kiel bewahren,
Daß ihm das Wasser schade nicht,
Auch ward das Segel aufgericht,
In Gottes Namen fahren wir,
Der and're sprach: Mein Freund, ich lasse dir
Beides, mein Kind, und Weib,
Schwör' mir's auf deinen Leib,
Daß ihrer du mit Treue pfleg'st,
Und nimmer dich beweg'st
Vom Weg', den ein Freund wandeln soll.
Das gefiel allen wohl,
Sie waren Weines übervoll.

So fuhren sie mit Freuden hin,
Ohn' weisen Sinn
Sie waren, wie ein Kind;
Sie baten Gott um guten Wind.
Mich dünket in dem Sinne mein,
Sie hatten guten Wind genug.
So ging es fort bis Mitternacht,
Der eine bat, der andre schrie mit Macht,
Daß noch der Schreiber brächte Wein.
Als man den Wein für sie trug,
Geschwinde sie ihn tranken;
Da begannen die Köpfe zu wanken,
Der Eine lag und schlief,
Der andre schalt und rief,
Der dritte strauchelte und fiel,
Der vierte sprach, es ist der Kiel,
Der also wankend geht;
Weh! ein Sturm-Wetter uns besteht,
Rief aus der Fünfte alsogleich,
Den Sechsten macht die Sorge bleich,
Der segnet sich geschwinde
Vor dem gewalt'gen Winde,
Der Wein, der war ihm ungemach;
Der eine jämmerlichen sprach:
"Mir tut das Haupt sehr weh';
Was Gott will, das ergeh'.
Es will ein Sturmwetter kommen,
Das wird uns allen wenig frommen."
Der eine klagt den Leib,
Der seine Kinder, der das Weib,
Der seine Seele, der das Gut.

Gebrochen war ihr Übermut.
Der eine zu dem andern sprach,
Daß die Fahrt je geschah', ach,
Das sei Gott geklagt!
Der Wind den Kiel zu sehr jagt,
Wie wird es uns ergehen,
Keine Sterne sind zu sehen.
So ging es fort bis an den Morgen,
Sie waren noch voll Sorgen,
Den sie kamen noch nicht an's Land,
Der Wein behielt die Oberhand.
Sie riefen alle sehr;
"Hilf, lieber Herr!
Sonst müssen wir verderben gar."
Indessen ward einer gewahr,
Wie daß ein reicher Burger dort
War von seinem Tafel Ort
Unter die Bank gefallen.
Er sprach zu allen:
"Gefährten! nun gehabt euch wohl,
Männlich Gott danken soll, (jedermann danken soll)
Daß er uns jetzt geholfen hat,
Gleich soll uns werden guter Rat
Ge'n diese große Wassernot.
Ein Pilgrim seht, litt hier den Tod;
Der ist gewesen Schuld,
Daß das Meer seine Ungeduld
An uns erzeiget hier.*
Ihr Herren folget alle mir,
Nehm't diesen toten Mann,
Der uns wohl nicht mehr helfen kann;
Und werft ihn in das Meer,
So schweigt das Sturmwetter ohn schwer."

*
Nach dem Aberglauben, das Meer tobt, wenn jemand im Schiffe stirbt,
und kommt zur Ruhe, wenn die Leiche über Bord geworfen wird.


Allen gefiel der Rat,
Sie gingen g'rad,
Auf den Burger mit Grimme,
Und trugen Ihn mit lauter Stimme
Zu einem Fenster.
Da rief voll Angst der Burger:
"O! lasset eure Rache;
Ihr seh't ja, daß ich wache,
Und bin gesund, wie euer ein."
Sie sprachen alle: "Nein!
Ihr seid feige gewesen,
Ihr könnt nimmer genesen,
Das ist uns allen wohl bekannt."
Sie trugen ihn zehand (sogleich)
Und warfen ihn hinfür (hinaus)
Vom Fenster für die Tür,
Weit auf der Straße Mitte,
Auf Stock und Stein
Trotz Sträuben, und trotz Bitte.
Sein Schmerz der war nicht klein;
Er schrie, nicht achteten sein;
Mit Freuden kehrten sie dann wieder
Und setzten sich auf die Bänke nieder.

