Eigentümlicher Standpunkt
"Dein Werk ist matt, es lebt wohl schwerlich,
Und würd' es noch so sehr erhoben:
Ich seh's, du bist mir nicht gefährlich,
So kann ich denn getrost dich loben."
Der Tondichter
Du Glücklicher, gleich dem Vogel im Lenz
Ergießest du dein Herz in Tönen,
Frei schwärmst du hin im Reich der Schönen,
Und keiner fragt nach deiner Tendenz.
Reflexion
"Nicht reflektieren im Gedicht!"
Ganz recht! allein vergeßt nur nicht:
Es ist das Wort ja schon
Reflexion.
Unerwartete Einsprache
Ich suche Einsamkeit und Ruh',
Allein mit meiner Träume Bildern,
Und wie, du rufst mir warnend zu,
Ich werde so noch ganz verwildern?
Zweifache Lösung
Die Zeit ist schnell! Suchst du Gewinn,
So eil' ihm nach mit klugem Sinn
Und halt' ihn fest auf jeder Spur! —
Und du? so Großes schufst du schon,
Und hast nicht Dank und hast nicht Lohn:
Die Zeit ist langsam — warte nur!
Verzagtheit
Sie drängen sich überall hervor
Und schreien's jedem in das Ohr,
Was sie da Prächtiges gemacht
Und Neues auf den Markt gebracht;
Das heißt dann, kräftig vorwärts ringen,
Das heißt, sich recht zur Geltung bringen.
Du schaust verzagt das Treiben an
Und rufst: Was bin ich ein armer Mann!
Selbsterkenntnis
Wie viel ihr kritisiert und schreibt,
Wie laut ihr's mit dem Künstler treibt,
Er kennt doch, ist er nur echten Blutes,
Am besten selbst sein Schlechtes und Gutes.
Analyse
Und rühmt ihr alle Qualitäten,
Die in dem Werk zu Tage treten,
Schönheitsbegeist'rung, Kunstverstand,
Gefühl und Geist schön im Verband:
Sie geben noch nicht die Qualität,
Zu sein ein rechter Poet.
Wahre Kunst
Phantasiert nicht, laßt die Mären!
Kunst ist: Wirkliches verklären.
Prüfstein
Was frommt es, schöne Reden halten!
Der Dichter spreche durch Gestalten,
Gleichwie durch Taten stets der Mann;
Nur so zeigt jeder, was er kann.
Irrtum
Glaubst du, das sind erhabne Flüge,
Weil uns dein Lied von Sternen spricht?
O mancher tut uns mehr Genüge,
Der Veilchen nur im Grase bricht.
Der Künstler als Kunstrichter
Wer kann, wie er, die Kunst durchschaun,
In der er selber strebend rang,
Bis Werk um Werk ihm schön gelang?
Und doch — ist seinem Spruch zu traun,
Da grad, was in ihm selber flammt.
Ihn stets befängt im Richteramt?
Errungenschaft
Wir forschen ohne Rast und streben
In Erdentiefen, Himmelsweiten;
Doch der Gewinn, den wir erstreiten?
Daß wir den Dingen — Namen geben.
Auf einen Vielwisser
Du folgst erglüht der Forscher Spur,
Kein Ding der Welt, das fremd dir ist;
Allein in jedem zeigst du nur,
Mein armer Freund, wie dumm du bist.
Letztes und Höchstes
Zwischen wilder Barbarei
Und fanat'schen Gottverlangen
Ringt der Mensch mit bangem Schrei;
Hier wie dort von Nacht umfangen;
Endlich aus den Nebelwogen
(Daß es ihn dem Sein versöhne)
Steigt als farb'ger Friedensbogen
Leuchtend auf das Menschlich-Schöne.
Erkenntnis
Die Welt ist schlecht, ist undankbar!
Wahr ist's und klingt es noch so scharf;
Allein es ist nicht minder wahr,
Daß dich das nicht beirren darf.
