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Trinklieder 3
 

Offener Brief von Vater Rhein
Das liebe Gold
Die Sage vom durstigen Minnesinger
Mahnung an Trink-Rekruten
Minnesingers Liebeswerbung in der Schenke
Gnomen für Trinklehrlinge
Der redende Weinkrug
Die Geschichte vom durstigen Schreiber
Eine bescheidene Zwischenrede des Dichters
Das Heldenlied vom durstigen Freiherrn

Offener Brief von Vater Rhein

an Herrn Baumgartner in Gumpoldskirchen

Ich schreib' aus fernen Marken,
Der Pflichten mir bewußt,
Dir, dem Erziehungs-Starken,
Den Dank aus meiner Brust.

Von meinen Reben-Kindern
Nahmst welche du zu dir:
Nicht wollt' und konnt' ich's hindern —
Doch Tränen kamen mir.

Ich hab sie dir gegeben,
Du braver Pädagog,
Der schon so viele Reben
Weltbürgerlich erzog.

Du hast es mir versprochen
Und gabst die Rechte drauf,
Hast nicht dein Wort gebrochen —
Du zogst sie ehrlich auf.

Du hast vom Frühlingsmorgen
Bis in des Herbstes Nacht,
Für Seel' und Leib zu sorgen,
Treu über sie gewacht.

Dein Werk ist dir gelungen; —
Denn unter deiner Hand
Aus meinen kleinen Jungen
Ein stark Geschlecht entstand.

Sie sind der Menschen Freude; —
Ihr Geist geliebt, begehrt,
Von Jude, Christ und Heide
Geachtet und verehrt.

Wie mich dein Wirken freute,
Was ich für dich empfand,
Erfahre du nun heute
Von meiner Vaterhand.

Ich gab ja nur das Leben,
Das bloße, nackte Sein. —
Was ich nicht hab' gegeben,
Erziehung — die ist dein.

Die wackern Jungen kamen
Zu Ruhm, durch dich geführt.
Ich habe bloß den Namen,
Die Ehre dir gebührt.

Drum will ich aller Wegen
Mit wogendem Gebraus
Erflehen Glück und Segen
Für dich und für dein Haus.

Das liebe Gold

Die Rebe trinkt in sich hinein
Juchheh!
Als Kind den goldnen Sonnenschein
Juchheh!
Und aus der Strahlen Gluten- Kraft
Braut sie der Traube süßen Saft
Juchheh!
Den lieben, goldnen Wein.

Man sagt wohl, daß Goldmacherei
Oh weh!
Anitzt als Kunst verloren sei.
Oh weh! —
Ei! Ei! es macht noch heut zu Tag
Die Rebe — Gold, — so viel sie mag
Juchheh!
Gott segne den Ertrag!

Drum, wenn auch nie noch unsre Hand
Oh weh!
Geprägtes Gold im Leben fand,
Oh weh!
So wollen wir doch schlürfen ein
Als flüssig Gold den Sonnenschein
Juchheh!
Aus manchem Glase Wein!

Die Sage vom durstigen Minnesinger

Lebt' einst ein Minnesinger,
Das war ein seltner Mann:
Wenn warm ihm wurde, fing er
So gern zu trinken an.
Im Hunger aß er manche Wurst,
Und seiner dürren Kehle
Gebrach es nie an Durst.

Ihm war der Spruch: "
Cantores,
Die Jeder doch verehrt, —
"Amant, amant humores"
Besonders lieb und wert.
Daher im Rundgewölb- Gemach
Dem edlen Minnesinger
Es nie an Durst gebrach.

Er stieg zum Fässer-Stollen
Gern durch der Treppe Schacht,
Gewann mit festem Wollen
Dort manche Geister-Schlacht,
Sang in der Tiefe dunklem Haus
Ein Lied bei lautem Echo,
Ging je der Durst ihm aus.

