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Arabeske Gedichtform
 

Arabesken 1
 

Die Tiere
Der Adler
Der Wolf
Der Hirsch
Der Pfau
Unerreichbar
Die Biene
Der Affe
Die Schlange
Der Maulwurf
Das Irrlicht
Die Sonne
Die Sonnenuhr
Die Wespe
Der Fuchs
Der Esel und der Bär
Der Kater zur Kätzin
Der Krebs
Der Storch
Der Elefant
Der Dudelsack
Die Glocke und die Lerche
Das Fräulein
Die Wasseramsel
Die Trespe
Frösche
Die Rübe
Lehre
Naturlaut
Die Farben
Der Sauerkohl
Die Fledermaus
Die Schwalbe
Naturrecht
Der Hahn
Schön

Die Tiere

Wählt ihr uns zum Wirtshausschild?
Wählt ihr uns zum Wappen?
Leider scheint's, will hier und dort
Der Vergleich nicht klappen.
In der Fabel leiht sogar
Ihr uns eure Züge,
Doch wir sind stets, was wir sind,
Wissen nichts von Lüge.

Darum nehmt uns als Symbol
Euer Tun zu decken,
Nur in unsre Häute sollt
Ihr euch nicht verstecken.

Der Adler

Der Adler ist im Grund ein Lump,
Er könnt' herunten bleiben,
Er braucht sich über Wolken nicht
Dort stolz herum zu treiben.

Wir täten ihn auf unsrem Hof
Mit Weizenkörnern mästen
Und setzten ihn am Sonntag dann
Gebraten vor den Gästen.

Der Wolf

"Sieh' mich, hör' mich, wie ich heute
Faste, heule, dir zu Ehren",
Schrie der Wolf; — "schick' eine Beute
Deinen eignen Ruhm zu mehren."
Spottend rief ein weiser Rabe:
"Soll die Not dich beten lehren?
Ganz umsonst! — Wenn eine Gabe
Nicht der Zufall will bescheren.
Darum schiele nicht nach oben,
Daß die Kinder dich verlachen,
Willst du einen Herrgott loben? —
Das Gebiß in deinem Rachen!"

Der Hirsch

Im Walde liegt der Hirsch gestreckt,
Das Füchslein grinst und bellt,
Das Füchslein, das er in die Luft
Mit dem Geweih sonst prellt.
Die Brüder ladet er zum Fraß,
Sie lecken froh den Schweiß,
Sie halten offen Tafel heut, —
Das Blei gewann den Preis.
Paßt auf! wo andre sä'n, da ist
Für euch die Ernte leicht
Und wo der Aar nicht fliegen kann,
Oft noch das Füchslein schleicht.

Der Pfau

Es stellt der Pfau im Prachtornat
Sich vor dem Vögelchore, —
Und hätt' er rote Strümpfe an,
So wär' er Monsignore.
Und schritt er vor den andern erst
Daher auf roten Sohlen,
So tät aus ihrem Futter er
Wohl gar den Zehent holen.
Sie müßten dann beim Hochamt ihm
Demütig ministrieren:
Bei der Kapelle soll der Specht
Den Taktstock rüstig führen.
Der Dompfaff kriegte seinen Teil,
Noch mehr die schwarze Krähe,
Der lange Storch, der würd' Hatschier,
Daß er zur Ordnung sehe.
Doch ach! Die ganze Herrlichkeit
Sie kann nicht recht gedeihen,
Die Ursach' ist, daß rote Strümpf'
Ihm Gott nicht will verleihen.

Unerreichbar

Unter einem grünen Baum
Saß betrübt ein Kätzlein
"Warum fällt mir nicht herab
Von dem Ast das Spätzlein?" —
"Kätzlein steig' herauf zu mir,
Bin dir sehr gewogen!"
Kätzlein steigt, das Spätzlein ist
Schon davon geflogen.

Die Biene

Hätt' die Biene Honig nicht
In den Stock getragen,
Hätte mit der Tatze sie
Nicht der Bär erschlagen.

Der Affe

Was soll der junge Affe lernen?
Er ist so weise, wie die Alten!
Er trägt ja schon auf Stirn und Wange, —
Siehst du es nicht? — die gleichen Falten.

Die Schlange

Hat sich die Schlange gehäutet auch,
Sie kriecht doch wieder auf dem Bauch.

