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IV.
Oden, Hymnen und Elegien

 

Mahnung
Trauer
Hohe Liebe
Weltverband
Entartete Jugend
Treuga Dei
Ein Traum
Den Liedgenossen
Sündflut
Frühlingssymphonie
Im Herbst
Unsrer besserer Teil
Jäher Winter
Bitte
Im Lebensstrome
Errungenschaft
In einer Mondnacht
An das neunzehnte Jahrhundert
Italia
Aus jungen Tagen
Peinliche Rolle
Während der Trennung
Im Sommer
Vor einer Tanne
Kosmische Phantasie
In der Unendlichkeit

 

Mahnung

Schwindelnd dehnt sich der Raum, wimmelnder Welten voll,
Nirgends Schrecken im Kreis, nirgends ein Mittelpunkt,
Und die Erde, daran alles Lebend'ge klebt,
Zählt sie selber im Ganzen mit?

Mensch, und lerntest du nicht, dich zu bescheiden? wie?
Mensch, verlornes Nichts, Stäubchen des Riesenalls,
Drinnen Sterne verwehn, nimmer geschaut, beklagt,
Schreist du hungrig nach Ewigkeit?

Trauer

Ja, die Zeit ist trüb! sie verehrt nur Götzen;
Vom Moment beherrscht und umstrickt vom Nächsten,
Kennt sie nicht den Flug und das edle Sehnen
Nach dem Erhab'nen.

Jeder sucht sich klug im Gedräng' ein Plätzchen,
Greift nach rechts und links und erhascht sich Beute
Für ein wohlig Sein, und vergißt dabei des
Ewigen Teiles.

War es immer so? Es schaut der Blick nur
Bang die Gegenwart, er erschaut im Kreis nur
All das Treiben, Mühn und, von Gott verlassen,
Irrend den Menschen.

Und dem Dichter auch, der gesandt den Andern,
Mild sie aufzurichten mit Trostesbalsam,
Ach, was bleibt ihm selber im großen Schmerz als
Einzig die Klage!

Hohe Liebe

Sieh mir ins Auge, schlinge den Arm um mich
Uns laß uns selig, schwelgend im Hochgefühl
Der schönsten Wonne und Vollendung,
Über der Welt in Verklärung schweben.

Kein Wort von Treue! Schwüre begehr' ich nicht,
Du schmähtest so nur heiliger Liebe Glut;
Aufblüh' uns segnend diese Stunde,
Gänzlich gesättigt in sich und sorglos.

Es liegt im Kusse, welchem der Gegenkuß
Gespendet, schön und herrlich geschlossen schon
Ein ganzes Schicksal, ganzes Leben;
Bliebe den Liebenden noch ein Sehnen?

Sei frei! und dies nur höre zu deinem Schutz:
Erkalt' ich jemals, bann' ich mich selbst von dir;
Nie soll mein Mund, dich schnöd entweihend,
Ohne Verzücken den deinen streifen.

Weltverband

Such' ich Einsamkeit? Ich entfliehe freilich
All dem tollen Schwarm und den lauten Stimmen,
Welche, sonder Rast, in berückter Blindheit,
Heiser sich schreien;

Aber spinn' ich nicht an die Teuren alle,
Die mich je beschenkt und erquickt, die Fäden
Der Erinnerung und ersehnt mein Herz nicht,
Ihnen zu danken?

Bin ich allein? Mich umschweben Geister
Fort und fort, und wenn ich die weite Landschaft
Sinnend still durchwandle, verschönt so vieles
Liebend den Pfad mir.

Hier des Waldes Brut, die beschwingten Vögel,
Und ein Flor von Blumen in bunten Farben,
Dort der Wolken Bilder, um Bergeshäupter
Flatternd im Lichte.

Alles spricht mich an in vertrauten Zeichen,
Jedes Kleinste kündet mir schön den Einklang
Zwischen meiner Brust und der großen Runde
Frohem Getriebe.

Öffne nur dein Herz und verlang' ins Leben,
Segnend strömt es wieder zurück ins Herz dir;
Nirgends läßt das Ganze dich fallen, nirgends
Bist du vereinsamt.

Entartete Jugend

Nichts betrübt mich mehr als der Jugend Anblick,
Wenn sie, frühreif, ohne der Jugend Züge,
Klug und stark sein will und erbaun und schaffen
Werke des Mannes.

Wenn sie, bartlos noch und dem Ernst des Daseins
Fremd im tiefsten Herzen, sich dennoch immer
Ins Gezänke mischt der Partei'n und Lärm schlägt,
Flüchtigen Feuers.

Sorglos Nichtstun schmückte sie wahrlich besser,
Traumverlor'nes Schweifen durch Wald und Fluren,
Bis sie groß gewachsen und schön gekräftigt
Tief im Gemüte.

Frommt es denn dies Schreien von Recht und Freiheit
Und von Schmerzen, die zu begreifen nur ein
Ernstes, volles Leben vermag, doch nimmer
Kindische Torheit?

Ziemt es ihr, zu sprechen von Idealen,
Die die Welt zerschlug, und sich aufzubäumen
Wider jeden Zügel in angelernten
Polternden Flüchen?