Ein Lehrer, ein bewährter,
Zu sein, das war sein Drang:
Die Fässer all belehrt er
Im hohlen Sang und Klang.
Sie fingen an im Wein-Verlust
Aus tiefem Baß zu singen —
Doch nur aus eitlem Durst.

Reich war der Kindersegen
Daheim in seinem Haus;
Da gab's ein lautes Regen,
Ein Schrei'n, ein wild Gebraus.
Als einst ein Greis er Abschied nahm,
Fühlt er an Menschenblüten
Sich reich — ein Abraham.

Stolz war er in der Seele
Auf Söhne mutig stark,
Gar mächtig in der Kehle,
Die Leber deutsches Mark.
Die Enkel, in der Welt zerstreut,
Erkennt ihr leicht als Sänger,
Wenn sie ein Trunk erfreut.

Mahnung an Trink-Rekruten

Wollt Ihr wahre Trinker sein,
Atmen nicht vergebens,
Blickt auch in Euch selbst hinein!
Immer muß Euch sein der Wein
Ein Symbol des Lebens.

Süß und Sauer hat der Wein,
So wie unser Leben.
Alkohol muß echt und rein
Als der Geist darinnen sein,
Um uns zu erheben.

Müßt nicht bloß ins Glas hinein
Eure Blicke senken:
Denken muß man auch beim Wein:
Blöd mag nur ein Öchselein
Seinen Magen tränken.

Minnesingers Liebeswerbung in der Schenke

Sei gegrüßt mir! guten Abend,
Schöne, kleine Kellnerin!
Weißt du, daß ich schon seit Monden
Dein getreuer Ritter bin.

Meine wundervollen Oden,
Drin besungen ich dein Herz,
Waren dir, du stolze Schenkin,
Nichts als ein gereimter Scherz.

Meine hohen Pracht-Gaselen
Galten deinem Ohr gering
Brachten sie dir doch nicht näher
Jenen vielbeliebten Ring.

Schenkin! reich' mit deine Rechte,
Nimm mich jetzt zu deinem Mann,
Glaube, daß nun meine Lyrik
Weib und Kind ernähren kann.

Bin ein Sänger, singe Lieder,
Wohn' erhaben unterm Dach;
Und im ganzen deutschen Lande
Singt man meine Lieder nach.

Bin ein wohlbekannter Dichter,
Leb' vom reichen Honorar:
Denn von jedem Taschenbuche
Schenkt man mir ein Exemplar.

Gnomen für Trinklehrlinge
was sind Gnomen? hier nachlesen.

I.
Kundwerdung

Das bißchen Grütze, das Einer hat,
Von Albernheit umsponnen,
Kommt in der Getränke Lagerstatt
Zuweilen an die Sonnen.

II.
Systematik

Wenn du jung dich fühlst, magst du
Gern und oft den Bierkrug heben.
Schließt sich dir die Jugend zu,
Stärke dich am Saft der Reben;
Und als Greis magst du mit Ruh
Dem Gebrannten dich ergeben.

III.
Weltmanns - Tugend

Ist deiner Stellung nach es dir bequem,
Als Mäßigkeits-Wardein dich stets zu zeigen,
Trink einsam du wie viel dir angenehm —
Nur mußt du immer davon schweigen.
Besprich als Diplomat du ungescheut,
Was weder Herz noch Magen dir erfreut.

Der redende Weinkrug

Du allerliebster Krug von Stein,
Fideles, altes Haus!
Wie tragt der Wirt dich zierlich fein
Oft aus der Schenk' hinaus!
Und dann im kühlen Keller drein
Rufst du ihm zu beim Ampelschein:
"Heb' aus! Heb' aus! Heb' aus!"

Wie fröhlich lacht dein rund Gesicht,
Fühlst du in dir den Wein!
Vom Geist beinah' dein Henkel bricht,
Gut, daß dein Leib von Stein.
Und bist du an des Tageslicht,
Dein Mund zu mir im Basse spricht:
"Schenk' ein! Schenk' ein! Schenk' ein!"