Der Maulwurf

Maulwurf ist ein Erzprofessor;
Mit geschloßnen Augenlidern
Hält er drunten einen Vortrag
In der Höhle seinen Brüdern.
"Über uns, — sie heißen's Himmel, —
Soll ein Ding, die Sonne kreisen,
Das ist eine dumme Lüge,
Klar will ich es jetzt beweisen.
Erstens sagen es die Menschen, —
Toren, wie leicht zu ermessen!
Denn nicht gelten Engerlinge
Ihnen für Delikatessen.
Zweitens sind wir große Denker,
Die im tiefsten Grunde graben,
Schwerlich könnt ihr euch erinnern
Je das Ding geseh'n zu haben.
Daß sie folglich nur ein Märchen,
Läßt vernünftiglich sich schließen!"
Mit den Pfoten klatschten alle:
"Großer Meister, sei gepriesen!"

Das Irrlicht

"Besser bin ich als die Sonne",
Rief das Irrlicht auf der Pfütze,
"Weil ich, wenn auch Wolken dunkeln
Einsam noch im Schilfrohr blitze.

Darum singen mir zu Ehren
Zwischen Binsen stets die Unken,
Hören könnte sie die Lieder,
Wär' sie nicht im West versunken."

Sternlein oben, Irrlicht unten —
Jedes glänzt an seiner Stelle,
Sternlein oben, Irrlicht unten —
Gleich sind wir an Ruhm und Helle!

Daß die Sonne darf erscheinen,
Ist nur Gnade von uns beiden,
Schwerlich gäb' es einen Morgen,
Wollten wir uns nicht bescheiden.

Sternlein oben, Irrlicht unten!
Uns allein gebührt die Ehre,
Weil, wenn wir es nicht erlauben,
Weder Tag noch Sonne wäre!

Die Sonne

Eine Kugel ist die Sonne, —
Die vollendetste Gestalt!
Eine Kugel ist der Tropfen,
Der als Regen niederwallt.

Was Gesetz ist für das Weltall,
Soll für dich Gesetz auch sein:
Schließ' harmonisch dich zur Einheit
Bist du groß nun oder klein.

Die Sonnenuhr
(22. 9. 1897)

"Dieses wäre jetzt die Stunde?
Auf! Die Sonnenuhr zerschlagen!
Weil nun für den Lauf der Zeiten
Wir das Maß im Kopfe tragen."

Doch die Sonne wandelt ruhig
Hoch am Himmel ihre Kreise,
Und es bringt auch eure Weisheit
Sie nicht aus dem alten Gleise.

Die Wespe

Einst beklagte sich die Wespe:
"Warum denn verfolgt ihr mich?
Hab' ich niemals doch gestochen,
Tückisch weder dich, noch dich!" —
"Aber den und den — du falsche,
Wie es eben dir gefiel,
Darum stirb, so wird dann niemand
Deines bösen Stachels Ziel."

Der Fuchs

"Logisch ist's: für uns geschaffen
Hat der Herrgott Huhn und Taube!"
Sprach der Fuchs, — an diesem Dogma
Halte fest der fromme Glaube.

Der Esel und der Bär

Dem Esel wollt' es nicht behagen
Den Kornsack länger fort zu tragen;
Bedenklich schüttelt er die Ohren:
"Bin ich zur Freiheit nicht geboren?
Hat nicht sogar die kleine Maus
Im Acker dort ihr eigen Haus?
Und ich bin groß!" — Er ward hoffärtig
Und aus der Hoffart ungebärdig:
Den Müller warf er in den Bach
Und beide Säcke hinten nach.
Dann sang er, daß im grünen Wald
Es lustig durch die Bäume hallt,
Und sprang und lief; — dort floß ein Quell
Aus einem Felsen klar und hell.
Im Grase lag bequem ein Bär,
Nicht hat er Durst, doch Hunger mehr;
Den tat der Esel freudig grüßen
Und wollt' ihn fast vor Wonne küssen:
"Im freien Walde sind wir gleich
Wie Brüder in dem Himmelreich,
Denn hab' ich läng're Ohren auch,
So ist doch Hochmut nicht mein Brauch!" —
Der Bär — brumm brumm! tat sich erheben
"Du kannst ein gutes Frühstück geben!" —
Zu Boden hat er ihn geschlagen,
Was sollt' er nach dem Stammbaum fragen?