Doch es kommt der Ernst und die Zeit, zu handeln,
Und den Jugendlosen gebricht die Mannheit;
Einstens Stürmer, schleichen sie jetzt verkümmert,
Platte Gesellen.

Treuga Dei

Einstens wenn sich ergrimmt Völker vernichteten,
Scholl an heiligem Tag, jeden entwaffnend, laut
"Gottesfrieden!" als Mahnruf
In das blut'ge Gewühl des Kampfs.

Und es ruhte der Streit, jeder erschien geweiht,
Unverletzlich am Pflug wallte der Pflüger hin,
Unverletzlich im Kirchlein
Kniete betend der fromme Mönch. —

Seht, von Kämpfen erfüllt dünkt mich das ganze Rund,
All die Erde bedeckt wirbelnder Kräfte Streit,
Selber dreht sie sich ruhlos
Fort und fort und entbehrt des Ziels.

Eines tilgt in Begier mordend das Andre weg,
Alles strebt und begehrt, glühenden Durstes voll;
Ewig stachelt die Sehnsucht,
Ewig fehlt die Befriedigung.

Tränend schau' ich das Bild, Schauder erfaßt mein Herz,
Und zum Himmel empor möcht' ich geängstigt schrein:
"Auf Minuten nur einen
Gottesfrieden dem Erdenstreit!"

Ein Traum

Wunder träumt' ich heute: Die ganze Erde
Lag, ein Garten, eben vor mir gebreitet,
Lichter Duft nur barg dem erstaunten Blicke
Magisch die Ferne.

Rings um mich ergoß sich in goldner Klarheit
Voller Sonnenschein und entrollte prächtig,
Da ich schauend, pochenden Herzens, hinschritt,
Bilder um Bilder.

Hier erblickt' ich Städte und Dörfer schimmernd,
Dort erglänzte lieblich ein Strom im Lichte,
Grüne Saaten wogten und Blumen blühten,
Herrlich zu schauen.

Aber dennoch fesselte mich kein Fleckchen,
Ewig vorwärts lockte die duft'ge Ferne,
Weiter ins Unendliche trieb mich mächtig
Ewig die Sehnsucht.

Den Liedgenossen

Ihr Liedgenossen, dämpfet den Klageruf,
Der ewig wieder schmerzlich zur Lippe drängt,
Daß stets die Meisten, kalt verschlossen,
Hastend am Schönen vorübereilen.

Nie rührt's die Menge, eher des Schutzes noch
Bedarf's zum Blühen; glaubt ihr, des Tages Schwarm,
Auf seiner Jagd sich rings ergießend,
Beugte sich schauernd beim Nahn des Schönen?

So bleib' es einsam! nur dem Bedürft'gen stets
Ein Trostesanblick; reiner besteht's vielleicht,
Weil im Begegnen, erdenblinden
Auges, die Andern es nicht erkennen.

Sündflut

Es wimmelt rings vom Gezücht
Der fluchbeladenen Sünde;
Es wälzt sich in stetem Kampf,
In dumpfer, öder Qual,
Und mehret sich fort und fort.
Von allen Seiten zieht sich's,
Verpestend alles, besudelnd,
Stets drohender, schrecklicher, enger
Zusammen über den Erdball.
Kein reiner Fleck im Kreis,
Wohin die Tugend sich rette,
Worauf sie sicher wohne.
O Flut, erlöse die Erde!
Schwill, schwill aus deinem Bett
Und spring' empört heran
Und spüle die ganze Brut
Und spüle die Sünde von dannen!

Frühlingssymphonie

Verstehst du schon den Lenz,
Wenn du, umwebt von der Sonne,
Gelullt vom säuselnden West,
Ins Knospen und Grünen schaust
Und leuchtenden Auges
Die erste Blüte entdeckst,
Ein holdes, entzückendes Wunder?
Oder freudig betroffen
Erlauschest den ersten Gesang
Des liebentzündenden Vogels,
Der süß und schmelzend
Sein Glück verkündet?

O lausche nur recht hinein
Ins Herz der erwachten Natur!
Da wallt und wogt es anders,
Ob auch nur selten vernehmlich
Empordringt eine Welle
An dein zerstreutes Ohr,
Oder ein flüchtiger Sturm,
Hinbrausend über die Erde,
Dich rüttelt aus deinen Träumen.
Und Abends, in später Stunde,
Wenn mit dem Entschwinden des Lichts
Das Blütenmärchen zu Ende
Und Farben und Formen verlöschen,
Da tue dein Innerstes auf.
Was dir am Tage geschwiegen,
Das wird jetzt immer lauter
Und pocht dir mit Allgewalt
An deine bebende Brust.
Die Kräfte der Schöpfung
Sie scheinen in Hader gespalten,
Wie sie sich rühren und regen,
Ein neues Leben zu bilden.
Du hörst ein Schallen und Rufen,
So schaurig rätselhaft,
Bald jäh und schrill,
Bald schluchzend gezogen,
Aus dem Waldesdickicht,
Aus dem Rohr im Weiher,
Aus Höhen und Tiefen,
Aus allen Fernen,
Du hörst es und weißt es nicht:
Ist das Wehklage?
Ist's Auferstehungsjubel?
Und immer mächtiger faßt dich
Der Schwall der entfesselten Stimmen
Und bannt dir die tiefste Seele,
Daß du mit allen Sinnen
Nachspürest seinem Geheimnis,
Bis dich die Ahnung durchzuckt:
Das ist die heiße Werdelust,
In die der Schauder sich mischt
Vor alles Gewordenen Los.