Einzige Bitte
Ob das Schicksal Gunst, ob Tücke
Mir im Kampf des Seins bescheide:
Nur nie Übermut im Glücke,
Nie Verbitterung im Leide!
Fluch
Du jagst nach Glück zu jeder Frist
Und ahnst nicht, was du suchst, ist Schein;
O würde alles, alles dein!
Damit du sähst, wie arm du bist.
Zum Troste
Nimmt man dich im Gewühl
Auch wie die Andern klein:
Ist's nicht ein süß Gefühl,
Mehr als man gilt zu sein?
Quelle der Wohlfahrt
Bewahre das Recht in den nächsten Kreisen,
Damit es wachse weit hinaus;
Noch brauchen die Staaten Pulver und Eisen,
Doch schon ein Wort genüg' im Haus.
Bester Grund
Ihr ruft: Wie setzt dich so in Flammen,
Was du doch selber schon getan?
Nun ja, ich kann's erst recht verdammen,
Weil ich mit Schmerz bezahlt den Wahn.
Weg zur Erkenntnis
Einseitig sollt ihr keinen schelten —
Der schwört auf Ja und der auf Nein;
Laßt ihr nun bloß die Mitte gelten,
Ihr dankt sie doch den andern Zwei'n.
Berichtigung
Ihr ruft: "O über den Phantasten!
Beim Lebensmahle so zu fasten!"
Mitnichten! das Ziel, nach dem ich steure,
Ist mir so real, wie euch das eure.
Zur Weltgeschichte
O du verwirrter Weltenlauf!
Muß unser Hoffen nicht ermüden?
Kaum steht im Norden Luther auf,
Bringt schon Lojola uns der Süden.
Dem Optimisten
Mag die Welt dich froh entzünden,
Wird es mir recht wohl gefallen;
Doch dein Jubel bleib' ein Lallen:
Woll' ihn mir nur nicht begründen.
Anstoß
Eins ist, was immer mich verdroß,
So oft ich im Buch der Geschichte gelesen:
Fast jeder, den sie nennet groß,
Er ist ein großer Raufer gewesen.
Schöner Zug der Götter
O Völker, ihr vergeßt das Hassen
Und jubelt auf in sel'gem Feuer,
Könnt ihr das Recht, das längst schon euer,
Euch von den Fürsten schenken lassen.
Auskunftsmittel
"Daß nie dein Wille, merk' es dir,
Das heilige Gesetz verletze!"
Ganz recht! da helf' ich leichtlich mir:
Mein Wille werde zum Gesetze!
Bannerspruch
Wo ist der Fürst, wie grimm er sei,
Der ohne Helfer knechten kann?
Drum seid nur jeder stets ein Mann,
So seid ihr jeder stets auch frei.
Josephinescher Absolutismus
Seid frei! ich will euch niemals drücken;
Doch will ich euch im Glücke sehn,
Und könnt' ihr's selber nicht verstehn,
Muß ich euch mit Gewalt beglücken.
Traurigstes
Schwer ist Tyrannei bezwungen,
Doch noch schmerzlicher, zu sehn,
Wie die Freiheit, schon errungen,
Wieder kann verloren gehn.
Regierungskunst
Was faselt ihr von Können — Sollen —
Und schwankt in euern Gaben!
Es gilt ja nur: das Gute wollen
Und offne Augen haben.
Erwiderung
"Sei still! Was für ein Tor du bist!
Sie fassen dich noch gar beim Kragen."
O wüßtest du, wie süß es ist,
Die Wahrheit recht herauszusagen!
Kulturströmung
Alle Kultur, der Völker Glück,
Ist einst von Osten ausgegangen,
Doch gibt sie jetzt der West zurück,
Und schöner, als er sie empfangen.
Unmögliches
Zu glauben fromm, was wir nicht wissen,
Das geht wohl an;
Allein zu leugnen, was wir wissen,
Das geht nicht an.