◊◊◊

Ihr Esel, tragt die strenge Zucht,
Sonst führt zum Bären euch die Flucht,
Der mit den rohen Tatzen geigt
Und euch die wahre Freiheit zeigt,
Daß bei dem Tanz ihr Leib und Leben
Dem Spielmann müßt als Trinkgeld geben.

Der Kater zur Kätzin

"Unsern Haushalt zu bestellen
Ist bisher mir leicht gelungen:
Du versorgst dich selbst mit Futter
Und ich fresse auf die Jungen."

Der Krebs

"Euer Glück will ich begründen!"
Sprach der Krebs zu seinen Jungen,
"Hört ihr, wie auf allen Straßen
Nur vom Fortschritt wird gesungen?
Darum ändert eure Mode,
Nicht mehr rückwärts sollt ihr wandern,
Wollt ihr euer Bestes suchen,
Folgt dem Beispiel doch der Andern!"
Und so trat er an die Spitze
Seine Lieben vor zu führen,
Aber ach! trotz aller Mühe
Könnt' er rückwärts nur marschieren.

Der Storch

Kam der Storch auf langen Beinen
Übermütig wie ein Brite
Voll Verachtung für den Maulwurf,
Weil der kroch nach alter Sitte.
Dieser sprach zum fremden Gaste,
Der ihn maß mit stolzen Blicken:
"Will ich — dir gleich — Würmer fressen,
Brauch' ich mich nicht erst zu bücken!"

Der Elefant

Fliegen will der Elefant,
Alle Vögel lachen,
Auf den Boden stürzt er hin,
Daß die Knochen krachen.

Der Dudelsack

Zur Orgel sprach der Dudelsack:
"Sieh'! meine Lieder packen,
Nach meinen Tönen drehen sich
Kroaten und Slowaken.
Beifällig stampfen sie den Takt
Gleich ausgelassnen Pferden
Und willst du etwas gelten noch
Mußt du volkstümlich werden!"

Die Glocke und die Lerche

           Die Glocke:

Zu der Lerche sprach die Glocke:
"Feierlich ertönt mein Klingen!
Und du wagst es unbescheiden
Über meinem Kopf zu singen?" —

           Die Lerche:

"Nicht auf deinem eignen Fittig
Fliegst du zu des Turmes Scheitel,
Fremde Hand nur macht dich tönen,
Darum Freundin — sei nicht eitel!
Doch mein Lied — der kleinste Triller
Dringt empor aus freier Kehle
Und wohin mich trägt mein Fittig, —
Dient er nur der freien Seele."

Das Fräulein

Gänslein, Gänslein, Gänslein weiß,
Gänslein auf der Weide,
Wie du schwänzelst mit dem Steiß,
Keusch im Unschuldkleide!

Watscheln kannst du, fliegen nicht
Aus dem feuchten Grase,
O du Engelsangesicht
Mit der gelben Nase!

Die Wasseramsel
31. 12. 1893

Aus dem grauen Morgennebel
Steigt die Sonne, wie ein Traum,
Reich geschmückt mit Silberfransen
Glänzt im Froste Baum an Baum.

Rauch verhüllt des Stromes Fluten
Und in Schollen treibt das Eis,
Auf der größten steht und zwitschert
Laut ein Vöglein braun und weiß.

Denkt's an den entschwund'nen Sommer?
Sinnt es auf den nächsten Mai?
Oder ist der Zeiten Wechsel
Froher Gast! — dir einerlei?

Die Trespe

Stolz erhob sich einst die Trespe
Aus der jungen grünen Saat:
"Könnt ihr meinen Rang bezweifeln?
Weizen bin ich in der Tat!"
Prahle nur, bis unbarmherzig
Über dich der Jäter kommt,
Liegst du welkend auf der Straße,
Hat der Platz dir nicht gefrommt.

Frösche

"Hätten Zähne wir, so wollten
Wir mit Storch und Kranich kämpfen,
Hätten wir doch scharfe Zähne
Ihren Übermut zu dämpfen!" —
"Hättet ihr auch scharfe Zähne,
Tätet ihr nach alter Sitte; —
Wenn der Storch, der Kranich kämen,
Sprängt ihr in des Sumpfes Mitte."

Die Rübe

"Warum stellt man diese Blumen
Auf den Tisch zur Zier?
Darf sich an Gesundheit eine
Wohl vergleichen mir?"
So beklagte sich die Rübe
Zornig auf dem Feld,
Dennoch hat man in der Küche
Sie an's Feu'r gestellt.

