zurück

weiter
nächster Gedichtband
 

Rosenblätter
Eine Centifolie
 
                   1.

Jedes Blatt, auf das dir liebend
Meine Seele haucht ein Lied,
Frühlingsheller Rosenschimmer,
Lenzgeborner Duft umzieht.

Und die Blätter, also flimmernd
In der Liebe Rosenschein,
Will ich dir als meines schönsten
Liederfrühlings Rose weih'n!

                   2.

Mit ruhevollem Frieden
Umdämmert uns der grüne Wald,
Von allem abgeschieden,
Was laut die Welt durchschallt.

Es schweigt der Zweige Rauschen,
Kein Blatt sich flüsternd regen mag,
Als wollt es mit mir lauschen
Auf deines Herzens Schlag.

Die Sonnenstrahlen drängen
Sich durch der Blätter goldnes Grün,
Sie wollen dich umhängen
Mit hellen Schmuckes Glühn.

Die stillen Vögel kommen
Und sehn dich an vom nahen Baum,
Der Waldbach wie beklommen,
Schleicht hin als Silberschaum.

Ein Lüftchen mit Gekose
Entblättert einen Rosenstrauch,
Und streuet eine Rose
Auf dich mit süßem Hauch.

                   3.

O blick mich an
Mit dem Aug deiner Milde;
O ruh auf mir
Mit dem Blick deiner Treue;
O glüh in mich
Mit der Glut deiner Liebe,
Und heb mich empor
Mit der Flamm deiner Lust!

Es tönt ja dafür
Dir ein Klang meiner Milde;
Es weht ja dafür
Dir ein Hauch meiner Liebe,
Es flammt ja dafür
Dir ein Lied meiner Treue,
Es hebt dich empor
Ein Gesang meiner Lust!

                   4.

In einer stillen Stunde
Da hab ich dich still gefragt,
Und ich hab deines Herzens Grunde
Leise zu lauschen gewagt.

Ich legte in deine Hände
Mein heißerglühtes Haupt,
Ich trug, ob ich Hoffnung fände, —
Und ein Kranz hat grün mich umlaubt.

In einer stillen Stunde
Da denken wir oft daran,
Wie in des Herzens Grunde
Die Rose zu blühen begann.

Da leg ich an deinen Busen
Mein liebefreudiges Haupt,
Und träume, bis uns die Musen
Mit Liederkränzen umlaubt.

                   5.

O das ist ein selig Leben,
Wenn der Liebe Frühling blüht,
Wenn die Augen Funken geben,
Weils im Herzen flammt und glüht.

O das ist ein Nimmerenden
Tiefsten Glücks und höchster Lust,
Wenn das Herz mit Sonnenbränden
Flammen möcht aus voller Brust.

Glückverloren, weltvergessen,
Schwimmt das Herz in Seligkeit, —
Doch der Herbstwind unterdessen,
Webt am Leichentuch der Zeit!

Komm nur, Winter! kaltes Wetter
Scheut die heiße Liebe nicht,
Und sie wirft dir Rosenblätter,
Ewigjung, ins Angesicht.

                   6.

Was doch die Menschen hoffen
Von einer bessern Welt, —
Mir ist der Himmel offen
So oft es mir gefällt.

Ich darf nur innig schauen
In deiner Augen Grund —
Ob sie in Tränen tauen,
Ob hell ihr freudig Rund;

Ich darf dich nur umfangen
Mit meiner Liebe Kraft, —
Was sollt ich noch verlangen,
Was größres Glück mir schafft.

Ihr träumerischen Seelen,
Die ihr nach Jenseits schaut,
Was wollt ihrs euch verhehlen,
Daß hier der Himmel blaut!

Was wollt ihr mehr vom Leben
Auf Erden oder dort,
Als himmelvolles Schweben
In treuer Liebe Port!

                 7.

Ist der Frühling über Nacht
Aus dem Land gegangen,
Einer Rose lichte Pracht
Seh ich ewig prangen.

Tausendschön und Veilchenkraut,
Dürft euch nicht bemühen, —
Wenn mein Liebchen auf mich schaut,
Seh ich alles blühen!

               8.

Glaubst du an Gott!? —
Du sinnst und schweigst?
Sieh! wie du still
Dein Antlitz neigst,
Und wie ich entzückt
Deinen Zauber sing, —
Der Gott der Liebe
Vorüber ging!

                   9.

Wenn dein Blick im Abendschein
Durch den Himmel geht,
Ist es mir, als war es ein
Inniges Gebet.

Und wenn so die Seele dein
Durch den Himmel weht,
Schließe mich, o Liebchen, ein,
In dein still Gebet!

                   10.

Vergib der armen Seele,
Die sich, wie todesbang,
Aus schwülem Erdendunkel
In deinen Himmel schwang.

Vergib dem armen Herzen,
Das, wie in Himmelslust,
An deine Brust gesunken,
Wo's seinen Gott gewußt!

                   11.

Diese kleinen, stillen Lieder —
Sie fallen, o schöne Frau,
Auf den Kelch deiner Blüte nieder,
Wie auf die Rose der Tau.

Und sie glänzen aus deiner Seele
Durch dein Aug mir wieder hervor,
Und sie klingen aus deiner Kehle,
Verklärt mir wieder ans Ohr.

Und jedes Lied, das schimmernd
Als Perle dich schmückt, o Frau, —
Du gibst es mir wieder flimmernd
Als Freudentränentau!

                   12.

Nächtlich in verschwiegner Stunde
Kommt der Mond heraufgezogen,
Der so liebevoll dem Bunde
Unsrer Herzen ist gewogen.

Und die tiefverschwiegnen Sterne
Sprühen auf wie helle Funken
Von der Sonne, die dort ferne
Auf die Felsen hingesunken.

Und die lichten Wogen rauschen
Wie im Traum zu unsern Füßen,
Und wir schauen und wir lauschen,
Wie sie leis' die Sterne grüßen.

Und wir halten uns umschlungen,
Dein Gedanke ist mein Wille,
Und wir schweigen — süß durchdrungen
Von der Mondnacht heilger Stille.

                   13.

Eines mußt du mir versprechen —
Flüstert ernst die Fraue mein —
Daß, — wenn mir die Augen brechen,
Eh du liegst im Totenschrein,
Daß du mir die weiße Rose
Legst in meinen dunklen Sarg,
Die ich einst vor Sturmgetose
Still an meinem Busen barg.

Ist doch deine ganze Liebe
Jener weißen Rose gleich,
Die aus wildem Sturmgetriebe
Floh an meinen Busen, bleich!
Barg doch jene weiße Rose,
Selig, wie dein ganzes Sein,
Meine Brust, im Sturmgetose —
Lege sie mir in den Schrein!

                   14.

Es fiel ein welkes Eichenblatt,
Vom Wind verweht, in deinen Schoß,
Es war des schwülen Lebens satt,
Und rang sich gern vom Zweige los.

Du nahmst es in die weiße Hand
Und sahst es an mit tiefem Blick,
Und auf dem gelben Blatte stand
In goldnen Zügen sein Geschick.