Sie sprachen: "Uns ist großes Heil geschehen,
Daß wir den Mann gesehen,
Der so feig ist gewesen;
Wir konnten nimmer genesen,
Wär' der Mann hiergeblieben;
Gott hatt' ihn selbst vertrieben,
Und aus dem Kiel gesandt
Mit seiner göttlichen Hand,
Das Wasser ging uns an den Bord."
So sprachen sie manch tolles Wort.
Nun schrie der Burger sehr,
Welch ein Leid ihm geschehen wär';
Er schreit so laut ob seinen Fall,
Daß durch die Gasse drang sein Schall.
Die Heergesellen waren froh;
Laut jubelten sie so,
Daß sie sein Schreien überhörten.
Es sprachen die Betörten:
"Wohl uns, daß wir ge'n Alger sind gefahren,
Es wird uns Gott bewahren dafür an Seele, Gut und Leibe;
Er schützt auch unsre Weibe.
Uns ist's zu großen Frommen,
Daß wir sind an das Land gekommen.

Sie wußten nicht die Mähr
Die dummen Wiener,
Daß sie zu Wien waren,
Wo sie von Kindesjahren
Alle waren erzogen,
Der Wein hatt' sie betrogen.
Des Morgens frühe kamen
Die Nachbarn, die den Schall vernahmen,
Und sprachen zu den Trinkern so:
"Ihr seid unmaßen froh (übermäßig)
Gewesen diese Nacht,
Habt lang genug gewacht,
Und großen Schall getrieben.
Ist kein Wein mehr übergeblieben?
Baumhoch steht schon die Sonne."
Die Trinker sprachen drauf mit Wonne:
"Ihr könnt uns gönnen noch weit mehr,
Wir sind heut Nacht gefahren übers Meer;
Wir hatten Anfangs überguten Wind,
Nicht lang nachher erhub geschwind
Sich ein Sturmwetter also groß,
Daß uns das wilde Meer floß
Gewaltig in den Kiel.
Da hatten wir der Sorge viel!
Wir wähnten alle, schon fürwahr,
Daß wir müßten ertrinken gar.
Da sah'n wir einen Bürger, der war tot,
Den warfen wir in unsrer Not
Hinunter in das Meer,
Und dann tobte der Sturm nicht mehr."

Als sie so sprachen,
Begannen wohl die andern lachen;
Allein zu schrei'n begann der Burger,
So war geworfen in das Meer.
Da lief zu ihm hinab die ganze Schar,
Und sah', daß es ein reicher Burger war.
Da sprachen sie: "Das war ein schlechter Scherz,
Der Mann da leidet großen Schmerz."
Nun erhob sich ein großer Haß
Von seiner Freunde Schar, die da was,
Und ein Zu-dringen,
Und ein Schwertklingen,
Und gar ein böser Sturmwind.
Allein, die Klügsten geschwind
Dazwischen traten,
Sie fleh'ten und sie baten,
Und es geschah ihr Wille.
Die Streiter schwiegen stille,
Die Trinker führte man zu Bette.

Wenn ich die Muße hätte,
Sagt' ich euch Wunder genug,
Wie man die Burger zu Hause trug.
Sie lagen
Und pflagen
Der Ruh', bis an den dritten Tag,
Bis der Sturmwind erlag
Und des süßen Weines Kraft,
Davon sie waren behaft.
Gegen den Morgen
Standen sie auf mit Sorgen;
Zuerst ward ihnen gesagt,
Daß der Burger sie verklagt.
Da hub sich Kriemhildens Not;*
Sie schämten sich alle und waren rot.
Daß sie hätten getan
Den Schaden an den guten Mann.