Falscher Kunstrealismus
Wohl packt das Leben, wie es ist,
In edler, geläuterter Klarheit;
Doch du, nur wenn du scheußlich bist,
Berufst du dich auf die Wahrheit.
Pragmatismus
Was soll die Weisheit frommen,
Da ihr nur dieses wißt,
Daß, was gekommen ist,
Hat eben müssen kommen?
Schwerer Weg
Nicht alles, was du lernen kannst,
Vermag ein Andrer dich zu lehren;
Nur was du mühvoll selbst gewannst,
Ist dein und wird dein Tiefstes mehren.
Zur Beachtung!
Ein fröhlich Lied zur rechten Stunde,
Nach Lebensmühn und harten Plagen,
Mag als Erfrischung wohl behagen;
Doch merk's: den Schmerz der tiefen Wunde
Verletzt nur ew'ger Lustgesang,
Indes im Trost ein ernster Klang.
Distichen
Die Gesellschaft
Denk' ich, wie jeglich Gesetz und jegliches Band der Gemeinschaft
Doch den Schurken im Grund nimmer zu bessern vermag
Und ihn eben nur zwingt, statt offen mit stürmischer Wildheit,
Heimlich zu suchen und schlau, was er des Bösen begehrt:
Scheint der Gesellschaft Macht nur klein mir und ohne Bedeutung;
Aber ich finde sie groß, seh' ich sie anders mir an.
Ist's kein Wunder, den hungernden Bettler zur Ruhe zu bänd'gen,
Während der Reiche vor ihm schwelgt in der üppigster Pracht?
Ist's kein Wunder, den Bessern dem Schlechtern gehorchen zu sehen,
Still ausfüllend den Platz, den ihm gewiesen der Staat?
Und so leben wir doch in einer verwandelten Welt jetzt;
Kampf und Verwirrung und Lärm weichen der Zucht und dem Maß.
Gewalt und Recht
Unvollkommenes Sein! Zum Schutz gen böse Gewalttat
Bilden die Menschen den Staat, heilig erklärend das Recht;
Doch bald weis't sich das Recht als unzulänglich und flüchtet
Wieder zurück zur Gewalt, bis sie ein neues erschafft..
Fürstenstolz
Stolz mag ziemen den Fürsten, allein was gelte der Ärmste,
Welcher dem Stolze entsagt, würdig der Krone zu sein!
Ward ihm die größere Macht, so soll er sie stets nur gebrauchen,
Sich zu bewähren durch sie auch als der größere Mensch.
Menschenwürde
Würde des Menschen! worin denn liegt sie, damit ich sie achte?
Kenn' ich die eine doch nur, die er sich selber verleiht.
Heiligsprechung
Tausende heidnische Leiber erschlugst du zur Ehre der Kirche,
Nun, das Maß ist voll, das dich zum Heiligen macht.
Glosse zur Weltgeschichte
Mörderisch wütender Kampf durchlärmt die Geschichte der Menschheit,
Daß uns schon edel erscheint, wer vor dem Gräu'l sich entsetzt.
Stehende Heere
Auf, o Volk, in der Not und werde zum stürmenden Heere!
Doch bei friedlichem Tun frommt uns ein stehendes Heer?
Aus alter und neuer Zeit
Der Usurpator spricht zum Volk
Taten, wie nie sie erhört und weltenerschütternde Siege
Haben mich euch zum Herrn, euch zum Diktator gesetzt,
Und ich habe die Macht auch in Händen, im Nu zu ersticken
Jede Empörung, ihr wißt's! jeglichen feindlichen Trotz;
Doch freiwillig begeb' ich mich all der errungenen Rechte,
Lasse bescheiden von euch mir sie verleihen durch Wahl.
Kant-Laplace'sche Schöpfungs-Theorie
Daß, wenn einmal bewegt, nun alles im Wirbel sich drehet,
Faß ich; doch zeigt mir die Hand, die aus der Ruh' es gepeitscht.