Lehre

Es sprach die alte Viper einst
Zu ihrem Töchterlein:
"Du sollst dich wagen nur hervor
Bei warmem Sonnenschein.
Und wenn — vielleicht durch eigne Schuld,
Dir irgend was mißlingt,
So beiße, daß den Vordermann
Dein Giftzahn schnell bezwingt!"

Naturlaut

"Im Naturlaut sollt ihr singen!"
Gimpel haben es vernommen
Und es ist der Geist der Dichtung
Plötzlich über sie gekommen.
Schäflein, Schöpse, Ziegen hör' ich
Lustig schon im Chore blöken,
Daß nichts fehle, sei zu stinken
Auch gestattet allen Böcken.

Die Farben

Die Farben all zusammen,
Die stritten um ihr Recht,
Denn herrschen wollte jede
Und keine werden Knecht.
Da kam ein großer Meister, —
Fragt nur, wo solche sind?
Der goß in einen Hafen
Die Farben jetzt geschwind.
Besudelt war des Purpurs
Erhab'ne Kaiserpracht,
Doch höhnisch hat vor andern
Das Schwarz dabei gelacht.
Das Gelb, das Blau verloren,
Ein niedres Grau gewann.
Und dieser Maler ist euch
Ein hochgeehrter Mann.

Der Sauerkohl

Bei den Blumen nah und weit
War ein groß Gedränge
Und man hörte scharfen Streit
Über Kürze, Länge.
Plötzlich rief der Sauerkohl:
"Dicke nur entscheidet,
Und da gibt es keinen wohl,
Der mich nicht beneidet!"

Die Fledermaus

Du bringst in einem Vogelhaus
Zu Markt die edle Fledermaus.
Sie spreitet sich und piepst und schreit,
Doch hat's zur Nachtigall noch weit,
Und dennoch sammeln sich die Laffen,
Das Wunder staunend zu begaffen.

Wer darf noch lachen? — Weltbekannt
Sind ja die Leutchen und ihr Land! —
Der bietet viel, und jener mehr
Sie streiten lärmend hin und her
Und hätten bald sich blau geschlagen:
Wer heim den Vogel dürfe tragen.

Drum hast du eine Fledermaus
Biet' auf dem Markte keck sie aus.

Die Schwalbe

Jeden Frühling hat die Schwalbe
Von Ägypten heim gefunden
Und sie trägt Hieroglyphen
Uralt an den Schwanz gebunden.
Wer Philosophie betrieben,
Kann sie deuten nach Belieben.

Naturrecht

Einsamkeit, so weit der Blick nur
Über's Land vermag zu reichen —
Armer Wandrer, fort in Eile,
Siehst du dort den Tiger schleichen?

"Hab' ich dich!" — er packt ihn grimmig,
Wirft ihn auf die Erde nieder
Und die scharfen Klauen schlägt er
In des Mannes schwache Glieder.

Auf zum Himmel fleht er, schreit er —
Sieh da kommt der Leu gesprungen
Und dem Tiger hat er brüllend
Schon die Beute abgezwungen.

"Darfst du morden, Straßenräuber?
Wo den Frieden ich geboten?
Flieh! — schon hob er seine Tatze, —
Oder du liegst bei den Toten!"

Dann zum frohen Wandrer sprach er:
"Willst du dich vom Boden heben?
Hab' ich dir nicht Recht gesprochen?
Doch die Sporteln zahlt dein Leben."

Der Hahn

Einen Hahn, den Herrn des Hofes,
Hatte frech der Fuchs geraubt,
Die verwaisten Hühner suchten
Traurig sich ein neues Haupt.

Seinen Busch, die Sichelfedern,
Zeigte prahlend der Kapaun,
Alle huldigten; dann schwang er
Statt des Hahns sich auf den Zaun.

Doch es rief die alte Henne:
"Schwestern, ihr habt schlecht gewählt,
Nützen euch die stolzen Federn,
Wo der Sporn zum Reiten fehlt?"

Schön

Stacheln schützen meine Träubchen
Sauerdorn rot wie Korallen,
Und daneben blaut die Schlehe:
Fremdling, laß es dir gefallen.
Korn und Rebe mag dir nützen, —
Ziehe finster nicht die Brauen! —
Bieten wir auch keine Frucht dir,
Sind wir schön doch anzuschauen.