| In ihr Tagebuch 
 Wie viele Stürme hast du schon ertragen,
 Du junges, reiches Herz!
 Du hast in Trauer, Leid und Schmerz
 Dem Edlen und dem Rechten nur geschlagen!
 
 Zu Ende sind der Prüfung schwere Stunden,
 Wohl dir, daß du vertraut!
 Ich hab' entzückt dein Innerstes erschaut,
 Und ewig, ewig bleib ich dir verbunden.
 
 Nun soll in Freude hin dein Leben fließen,
 — So will es dein Geschick —
 Im Glückesglanze leuchte nur dein Blick
 Und keine Träne sollst du mehr vergießen!
 
 Was du mir bist
 
 Wie herrlich mir, durch dich geschmückt,
 Ein neues Leben lacht!
 Ich bin geliebt, ich bin beglückt,
 Wie immer ich's gedacht;
 Mein Herz, berauscht vom Freudenglanz',
 Der deinen Blick umfließt,
 Ist so beseligt, daß es ganz
 Sein eigen Glück vergißt!
 
 O glaube nicht, ich sei verstimmt,
 Wenn Schweigen mich erfaßt!
 Gib mir das Wort, das von mir nimmt
 Zu große Glückeslast, —
 Das Wort, nach dem mein Dichten all'
 Ein fruchtlos Suchen ist,
 Das alles sagt mit Einem Schall,
 Was du, nur du mir bist!
 
 Du bist die Sonn', vor der sogleich
 Des Ruhmes Stern erbleicht,
 Du bist der Quell, erquickungsreich,
 Den wandernd ich erreicht.
 Du bist das Licht am Küstenturm,
 Nach dem ich längst begehrt,
 Nach dem mein Schiff, aus Drang und Sturm
 Die Segel sehnend kehrt!
 
 Du bist die Blume, die ich oft
 Gesucht, von Land zu Land,
 Die Perle, die ich unverhofft
 Am Strande liegend fand;
 Bist meines Lebens Schmuck und Zier,
 Mein Hoffen, Stolz und Mut,
 Ach! Alles bist du mir,
 Was schön und hold und gut!
 
 Du bist mein einziger Gesang,
 Mein erster, letzter Laut,
 Du bist, o vielgeliebter Klang!
 Mir treue Herzensbraut;
 Du bist der Tag, der morgenrot
 Mein schlummernd' Aug' berührt,
 Die Schwesterseele, die ein Gott
 Der meinen zugeführt!
 
 Im Walde
 
 O Wonnestunde, nur mit dir
 Im kühlen Wald zu sein!
 Mir ist zu Mut, als wären wir
 Auf dieser Welt allein.
 
 Die Mücke schwirrt, der Käfer summt
 Im dunklen Moose nur,
 Denn nirgend ganz und gar verstummt
 Das Leben der Natur.
 
 Und alles, was da tönt und singt,
 Wird Himmelsmelodie,
 Die wunderbar zusammenklingt
 Zu Einer Harmonie.
 
 Du sprichst so hold, das Wasser rauscht
 Dazwischen her von fern,
 Du blickst und sprichst so hold! Wie lauscht
 Dir meine Seele gern!
 
 Denn jedes Wort und jeder Blick
 Aus deinem treuen Sinn
 Erhöht das namenlose Glück,
 Von dem ich trunken bin.
 
 Gebet
 
 Du güt'ge Nacht! du ließest nimmermehr
 Uns diese Seligkeit gedeih'n,
 Wenn's nicht dein stillbeschloss'ner Wille wär',
 Ihr lange Dauer zu verleih'n!
 
 Blick' nicht auf mich, der erst verdienen soll
 Das schöne Los, das ihm beschert,
 Auf ihre Seele blicke liebevoll,
 Die längst des reichsten Glückes wert!
 
 Blick' nicht auf mich! O blicke einzig nur
 Auf der Geliebten reines Herz,
 Und banne d'raus jedwede leise Spur
 Von Zweifel, Kummer, Angst und Schmerz.
 