Die Natur
Oftmals hör' die Natur als liebende Mutter ich preisen;
Reiflich erwog' ich es mir, aber ich find' es nicht so.
Wahrlich, sie macht sich's bequem und einfach: jeglichem Wesen
Legt sie Selbstsucht, klug, reichlich ins innerste Herz,
Und entläßt es sodann, nicht weiter darum sich bekümmernd;
"Geh jetzt," denkt sie "ich weiß, daß durch die Welt du dich schlägst."
Weltgesetz
Ewige schwindelnde Flucht! Eins dränget das Andere hastig,
Und auf des Lebenden Tod lauert das neue Geschöpf.
Vorsicht der Natur
Auf je höhere Stufe sich deine Gebilde erheben,
Je abhängiger auch, sind sie verknüpft dir, Natur.
Ohne Bedürfnis schlummert der Stein, unnahbar verschlossen,
Aber es borgt sich der Mensch stündlich das Leben von dir.
Wie du deinem Geschöpf stets weiter das Auge geöffnet,
Ihm in dein Inneres stets tiefere Blicke gewährt,
Schlangest du auch, auf daß es sich nicht dir im Schrecken entwinde,
Faden um Faden zugleich ihm um den zitternden Leib.
Der Mensch in der Schöpfung
Aus dem Strudel der ewig blind sich regenden Kräfte
Tauchet des Menschen Gestalt schauenden Auges empor;
Eine Sekunde erblickt er das ruhlos brausende Wogen,
Schaudert und sinket zurück in den verschlingenden Strom.
Todessehnsucht
Tod, auf beiden sich fliehenden Polen des Lebens geschieht es,
Daß allmächtig nach dir plötzlich ein Sehnen uns faßt:
Unter dem Joche des Schmerzes, die brennenden Qualen zu enden,
Und auf dem Gipfel der Lust, nimmer ihr Ende zu schaun.
Unschuld und Tugend
Unschuld gänzlich verschieden und weit ab ist sie von Tugend;
Jene bedeutet oft nichts, diese den herrlichsten Schmuck.
Sollt' ich ein Mädchen mir suchen, das, fremd dem eigenen Schatze,
Wie es ihn einmal kennt, leicht ihn sogleich auch verliert?
Freilich erquickt ein Geschöpf in still hinträumender Knospe,
Doch es befriediget ganz nur der bewußte Gehalt.
Dem Rationalisten
Alles vermeinst du gelöst, sobald du's nur äußerlich fassest,
Nimmer empfandest du noch schauernd ein Rätsel vor dir.
So auch nennst du es bloß ein eigenes kreischendes Atmen,
Wenn der geängstigten Brust klagend ein Seufzer entsteigt.
Zurechtweisung
Glaubst du, ich rechn' es dir an, weil frei du von Fehlern dich wahrtest,
Die am gewaltigsten Geist oft mit Bedauern wir sehn?
Freilich, dir setzt dein Wesen nach jeglicher Richtung die Schranke:
Groß auch zu irren vermag nimmer der kleinliche Mensch.
Das Weib
Wohl, ihr Schönstes gelingt der Natur im Gestalten des Weibes;
Aber am häßlichsten auch schreitet im Weibe sie aus.
Die Lerche
Lieblicher Vogel, du singst aus dem Äther, als wolltest du mahnen,
Daß ich den trauernden Blick hebe zum leuchtenden Blau.
Fürs Leben
I.
Täuscht dich der Freund, auf den du gebaut, nicht darfst du verzweifeln,
Läutre dich tief durch den Schmerz, mache zum Fund den Verlust;
Leg' in die eigene Brust dein Hoffen und rufe dem Falschen:
Was du mir nahmst, o sieh! gab mir so sichrer mich selbst.
II.
Ohne Gefahr magst beißend du geißeln der Anderen Torheit;
Stehst du auch mitten im Schwarm, alle vernehmen dich gern,
Keiner vermeint, ihm gelte der Hieb, sie messen sich lächelnd
Und sie bestätigen dir: Wahrlich, ein treffendes Wort!