Es war, als ob man lesen müßt
Im flimmernden Geäder klar:
O wie — vom Sturm zu Tod geküßt
Ich gar so todesselig war!

                   15.

Der Frühling ist verklungen,
Verduftet und verblüht,
Versunken und versungen,
Verschwommen und verglüht.

Die Liebe ist geblieben,
Sie dehnt die Flügel weit,
Gelobt sei alles Lieben
In alle Ewigkeit!

                   16.

Ich fahre auf dem Meere
Der unbegrenzten Lieb,
In sturmgetragner Fähre,
Auf hohem Flutgetrieb.

Kein Leuchtturm ferne schimmert,
Kein Glanz von hoher Firn,
Und nur dein Auge flimmert
Wie leitendes Gestirn.

                   17.

Sei mir in des Lebens Nacht
Eine helle Leuchte,
Nie der Tränen böse Pracht
Deinen Glanz befeuchte.

Und wenn in des Kampfes Schmerz
All mein Lenz verglühte,
Falle mir an's bange Herz
Licht als Frühlingsblüte!

                   18.

Neigst du still dein Angesicht
Auf die Hand, die schlanke,
Dämmert mir für ein Gedicht
Lieblich ein Gedanke.

Läßt du dann das Auge dein
Sinnend auf mich sinken,
Seh ich schon in Liedesschein
Den Gedanken blinken.

Und wenn dein geliebtes Haupt
Dann zu mir sich wendet,
Ist, eh ich es selbst geglaubt,
Das Gedicht vollendet.

                   19.

Nein, das mußt du nimmer sagen,
Daß dich meines Liedes Schwingen
Allzuhoch zum Himmel tragen,
Allzu wundersam umklingen.

Was ich auch im Lied verkünde, —
Nimmer könnt mein Blick es lesen,
Wenn es nicht geschrieben stünde
Hell in deinem ganzen Wesen.

Und wenn meinem Aug sich lichter
Deine Reize offenbaren, —
So bedenke nur, daß Dichter
Immer, immer Seher waren!

                   20.

Aus lichten Blumenkelchen
Entsteigt des Duftes süßer Hauch,
Und dein geliebtes Wesen
Ist eine Blume auch.

Ist eine lichte Blume,
Um die, von deinem Glanz belebt,
Mein Lied auf stillen Schwingen
Wie süßes Düften schwebt.

                   21.

Mit unnennbarer Seligkeit
Entströmt der Brust des Sanges Quell
Und wallet dir entgegen,
Von deinem Zauber hell.

Er bringt dir manches Rosenblatt,
Das still in seine Wellen sank, —
Das ist der Liederquelle
Entzückter Blumendank.

Das ist der Dank des Liederquells,
Den du erweckt und eingeweiht,
Der nun dich laut umklinget
In stiller Seligkeit!

                   22.

Ich möchte deinen schonen Leib
Verbergen vor dem Aug der Welt,
Auf daß er ungesehen bleib'
Dem Blicke, dem dein Glanz gefällt.

Ich mochte deines Auges Pracht,
Daß es kein Ungeweihter sieht,
In Schlummer singen Tag und Nacht
Durch ein bezwingend Schlummerlied.

Ich möchte deinen süßen Mund
Verdecken stets mit meinem Kuß,
Auf daß ich nicht zu jeder Stund
Der Welt Verlangen sehen muß.

Ich möchte deine schöne Hand
An's Herz mir drücken immerdar,
Weil mancher schon nicht Ruhe fand,
Dem sie nicht zu erreichen war.

Ich möchte deines Herzens Schlag
Mit Singen übertönen laut,
Auf daß ihn keiner hören mag,
Als dem dein Himmel blaut!

                   23.

Und soll ich nicht begeistert sein
Von all der hohen Pracht,
Die dich umfließt mit Wunderschein,
Und mich so glühend macht?

Und soll ich dir nicht singen laut
Der Liebe hohes Lied,
Das dich als holde Sängerbraut
Wie Myrthenduft umzieht?

Und soll ich nicht mit treuem Mut
Dich singen in die Welt,
Daß, wenn dein Leib im Grabe ruht,
Sie noch von dir erzählt!

                   24.

Ich sinke vor dir nieder
Und schau zu dir empor,
Mein Auge schwört dir wieder,
Was einst der Mund dir schwor.

Und deine Locken winden
Sich dunkel um mein Haar,
Und unsre Lippen finden
Im Kuß sich wunderbar!

                   25.

Es hängt an einer Blume
Ein heller Tropfen Tau,
Darin erglänzt der Himmel
Mit seinem tiefsten Blau.

Und wenn dein lichtes Auge
Still eine Träne weint, —
Ein liebverklärter Himmel
Den Tropfen hell durchscheint.

Der Himmel, der im Tropfen
Der Blume freudig lacht,
Der aber kann vergehen
In Wetterwolkennacht.

Doch der, im Aug dir zittert,
Du wundersame Frau,
Der glänzt aus jeder Träne
In ewig tiefem Blau!

                   26.

Senke nicht dein schönes Haupt
Wenn der Herbst die Blumen raubt —
Denk — der Garten unsrer Lieb
Immer noch voll Knospen blieb!

Denke — unsrer Hoffnung Kranz
Grünet fort in hellem Glanz,
Flüstert leise immer fort
Unsrer Liebe zitternd Wort.

Und ein rotes Röselein,
Denke nur, bleibt ewig dein,
Ob auch alles, alles schied, —
Ewig bleibt dir doch mein Lied!

Ewig bleibt dir mein Gesang,
Freudig, jauchzend, wehmutbang
Wie's der Gott der Liebe will,
Aber nimmer, nimmer still!

                   27.

Blicke nur zum Himmel auf —
Wallen heiße Grüße drauf,
Die er deinem Augenpaar
Liebend schickt als Sterne klar!

Blicke nur zum Himmel auf —
Ziehen helle Wolken drauf,
Die er dir als lichten Schein
Sendet auf die Wangen dein!

Blicke nur zum Himmel auf —
Blitzen goldne Strahlen drauf,
Die er um dein Angesicht
Dir als goldne Krone flicht!

Blicke nur zum Himmel auf —
Schwebt ein schmetternd Vöglein drauf,
Hab ihm all mein Leid erzahlt, —
Singt es nun der ganzen Welt!

                   28.

Wenn ich ins glühende Auge dir schau,
Da wird mir so wohl, du schöne Frau!
Wenn ich es aber geschlossen seh,
Da wird mir so wohl und so weh.

Es wird mir so wohl, weil des Friedens Geist
So lieblich um deinen Schlummer kreist,
Und weil, wenn der Schlummer dein Auge umschleicht,
Von meiner Liebe du träumst vielleicht.

Doch weil mir oft im Sinne ist:
So liegst du, wenn du gestorben bist! —
Darum wird, o schöne Frau, mir so weh,
Wenn ich dein Auge geschlossen seh!

                   29.

Das war ein böser, böser Traum,
Der mich die ganze Nacht gequält, —
Du lagst' so bleich, es regte kaum
Dein Leben sich, dem Tod vermählt.