*Kriemhildens Not, bezeichnet eine große Verlegenheit.

Zuletzt es dazu kam,
Daß man Besserung nahm; (Schmerzensgeld)
Sie gaben zu der Stund
Demselben Mann zweihundert Pfund
Zur Sühne für den großen Schaden sein.
Sauer ward ihnen da der süße Wein,
Als sie das Silber wägten dar,
Damit wären sie führwahr
Mit Ehren über's Meer gefahren.

Wer nicht den Wein kann sparen,
Und will ihn trinken über Nacht,
Wird leicht des Weines Knecht,
Und nicht des Weines Herr.
Wer trinken will zu sehr,
Der kränket seine Ehr'.
Die Mähr ist aus an dieser Stund,
Die euch gemacht der Wiener Meerfahrt kund.

Von zween Hasen
von Friolsheimer.

Dies Gedicht ist ein merkwürdiger Beleg zu den Scherzen des Mittelalters.

Ein Ritter eines Tages ritt,
Zur Kurzweil nach der Ritter Sitt';
Durch seine Kunst es erging
Daß er zwei Hasen fing.
Sein Glück er daran spürte,
Die Hasen er beide heim führte;
Er hieß sie ihm bereiten wohl.
Da sprach die Hausfrau: "Man soll
Unsern Gevattern dazu laden,
Essen wir sie allein, das möcht' uns schaden,
Denn bisher hegte er uns freundes Mut."
Da sprach der Wirt: "So mach das Essen gut;
Laß dir's nicht werden schwer,
Unsern Gevattern den Pfarrer
Will ich bitten zu kommen;
Er hat mich oft zu sich genommen
Hatt er 'ne seltne Speise;
Ich wäre wohl unweise
Sollt ich es nicht entgegen tun.
Das Lamm, die Gans, das Kitzlein, Schaf und Huhn
Laßt uns bereiten und auch den Antvogel." (Ente)
Da war die Wirtin also gogel, (listig)
Daß sie zu dem Gerichte
Die Base bat, die Muhme und die Nichte.

Als der Wirt in der Kirche was,
Kam auf den Tisch ein Has'.
Sie sprach: "Ihr Muhmen, Nichten, Basen,
Nun essen wir den einen Hasen,
Der Wirt hat an dem andern noch genug;
Und der Dechant ist wohl so klug
Daß er sich einen fangen kann."
Als sie nun den gegessen ha'n,
Da hieß den andern sie tragen,
Sie sprach: "Was mir auch d'rum geschieh't
Und sollt ich werden auch geschlagen
Ihm wird der Hase nicht;
Frauen Schimpf geht oft Männern vor."
Indessen kam geritten an das Tor
Der Wirt und der Pfarrer.
Im Hause fraget er
Ob schon das Essen wär bereit?
Die Fraue sprach mit Kundigkeit:
"Ihr laß't die Dirne und den Knecht
Des Morgens lange schlafen,
D'rum ist das Essen noch nicht recht;"
Also begann sie den Ritter strafen.
Sie sprach: "Ihr könnt noch lang kein Essen sehen,
Ihr mögt indes euch noch ergeben."
Zur Seit' der Hausfrau setzte man den Pfaffen.
"Bringt Wein dem Dechant!" war des Ritters Schaffen.