III.
Gilt es zu dienen der Welt, so achte sie hoch und bedeutsam,
Aber du achte sie klein, wenn sie dich kränkt und beschimpft.
Persönliches
I.
Weil dein Fehl mir genützt, so nennst du's garstigen Undank,
Daß ich so schwach nicht bin, dich zu beloben dafür?
II.
Nur dein häßliches Selbst sieht alle die häßlichen Fehler,
Deren du mich anklagst, wahrlich, sie drücken mich nicht;
Aber du magst sie nur tadeln, ich denke mich nicht zu verteid'gen,
Hab' ich doch andre genug, welche du nimmer begreifst.
Originalität
Alt ist alles, du magst was immer erdichten und denken;
Aber empfindest du's neu, leihst du ihm neuen Gehalt.
Künstlers Adelsdiplom
Welche besondere Art, beim Himmel! den Künstler zu adeln:
Seht, man nimmt ihm das "Herr" noch von dem Namen hinweg.
Dem Künstler
I.
So du berufen dich fühlst, in der Kunst noch Gesetze zu geben,
Halte zu ängstlich dich nicht an das ererbte Gesetz.
II.
Künstler, erwarte so manchen Verdruß von dem Neid und der Blindheit,
Jener besudelt dich frech, diese verschließt sich dir stumpf;
Aber verewige nicht, auflodernd, der Anderen Kleinheit,
Auch nur zu nennen den Feind sei du zu stolz und zu mild.
Dem Dichter
I.
Dichter, du darfst dein Selbst hinstellen dem Blicke der Andern,
Singe hinaus in die Welt Trauer und Freude der Brust;
Aber vergiß auch nie: dir fehlen die rührendsten Töne,
Ist's nicht eben die Welt, was in dir jubelnd und klagt.
II.
Was du singest, du sollst es im Tiefsten empfinden und trachten,
Daß es im Leben gemach dringe und werde zur Tat.
All dein Tun und Lassen es spiegele deine Gesänge,
Huld'ge dem Wahne nicht selbst, den du im Liede beklagst.
Wenn du Dichtung und Leben als feindlich geschiedne betrachtest,
Selber belächelst als Traum, was du geschaffen erglüht;
Wahrlich, du würdigst herab dein Amt, das hohe, geweihte,
Und die Menge mit Recht schilt sie die Kunst dir als tot.
Realismus und Idealismus
Dem Künstler
Deine Gebilde vollende sie strenge getreu nach dem Leben,
Daß bei jeglichem Zug staunend wir rufen: Wie wahr!
Doch, was meistens im Leben verworren sich äußerst und unklar,
Ordn' es mit sicherm Blick, bis es harmonisch erscheint,
Und wenn wir am Ende das Ganze beschauen, entschlüpfe
Dennoch uns wieder der Ruf: Wäre das Leben nur so!
Der Künstler an den Beurteiler
Viel ach! fehlt noch dem Werk, das deiner Betrachtung ich weihe,
Wie doch anders gelang's, als ich's im Geiste geschaut!
Aber ich hoffe, daß dir, der du fremd an das Ganze herantrittst,
Nicht als Mangel erscheint, was noch der Schöpfer vermißt.
Stoff des Künstlers
Alles vermag, das Sprödeste selbst, zum Stoff dir zu werden;
Wenn du's im Anschaun hold, in der Empfindung verklärst;
Aber nur Eines vermeide: die Kunst selbst wolle nicht schildern,
Schöpf' am natürlichen Quell; male nach Bildern kein Bild.
Reflexionen in der Kunst
Grübelst du noch so sehr, nie wirst du's grübelnd erforschen,
Was der erleuchtete Blick schauet zum Staunen sich selbst.
Wenn du auch rechnest und alles mit emsiger Müh dir zurechtlegst,
Glaube, du irrst; dein Werk, mangelnd der Seele, zerfällt.