Und eine kalte Träne rann
Aus deinem Aug, auf meine Hand,
Daß ich es nimmer sagen kann
Was ich für einen Frost empfand.

Ich wachte auf mit starrem Blut
Und konnte mich ermuntern kaum,
Da brannt ich aber heiß in Glut —
Das war ein böser, böser Traum!

                   30.

Ja, ich bin, ich bin ein Träumer!
Aber meiner Seele Traum
Hängt am vollsten grünen Leben,
Wie die Blüte hängt am Baum.

Wie die Blüte, die im Lichte
Hängt am freudiggrünen Baum,
Als des kräftig schönsten Lebens
Heller Liebesfrühlingstraum!

                   31.

Leise webt der Mondenstrahl
Um die Blume tief im Tal;
Leise, leise auch mein Lied
Dich mit mildem Glanz umzieht.

Blume schlägt das Auge auf,
Blickt verklärt zum Mond hinauf;
Und die lichte Seele dein
Lauscht dem hellen Liede mein.

Und es strahlt dein Angesicht
Wie die Blum' im Mondenlicht,
Wenn mein liebverklärtes Lied
Dich mit leisem Klang umzieht.

                   32.

Wird sich nicht dein helles Auge
Noch verlieren in dem Blau,
Wenn es so verzückten Blickes
Hängt am Himmel, schöne Frau!

Und wird nicht die zarte Knospe
Deiner Lippen, lenzbegrüßt,
Noch zu einer Rose werden,
Wenn dein Mund so oft sie küßt? —

Wohl muß einstmal sich verlieren
Deines Auges helle Glut
In die unergründlich tiefe,
Ewigblaue Himmelsflut.

Wohl wird einst die zarte Knospe
Deiner Lippen, lenzerweckt,
Aus dem grünen Hügel sprießen,
Der dich einst im Friedhof deckt! —

Aber, Liebchen, laß das kommen!
Jetzt gib mir den Mund zum Kuß,
Weil er einst als Grabesrose
Lenzeslüfte küssen muß.

Laß dein liebevolles Auge
Jetzt auf mir nur ruhen ganz,
Weil es einst sich muß verlieren
In des Himmels ew'gen Glanz.

                   33.

Ich weiß es nicht zu nennen,
Was mich so selig macht, —
Ist's deiner Augen Brennen
In meine trübe Nacht,

Ist's deines Mundes Flüstern
In meiner Traurigkeit,
Das oft vom wehmutdüstern
Verstummen mich befreit,

Ist's deiner Seele Weben
Um meinen tiefen Schmerz,
Das froh mich kann erheben
Und tragen himmelwärts,

Ist's deiner Lieb Erkennen
In dieses Hassens Nacht? —
Ich weiß es nicht zu nennen,
Was mich so selig macht!

                   34.

Es ist so dunkel, es ist so kalt,
Kein einziger Stern am Himmel strahlt,
Ein einziges Blümlein im Felde blieb —
Das rote Röslein meiner Lieb!

Das rote Röslein meiner Lieb,
Mit heißer Flamme, mit grünem Trieb,
An dem ich glühend als Perle hing,
An dem der Sturm vorüberging.

An dem der Sturm vorüberging,
Weil es zu treu mir am Herzen hing,
Weil es zu fest mich in Lieb umrankt,
O treues Röslein, dir sei's gedankt.

O treues Röslein, dir sei's gedankt,
Daß du in ewiger Lieb mich umrankt —
Es ist ja so dunkel, es ist so kalt,
Kein einziger Stern am Himmel strahlt!

                   35.

Was mag dich nur bewegen
Wenn in des Traumes Ruh
Sich deine Züge regen,
Als lachtest du mir zu?

Was mag dich nur durchbeben
Wenn deiner Lippen Glut
Umzittert leises Leben,
Indes der Körper ruht?

Was mag dich nur erfassen,
Wenn du die zarte Hand
Nicht willst der Ruhe lassen,
Bis sie die meine fand? —

Ich schaue mit Verlangen
Auf deinen süßen Traum,
Ich küß dir Mund und Wangen —
Du aber weißt es kaum.

Der Liebe Flügel fachen
Entflammt um deine Brust,
Du aber, beim Erwachen,
Du hast es kaum gewußt.

Doch deine Blicke glühen
In meine Seele heiß,
Die von der Ros' Erblühen
Ein schönes Märchen weiß.

           36.

Leg deine Wange
Auf meine Stirn —
Nicht wahr, mein Lieb,
Mir brennt das Hirn?

Leg deine Hand
Auf meine Brust —
Dies heiße Wallen,
Hast du's gewußt?

Ja, weißt, mein Lieb,
Des Dichters Stirn
Allmorgens glüht,
Wie Glanz der Firn.

Und, weißt, mein Lieb,
Des Dichters Brust
Durchwogt der ewigen
Liebe Lust!

                   37.

Könnt ich meiner Lieb Entzücken
Dir als eine Rose weihn,
Und damit dein Haar dir schmücken,
Den geliebten Busen dein, —

Müßt es dennoch wohl vermeiden,
Wollt ich nicht, daß Tag und Nacht,
Alle Augen dich beneiden
Um die helle Rosenpracht.

Und so will ich's lieber sehen,
Daß mein Herz im Lied erglüht,
Und nur mir, mit Frühlingswehen,
Hell aus deinem Auge blüht!

                   38.

Du warst so still, ich war so munter,
Du warst so ernst, ich war voll Lust,
Da fiel mir manch ein Stern herunter
Vom lichten Himmel meiner Brust.

Ich bin so trüb, du bist so heiter,
Ich bin so ernst, du bist so froh,
Und willst mir bauen eine Leiter
Zur Himmelslust, die mir entfloh.

                   39.

Wie freudig auch die Woge flutet
Im sonnenlichtverklärten Strom,
O sieh nur, wie sie dunkel blutet,
Wenn glühendrot der Tag verglomm.

Und wie auch meiner Liebe Gluten
Mit hellen Flammen dich umsprühn,
Es will mir oft das Herz verbluten,
Seh ich der Freiheit Lenz verblühn!

                   40.

Wenn oft in trautem Kreise
Kein Mund ein Wort mehr sprach,
Da soll ein Engel leise
Hinfliegen durchs Gemach. —

O diesen schönen Glauben,
So blumenhaft erblüht,
Den möge niemand rauben
Dem gläubigen Gemüt.

Ich selbst will mich versenken
In dieses Glaubens Traum,
Und will ihn nicht bedenken,
Will ihn erfassen kaum.

Und wenn ich schweigend liege,
O Lieb, an deiner Brust, —
Ein lichter Engel fliege
Durch unsre stille Lust!

                   41.

Ich frug dich, wo deine Gedanken sind;
Da hast du fast geweint, —
O tröste dich, tröste dich, mein liebes Kind,
So war es nicht gemeint!

Du glaubtest, ich frug dich, ob nicht dein Geist
Aus dem Himmel der Liebe flog?
Und ob er um andere Blumen kreist,
Als die dein Sänger dir zog?