Er war gar zorniglich gemut,
Und tat, als wie ein Mann tut,
Den hungert, und hat Speise daheim.
Er zog heraus den Wetzstein,
Begann sein Messer drauf zu wetzen,
Und wollte sich schon setzen.
Da der Pfarrer das sah',
Zu der Frau er sprach:
"Liebe Gevatterin, saget mir
Durch Gott, wißt ihr nicht
Zu sagen, warum unser Wirt
An Freuden also ist verwirrt,
Und so sehr zorniglich gemut?"
Sie sprach: "Wisset ihr Herre gut
Warum er also grimmig tut?"
"Traun, sprach er, ich nicht."
Sie sprach: "Man hat dem Ritter vorgelogen,
Daß ihr Herr Dechant minnet mich."
Da hat der Dechant sich zur Tür gezogen,
Er sprach: "Mir ist es hier zu heiß."
Er dachte: "Mir geschieht hier übel, Gott weiß;
Davor soll mich Gott bewahren;
Soll aber Unglück ich erfahren,
So geschieht es mir doch
Nicht allhier noch;
Das wär ein Essen schlecht."

Auf sein Pferd schwinget er sich ohne Knecht
Zur Flucht. Hei! mußte sich sein Roß ausstrecken.
Ein Kämmerer bracht nun daher
Ein weißes Tischtuch und Becken.
(zum Waschen vor dem Essen)
"Wo ist denn mein Gevatter der Pfarrer,
Sprach der Wirt, hingekommen?"
Die Fraue sprach: "Er hat genommen
Die Hasen beide, und ist dahin."
"Traun! sprach der Wirt, den Sinn
Halt ich nicht seiner wert.
Nur rasch heraus mein Pferd,
Ich hol die Hasen mir, weiß Gott!
Führt er sie hin, das wär ein Spott,
Man hielt mich dann für einen Affen."
So rannt' er nach dem Pfaffen.
Da er von ferne ihn sah,
Aus rief er laut und sprach:
"Weiß Gott! ihr laßt sie beide hier,
Denn sie gehören mir."
Der Dechant schrie: "Ich tue, wie Gott will,
Zu teil ward mir nie solches Spiel,
Es ist gar ohne meine Schuld,
Daß ich gekommen bin um eure Huld.
O weh! der Ritter ist so zornesvoll,
Weiß nicht, wo ich mich bergen soll." —
"So laßt mir doch den einen." —
"Nein, nein, ich traue keinen,
Dieweile ich's abwenden mag."

Seine Kirche ihm nahe lag
So, daß den Freudhof er gewann;
Alsbald er in die Kirche entrann,
Schloß er sie fest nach ihm zu.
Da bedachte sich der Ritter,
Daß er einbräche nicht durch's Gitter:
Drum kehrt er um, ritt heim, und saß
Zu Tisch und aß
Die Speise, die er mochte ha'n.
Da sagte ihm die Fraue an,
Wie sie gescheh'n des Pfaffen Fahrt
. (sie erzählte ihm ihre List)
Als er in die List recht inne ward,
Sprach er: "Ja Frau, der Scherz ist gut,
Es sänftet meinen Zornes-Mut."

Die ungelogne Mähre
Sagt uns Friolsheimere.

Der Bauer in der Martins-Nacht

Dies Gedicht verdient seiner Tendenz wegen Aufmerksamkeit,
denn es wird die Sorglosigkeit eines abergläubischen Vertrauens
und die Neigung des Menschen, sich auf Rechnung des Höchsten
Fehler zu erlauben, durchgegeißelt.

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Es war ein reicher Bauersmann,
Der in der Sankt Martinsnacht
'Nen großen Schall begann,
Er trank fast übermacht.
So tat auch das Gesinde sein,
Denn er hatte gar guten Wein
Von dem sie soviel tranken
Daß sie zusammensanken.

Nun kamen Diebe dar, (sie kamen her)
Die wurden gleich gewahr
An allem was sie taten,
Daß sie nicht Sinne hatten;
Da wurden sie zu Rat
Daß sie brächen gerad
Ein Loch in des Bauers Rinderstall,
Doch keiner wollte sich hinein erkühnen,
Sie fürchteten, es komm' wer aus den Saal.
Da war ein Kecker unter ihnen,
Der kundig war genug
Und mit frevlichen Sinnen
Sein Dieb's-Amt trug,
Der auf die Mauer sprengte,
Durch's Loch dann in den Stall sich zwängte.
Doch den Gewinn
Hätten zwei Hofwart ihm balde genommen; (Haushunde)
Die waren zorniglich gekommen
Und bellten immer auf den Stall.
Der Wirt vernahm den Schall
Und ging mit einem Lichte dar,
Und ward des Dieb's gewahr.