Im Herbst

Um mich Verwüstung
Und öde Trauer.
Verheerend weht aus Norden
Ein rauher, kalter Sturm;
Nur selten bricht die Sonne
Durch düstere, schwarze Wolken,
Matt und glanzlos,
Ohne zu wärmen,
Ohne zu leuchten;
Das Leben will rings stocken,
Bis es in Erstarrung endet.
Drängendes Sprossen und Blühen,
Bunte Lust des Frühlings,
Das dein Ziel? —
O tiefe Wehmut faßt mich!
Was ich verloren im Leben,
Doppelt empfind' ich es jetzt,
Und bänger klopft das Herz mir.
Die Herbstesschauer ziehen
Über die Erde,
Dem Menschen eine
Ernste Todesmahnung —
Tod!
Daß alles nur ins Leben drängt,
Um dir zu verfallen,
Das ist der große Schmerz!
O keinen Tod!
Dann aber auch nicht dieses Leben,
Das, voll Kampf und Drang,
Seine Bestimmung, zu zerfallen,
In jeder Minute weiset;
Dann auch keinen Todeswunsch!
Sonst wären wir ewig Gefangne,
Ewig Verdammte. —
Und dennoch — daß es anders wäre,
Wir können's gar nicht denken.
So ganz sind wir umstrickt
Von den Banden des Leidens,
Daß wir einen Himmel
Uns gar nicht malen können;
Müßten wir doch die Farben
Aus dieser Welt uns borgen.
Wir zucken nur dumpf
Unter dem Drucke der Qual,
Und Träne um Träne
Entquillt dem Auge. —
Kann euch die Ahnung stärken,
Daß im Staub der Vernichtung
Schon der künftige Frühling schlummert?
Seht ihr im ewigen Wirbel
Zwischen Geburt und Tod
Eine höhere weise Ordnung?
Euch werde der himmlische Trost;
Aber ich will menschlich klagen.

Unsrer besserer Teil

Schönste der Gaben,
Die Menschen einander
Zu spenden vermögen,
Liebe!
Tiefe, unbegrenzte Liebe,
Wo find' ich dich?
Die edle Reinheit des Herzens,
Die heilige Glut
Für Wahrheit und Recht,
Der große Sinn,
Der stumm der Welt sich opfert:
Alles, alles,
Was Dichter entflammt,
Wovon Lieder erschallen,
Was jeglicher preist,
Als Höchstes verehrt,
Wo blüht es?
Vergebens sucht es mein Blick.
Ich sehe die Menschen um mich
Dumpf in ihr Selbst verschlossen,
Ach kalt und lieblos gehn sie
Einander vorbei!
Rings ist es trostlos öde,
Und alles Schöne und Edle
Mir ist's wie eine Sage
Aus längst verklungenen Zeiten,
Von hingesunknen Geschlechtern.

Und doch — es ist! es ist!
Der Bessere fühlt es
In kurzen gehobnen Minuten,
Dem Glücklichen bringt es
Die flüchtig lächelnde Stunde.
Und so haben wir Kunde davon,
Können es denken,
Können es lieben, ersehnen.
Und das ist unser Besitz,
Das ist des Lebens
Menschlich edler Teil
Und macht uns oft in Tränen,
Unsäglichen Tränen
Süßer Wehmut,
Schmerzlicher Lust
Zitternd überquellen.

Jäher Winter

Gestern klomm mein heiterer Blick noch
Auf zu den Bergen, die, sonnenbeschienen,
Prangend im Schmuck der herbstlichen Wälder,
Freudig die Seele bewegten — und heute?
Dichter Schnee, dem Himmel entschüttelt,
Will mir die weite Runde verhüllen.
Schweigend versinkt die Welt stets mehr
Hinter den wirbelnden, wehenden Flocken,
Schweigend und doch so wehvoll rührend!
Mächtig pocht mein zagendes Herz!
Jeder Faden zerreißt mir nach rückwärts;
Was ich so voll, so glühend gefühlt,
Traumgleich will es mir jetzt verschwimmen;
Was mich so reich, so innig erquickt,
War's denn je? so frag' ich erbangend.
Wie die Erde dem Aug' entschwindet,
Seh' ich schon alles selbst im Gedächtnis,
Überschneit von der Zeit, versinken.

Bitte

Dringst du ewig auf mich herein,
Unablässig wogendes Leben?
Wär' es der alles zermalmende Tod nur,
Welcher den Abschluß bringt und die Stille?
Darf ich im Strom nicht sinnend weilen,
Weilen und unbedrängt zurückschaun
Nach den abgerollten Jahren?
Muß ein Schmerz den andern ersticken?
Eine Lust die andre begraben?
Leben, ich fordre nicht allzu viel:
Keine begehr' ich von deinen Gaben,
Rüttle nur auch nicht mehr an mir;
Ach, ich ringe nach Atem, nach Sammlung!
Laß mir, was ich zur Stunde besitze,
All die Trümmer einstigen Glückes
Und die einzeln sprossenden Blumen,
Die zum Trost sich darüber ranken;
Unablässig wogendes Leben,
Dringe nicht stets auf mich herein:
Laß mir meine sel'ge Erinnerung!
Laß mich treu sein meinem Schmerz!