Du glaubtest mir bangte, wohin das Licht
Deiner ewigen Liebe scheint?
O mache dir solche Gedanken nicht, —
So war es nicht gemeint!

Ich wollte nur wissen, auf welche Flur
Deines Geistes Biene flog,
Ob sie aus duftigen Rosen nur
Süße Gedanken sog,

Oder ob sie an Blumen hing,
Auf die der Himmel geweint, —
Doch so wies dir durch die Seele ging,
So war es nicht gemeint!

                   42.

Vergrabe nicht den Edelstein
Der Freude in des Herzens Grund,
Und gib mir in des Auges Schein
Dein glühendes Entzücken kund!

Verhülle nicht den Rosenglanz
Der Liebe in des Ernstes Nacht,
Und duld es, daß ein lichter Kranz
Von Rosen um dein Antlitz lacht!

Verschließe nicht den Kelch der Lust,
Du schönste Blume auf der Au,
Und öffne deine stille Brust
Des hellen Liedes mildem Tau!

Laß glühen deines Auges Glanz,
Laß glänzen deiner Wangen Glut,
Laß blühen deiner Liebe Kranz,
Auf dem der Tau des Liedes ruht!

                   43.

Wenn manchmal tiefe Wehmut
Durch meine Seele zieht,
Da sprichst du immer liebend:
O singe mir ein Lied!

Befreie deine Seele
Von dieser bösen Angst,
Du warst ja immer selig,
Wenn du ein Lied mir sangst! —

Da blick ich dir so innig
Ins dunkle Auge dein,
Und drinnen seh ich glänzen
Das lichte Auge mein;

Und drinnen seh ich glühen,
Wie einen Stern so licht,
Ein tiefes, helles, reines,
Ein flammendes Gedicht.

Da singe ich dir liebend
Ein glutgebornes Lied,
Und klingend alle Wehmut
Aus meiner Seele zieht.

                   44.

Schweige, schweige, liebes Herz,
Wenn ich flüsternd singe,
Daß dir meines Liedes Erz
Doch vernehmbar klinge.

Daß du aus dem Liedessang
Mögest still erkennen:
Bei so hellem Goldesklang
Sind wir reich zu nennen!

Darum schweig und lausche mir,
Du geliebte Seele,
Wenn ich meinen Reichtum dir
Singend überzähle.

                   45.

Du einzige Freude in meinem Schmerz!
Du Licht, das mir leuchtet allerwärts!
Du seliger Traum, der oft mich umlacht
Im Dunkel der Trauer, im Dunkel der Nacht!

Im Dunkel der Trauer, die bang mich umfängt,
Wenn Frühlings, wo alles die Knospen sprengt,
Das Herz der Menschheit nicht blühen mag,
Verträumend der Freiheit Frühlingstag!

Im Dunkel der Nacht, die — unbesiegt —
Noch lang auf dem Auge der Menschheit liegt, —
Im Dunkel der Trauer, im Dunkel der Nacht
Deine Liebe als seliger Traum mich umlacht!

Und wollte auch manchmal ein Strahl erstehn,
Er mußte im Dunkel der Nacht vergehn;
Du aber leuchtest mir allerwärts,
Du einzige Freude in meinem Schmerz!

          46.

O laß die Rose
Am grünen Strauch;
Dein holdes Antlitz
Erglüht ja auch
So gern in schimmerndem
Rosenlicht, —
O raub dem Strauche
Die Rose nicht!

Es bricht ihre Blätter
Noch früh genug
Des Sturmes Schwinge
In raschem Flug.
So hell sie leuchtet,
So voll sie blüht, —
Die rote Flamme
Ist bald verglüht! —

Zwar deine Rosen
Vergehn wohl auch! —
Doch naht kein Sänger
Dem welkenden Strauch,
Der — wie ich dir —
Ihm glühend singt,
Und ewige Rosen
Der Liebe bringt!

               47.

Ich will dich nimmer fragen:
Woher die Traurigkeit,
Der oft an hellen Tagen
Dein Innerstes geweiht.

Ich will dich nimmer quälen
Mit meiner Sorge Wort,
Wenn Glück und Lust sich stehlen
Von deinem Antlitz fort.

Ich will dich nimmer grämen
Durch meiner Seele Gram,
Wenn dich als dunkler Schemen
Die Wehmut überkam. —

Ich weiß ja, daß die Trauer
Mich selbst oft überfällt, —
Daß ich im Schmerzensschauer
Nicht ahne, was mich quält.

Ich weiß ja, daß die Seele
In Wehmut oft versinkt
Und, als ob gern sie's wähle,
Vom Schmerzensbecher trinkt.

Ich weiß ja, daß dem Herzen
Oft naht ein stiller Gram,
Den wir getrost verschmerzen,
Nicht wissend, wie er kam! —

Ich will dich nimmer fragen, —
Woher die stille Pein, —
Ich will sie mit dir tragen
Und mit dir traurig sein.

Und nur als leises Mahnen
Ruf ich in Traurigkeit:
Das ist ein dunkles Ahnen
Von einer trüben Zeit.

                   48.

Laß mich deiner Augen Licht
Liebefreudig schauen,
Lasse diesen Himmel nicht
Ungenossen blauen!

Lasse mich voll Seligkeit
In dein Aug versinken,
Will daraus für alle Zeit
Lust und Leben trinken!

Will in diesen, tiefen See
Meine Seele laben, —
All mein Leid und all mein Weh
Will ich drin begraben!

Meine Tränen werden gut
Bei den Perlen liegen,
Die in deiner Seele Flut
Glanzumstrahlt sich wiegen.

Meine Schmerzen werden gern
In die Flut versinken,
Die dein heller Augenstern
Deckt mit stillem Blinken.

Meine Trauer wird in Lust
Ruhen auf dem Grunde,
Der aus deiner tiefen Brust
Winkt mit süßer Kunde;

Der in deines Auges Glanz
Liebevoll sich spiegelt,
Wo sich deine Seele ganz
Wunderbar entsiegelt.

Wenn ich dann im tiefen Grund
Selig war versunken,
Bleib ich wieder manche Stund
Lust- und liebetrunken!

                   49.

Aus den Wolken schaut der Mond
Mit verstohlnen Blicken,
Und die stolze Rose lohnt
Seine milde Liebe
Mit verschämtem Nicken.

Und du ruhst in meinem Arm
Still im Laubgewinde,
Und der Mond mit bleichem Harm
Flimmert dir im Auge,
Dem geliebten Kinde.

O wenn das die Rose wüßt,
Daß der Mond so helle
Dir im Auge glänzt, — sie müßt
Wohl zu tot sich grämen
Und verwelken schnelle!

Doch die Rose weiß es nicht,
Daß die Mondesflammen,
Deren Glanz ihr Lebenslicht,
Auch in deinem Auge
Oft schon selig schwammen.

Aber ich, ich weiß es, Kind!
Daß des Mondes Strahlen
Meine kühnen Buhlen sind,
Wenn sie liebverloren
In dein Aug sich stahlen.

Doch will ich den Buhlen mein
Ihre Lieb gewähren,
Weil sie mir das Auge dein
Und dein mildes Antlitz
Liebevoll verklären!

