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Wanderlieder
I. Fortziehen
Es treibt mich nun wieder von hinnen
Mit wilder Hast —
Zwar nirgends ist viel zu gewinnen:
Doch nützt auch kein Grübeln und Sinnen,
Nur fort ohne Rast!
Ein Wanderer, sparsam an Worten,
Ein stummer Gast,
Verweil' ich nur kurz allerorten,
Vorbei an des Glückes Pforten,
Nur fort ohne Rast!
Es winkt mir die Hütte mit Frieden,
Die Frucht am Ast,
Mir aber ist keines beschieden:
Genuß sei und Ruhe gemieden,
Nur fort ohne Rast!
Ich suche nicht zärtliche Pflegung,
Die mir verhaßt —
Ich suche Betäubung, Bewegung,
Darum in des Sturmes Erregung
Nur fort ohne Rast!
II. Eintritt in's Gebirge
Wie bin ich gleich ein And'rer,
Folgend des Wildbach's Lauf! —
Die Föhre, der grüne Wand'rer,
Klettert am Felsen hinauf,
Der Wasserfall im Grimme
Stürzet sich schluchtenwärts,
Donnernd mit eherner Stimme
Große Gedanken in's Herz!
Vom Bergesgipfel nicket
Natur hier mit ernstem Sinn,
Wie eine strenge, verlass'ne,
Verschleierte Königin!
Sie blickt mit stillem Trauern,
Als wär' ihr die Kron' geraubt,
Die Wälder mit heiligem Schauern,
Neigen vor ihr das Haupt.
Vorbei geh' ich mit Bangen,
Und senke zur Erd' das Gesicht —
Ihr Thron ist mit Nebel verhangen,
Ich ahne — doch sehe sie nicht!
III. Abends
Nun wird der Geist der Wälder wach
Und schüttelt seine Schwingen,
Und lauter rauschend will der Bach
Zum Schweigen ihn wieder bringen.
Umklungen — selber voll Gesang —
Von der Natur Akkorden,
Solch' ein Genuß, so voller Drang
Ist lange mir nicht geworden.
Eine and're Sorge kenn' ich nicht,
Als heut' mein Ziel zu erreichen —
Dort aus dem Häuschen schimmert Licht,
Gegrüßt mir du freundlich Zeichen!
IV. Ausbruch am Morgen
Atmend tau'ge Morgenluft
Zieh' ich frisch am Wege,
Feuchter Erdbeer' starker Duft
Dringt aus dem Gehege.
Waldfrucht, die zu heißer Stund'
Ich so gern begrüße!
Rot wie der Geliebten Mund,
Wie ihr Kuß so süße.
Am beglänzten Waldespfad
Wandt' ich morgentrunken;
Unten an dem Mühlenrad
Perlen helle Funken.
Bergesgipfel, Strauch und Bach,
Blauer Himmel drüber —
Alles hüpfet neu und wach
Jugendlich vorüber;
Senkt mir in die Brust hinein
Tausend neue Triebe —
Laß sie keimen und gedeih'n
Sonnenstrahl der Liebe.
V. Alpenübergang
Der Regen strömt, die Nebel jagen
Hoch über's Alpenrevier —
Du Sturmwind machst mich nicht verzagen,
Deine riesigen Flügel tragen
Näher mich immer zu ihr.
Der nahen Wolken graue Gestalten
Huschen vorüber an mir —
Hüllt mich nur ein; könnt mich nicht halten,
Schützend leiten der Liebe Gewalten
Näher mich immer zu ihr!
Der Einsamkeit großartige Schauer
Ach! sie umgeben mich hier!
Und wird der Weg auch rauh und rauher,
Führt doch durch alle die fröstelnde Trauer
Jeder Schritt näher zu ihr!
VI. Wand'rers: Gut Nacht!
Nun schreitet auf den Zehen
Herbei an ihr Geschäft
Die Mutter Nacht — will sehen
Ob ihre Erde schläft,
Die lang genug gewacht,
Gut Nacht!
Tief Schweigen rings im Hage,
Der Wald hat ausgerauscht,
Der Bach singt eine Sage,
Und alles steht und lauscht,
Die Blumen nicken sacht,
Gut Nacht!
Der Bergesrücken badet
Sich hoch im Mondenschein,
Die tau'ge Wiese ladet
Zum Tanz die Elfen ein
Mit zaubersüßer Macht.
Gut Nacht!
Im Tale traumversunken
Der Silbernebel dampft —
Dem Schlott entwirbeln Funken,
Der Hammer pocht und stampft
Eintönig, ungeschlacht,
Gut Nacht!
Du liegst im Fensterbogen
Und denkst vielleicht an ihn,
Der einsam kommt gezogen
Durch all' die Schönheit hin
Und liebend dein gedacht!
Gut Nacht!