Im Lebensstrome

Es folgen sich die Dinge
An festgeschlossener Kette,
Notwendig im tiefsten Grund;
Doch was dir die flüchtigen spiegeln,
Nicht woll' es zu ängstlich verbinden
Und laß dich nicht verwirren,
Weist jeder neue Tag
Dir auch ein neues Gesicht.
Was bleibt dir schön,
Was bleibt dir wahr,
Wenn du zurückgreifst
Auf jene verklungene Zeit,
Wo's erst noch keimte?
Wenn du vorausdenkst
An jene kommende Zeit,
Wo's welkt und zerstiebt?
Prangend in blühender Fülle
Und wahr ist nur der Augenblick,
Und preis' ihn, wenn er's ist!
Wo voll und echt
Ein Herz in Liebe glüht,
Wer forschte da weiter?
Was einst du geliebt
Und was zerfallen,
Es hatte Teil an dir,
Es faßte dich ganz —
Einst! einst! Doch jetzt?
Jetzt will ich die Gegenwart,
Das drängende, wogende Leben,
Nicht Schatten darfst du gehören.
Das ist Gesetz!
Erfüll' es schön und harmonisch,
Dir selbst zur Freude,
Der Welt zum Schmucke.
Nicht wandelhaft,
Nicht treulos sei;
Doch zeige dich
Mit jedem Schlag des Herzens,
In deiner lebendigen Kraft,
Stets offen der Gabe der Stunde
Und ewig der Liebe voll,
Ob ewig auch wechseln muß,
Was dir vergönnt ans Herz zu drücken.

Errungenschaft

Heil dir, mein Herz!
Dein ist das Leben,
Nie zwingt dich das Leben.
Wo andere zagen
In scheuer Angst,
Da fassest du furchtlos,
Was dir die Stunde
Des Holden gewährt.
Du wandelst am Abgrund
Und pflückst die Blumen,
Die ihn umsäumen,
Nicht bange schwindelnd
Vor seiner Tiefe.
Aufpochend erglüht,
Doch deiner gewiß,
Genießest du selig,
Genießest und lächelst.

Heil dir, mein Herz!
Dein ist das Leben,
Nie zwingt dich das Leben,
Wo andre sich mühen
Und hastend erstreben
Ein trügliches Glück
Da bleibst du still
Und ringst nicht, wie sie,
In Tränen die Hände,
Wenn alles als eitel
In Nebel zerfließt.
Du kannst dich dem Schönsten,
Dem Liebsten verschließen,
Und wie dich's bezaubre,
Du lässest es klaglos
Vorüberflüchten,
Entsagst und lächelst.

In einer Mondnacht
1870

Wunderbare Nacht!
Magisches Leuchten,
Geheimnisvolles Dämmern
Über der weiten Erde;
Und tiefe Stille.
Nur leise weht und schwillt es,
Wie ein verhaltenes Atmen.
Ich neige mich und lausche
Und höre des eigenen Herzens Pochen,
Als wär' es der Puls der schlafenden Welt.
Wer faßt es:
Dort im Westen,
Wo golden die Sonne entschwunden,
Vertobt jetzt wild die Schlacht
Und Ströme Blutes fließen.
Rings Lärm und Verwirrung,
Ein wüstes Durcheinander,
Die Fliehenden angstvoll eilend,
Die Siegenden heiß nachdrängend,
Und über die Wahlstatt dröhnt
Von Zeit zu Zeit vereinzelt
Noch ein entladener Feuerschlund,
Wie mit dem letzten Atem
Ausspeiend Verderben.
O Graun und Schrecken!
Das Hurrah der Sieger selbst,
Das sich den Schreien der Sterbenden mischt,
Es wird zum entsetzlichen Mißton
Durch solchen Zusammenklang.

Hier nicht ein Laut!
Nichts von den Schrecken!
Kein Stäubchen ist bewegt
Und alles ausgeglichen.
Der Wirbel des Fleckchens
Verschwindet im Ganzen,
Wie der fallende Stein
Mit seinen Wellenkreisen
Das Meer nicht aufgeregt.
Ihr Recht behält die webende Mondnacht.
An ihre Strahlen hängen sich Elfen
Und schaukeln sich,
Und tauchen in schimmernde Blütenkelche
Und schwingen sich wieder heraus.
Ich neige mich und lausche.
Nur leise weht und schwillt es,
Und alles schwimmt im magischen Lichte,
Kenntlich und unfaßbar,
Klar und verdämmernd,
Lebendig und körperlos:
Das ganze Dasein wird
Ein traumhaft luftiges Märchen.

An das neunzehnte Jahrhundert

Jahrhundert, du alterst!
Was hast du vollbracht?
Gewaltige Stürme verkündeten dich,
Mit schweren Wehen gebar dich die Zeit,
Ein großes Erbe empfingst du:
Wie hast du's gepflegt, gemehrt?