 Ja, diesem Herzen will ich ewiglich
 Mein Leben, meine Liebe weih'n!
 Laß' dieses süße Werk vollenden mich,
 Und laß' uns Beide glücklich sein!
 
 Wasserfahrt
 
 Tiefschlummernd nun im Vollmondschein
 Des Teiches Wasser ruht,
 Ringsum verneigen sich herein
 Die Bäume auf die Flut.
 
 Du aber lenkest anmutvoll,
 Geschickt den kleinen Kahn,
 So holder Schiff'rin traute wohl
 Noch nie ein Mensch sich an!
 
 Ich höre dich, ich sehe dich,
 Genug! ich bin bei dir!
 Und Herz und Herz verstehen sich,
 Was sollen Worte hier?
 
 Verwundert schau'n vom Himmelszelt
 Der Mond, die Sterne d'rein,
 Daß so beglückt auf dieser Welt
 Zwei Menschen können sein!
 
 Genuß der Gegenwart
 
 Einst strebt' ich in der Zukunft Ferne
 Mit ungeduldiger Begier,
 Doch nun verweile ich so gerne
 Du gold'ne Gegenwart, bei dir!
 Im ganzen weiten Reich der Träume
 Ist kein so schönes Glück verhüllt,
 Wie's nun im Schatten dieser Bäume
 Lebendig, wirklich mich erfüllt.
 
 Was in Gedichten und Romanen
 Mir sehnsuchtreizend vorgeschwebt,
 Und mich durchbebt mit süßem Ahnen,
 Ich hab's erfahren, hab's erlebt.
 Zu jeder Stunde möcht' ich sagen:
 Du bist so traut, verweile noch!
 Um jede Stunde möcht' ich klagen,
 Entflieht sie trotz der Bitte doch!
 
 Denn nun umglänzt mich hell und heller
 Der Liebe voller Sonnenschein,
 Es schlägt mein Herze schnell und schneller:
 Das beste, reichste Herz ist mein!
 Ein unerschöpflich tiefer Bronnen —
 Und jeder neuer Morgen weckt
 Mich auf zu neuer Schätze Wonnen,
 Die meine Seele d'rin entdeckt!
 
 Immer mehr!
 
 Daß meine Liebe wachsen mag,
 Es fiel mir oft zu glauben schwer;
 Doch sagt mir's jeder neue Tag:
 Ich liebe mehr und immer mehr!
 
 Und immer mehr entzück'st du mich!
 Und immer mehr nenn' ich dich mein!
 Und immer wärmer schließ' ich dich
 In meine tiefste Seele ein!
 
 Das ist der echten Liebe Zug,
 Daß es in ihr nicht Stillstand gibt!
 O sag'! wann liebt' ich je genug!
 Wann wär' ich je genug geliebt!
 
 Liebesstärke
 
 Wie stark ich liebe, dir zu sagen,
 Reicht nimmer eine Stunde hin,
 Du fühlst es erst in spätern Tagen,
 Wie ganz ich dir ergeben bin!
 
 Ach! meinem glühenden Empfinden
 Hat noch kein Ausdruck sich geschmiegt:
 Ein neues Wort möcht' ich erfinden,
 Worin die ganze Seele liegt!
 
 Und fänd' ich es, und könnt' es geben,
 Was keines noch gekündet hat,
 Ein Schall, ein Hauch doch wär' es eben,
 Und lieben möcht' ich durch die Tat!
 
 Wenn Jahre sind dahin geschwunden,
 Erkennest erst mein Lieben du!
 Denn solche Liebe zu bekunden,
 Ein ganzes Leben braucht's dazu!
 
 An ihren Augen
 
 Wie strahlt dein Auge wunderbar
 Im blauen Himmelsglanz!
 So sternenhell, so unschuldklar,
 So treue Liebe ganz!
 