Ein Freund, ein Treuer, bist du mir
Fideles, altes Haus:
Viel frohe Geister schweben mir
Aus deinem Mund heraus.
Nehm' ich das Glas, da lächelst du
So liebevoll und sprichst dazu:
"Trink' aus! Trink' aus! Trink' aus!"

Und jederzeit betragst du dich,
Erprobter Krug von Stein,
Du Freund, du alter, gegen mich
Gebildet, höflich — fein,
Und pflegst pedantisch nicht zu sein,
Abwechselst oft die Reden dein:
"Schenk' ein!" "Trink aus!" "Schenk' ein!

Die Geschichte vom durstigen Schreiber
(Ballade im Kurial-Stil)

Ein armer Schreiber lebt' einstmals
Der spürte gar so oft im Hals,
Daß trocken seine Leber wär',
Meint' drum, zum Durstes-Heber wär'
Ein Gastwirt ihm als Schwieger sehr
Bequemlich vor sein Trinkbegehr,

Ein Schenkenkind, das wahr er nahm,
Macht' ihn drum gar so wundersam
Zum Ehgeding begehrlich auch.
Und da er anbei ehrlich auch,
Ging er in's Haus als Freiersmann,
Bot gleich als Schwiegersohn sich an.

Die Eltern sagten gar nicht "Nein",
Ob gleich er nur ein Schreiberlein;
Anitzo wägten Beide schon
Der Tochter Witwen-Pension
Und raiteten, er sei doch gut
Vor ein Versorgungs-Institut.

Bald war Hochzeit- und Ehrentag,
Ein fürsorg ehrenvoll Gelag.
Brautmutter strenget' an sich sehr,
Zu prangen mit der Küchen-Ehr.
Brautvater sorgt' vor Durstes-Naß,
Stach an ein altes Ehrenfaß.

Dem Kind, getreu gepflegt, gehegt,
Ward so des Glückes Grund gelegt.
Die Gäst' gefrommten den Gebrauch:
Sie aßen und sie tranken auch.
Der Bräutigam, er macht' beim Wein
Durst-Rückstands-Ausweis völlig rein.

Und somit endigt die Geschicht,
Draus jeder Denker gleich ersicht,
Sie sei nicht ohne tiefen Sinn.
Für Schreiber ist die Lehr' darin,
Daß sie, wenn oft sie durstig sein,
Wirtstöchter eben sollen frei'n.

Eine bescheidene Zwischenrede des Dichters
als er seine Trinklieder mit großer heimlicher
Selbstgefälligkeit überschaute


Oh! wie manches Gedicht, das der Sänger allhier
Unter anderen Liedern Euch bringt,
Wird gerundet erst dann, wenn es schmeichelnd tief
In ein Herz, das empfindet, dringt;
Doch vollendet und fertig erscheint es dem Ohr,
Wenn ein Fröhlicher freudig es singt,
Wenn der menschlichen Stimmen Zauberklang
Mit Akkorden dazwischen erklingt.

Das Heldenlied vom durstigen Freiherrn
(Romanze)

Einstmals lebt' ein edler Freiherr
Deutschen Bluts, der nebenbeiher
Innig liebte gutes Bier.
Weine tät er all verachten,
Kämpft mit ihnen keine Schlachten,
Schwor es: "Bier, treu bleib' ich dir!"

Und derselbe machte Reisen,
Gründlich sich zu unterweisen
Von des Leibgetränkes Kraft,
Wanderte nach vielen Orten,
Bierte da und bierte dorten —
Immer treu dem Gerstensaft.

Als nach Bayern er gekommen
Hatt' er oft sich übernommen
Dort am Trank, der ihm so lieb.
Drum er auch in jenem Lande
Durch die süßen Bieres-Bande
Manches Jahr gefesselt blieb.

