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VI.
Unsere Träume sind Marmorhermen

 

Unsere Träume sind Marmorhermen
Es ist noch Tag auf der Terrasse
Das sind die Stunden, da ich mich finde
Der Abend ist mein Buch
Oft fühl ich in scheuen Schauern
Und so ist unser erstes Schweigen
Aber der Abend wird schwer
Wir sind ganz angstallein
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Nenn ich dich Aufgang oder Untergang
Senke dich, du langsames Serale
Kann mir einer sagen
Wie wir auch alles in der Nacht benannten
Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt
Auch du hast es einmal erlebt, ich weiß
Wenn die Uhren so nah
Ich weiß es im Traum
Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt
Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht

 

Unsere Träume sind Marmorhermen


Unsere Träume sind Marmorhermen,
Die wir in unsere Tempel stellen,
Und sie mit unseren Kränzen erhellen
Und sie mit unseren Wünschen erwärmen.

Unsere Worte sind goldene Büsten,
Die wir in unsere Tage tragen, -
Die lebendigen Götter ragen
In der Kühle anderer Küsten.

Wir sind immer in Einem Ermatten,
Ob wir rüstig sind oder ruhn,
Aber wir haben strahlende Schatten,
Welche die ewigen Gesten tun.

Es ist noch Tag auf der Terrasse

Es ist noch Tag auf der Terrasse.
Da fühle ich ein neues Freuen:
Wenn ich jetzt in den Abend fasse,
Ich könnte Gold in jede Gasse
Aus meiner Stille niederstreuen.

Ich bin jetzt von der Welt so weit.
Mit ihrem späten Glanz verbräme
Ich meine ernste Einsamkeit.

Mir ist, als ob mir irgendwer
Jetzt leise meinen Namen nähme,
So zärtlich, daß ich mich nicht schäme
Und weiß: Ich brauche keinen mehr.

Das sind die Stunden, da ich mich finde

Das sind die Stunden, da ich mich finde.
Dunkel wellen die Wiesen im Winde,
Allen Birken schimmert die Rinde,
Und der Abend kommt über sie.

Und ich wachse in seinem Schweigen,
Möchte blühen mit vielen Zweigen,
Nur um mit allen mich einzureigen
In die einige Harmonie...

Der Abend ist mein Buch

Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
Die Deckel purpurn in Damast;
Ich löse seine goldnen Spangen
Mit kühlen Händen, ohne Hast.

Und lese seine erste Seite,
Beglückt durch den vertrauten Ton, -
Und lese leiser seine zweite,
Und seine dritte träum ich schon.

Oft fühl ich in scheuen Schauern

Oft fühl ich in scheuen Schauern,
Wie tief ich im Leben bin.
Die Worte sind nur die Mauern.
Dahinter in immer blauern
Bergen schimmert ihr Sinn.

Ich weiß von keinem die Marken,
Aber ich lausch in sein Land.
Hör an den Hängen die Harken
Und das Baden der Barken
Und die Stille am Strand.

Und so ist unser erstes Schweigen

Und so ist unser erstes Schweigen:
Wir schenken uns dem Wind zu eigen,
Und zitternd werden wir zu Zweigen
Und horchen in den Mai hinein.
Da ist ein Schatten auf den Wegen,
Wir lauschen, - und es rauscht ein Regen:
Ihm wächst die ganze Welt entgegen,
Um seiner Gnade nah zu sein.

Aber der Abend wird schwer

Aber der Abend wird schwer:
Alle gleichen verwaist
Kindern jetzt; die meisten
Kennen einander nicht mehr.
Gehn wie in fremdem Land
Langsam am Häuserrand,
Lauschen in jeden Garten, -
Wissen kaum, daß sie warten,
Bis das Eine geschieht:
Unsichtbare Hände heben
Aus einem fremden Leben
Leise das eigene Lied.

Wir sind ganz angstallein

Wir sind ganz angstallein,
Haben nur aneinander Halt,
Jedes Wort wird wie ein Wald
Vor unserm Wandern sein.
Unser Wille ist nur der Wind,
Der uns drängt und dreht;
Weil wir selber die Sehnsucht sind,
Die in Blüten steht.

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
Und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
Sie wissen alles, was wird und war;
Kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
Ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: Sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.


Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?

Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?
Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bang
Und greife scheu nach seiner Rosen Röte -
Und ahne eine Angst in seiner Flöte
Vor Tagen, welche liedlos sind und lang.