Laß deine Taten sehn!
Hast du die Götzen zertrümmert?
Den Schein abgetan?
Die Heuchelei entlarvt?
Dienst du nicht der Gewalt?
Gibst du den Menschen sich selbst
Frei, zu wachsen nach seinem Trieb?
Frei, zu schaffen nach seiner Kraft?
Gilt dir nur die Wahrheit,
Und fliegt ihre Kunde,
Erleuchtend, bessernd, segnend,
Ruhmwürdig um den Erdkreis?
Was hast du vollbracht?
Zählst du nur die Zuckungen auf
Der bangen, ringenden Menschheit?
Wie oft sie im Vorwärtsdrange
Sich wieder abgemüht,
Vom lodernden Feuer des Anlaufs
Bis zur stumpfen Erschöpfung?
Wo ist das Ziel, das Ziel?
Oder zeigst du das brausende Dampfroß
Und den elektrischen Funken,
Den du zügelst und lenkst
Und über Meere hin
Zur Sprache zwingst? —
Armselig Werk!

Eins ist über allem,
Eins nur ist Gewinn:
Die Überwindung des Niedern,
Des Schlechten, Gemeinen,
Der häßlichen Selbstsucht,
Und die Annäherung an die Gottheit,
Nicht an die herrschende, strafende,
An die Gottheit, die nur rein ist
Und gut und gerecht,
Und darum Gottheit heißt.

Jahrhundert, du alterst!
Die Jahre verrinnen:
Was soll von dir bleiben
Als dauernde Frucht,
Die ewig gerührte Seelen
Lobpreisen und segnen? —
Jahrhundert, spute dich!

Italia

                            I.

Nach Süden flieg' ich mit schwellender Seele;
Langjähriger glühender Wünsche Ziel,
Ich soll es erreichen, ich halt' es!
Du winkst, Italia!
Du nimmst mich auf.
Schon wandl' ich trunken in deinen Fluren,
Die Pfade begrenzt von Weingirlanden. —
Wie faßt mich jegliches hier!
Der milde Hauch des lachenden Himmels,
Die schlanke Zypresse, das Blatt der Feige
Und selbst des Ölbaums schwächlicher Wuchs.
Woher nur kommt es?
Die Wälder der Heimat sind sie nicht schöner,
Voll stämmiger Riesen, gewaltig groß,
Weit schattend und rauschend?
Und unsere Triften, an Wechsel so reich?
Italia, verschönte dich bloß
Das Sehnen des ferngeborenen Fremden?
Nein, nein!
Ich schaue ja hier auch Wunder der Kunst,
Marmorne Paläste, gewaltige Tempel;
Ich trete schauernd in hohe Arkaden,
In weitgewölbte, luftige Hallen,
Geschmückt mit seelenentzückenden Bildern.
Hier grüßen mich Heil'ge mit ernstem Blick,
Dort thronen Madonnen in milder Verklärung,
Und auch das bunte Getriebe des Lebens,
Schön wiederholt vom Pinsel des Malers,
Es fesselt als ein Höh'res das Auge.
Das ist's!
Dein Zauber ist's, o Kunst!
Und jetzt erst zeigst du mir ganz,
Was du vermagst.
Ich kannte dich sonst als Einzelnes nur,
Und warst du groß und machtvoll,
In fremder Umgebung erschienst du einsam
Als grelles Widerspiel des Seins.
Hier aber fließest du wundersam
Zusammen mit dem Leben;
Als Ganzes wirkst du geheimnisvoll,
Die weite Runde verklärend.
Wer deiner auch nicht achtet,
Genießt dich unbewußt,
Und deinen Segen empfängt er
In jedem, was ihn freut.
Du schmückst die Flur,
Du webst im Hauch der Luft,
Und konnte dich dieser leuchtende Himmel
Allein nur so herrlich entfalten,
So leuchtet dieser Himmel auch
In deinem Widerschein nur so herrlich!

                            II.

Durchschreit' ich bewundernd diese Gassen,
Gebildet von herrlichen Werken der Baukunst,
Und schau' ich entzückt all diese Pracht,
Gehäuft durch lange verklungene Jahre,
Da sinn' ich jenen Zeiten nach.
Was mich so gewaltig ergreift,
Nur die Verschwendung konnt' es vollenden,
Der unerschöpfliche Überfluß,
Erpreßt dem Schweiße der kauernden Armut.
Die häßliche Schmach des Menschentums,
Die räuberische Tyrannei,
Nur sie vermochte zusammenzutragen,
Was riesenmäßig vor mir emporragt.
Der Künstler jedoch, von den Göttern begnadet —
O Wunder! — er sühnte die Schuld der Despoten.
Was ihre Laune ihn schaffen hieß,
Er schuf es begeistert in strahlender Schöne;
Was böse Hände gestohlen der Welt,
Er gab es der Welt zurück als Geschenk,
Hochherrlich, segnend, versöhnend,
Und jeglicher Fluch, der einstens erschollen,
Er wird zum entzückten Jubelrufe.