 So wie gebannt den Fischer hält
 Die Flut, und niederwinkt,
 So fesselt mich die inn're Welt,
 Die d'raus entgegenwinkt.
 
 Und wie's dem Fischer in der Flut
 — Nach jedem Lied — gescheh'n,
 So möcht' in deines Auges Glut
 Die Seele untergeh'n!
 
 Einziger Gedanke
 
 O Hochgefühl! das mich belebt,
 Und gleich der Luft, die mich umgibt,
 Mich ohne Unterlaß umschwebt:
 Ich liebe dich und bin geliebt!
 
 Ich denk' es jeden Augenblick,
 Ob nahe, ob entfernt von ihr;
 Ein frevler Raub an meinem Glück
 Scheint jedes and're Denken mir.
 
 Wie jeden Tag am Himmel steht
 Die Sonn', ob öfters auch verhüllt;
 So meine Lieb', die unerspäht
 Von fremdem Blick', mich doch erfüllt!
 
 Ob auch der vielgeschwätz'ge Schwarm
 Der Leute lästig uns umgibt;
 Ich zeig' es nicht, doch fühl' ich warm:
 Ich liebe und ich bin geliebt!
 
 Der Braut
 
 I.
 
 O achte nicht der Menschen, die sich quälen
 Mit Zweifel uns're Herzen zu umstricken!
 Wir fühlen ja mit wachsendem Entzücken:
 Ich konnte dich, du konntest mich nur wählen!
 
 Die töricht wollen unser Glück vergällen,
 Sie werden einst mit tiefbeschämten Blicken
 Von uns'rem gegenseitigen Beglücken,
 Von wandelloser Lieb' und Treu' erzählen!
 
 Sie naht, ob zögernd sich die Tage dehnen,
 Die Zeit, wo wir die Tat zum Worte fügen,
 Und zeigen: Liebe sei kein eitel Wähnen!
 
 Dann strafen wir die Welt, die kalten Lügen,
 Die nie begreift der Seele liebend Sehnen,
 Die nur zerstören, zweifeln kann und rügen!
 
 II.
 (In ihr 
				Album)
 
 Ein Zaubergarten ist dein reich' Gemüte,
 Worin viel Blumen sprossen, auserlesen,
 Ihr frischer Hauch erquickt und bringt Genesen
 Dem Herzen, daß in heißer Sehnsucht glühte.
 
 Der Einmal ihn empfand, vergebens mühte
 Er scheidend sich, den Zauber zu vergessen,
 Und pflückt zu Zeichen, daß er da gewesen,
 Ein Blatt im Gehen oder eine Blüte.
 
 Mir aber kam der Genius entgegen,
 Und gab den ganzen Garten mir zu eigen —
 Ich darf beglückt der holden Blumen pflegen!
 
 Der Blumen, die in Liebe sich mir neigen,
 So oft ich mich ergehe auf den Wegen,
 Bewundernd jede mit entzücktem Schweigen!
 
 Dem Ziele nach
 
 Noch einen kurzen Flug
 Fliege, mein Sehnen!
 Wirst ja an's Ziel mit Fug
 Flügel bald lehnen;
 
 Stillen den Durst am Quell
 Süßer Erfüllung,
 Schauen mit Augen hell
 Glückes-Enthüllung!
 
 Glückes, von dem hinfort
 Nimmer ein Trennen,
 Weil du an keinem Ort
 Größ'res magst kennen!
 
 Der Geschmückten
 
 Laß' And're sich mit Flittergold,
 Mit Demant sich und Bändern schmücken,
 Bist ohne sie nicht minder hold,
 Wirst ohne sie mich doch entzücken!
 
 Verließ die Perle gern das Meer,
 Sich wiegen an deiner Brust zu lassen,
 War's nicht zum Schmucke dir so sehr,
 Als: sich in höher'n Glanz zu fassen!
 