                   50.

Mit deinem treuen Blicke
Siehst du mich oftmals sinnend an,
Als wolltest du ergründen
Wie tief er dringen kann.

Als wolltest du ermessen —
Wie tief die treue Sängerbrust,
Aus der die hellen Lieder
Erstehn in Leid und Lust.

Als wolltest du versenken
Den Blick in meines Herzens Grund,
Des Liedes Quell zu schauen,
Das hell entklingt dem Mund.

O du geliebtes Wesen!
Die Brust ist unergründlich tief, —
Das Herz als rotes Siegel
Verschließt der Liebe Brief.

Den Brief, den nur im Stillen
Die eigne Seele lesen kann,
Des Inhalt dir zu deuten
Ich liebevoll begann. —

O lausche, lausch den Worten,
Die meinem Lied entklingen still,
Das dir den Grund des Herzens
Noch ganz erschließen will.

O lausche, lausche schweigend, —
Die Seele liest ein jedes Wort,
Das tief im Herzen leuchtet,
Und trägt es klingend fort.

Dein Blick wird nicht ergründen
Wie tief die treue Sängerbrust,
Dein Herz nur mags empfinden
Im Liede — unbewußt.

                   51.

Es trägt die blaue Frühlingsluft
Zum Himmel gern den Rosenduft,
Der als ein stummes Liebeslied
Empor zum tiefen Himmel zieht.

Und aus des Himmels blauem Glanz
Entglüht, in goldner Wolken Kranz,
Des Sonnenauges Flammenlicht,
Das still von heißer Liebe spricht.

Und wie der Himmel niederglüht,
Und wie empor die Rose blüht,
So wallet meines Liedes Duft
In deines Himmels goldne Luft.

So flammt dein Auge liebevoll
Aufs Röslein, das in Liebe schwoll
In meines Herzens tiefem Grund,
Und Lieder haucht in stiller Stund.

                   52.

Möchte mit der Schwalbe Flug
In die Lüfte steigen —
Was mich froh zum Himmel trug,
Aller Welt zu zeigen.

Möchte mit dem Tropfen Tau
In die Rose sinken,
Daß sie glühend zeig der Au
Meiner Liebe Blinken.

Möchte mit der Welle Tanz
Fern im Meer zerfließen —
Möchte meiner Liebe Glanz
Um die Erde gießen.

Möchte als ein Jubelsang
Durch die Lüfte schallen
Und als ew'ger Liebesklang
Nimmermehr verhallen?

             53.

Ich bin ein König
Auf goldenem Throne —
Mich krönt deiner Liebe
Funkelnde Krone.

Ich bin im Walde
Ein Baum in der Blüte
Den knospensprengend
Dein Blick umglühte.

Ich bin im Meer
Eine blitzende Welle —
Du hast sie entzündet
Mit deiner Helle.

Ich bin im Feld
Eine freudige Blume,
Die blüht und duftet
Zu deinem Ruhme.

Ich bin ein Sänger
Mit hellem Gefieder,
Und singe dir liebend
Jauchzende Lieder.

                   54.

Das Vöglein sang vom grünen Baum
Sein Lied der ew'gen Liebe, —
Da träumten einen süßen Traum
Die hellen Blütentriebe.

Da wiegte sich, vom Grün umlaubt,
Der Blüten hell Getriebe
So lieblich wie dein schönes Haupt
Im Liede meiner Liebe!

                   55.

Mein Herz hat sich erhoben
So wie mit goldnem Flügelschlag,
Nun ist's im Himmel droben —
Im ew'gen Freudentag.

Nun ist's in ew'gen Lebens,
In ew'ger Liebe tiefem Schoß —
Es rang sich nicht vergebens
Aus dunklen Banden los.

Da wogt ein Schwall von Klängen
Mit wunderbarem Jubelton —
Als ob die Englein sängen
Um Gottes lichten Thron.

Da ist ein Glanz ergossen,
Als leuchte Gottes Angesicht
Von ew'ger Lieb umflossen —
Mich an mit ew'gem Licht

Da zieht ein duftig Wehen
Mit Rosenglanz durch jeden Raum,
Es möcht das Herz vergehen
In diesem sel'gen Traum!

                   56.

Wenn du längst zum Ziele kamst —
Denke doch der Stunde,
Wo du sie zuerst vernahmst
Deines Glückes Kunde.

Denke an das Wort zurück,
An das erste laute,
Das dir deines Herzens Glück
Stillbewegt vertraute.

Denke an den süßen Laut,
Der dir froh verkündet:
Nun ist deines Herzens Braut
Treu mit dir verbündet! —

Wird ein süßes Fühlen sein
Dies Zurückversenken,
Leuchten wie ein Morgenschein
Wird ein solch Gedenken.

Freuen wie der Morgentau
Die erblühte Ranke,
Wie der erste Strahl die Au —
Wird dich der Gedanke! —

Wie ein Trost aus treuem Mund
Naht oft meinem Innern
Meines Glückes erster Stund
Liebliches Erinnern.

                   57.

Laß in deines Herzens Gluten
Mich entzünden wie ein Stern!
Laß in deiner Liebe Fluten
Mich versinken wie ein Stern,
Laß im Spiegel deines Auges
Mich erglänzen wie ein Stern,
Wenn ich einst aus dunklen Wolken
Glühe — wie ein Stern so fern!

               58.

Als ich zum ersten Male
Ins Auge dir gesehn,
Da sah ich es im Strahle
Entzückter Rührung stehn.

Ich sah dich an dem Bilde
Der Muttergottes knien,
Und eine ernste Milde
Sah ich dein Haupt umziehn.

Da dacht ich mir im Stillen:
Wie mag erst Lieb und Lust
Aus diesem Auge quillen,
Aus dieser tiefen Brust!

Wie mag erst lichtumflossen
Dies Aug in Freude sein,
Wenn schon der Ernst ergossen
So flammenvollen Schein! —

Nun leuchtet meine Seele
Im klaren Widerschein
Des Glanzes, den ich wähle
Zum ew'gen Himmel mein;

Nun glüh ich in den Flammen
Der Liebe und der Lust,
Die flutend mich umschwammen
Aus deiner tiefen Brust.

Doch in des Feuerweines
Helllodernd heißem Brand,
Da denk ich oft des Scheines,
Der mild dein Haupt umwand.

Da denk ich oft des klaren,
Des still entglommnen Lichts,
Des lieblich wunderbaren,
Verklärten Angesichts.

Da denk ich oft der Milde,
Die leuchtend dich umwand,
Als ich dich vor dem Bilde
Der Mutter Gottes fand.

                   59.

Sinkt vom klaren Himmelsblau
Auf die Knospe wilder Tau,
O wie da die Blumenbrust
Schwillt in sanfter Liebeslust!

O wie da so unschuldrein
Sich erschließt im Morgenschein
Hell das volle Blütenherz,
Lieblich duftend himmelwärts!

O wie da die Blüte glüht —
Also freudig aufgeblüht,
Wie dein Herz, o schöne Frau,
Sich erschloß im Liedestau!