Manchen verwirrenden Widerspruch zeigt öfters das Leben,
Und du scheiterst an ihm, weil dir die Lösung verdeckt.
So ist oft, was deine vernünftige Logik erschüttert,
Ist das Ja mit dem Nein, Lüge mit Wahrheit vereint.
Geheimnis der Form
Freund, du versuchst es umsonst, mit des Wohllauts schmeichelnder Woge
Uns zu entzücken das Ohr, wie es dem Meister gelingt;
Denn das letzte Geheimnis der Form liegt immer im Inhalt:
Nur auf bedeutendem Sinn wiegt sich bestrickend das Wort.
Den Shakespeareomanen
Ja, Shakespeare anstaunen und kritisch zerfasern, das könnt ihr;
Aber wie viele von euch hätten Shakespeare auch entdeckt?
Die Kunst des Dichters
Das ist die Kunst des Dichters, bestimmt und deutlich zu zeichnen,
Ob er mit farbigem Duft zauberisch alles umhüllt.
Ohne das Erstere fließen die Farben zum Chaos zusammen,
Ohne das Letzte jedoch zeugt er ein dürres Geripp.
Berichtigung
Dünkel, fürwahr, ist's nicht, noch Undank, such' ich des Schönen
Holde Vollendung nicht, wo sie der Meister gewähnt;
Gerne bekenn' ich's mit Dank, durch ihn nur lernt' ich sie ahnen,
Schritt' ich selber auch nicht, wies er mir dennoch den Pfad.
Einzige Entschuldigung
Öfters erlag ich der Stunde Gewalt, doch fühlt' ich das Unrecht
Immer als Flecken und nie war in der Sünde mir wohl.
Häßlichstes
Eines verletzt mir das Auge noch mehr als des Häßlichen Anblick:
Wenn die Schönheit ein Zug bis zum Verkennen entstellt.
Die Erde
Rastlos kreisender Ball, dein Anblick füllt mich mit Wehmut:
Bringst du auch Blumen hervor, fallen, ach! Tränen darauf.
Auf dem Maskenballe
Jeglicher trachtet im Leben der Maske sich stets zu bedienen,
Die sein innerstes Herz klüglich den Andern verbirgt;
Will nun diese zu Zeiten ein Ausgelassener lüften,
Zieht er die wächserne rasch vor das entblößte Gesicht.
Am Christtag
Christtag, freudig begrüßt' ich dich einst, nun stimmst du mich trübe:
Ach, du erinnerst mich nur, daß der Erlöser noch fehlt!
Das Gute in uns
Lieblos sind wir und rauh, weil selten das spärliche Gute,
Das in der Brust uns lebt, frei sich zu äußern vermag;
Unter Begierden erdrückt und selbstischen Wünschen verkommt es,
Und den hindernden Wust schütteln wir selten nur ab.
Schwer nur gelingt es, das vor sich drängende Selbst zu beschwicht'gen,
Und der Beste sogar ist in Momenten nur gut.
Betrachtung
Was in der Kunst stets gilt, nicht weniger gilt es im Leben,
Mag es auch hier wie dort täglich verneinen der Schwarm:
Siehst im Stoff du das Höchste, so wirst mit dem Stoff du zerstäuben;
Dienst du befangen der Zeit, fällst du zum Opfer der Zeit.
Was sie des Größten gebiert, sie verschlingt's in der nächsten Minute;
Weil stets Neues sie sucht, altert ihr Jegliches gleich.
Strebe hinaus aus der Zeit, nicht stürmend, ein törichter Schwärmer;
Doch wie's Menschen geziemt, stets mit dem Blicke voran.
Ob dun Großes vollbringst, ob flammend du Großes bewunderst,
Immer entfleugt dein Selbst über die Schranke des Jetzt;
Dort erst winkt dir des Schönen Gebiet, und selig entzückt sein
Heißt der Minute Geschenk fühlen als ew'gen Besitz.