 Dich ziert Natur, an deiner Hand
 Braucht Kette nicht, noch Ring zu glänzen;
 Kein kunstgeschnitzter Blumentand
 Soll bunt das blonde Haar dir kränzen!
 
 Die frische Rose mag allein
 Noch höchstens solche Gunst erlangen,
 Sie mag die dritte Schwester sein
 Von jenen zarter'n deiner Wangen!
 
 Lenz und Liebe
 
 Nun sind die Veilchen ausgegeben,
 Vorüber der Narzissenflor!
 Doch sieh', des Maies Glöckchen heben
 Die weißen Köpfchen schon empor!
 
 Der Frühling will nicht geizig hüten
 Sein Gut, er lebt in Saus und Braus,
 Und streut die Gold- und Silberblüten,
 Ein reicher Erbe, lustig aus.
 
 So liebt auch Liebe zu verschwenden,
 Weil sie das Kind des Frühlings ist;
 Ich kann mit Kuß und Wort nicht enden
 Zu sagen, wie du lieblich bist!
 
 Und würde jeder Kuß zur Blume,
 Zum Blatte jedes Wort, o sprich!
 Wär' nicht mit allem seinem Ruhme
 Der Lenz ein Bettler gegen mich?
 
 Fern von Dir!
 
 Fern von dir, geliebtes Leben,
 Fern von deinem Angesicht,
 Kann es keine Freude geben,
 Die zu meiner Seele spricht.
 Selbst der Lenz, was soll er mir
 Fern von dir?
 
 Ach! wie bang' die Stunden schleichen
 Ohne dich! Da dacht' ich mir:
 Trauer muß dem Liede weichen,
 Und ich dichtete von dir.
 Doch es tönte, wenn's gelang,
 Ach! wie bang'!
 
 Komme bald! Im großen Garten
 Irr' ich einsam und allein —
 Laß' mich nicht zu lange warten,
 Komm' in deiner Anmut Schein'
 Wie die Sonne über'n Wald.
 Aber bald.
 
 Zur Verständigung
 
 Wie des Mondes nahe Milde
 Doch zumeist die Erd' erfreut,
 Ob unzähl'ge Sterngebilde
 Auch am Himmel ausgestreut;
 Also stehst du lieblich waltend
 Meinem Herzen doch zunächst,
 Wenn der Blick auch vielgestaltend
 In Unendlichkeiten wächst!
 
 Fülle aller Zärtlichkeiten
 Bleibt gewidmet einzig dir,
 Segelt auch mein Herz zu Zeiten
 In's entlegenste Revier;
 Aus der Dichtung gold'nen Landen
 Sehnt er mit erhöhtem Glück,
 Doppelt freudig nach den Banden
 Deiner Liebe sich zurück.
 
 Schweift auch nach den warmen Zonen
 Phantasie, der Kunst hinaus;
 Nicht im griech'schen Tempel, wohnen
 Läßt sich nur im schlichten Haus';
 Laß' ohne Eifersucht mich wallen
 Nach dem zweifelhaften Kranz' —
 Mag den Musen wohl gefallen,
 Doch nur dir gehör' ich ganz!
 
 Im November
 
 Das Abendrot des Jahres liegt
 Nun scheidend auf den Wäldern,
 Der Wanderzug der Vögel fliegt
 Hin, über braunen Feldern!
 
 Am Rebenstock vergessend hängt
 Die letzte, kalte Beere,
 Mit Müh' die matte Sonne grängt
 Zurück die Nebelheere.
 
 Wehmütig glänzt der erste Schnee
 Von fernen Bergeszinnen —
 Das Menschenherz beschleicht ein Weh,
 Ein ahnungsvolles Sinnen.
 
 Wohl dem, der in so rauher Zeit
 Ein trautes Nest gefunden,
 In dem er ruhet allbereit,
 Vom Arm der Lieb' umwunden!
 
 Ich fand es, ach! das treu'ste Herz
 Fühl' ich an meinem schlagen.
 Nun komme Winterfrost und Schmerz —
 Will Alles gern ertragen!
 