                   60.

Hauch der Liebe, der du schimmerst
Auf dem kleinsten Rosenblatt,
Du erglühest wenn der Falter
Kosend dich umflogen hat.

Hauch der Liebe, zart ergossen
Auf des Liebchens Angesicht,
Du erglühst mit leisem Zittern
Wenn mein Lied aus Flammen bricht.

Hauch der Liebe auf der Rose,
Hauch der Lieb auf Liebchens Wang',
Schwinde nicht in Falters Kosen,
Schwinde nicht in meinem Sang!

Denn der Flug der Schmetterlinge
Ist so sanft und zart und weich,
Und das Lied aus meinem Herzen
Ist an milder Liebe reich!

                   61.

Liebe fragt nicht nach der Stunde
Wann sie glühend kommen darf, —
Taucht wie's Fischlein aus dem Grunde,
Wenn die Sehnsucht Netze warf.

Liebe fragt nicht nach Geschmeide
Und nach eitlem Überfluß, —
Sie ist reich in schlichtem Kleide
Und sie liebt nur, weil sie muß.

Liebe fragt nicht nach den Worten,
Die der Haß der Menschen spricht,
Wandelt frei durch offne Pforten,
Scheut der Welt Verdammung nicht! —

Und so hab ich dich gefunden —
Weiß es kaum zu welcher Stund,
Hab dein reiches Herz empfunden,
Gab dir frei mein Lieben kund.

Und die Welt mag uns verdammen,
Daß es frei mein Herz gewagt,
Zu erglühn in deinen Flammen —
Ohne daß es viel gefragt!

                   62.

In freudigen Gesängen
Erschließt sich dir mein liebend Herz,
Das Schwert mit scharfen Klängen
Ward glockentönig Erz.

Das Lied, das kühn geklungen —
Das Liederschwert, zum Kampf gezückt,
Das blinkt nun, sanft geschwungen,
Als Glöcklein, lenzgeschmückt! —

Es ist, als stünd am Hügel
Ein Kirchlein, das zu frohem Fest
Der Glocken helle Flügel
Herniederklingen läßt.

Da tritt mit Blumenkränzen
Manch Mägdlein aus dem Kämmerlein,
Und stille Augen glänzen
In hellem Freudenschein.

Und alles zieht zur Feier,
Und alle Herzen pochen laut,
Du aber nahst im Schleier
Als süße Sängerbraut!

                   63.

Durch den Abendhimmel geht
Oft ein tiefes, stilles Leuchten,
Und dein Auge oft mit feuchten
Schwingen — heller Glanz durchweht.

Muß wohl ein Gedanke sein,
Ein verklärter, tiefentzündet,
Der den Fluren Lieb verkündet
Noch in düstrer Wolken Schein!

Muß wohl ein Geflimmer sein
Deiner Liebe, die noch leuchtet
Aus dem Auge, das, befeuchtet,
Oft erglänzt in Tränenschein!

                   64.

Ich durfte dich umranken
Mit meines Lebens grünstem Trieb,
Und blühende Gedanken
Erweckte deine Lieb.

Das ist nun ein Getriebe
In meines Herzens tiefsten Grund —
Die lenzgeküßte Liebe
Entklingt als Lied dem Mund.

Das ist ein Blühn und Drängen,
Das ist ein Frühling wundersam,
Der schallend in Gesängen
Uns lieblich überkam.

Ich will mich selig wiegen
Als Zweig um dein geliebtes Haupt,
Den Lieder hell durchfliegen
Wenn er sich grün belaubt.

             65.

Lausche den Liedern,
Liebliche Rose,
Dulde der Falter
Zartes Gekose!

Horch meinem Sange,
Glühende Blume, —
Klingend zu deinem
Ewigen Ruhme!

Streu deines Wortes
Duftiges Wogen,
Bis meine Seele
Traumumzogen.

Laß mich dann selig-
Schlummernd säumen,
Bis ich dich rufe
In wachem Träumen!

Bis ich dir singe,
Liebliche Blume,
Neue Lieder
Zu deinem Ruhme!

                   66.

Verklärt von deiner Liebe Schein,
Verschließ ich oft mein Kämmerlein,
Und schaue helle Gesichte,
Und sinne und träume und dichte.

Da ist es rings so schlummerstill,
Das Herz nur nicht verstummen will,
Das wallet auf und nieder
Im Schwall erwachter Lieder.

Da dehnt sich ringsum dunkle Nacht,
Mein Auge nur in Flammen lacht,
Und sprühet helle Funken,
Im Liedertraum versunken.

So sitz ich oft im Kämmerlein,
In stiller Dunkelheit allein,
Verklärt vom lichten Scheine
Der Liebe, die ich meine!

                   67.

Senke dich voll Lieb hernieder,
Ruh auf mir mit deiner Macht,
Dunkles Auge, meiner Lieder
Tiefe, zaubervolle Nacht!

Laß mein Herz in Schlummer sinken,
Das, in Liedern, träumend wacht,
Und darüber selig blinken
Deines Auges tiefe Nacht!

Lasse meines Geistes Schwingen
Ruhn, von deinem Blick bewacht, —
Träumend wird er noch durchklingen
Deines Auges stille Nacht!

Und in deiner Seele Tiefen
Dämmert dann ein süßer Traum,
Strahlen, die verborgen schliefen,
Quellen auf wie Silberschaum.

Sterne, die versunken ruhten
In des Herzens tiefem Schacht,
Werden mir entgegenfluten
Licht aus deines Auges Nacht!

Milder Friede wird entquellen
Dieser Sterne lichtem Strahl,
Der sich froh aus meinen hellen
Liedern in dein Auge stahl;

Der sich liebevoll entzündet
An des Sängerherzens Glut,
Und sich wieder selig mündet
In der Liebe tiefe Flut!

Und so senke dich hernieder,
Ruh auf mir mit deiner Macht,
Dunkles Auge, meiner Lieder
Tiefe, zaubervolle Nacht!

                68.

Leise übers Angesicht
Haucht mir oft ein Wehen,
Und ich kann und kann es nicht,
Wie es kam, verstehen.

Zuckend durch die Lippen glüht
Oft ein mildes Flammen,
Und ich presse, kußumsprüht,
Freudig sie zusammen.

Lieblich durch die Seele klingt
Oft ein süßes Tönen, —
Liebe will sich, liedbeschwingt,
Im Gesang verschönen!

                   69.

Angeweht vom Hauch der Liebe
Regten sich in meiner Brust
All die freudighellen Triebe,
Die nun blühn in Frühlingslust.

Und sie sproßten nicht vergebens
Aus des Herzens tiefstem Grund,
Denn die Blüte meines Lebens
Weih' ich dir in stiller Stund.

Winde dir zum süßen Danke
Aus den Blumen einen Kranz,
Und manch klingender Gedanke
Weht darauf in Liebesglanz.

Und die helle Blütenkrone,
Liedumweht und lustbelaubt,
Setz ich, treuer Lieb zum Lohne,
Meiner Königin aufs Haupt.

                  70.