Was alldort noch zu erbeuten
Für das Aug', er ließ den Leuten,
Die auf andern Wegen geh'n,
Die Kunstwerke gern beschauen,
Dran sich Herz und Kopf erbauen —
Doch vom Märzen Nichts verstehn.

Konnte wohl sein Durst sich mildern
An den Bauten, an den Bildern,
Oder an der Glyptothek?
Drum auch an den Theken allen
Sah man ihn vorüberwallen
Stolz, vornehm, gleichgiltig, keck.

Täglich konsequenter -Weise
Hatt' er nach gewohntem Gleise
Einem Brauhaus angehört,
Ward am Tisch durch Kunstberichte,
Grad als wären's ihm Gedichte,
Oft im Trinken sehr gestört.

Als er lang genug geduldet,
Jahre durch ganz unverschuldet
Leiden solch Gespräch gemußt,
Wollt' er seinen wackern Magen
Aus dem lieben Lande tragen,
Wo er schon so fest gefußt.

Und da kam er wohlerhalten
Durch des Dampfes gütig Walten
In das Ob-der-Ennser Land,
Wo sein Mund, abhold dem Moste,
Zur Befriedigung, zum Troste
Alles Bier so trefflich fand.

Doch auch hier ward seinen Ohren
Manche Kümmernis geboren:
Leben wollt' er trinkend nur,
Und doch hört' er immer jeden
Wand'rer deklamierend reden
Von der herrlichen Natur.

Jahre lang hat unverschuldet
Solchen Jammer er geduldet, —
Endlich mußt' er weiter fliehn,
Schwamm, von einem Floß getragen,
Mit dem oft gestörten Magen
Nach dem lieben, alten Wien.

Ruhe meint er sich beschieden,
Und zu finden holden Frieden
In der frohen Kaiserstadt.
Was gesucht sein edles Herze,
Dort zu seinem Leid und Schmerze
Nirgends er gefunden hat.

Zeitungs-Wörter hört er schallen
In den kleinsten Bieres-Hallen —
Von der Börse Mancherlei;
Der Bierpreis hört er klagen; —
Und er fühlt mit Mißbehagen,
Daß allhier kein Bleibens sei.

Darob ward er sehr verdrießlich,
Was dem Durst nicht sehr ersprießlich,
War wehmütig, wanderkrank
Einst nach Schwechat auch geraten,
Das sein Arzt ihm still verraten,
Labt' sich dort am Göttertrank.

Auch behagt ihm sehr die Gegend,
Flach und nicht Romantik hegend,
Mahnend an das Meer gar sehr,
Nichts als vielen Himmel tragend,
Kein Gesträuch, kein Bäumlein wagend —
Pure Gegend rings umher.

Schwechat selbst tät ihm gefallen;
Drum auch wollt' er sich vor Allen
Seine Hütte bauen hier; —
Konnte den Gebirgs-Partien
Hier sich gar so leicht entziehen,
Ruhig laben sich am Bier.

Künsten konnt' er hier entfliehen:
Keine Bilder-Galerien
Stellen hier sich in den Weg.
Und kein Börsejud-Gejammer
Achtelt in der Brauhaus-Kammer,
In des Durstes Lustgeheg'.

Und mit innigem Behagen
Tränkt' er vornehm seinen Magen
Mit des Dreher Meister-Trank,
Speiste kohlensaure Erde,
Ward er im Verdauungs–Herde
Vom Zuviel je etwas krank.

So verbringt er manche Tage,
Manchen Abend ohne Klage
Ruhig im gewohnten Gleis.
Tut in Träum' er je versinken,
Eine Woche wenig trinken,
Fällt in Wien des Lagers Preis.

Also führt der edle Freiherr
Deutschen Bluts, der nebenbeiher
Tiefer Kenner ist vom Bier,
Dort sein musterhaftes Leben:
Ihn beherrscht nur ein Bestreben —
Treuer Durstespflicht Begier.