                            III.
      Auf dem Markusturm in Venedig

O welch ein Anblick:
Gebreitet um mich
Venezia!
Ich schaue mit klopfendem Herzen,
Vor Staunen sprachlos,
Doch lieblich und freudig bewegt. —
Wer rühmte die Riesenwerke,
Die mächtigen Steinkolosse,
Getürmten Pyramiden
Und all die Wunder
Verklungener Zeiten?
Unschön und nutzlos,
Doch plump aufdringlich,
So ragen sie auf,
Als wollte verkünden
Ein jeglicher Stein,
Wie Schweres die Menschen,
Mit keuchender Brust
Sich plagend, geschaffen.
Hier aber grüßt mich
Das Größte verhüllt und bescheiden.
Was einstens geboten die Not,
Bewältigten Kraft und Entschluß,
Und tiefer und tiefer entflammt
Vom herrlich werdenden Werke,
Verschönt' es ein liebender Sinn.
Mühselig begonnen,
Undenkbar fast,
Entfaltete sich's
In spielender Anmut,
Bis daß du vollendet,
Dem Meer entwachsen,
Gleich einer Blume,
Das Aug' erquicktest,
O liebliches Wunder,
Venezia!

Aus jungen Tagen

                                        I.

Mädchen, wie lang noch, sprich! soll bang ich in Zweifeln mich quälen?
Hasch ich ein Zeichen der Gunst, eilig entziehst du es mir,
Zeigest dich wieder mir kalt und so, in ewigem Schwanken,
Ward ich verschüchterter stets, wag' ich mich kaum dir zu nahn.
Heut erst sah ich im Garten dich wandeln, wie sollt' es mich flügeln!
Aber ich folgte nur scheu, blicktest du stets auch nach mir;
Denn ich erwog: Vielleicht ach! späht sie dich nur, zu entfliehen,
Darfst du denn glauben, ihr Blick rufe, zu folgen beherzt?

                                       II.

Sitzest, den Deinen gesellt, im Schatten, gelehnt an die Laubwand;
Ich, dahinter versteckt, spähe dein liebliches Bild.
Weißt du's auch, nie blickst du zurück, die freundliche Lücke
Ließ das sprossende Laub zwischen uns beiden umsonst.
Endlich, im Herzen verletzt, von schmerzlicher Regung ergriffen,
Wend' ich mich ab, um zu gehn, rauschend verrät dir's mein Tritt.
Aber da springst du auf, blickst nach mir über die Hecke,
Nickest, ich nicke zurück, wieder versöhnt und beglückt.

                                     III.

Durch die Büsche, die dicht das Haus der Deinen umhegen,
Sah ich am Fenster dein Bild, nieder das Köpfchen gesenkt,
Denn die geschäftigen Hände, gerüstet mit Nadel und Wolle,
Schufen gar emsig ein Werk zierlicher weiblicher Kunst.
Eilig gedacht ich, da fern die gefürchteten Eltern ich wußte,
Dich zu beschleichen und leis barg ich mich hinter das Laub,
Schlüpfte behende zu dir bis nah ans Fenster und plötzlich
Taucht' ich hervor mit dem Ruf: Endlich vermag ich zu nahn!
Du, in Schrecken vielleicht, doch mehr noch in schalkischer Laune,
Schnelltest da schreiend empor, wendend das lockige Haupt.
Aber ich redete so: Wofern ich dich, Liebchen, erschreckte,
Selber nur trägst du die Schuld, da du dich immer mir birgst.
Muß ich doch, wie ein Dieb, auflauern dir jede Minute,
Bis ich dein liebliches Selbst hasche zu kurzem Besitz.
Jetzt auch bist du nur halb mir gegeben, so schön es sich fügte,
Du bist drinnen und ich finde hinaus mich gesperrt,
Daß dich der Blick kaum umfängt, o sieh: nicht kann ich dir innig
Drücken die herzige Hand, küssen den blühenden Mund;
Eisern wehren mich ab des Gitters sich kreuzende Stäbe,
Und aus der sehnenden Brust kriechen die Wünsche nur durch.

                                      IV.

Selig an dich geschmiegt, da rings schon Dunkel sich breitet,
Preis' ich beredt mein Glück, unserer Liebe Verband.
Wenn ich dich nun nicht liebte? entgegnest du schelmisch mich quälend,
Und der Antwort harrst lächelnder Miene du schon.
Aber ich spreche: Verlör' ich auch deine beglückende Liebe,
Wie es mich schmerzte, mir wär's nimmer das Schmerzlichste doch;
Zürntest du mir nur nicht und dürft' ich von ferne dich schauen,
Immer noch bände mich leis süßes Gedenken an dich,
Und mir bliebe die stillere Lust anbetender Liebe,
Und das bescheidene Herz wahrte sein kleineres Teil.
Doch vor Einem erbeb' ich beim bloßen Gedanken schon ängstlich,
Eines zerstörte mich ganz bis in die Wurzel des Seins:
Haltlos fänd' ich mich plötzlich, beraubet des Zieles und Strebens,
Käme die Stunde, wo mir sterbend die Liebe verlöscht.