Gehst du durch das grüne Feld,
Schweigend, in Gedanken,
O wie da, von Lust beseelt,
Lüftchen dich umschwanken!

O wie da die Falter mild
Kosend dich umfächeln
Und dein liebes Blumenbild
Blüten leis umlächeln!

Und der goldne Sonnenstrahl
Lehnt sich an ein Wölkchen, —
Sieht herab ins Frühlingstal
Auf das Blumenvölkchen.

Und die schönste Blume will
Er mit Glanz umfangen,
Doch — du läßt im Schatten still
Tief dein Köpfchen hangen!

                   71.

Laß mir — ruhend dir am Herzen —
Leuchten deines Auges Licht, —
Lösche deiner Liebe Kerzen,
Wenn ich Schlummer suche, nicht!

Laß des Blickes Flamme brennen
Nur so lang mein Auge wacht; —
Weiß dir nicht die Angst zu nennen,
Die mich faßt in deiner Nacht!

Wenn du tief dein Aug geschlossen,
Schlummere ich nimmer ein; —
Muß von deinem Blick umflossen,
Oder er von meinem sein!

Ist dann Eines still versunken
In des Schlummers süße Ruh,
Sinket leis, vom Schauen trunken,
Leicht des Andern Auge zu!

                   72.

Sage mir, du liebes Kind!
Hast du schon die Mähr' vernommen
Von den Augen, welche sind
Einst in Tränen still verschwommen?

Schöne, dunkle Äugelein,
Äugelein mit süßen Ringen
Sollen es gewesen sein,
Die in Tränen still vergingen. —

Hab mir Acht, du liebes Kind!
Laß dich nie mit Augen finden,
Die von Tränen trübe sind, —
Denk, sie könnten mir erblinden!

Wenn du schon zu weinen hast,
Wolle mir den Schmerz vertrauen,
Sollst die Perlen, reich gefaßt,
All in einem Liede schauen!

                   73.

Was soll ich denn verschweigen
Die Liebe vor der Welt,
Die wie die Blüt' von Zweigen
In Liedern niederfallt.

Was soll ich denn verbergen
Der Lieder grünen Trieb, —
Ich wahr' sie nicht in Särgen
Die liedgewordne Lieb!

Es muß der Baum die Blüten
In alle Lüfte streun,
Und mit den lieberglühten
Die ganze Welt erfreun.

Ich will ja nicht vergebens
Erblühn in Gottes Haus,
Ich streu den Lenz des Lebens
In hellen Liedern aus!

                   74.

Mach dir aus den Wolken nichts,
Die dein Haupt umziehen
Und im Strahle deines Lichts
Scheu vorüberfliehen.

Sorg nur, daß Gewölke nicht
Deinen Himmel decket,
Daß nicht eines Blitzes Licht
Plötzlich dich erschrecket.

Was ich kann ich tu' es gern,
Das Gewölk, in Treuen,
Rings von deines Auges Stern
Singend zu zerstreuen!

                   75.

Manches, sprichst du, will ich missen
Nach des Lebens kurzer Frist, —
Nur das Eine möcht ich wissen:
Ob die Liebe ewig ist!

Kind! ich will den schönen Glauben
An der Liebe Ewigkeit
Nimmer deinem Herzen rauben,
Wenn es dich von Angst befreit.

Aber mir will es erscheinen,
Daß mir einstmal in dein Grab —
Wie ich auch mag bitter weinen —
Deine Liebe sinkt hinab. —

Doch aus deines Grabes Rosen,
Die im Frühling auferstehn,
Seh ich in des Duftes Kosen
Deine Seele freudig wehn!

Und in deines Hügels Grüne
Seh ich noch des Hoffens Glanz,
Das einst deine glaubenskühne
Seele dir erfüllte ganz!

Und im bangen Windeswehen,
Das um deinen Hügel rauscht,
Mag ich noch dein Wort verstehen,
Dem ich selig einst gelauscht!

Und im hellen Morgentaue,
Der auf deinem Grabe blinkt,
Deinen Schmerz ich düster schaue,
Den mein Auge freudig trinkt!

Aber du wirst nichts mehr hören
Von dem bangen trüben Lied,
Das in leisen Trauerchören
Oft um deinen Hügel zieht.

Aber du wirst nicht mehr fühlen
Meines Herzens Liederschlag, —
Wie der Schmerz auch glühend wühlen
Mir in meinem Herzen mag!

Doch — ich will den schönen Glauben
An der Liebe Ewigkeit
Nimmer deinem Herzen rauben,
Wenn es dich von Angst befreit!

                   76.

Hast du wohl an mich gedacht
Heute um die Morgenzeit?
Denn als ich vom Traum erwacht,
Dacht ich dein — in Seligkeit.

Und da fiel ein lichter Strahl
Flammendhell auf mich herein,
Und mir war mit einem Mal
So, als dächtest du jetzt mein.

Und ich sah voll heller Pracht
Dich vor mir in Seligkeit! —
Hast du wohl an mich gedacht
Heute um die Morgenzeit?

                   77.

Steh ich unterm grünen Baum,
Harrend auf dein Kommen,
Fühl ich mich von süßem Traum
Duftigmild umschwommen.

Und mir ist als spräche laut
Jedes Blatt mit Beben:
Wartest wohl auf deine Braut?
Ei, das ist ein Leben!

Wo sie denn nur bleiben mag!
Flüstern drein die Blüten; —
Und ich kann des Herzens Schlag
Nimmermehr behüten!

                   78.

Was kommt denn da gegangen
Im lauen Frühlingswind? —
O was das blühende Wangen
Und glühende Augen sind!

Was kommt denn da gezogen?
O sag mir, wer du bist?! —
O was das für ein Wogen
Schwellender Glieder ist!

Was kommt mir da geklungen
Ins tiefste Herz hinein?
Das ist ja wie gesungen? —
Das muß mein Liebster sein!

Ja, ja — ich bin dein Sänger!
Und du, du bist mein Lieb! —
Mein Sang — wie still verkläng' er,
Wenn er an deiner Seele
Nicht freudig hangen blieb'!

                   79.

Es schlägt mein Herz an deiner Brust
In stillversunkner Liebeslust.

Es klopft an seinen Himmel an
Und fragt, ob er wird aufgetan.

Da lächelst du in Seligkeit.
Mir aber geht der Himmel weit

In deinem Antlitz auf in Lust —
An deiner liebevollen Brust!

                   80.

Fragst du mich, warum ich still
Dir ins helle Antlitz schaue? —
Weil dein Aug ich fragen will,
Eh' ich mich dem Tag vertraue.

Denn ein innigtiefer Blick
In dein Antlitz, liebumflossen,
Hat mir oft schon ein Geschick
Mit verklärtem Strahl erschlossen.

Und so seh ich Morgens dir
Oft ins Aug mit stummer Frage,
Daß in seinem Glanz es mir
Gutes oder Schlimmes sage.

                   81.

Hast mich lang nicht angeschaut,
Du geliebte Seele;
Hauchtest lange keinen Laut
Aus der stummen Kehle!