Aber die Abende sind mild und mein,
Von meinem Schauen sind sie still beschienen;
In meinem Armen schlafen Wälder ein, -
Und ich bin selbst das Klingen über ihnen,
Und mit dem Dunkel in den Violinen
Verwandt durch all mein Dunkelsein.

Senke dich, du langsame Serale

Senke dich, du langsame Serale,
Das aus feierlichen Fernen fließt.
Ich empfange dich, ich bin die Schale,
Die dich faßt und hält und nicht vergießt.

Stille dich und werde in mir klar,
Weite, leise, aufgelöste Stunde.
Was gebildet ist auf meinem Grunde,
Laß es sehn. Ich weiß nicht, was es war.

Kann mir einer sagen

Kann mir einer sagen, wohin
Ich mit meinem Leben reiche?
Ob ich nicht auch noch im Sturme streiche
Und als Welle wohne im Teiche,
Und ob ich nicht selbst noch die blasse, bleiche
Frühlingsfrierende Birke bin?

Wie wir auch alles in der Nacht benannten

Wie wir auch alles in der Nacht benannten, -
Nicht unser Name macht die Dinge groß:
Es kommen Pfeile, stark und atemlos,
Aus Bogen, welche sich zu Spielen spannten.

Und so Pilger, welche unvermutet,
Da eines letzten Vorhangs Falten fielen,
Den Altar schaun, darauf der Becher blutet,
Und nicht mehr rückwärts können aus dem Heile:
So in die Kreise stürzen sich die Pfeile
Und stehen zitternd mitten in den Zielen.

Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt

Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt,
Wo nach stummen Gesetzen
Sich die Gassen mit Gassen vernetzen
Und sich Plätze fügen zu Plätzen,
Und die bald an die tausend Türme hat.

Aber die Häuser der schwarzen Stadt, -
Du weißt nicht, wer darin siedelt.

In ihrer Gärten schweigendem Glanz
Reihen sich reigende Träume zum Tanz, -
Und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt...

Auch du hast es einmal erlebt, ich weiß

Auch du hast es einmal erlebt, ich weiß:
Der Tag ermattete in armen Gassen,
Und seine Liebe wurde zweifelnd leis -

Dann ist ein Abschiednehmen rings im Kreis:
Es schenken sich die müden Mauermassen
Die letzten Fensterblicke, hell und heiß,

Bis sich die Dinge nicht mehr unterscheiden.
Und halb im Traume hauchen sie sich zu:
Wie wir uns alle heimlich verkleiden,
In graue Seiden
Alle uns kleiden, -
Wer von uns beiden
Bist jetzt du?

Wenn die Uhren so nah

Wenn die Uhren so nah
Wie im eigenen Herzen schlagen,
Und die Dinge mit zagen
Stimmen sich fragen:
Bist du da? -

Dann bin ich nicht der, der am Morgen erwacht,
Einen Namen schenkt mir die Nacht,
Den keiner, den ich am Tage sprach,
Ohne tiefes Fürchten erführe -

Jede Türe
In mir gibt nach...

Und da weiß ich, daß nichts vergeht,
Keine Geste und kein Gebet
(Dazu sind die Dinge zu schwer) -
Meine ganze Kindheit steht
Immer um mich her.
Niemals bin ich allein.
Viele, die vor mir lebten
Und fort von mir strebten,
Webten,
Webten
an meinem Sein.

Und setz ich mich zu dir her
Und sage dir leise: Ich litt -
Hörst du?

        
Wer weiß wer
         Murmelt es mit.

Ich weiß es im Traum

Ich weiß es im Traum,
Und der Traum hat recht:
         Ich brauche Raum
         Wie ein ganzes Geschlecht.

Mich hat nicht Eine Mutter geboren.
Tausend Mütter haben
An den kränklichen Knaben
Die tausend Leben verloren,
Die sie ihm gaben.

Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt

Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt,
Streut der Sturm auch den welkenden Wald
In den Gleichmut des Sees, -
Die Schönheit wächst aus der engen Gestalt;
Sie wurde reif, und mit milder Gewalt
Zerbricht sie das alte Gefäß.

Sie kommt aus den Bäumen
In mich und in dich,
Nicht um zu ruhn;
Der Sommer ward ihr zu feierlich.
Aus vollen Früchten flüchtet sie sich
Und steigt aus betäubenden Träumen
Arm ins tägliche Tun.

Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht

Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht  
Und sagt: Ich bin.
          Ein Gott, der seine Stärke eingesteht,
Hat keinen Sinn.
         Da mußt du wissen, daß dich Gott durchweht
Seit Anbeginn,
         Und wenn dein Herz dir glüht und nichts verrät,
Dann schafft er drin.