Peinliche Rolle

Lobe nur meinen Verstand, mein ernstes, besonnenes Wesen
Nicht so erbauten Gemüts; wahrlich, mich drücket dein Lob.
Öfter gestehst du mir traulich ein zartes Geheimnis des Herzens
Und manch kindischen Wunsch, wie ihn die Liebe erzeugt;
Glaubst mich über so törichtes Treiben und Trachten erhaben,
Fragst mich um Meinung und Rat, wenn du im Inneren schwankst,
Und mit verschämtem Gesicht dann harrst du des Wortes, des weisen,
Das, ein Orakel, ich dir künde gelassen und ernst.
Doch dies Ansehn, dieses Vertrauen, wie muß ich es hassen,
Da es so wenig mir gibt, ach! und so vieles mir nimmt.
Sieh, der kärgliche Ruhm, bei dir als ein Weiser zu gelten,
Schließt mich im Grunde doch nur aus dem Herzen hinaus.
Wenn du zu ahnen vermöchtest, wie mir in der Rolle zu Mut ist,
Die unwissentlich du stündlich zu spielen mich zwingst!
Alle die Launen, die Schwächen und Wünsche berückter Verliebtheit,
Die mein eigenes Selbst hegt in so reichlichem Maß,
Muß ich verleugnen vor dir und muß, so weit mich verstellend,
Salbung in Miene und Ton, strenge dich tadeln darob.
Denk's nur, ich warne und warne: O fliehe die Klippen der Liebe!
Während ich selbst dich, erglüht, zöge so gern an die Brust.

Während der Trennung

Liebchen, ich habe gar oft im Stillen an dir mich versündigt,
Aber es züchtigt mich nun bitter dafür das Geschick.
Darf ich's gestehen? So höre, du Holde, die reuige Beichte,
Daß du den Ablaß dann liebend mir wieder gewährst.
Deine beglückende Nähe sie wurde mir öfter zur Fessel,
Immer vereinigt zu sein, schien mir des Süßen zu viel.
Manchmal schlichst du zu mir und küßtest mir schmeichelnd die Schläfe,
Wenn ich mit grübelndem Sinn andere Dinge bedacht.
Weißt du's noch? wenn traulich beim Lämpchen vereint wir des Abends,
Ich mit der Feder und du flink mit der Nadel bemüht,
Wie mir gar oft dein Auge das meine gelockt von der Arbeit,
Daß ich den Faden verlor, den ich gesponnen im Geist?
Oder beim Lesen wie oft ein Kapitel zurück ich geblättert,
Weil du mich immer verführt, daß ich dir las im Gesicht?
Schloß ich darauf mich allein in das Zimmer, so kündete dennoch
Immer ein Zeichen mir an, daß du mir nahe verweilst.
Und schon lag es mir fast auf den Lippen wie eine Verwünschung,
Die dein Anblick nur stets in Entzücken verkehrt.
Aber du bist nun fern! wie plötzlich das anders geworden!
Einsam bin ich und leer gähnen die Räume mich an.
Freilich, mich stört jetzt nichts und dennoch — wie fehlt mir die Ruhe!
Immer und immer nach dir lausch' ich mit jeglichem Sinn.
Hör' im Hause Tritte, so mein' ich, du müßtest erscheinen,
Öffne die Türe, zu sehn, ob du mir endlich zurück.
Sprachst sonst du mir so manches, indes ich nach Stille verlangte,
Ist mir, als hätte nun ich hundert Fragen an dich.
Und beim Lesen am Tischchen, daran wir beide gesessen,
Wie mir die Störung fehlt, welche das Buch mir gewürzt,
Welche die trockenen Worte gewandelt zu blühendem Leben,
Wenn ich auf deinem Gesicht sinnend im Schauen geruht!
Und nun such' ich dich selbst mit deinem entzückenden Auge,
Das mich so innig erwärmt, jetzt erst empfind' ich es recht.
Weh, nichts kann mir gelingen, wofern du mir nicht an der Seite,
Jeder Gedanke versiegt, jedes Beginnen mißglückt.
Wahrlich, die Strafe sie trifft, nun fleh' ich: O kehre mir wieder!
Wo du zumeist mich gequält, fehlst du am meisten mir jetzt.

Im Sommer

Fort aus der Stube entlockt mich die Sonne ins Wäldchen am Hügel,
Welches mir Schatten gewährt, aber den Blick nicht beengt.
Reichlich mit Büchern beladen und emsigen Lernens beflissen,
Setz' ich zum Tischchen mich hin, das ich gebaut mir am Saum,
Wo an den waldigen Hang sich die blinkende Ebene anschließt,
Die in der Ferne ein Kranz blauer Gebirge umrahmt.
Und ich beginne zu lesen in weisheitsstrotzenden Bänden
Und aufs bereite Papier schreib' ich das Weiseste auf.
Aber ich sammle mich schwer und schaue wie trunken ins Weite;
Saß ich so oft schon hier, was nur zerstreut mich so sehr?
Jegliche Linie kenn' ich des herrlich entfalteten Bildes,
Jegliches Kleinste wie oft hab' ich es forschend geschaut!
Aber ein Jedes erscheint mir ja heute so ganz wie verwandelt,
Welch ein verklärender Duft! welch ein Gewoge von Licht!
Und es entsinkt mir der Griffel, ich schiebe die Bücher zur Seite,
Folgend dem mächtigen Zug, der mich im Tiefsten erfaßt.
Lässig und arbeitsmüd, doch offen und rege die Sinne,
Schau' ich ins Weben um mich, atm' ich das Wehn der Natur;
Stille Gedanken durchziehn mir die sanft aufzitternde Seele,
Aber ich mühe mich nicht fest sie zu halten im Wort,
Und es verfliegen die Stunden, so wenig ich nützlich sie fülle,
Nur in den Zauber gelöst, der mich bestrickend umfängt.
Herrliche Tage, ihr kommt ja so selten! Es gilt, euch zu feiern:
Jeglicher hat euch mißbraucht, der euch nicht müßig verträumt.