 Mein Töchterlein
 
 Willkommen! kleine Erdenbürgerin!
 O wie getrost ich deiner Ankunft bin!
 Mit Bangigkeit, mit Sehnsucht harrt' ich dein,
 Mein Töchterlein!
 
 Geboren unter hellem Klageton,
 Was Brauch hinieden, merk' ich, weißt du schon,
 Und was es heißen will, ein Mensch zu sein,
 Mein Töchterlein!
 
 Du träumst wohl noch vom fernen, schönen Land,
 Dem deine Seele eben sich entwand? —
 Schlag' endlich auf die lieben Äugelein,
 Mein Töchterlein!
 
 Und schau' dich um auf dieser Welt einmal,
 Schon angelacht vom ersten Morgenstrahl
 Der Liebe, die dich wärmt wie Sonnenschein,
 Mein Töchterlein!
 
 Wie freudetrunken sie an's Herz dich schließt,
 Indes vom Aug' die Träne niederfließt,
 Wie Tau der Rose auf die Knospe klein,
 Mein Töchterlein!
 
 O werde einstens deiner Mutter gleich,
 So lieblich von Gestalt, so liebereich!
 So gut und klug, so hold und herzensrein,
 Mein Töchterlein!
 
 So lang' verträume nur so manches Jahr,
 Beschirmt vor jeder Sorge und Gefahr! —
 Im reichen Segen, blühendem Gedeih'n,
 Mein Töchterlein!
 
 Zum Jahresbeginn
 
 Allmächtig ist die Zeit! Die Not bricht Eisen!
 Doch jene was von ew'ger Dauer spricht —
 Gewohnheit wird die Freundschaft, Liebe, Pflicht,
 In dieses Seins alltäglichen Geleisen!
 
 Nicht so bei mir! Ob Morgenrot Verheißen
 Geworden auch zu hellem Tageslicht —
 Obgleich ich weiß, wenn dich mein Arm umflicht,
 Du bist ja mein, nichts kann dich mir entreißen!
 
 Obgleich du vor mir stehst, mir angetraut
 Als Weib, in jungem, mütterlichen Prangen,
 So ist's mir doch, du bist noch meine Braut!
 
 Als ob ich dich mit sehnsuchtsvollem Bangen
 Zum ersten Male jeden Tag erschaut',
 Und ewig ungestillt ist mein Verlangen!
 
 Am lieblichsten
 
 Lieblich bist du, wenn du am Morgen,
 Auf der Stirne Hausfrausorgen,
 Durch die Zimmer walten geh'st —
 Mit dem Blick, dem nichts verborgen,
 Nach dem Geist der Ordnung späh'st!
 
 Lieblich, sitzend mir am Schoße,
 Wenn mit Küssen und Gekose
 Uns die Dämmerung umgraut,
 Und von deines Mundes Rose
 Süße Liebeskunde taut.
 
 Lieblich — wenn du elfenleise
 Mit anmutsicherm Fleiße
 Nach dem Walzerrythmus schwebst —
 Wenn beim Schlittschuhlauf am Eise
 Zagend du die Füße hebst! —
 
 Doch die Lieblichste der Frauen,
 Wenn du deiner Augen Blauen
 Auf die kleine Tochter senkst,
 Und vertieft in lächelnd Schauen
 Mutterliebesglück bedenkst!
 
 Ich bleibe hier!
 
 O laß' die Andern reisen
 Aus Neigung, Mode, Pflicht!
 Mich lockt die Bahn von Eisen
 In ferne Lande nicht;
 Am selbstgeschaff'nen Herde
 Ist all' mein Glück, bei dir
 Gilt jeder Ort der Erde
 Mir gleich, — ich bleibe hier!
 
 Prahlt immer von dem Werte
 Mir, dieser und jener Stadt,
 Die Oper und Konzerte,
 Salons, Theater hat;
 Der Künste Leckerbissen,
 Der feinen Welt Gewirr',
 Kann kummerlos vermissen
 Mein Herz, — ich bleibe hier!
 