Da nun der Dieb war innen,
Daß er nicht mocht' entrinnen,
Er einen List erfand.
Er tät mit seiner Hand
Über jegliches Rind,
Und auch den Wirt geschwind
Das Kreuz, als er am besten kunt,
Dazu rührt er den Mund
Recht, als er spräche einen Segen,
So wie die Priester pflegen.
Da, der Wirt das sah,
Kein Wort er sprach
Und nahm seiner Gebärde wahr;
Da winket ihm der Dieb dar, (zu sich)
Der Wirt ging näher baß,
Da sprach der Dieb: "Siehest du bas,
Wie ich dein Gut gesegnet ha'n?
Ich bin St. Martin, hör' mich an,
Ich will dir gelten deinen Wein,
Den du getrunken hast für mich.
Dein Trinken ist so großlich,
Daß Gotteslohn dafür soll werden dein.
Es waren Diebe hergekommen,
Die hätten gern deine Rinder genommen
Und all' dein and'res Gut,
D'rum hab' ich selbst mich her-gemut, (herbemüht)
Daß ich dein Gut und dich
Behüt', verlasse dich auf mich;
Dein will ich fleißig pflegen,
Ich habe getan meinen Segen
Auf dich, und alles, was du hast,
Daß, wo ein Gut du liegen hast,
Dir's Niemand stehlen kann.
Nun lösch das Licht aus, guter Mann,
Und geh' an dein Gemach hin;
Denn, da ich hergekommen bin,
Soll dir nichts widerfahren,
Ich will dich immerdar bewahren."

So sprach der Wicht;
Da weint der Wirt vor Liebe,
Er neigt sich vor dem Diebe
Und löschte aus das Licht.
Fröhlich ging er zur Stube hin,
"Wohl mir, daß ich so selig bin!"
So sprach er zu den Seinen,
"Ich habe Sankt Martinen,
Mit meinen Augen jetzt gesehen,
Nicht kann mir übles mehr geschehen,
Er hat gesaget Dank,
Daß ich so mächtig für ihn trank.
Auf! Wollt ihr meine Freunde sein,
So trinket meinen Wein
Auf Sankt Martinens Ehre,
Wie ich's begehre;
Und sogar meine Hühner sollen
Wein trinken, wenn sie wollen.
Bringt einen alten Käs her,
Den sollen essen wir, sprach er,
Da schmeckt das Trinken wohl darauf.
Nun, liebe Kinder, seid wohlauf!
Man soll noch and'res Trinken sehen
Als wie jetzt geschehen."
So trank er und die Seinen
In einem
Sankt Martinen zu minnen
Bis sie kamen von den Sinnen,
Und keiner Witze pflagen
Und nicht mehr wußten, wo sie lagen.

Das war dem Dieb
Sehr lieb,
Er trieb aus seinem Stalle
Die starken Ochsen alle,
Dazu
Auch manche gute Kuh.
Des Morgens der Bauer nach seiner Sitt'
Zum Stalle schritt',
Den fand er Rinderleer;
Da sagt er böse Mähr:
"Sankt Martin hat mein Rind genommen;
Ich weiß nicht, wo es hingekommen."
Das war ein harter Streich!
Der Morgen war dem Abende nicht gleich,
Dem er Abends hätte wohl
Geschenket zwanzig Becher voll,
Dem gab er auch nicht einen."
Er begann zu weinen
Als wie ein Kind.
"Du bist ein Rind,
Sprachen mit Schalle
Die Nachbar'n alle.
So hatte er in seiner Not
Nebst Schaden auch noch Spott.