Vor einer Tanne

Lange beseligte Stunden verbring' ich gelagert im Grase,
Während ich träumend vor mich sende den spähenden Blick.
Eine gewaltige Tanne verdeckt mir genüber den Himmel;
Dunkel vom leuchtenden Blau hebt sich ihr zackiges Bild.
Wie mich der Anblick faßt! Wie treibt es mit Macht mich, zu schauen
Bald in den hellen Azur, bald in den finsteren Baum!
Jener so rein und klar, fortweisend ins Ewige, Ferne;
Dieser so trotzig und ernst, fest mit der Scholle vereint.
Alles vergeß' ich um mich und schaue gedankenverloren
Wechselnd hinaus und zurück, mächt'ger und mächt'ger bestrickt.
Immer ätherischer, reiner, verklärter entschwebt mir der Himmel;
Immer auf festerem Grund ruht in sich selbst mir die Welt.

Kosmische Phantasie

Heiß umflutet vom Scheine des sommerlich glühenden Mittags,
Schwimmt, als träumte sie süß, schweigend die Erde im Licht.
Gänzlich zerschmolzen erscheint in quellendes Feuer die Sonne,
Daß sie den Erdball nur wärmend umwoge mit Glut.
Und wie trinken die Wälder, die ringsum sprossenden Fluren,
Leis sich dehnend, das Licht innig begehrlich in sich!
Nieder vom Gipfel des Berges entsend' ich die schweifenden Blicke,
Und dies glitzernde Meer, welches vor mir sich erstreckt,
Lullt mir selber den Sinn mit mächtigem Zauber in Träume,
Und ins Schauen gelöst, schwimm' ich beseligt dahin. —
Ach, wer denkt's! daß fern jetzt riesige Welten sich drehen,
Hastig sich suchen und fliehn, eilend in schwindelndem Flug;
Daß in unendlichen Fernen vielleicht jetzt Sterne zerschellen,
Und in die Runde sich weit stäubend die Trümmer zerstreun,
Während aus gärenden Nebeln sich neue verdichten und rollen;
Daß in den Sphären nur stets alles Bewegung und Kampf.
Und wer denkt's! daß einem begnadeten höheren Geiste,
Flög' er erleuchteten Augs schauend dahin durch das All,
Diese so herrliche Erde, von Licht und Wonne durchzittert,
Kaum nur des Blickes noch wert, schwebte verschollen im Raum.

In der Unendlichkeit

Welche unendliche Welt! Kein Ende, wohin du dich wendest,
Jegliche Grenze entfleucht, spähst du mit forschendem Blick.
Dort die unendliche Größe und hier die unendliche Kleinigkeit,
Schauernd mit pochender Brust wandelt dazwischen der Mensch.
Siehst du die Nebel im Fernen? Sie weisen doch endlich ins Leere?
Nein! das vergrößernde Glas deckt sie als Sterne dir auf.
Nimmer zu zählen enttauchen dem Äther die leuchtenden Punkte,
Jeder allein schon mehr als du zu fassen vermagst.
Welch ein Gewimmel bewegt sich da plötzlich im wogenden Rhythmus!
Immer lebendiger wird's, wie du darein dich versenkst.
Weiter und weiter entfliegst du durch neue Gebiete im Schauen,
Bis dir der wachsende Raum bange den Atem beklemmt.
Daß du so kühn dich gewagt in die urfern dämmernden Rätsel,
Mächt'ger, verwirrender stets greift es im Tiefsten dich an.
Flüchtest du nun zur Erde, so schließe nur eilig das Auge;
Denn — o Wunder! — auch hier findest du, was dich bedrängt.
Wär' es ein Tropfen versickernden Wassers, er wird dir zum Meere,
Welches ein munterer Schwarm bunter Geschöpfe bewohnt.
Aber du forschest gereizt, das helfende Glas vor dem Auge:
Über das sondre Gemisch, das du nun wieder erblickst!
Hier, aufwühlend die Flut, schwimmt rudernd ein zierlich Tierchen,
Stets in geschäftiger Hast, leicht und beweglich vorbei;
Dort aus dem buschigen Wald grün schimmernder, schwankender Algen
Schnellt nun ein zweites hervor, lüstern auf Beute bedacht,
Während sich andre behäbigen Takts fortwälzen vergnüglich
Und stets drolliger sich alles verschlingt und belebt.
Oben und unten enthüllst du dir so die erstaunlichsten Welten;
Aber du hältst nun ein, endlich von Schwindel erfaßt.
Und was bleibt dir von allem? — Berückten dich hohle Phantome? —
Oben ein nebliger Hauch! unten ein Wölkchen von Dunst!