 Mir wird zu jeder Stunde
 Die herrlichste Musik,
 Aus vielgeliebtem Munde —
 Und jeden Augenblick
 Entzücket mich auf's Neue
 Das schönste Schauspiel schier:
 Es nennt sich Lieb' und Treue —
 Darum: ich bleibe hier!
 
 Und reizen dich nicht Städte,
 So reizt dich doch das Land?
 Der Alpen Felsengräte,
 Des Meeres Dünenstrand',
 Der Seen Flutgewimmel,
 Der Täler Blütenzier —
 Wo aber bleibt mein Himmel?
 O nein! ich bleibe hier!
 
 Denn mitten unter Szenen,
 Voll Lieblichkeit und Pracht,
 Ein ungewohntes Sehnen
 Beschliche mich zu Nacht;
 Und sinnend blieb' ich stehen,
 Und grübelte bei mir:
 Wie mag's ihr jetzt ergehen? —
 Genug! ich bleibe hier!
 
 Und ging auf fernen Auen
 Zum Grunde ich, am Meer',
 Und dürfte nimmer schauen
 Den Tag der Wiederkehr,
 Und nimmer ach! bedecken
 Mit tausend Küssen dir
 Den süßen Mund — o Schrecken!
 Nein, nein! ich bleibe hier!
 
 An ihrem Geburtstage
 
 O Mag wie Lerchenjubel schweben
 Mein heutig' Lied auf dich herab!
 Wie einsam irrt' ich durch dies Leben,
 Wenn nimmer diesen Tag es gab!
 Den herrlichsten von allen Tagen,
 An welchem du zum ersten Mal'
 Den Blick zum Lichte aufgeschlagen,
 Dem Veilchen gleich im Wiesental.
 
 Ein Kind des Frühlings! All' sein Prangen,
 Dein holdes Wesen trägt's zur Schau:
 Die Lilienstirn', die Rosenwangen,
 Der Augen reines Himmelblau!
 Man merkt es an der Liebesfülle,
 Von der dein Herze überfließt —
 So wie vom Duft' der Blume Hülle,
 Daß du ein Kind des Frühlings bist!
 
 Du Reichbegabte, welche Gabe,
 Die deiner wert, soll ich dir weih'n?
 Ach! alles was ich bin und habe,
 Ist dein ja längst, auf ewig dein!
 Die Schätze, die du mir gegeben,
 O ford're nimmer sie zurück!
 Und bleibe für ein langes Leben
 Mein Trost, Entzücken, größtes Glück!
 
 Mondnacht
 
 Mondesaufgang. Schweigend brütet
 Über'm Tal die Sonmmernacht,
 Wünsche, lange still gehütet,
 Sind mir in der Brust erwacht;
 Geist der Vergangenheit!
 Wehest voll Innigkeit,
 Weckst mir im Innern
 Leises Erinnern.
 
 Muß der Tage wieder denken,
 Da ich noch ein Knabe war —
 Den ein träumend Selbstversenken
 Oft ergriffen wunderbar;
 Zukunft ward Gegenwart —
 Was ist erstrebt, erharrt,
 Ist es dem jungen
 Herzen gelungen? —
 
 Aufgegangen meinem Leben
 Herrlich ist der Liebe Stern,
 Doch die andern seh' ich schweben
 Noch im Nebel, klein und fern. —
 Länger, ach! länger nicht
 Werde ihr funkelnd Licht
 Mir von dem bangen
 Zweifel verhangen!
 
 Wär's auch nur ein eitel Wähnen,
 O so laßt mir solchen Wahn:
 Ein beharrlich glühend Sehnen
 Zieht Erfüllungsglück heran!
 Was noch die Nacht umfängt,
 Was sich zum Leben drängt,
 Laßt sich's gestalten,
 Liebesgewalten!
 
 
 
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