Ist dein Aug mir abgekehrt, —
Ist mir wie der Blüte,
Die in Sehnsucht sich verzehrt,
Wenn der Tag verglühte.

Schweigt mir deines Wortes Schall,
Ist mir wie dem Zweige,
Dem entflog die Nachtigall
An des Sommers Neige!

                   82.

Ja es muß wohl also sein,
Daß der Himmel manchmal weinet,
Daß in deinem Auge rein
Manchmal eine Trän' erscheinet!

Denn es sehnet sich nach Tau
Jede Blume wohl im Tale,
Wenn der Himmel lange blau
Niederschien mit lichtem Strahle.

Und wer weiß, ob nicht in Qual
Still mein Lied vergehen müßte,
Wenn nicht einer Träne Strahl
Manchmal seine Blüten küßte!

                   83.

Steigt von euerm Himmel nieder,
Liebliche Gedanken;
Sollt mein Lieb im Klang der Lieder
Liebevoll umranken!

Sollt ihr um die Stirne schlingen
Eine Liederkrone, —
Holdes Lächeln wird euch bringen
Süßen Dank zum Lohne!

Sollt ihr an den Busen drücken
Eine Lieder-Rose, —
Still wird euch dafür beglücken
Ihres Blicks Gekose,

Sollet leise niederfallen
Wo ihr Fuß sich wieget, —
Bald wird euch ihr Hauch umwallen
An ihr Herz geschmieget!

Wird euch nimmer übersehen,
Wird sich niederbeugen,
Und ihr Kuß wird euch umwehen, —
Meiner Liebe Zeugen!

               84.

Küssest du die Blüte,
Küsse ich das Blatt,
Daß auch meine Liebe
Was zu küssen hat.

Und die Blume zittert
Wie in süßer Lust,
Und du drückst mit Küssen
Sie an deine Brust.

Könnt ihr wohl verwehren
Diesen Blumenkuß,
Doch — wer weiß, wie einsam
Sie noch sterben muß!

             85.

Kennst du noch jenen
Zitternden Klang,
Der dir mein Sehnen
Also sang:

Komme, du Reine,
Mache mich rein!
Nimm mich, du Eine,
— Ich bin dein!

Lieblichen Scheines
Sei mir hold!
Schmück dich mit meines
Liedes Gold!

                   86.

Bist du nicht der Rosenduft,
Der mich also süß berauschet,
Daß mein Herz im Liede ruft
Deine Seele, die ihm lauschet?

Bist du nicht das Lüftchen mild,
Das durch meiner Seele Saiten
Also süßen Bebens quillt,
Daß sie hellen Sang verbreiten?

Ja, dein Hauch die Lieder ruft,
Welchen deine Seele lauschet!
Ja, du bist der Rosenduft,
Der mich süß zum Lied berauschet!

               87.

An deinem Busen blühet
Ein Röslein lieberot,
Doch trägt es schon im Herzen
Den nahen, bleichen Tod.

Und liebend blickst du nieder
Aufs bange Röselein,
Und rufst: du sollst nicht welken!
Du sollst unsterblich sein!

Und in die Bibel legst du
Das Röslein lieberot; —
Wer wird es da wohl finden
Wenn einst wir beide tot?!

                   88.

Wolle mir in trüber Stunde
Nicht verscheuchen meinen Gram,
Denn von selbst vernarbt die Wunde,
Die von selbst dem Herzen kam!

Wolle nicht die Wunde schließen,
Halte nicht des Blutes Lauf,
Laß den Schmerz getrost verfließen, —
Wie er kam, so hört er auf! —

Jag die Wolke, blitzdurchschossen,
Aus den Lüften, wenn du kannst!
Aber sieh, — sie ist zerflossen,
Ehe du dich recht besannst!

                   89.

Könnt ich flüstern wie das Blatt,
Das erbebt im Abendwind,
Das viel süß're Töne hat,
Als in meinem Liede sind!

Könnt ich klingen wie die Luft,
Die durch grüne Zweige weht,
Die dem Baum so liebend ruft,
Daß er bald in Blüte steht!

                   90.

Es klingt mir oft im Herzen
Wie ein verlorner Klang,
Der sich vergebens sehnet,
Zu tönen im Gesang.

Ich kann das Lied nicht finden,
Für das er taugen mag, —
Er wird wohl still verklingen
Im letzten Herzensschlag!

                     91.

In deinem Herzen da muß es sein
So wie in einem Juwelenschrein.

Die Sehnsucht schimmert aus Perlen reich,
Die oftmal werden zu Tränen gleich;

Der Glaube leuchtet mit blauem Schein,
Die Hoffnung schimmert smaragden drein;

Und aus der Tiefe, wo's glühend loht,
Da flammt die Liebe rubinenrot;

Da zuckt der goldne Strahl der Lust,
Daß laut es klingt in meiner Brust:

In deinem Herzen da muß es sein
So wie in einem Juwelenschrein!

                   92.

Was kann denn ich dafür, mein Kind,
Daß deine Blicke Flammen sind,
Daß deine Lippen rosengleich,
Und daß dein Herz so liebereich?

Was kann denn ich dafür, mein Kind,
Daß mir ein milder Frühlingswind
Ein Blatt von deinem Rosenstrauch
Einst zugeweht mit süßem Hauch?

Was kann denn ich dafür, mein Kind,
Daß deine Worte Flügel sind,
In deren Schwung ich selig trieb
Zum lichten Himmel deiner Lieb?

Was kann denn ich dafür, mein Kind,
Daß meine Worte Lieder sind,
In deren liebentzücktem Klang
Mein Herz in deine Seele drang?!

                93.

Ein brünstiges Gebet
Aus deinem süßen Munde,
Das in Entzückung weht
Aus tiefstem Herzensgrunde,

Das sollte doch gewiß
Des Himmels Herz erweichen,
Wenn du in Finsternis
Erflehst ein flammend Zeichen.

Der Himmel aber bleibt
Verschlossen deinem Flehen;
Dein Glaubensnachen treibt
Auf Felsen — du wirst sehen!

Dein Hoffnungsanker sinkt
In bodenlose Fluten;
Die Grabesscholle trinkt
Dein Leben im Verbluten! —

Laß lieber deinen Geist
Bewußt auf Erden walten,
Was du erkennst und weißt,
An das sollst du dich halten!

Das Bauen auf die Macht,
Die nimmer wir erfassen,
Das sollst du mit Bedacht
Der Schwachheit überlassen!

Und wenn du beten willst
In einer stillen Stunde,
In der du überquillst
In deines Herzens Grunde,

So ist es ja genug,
Wenn sich dein Geist beschwinget,
Und in entzücktem Flug
Ein liebend Herz durchdringet!

                94.

Der Glaube mag vergehen
In hellen Lichts Erstehen, —
Wenn nur die treue Lieb
Im treuen Herzen blieb!

Die Hoffnung mag erbleichen
Mit ihren falschen Zeichen, —
Wenn nur der Liebe Geist
Das treue Herz umkreist!

Die Liebe, die muß bleiben,
Muß durch die Brandung treiben
Der stürmevollen Flut
Des Lebens, die nie ruht!

                95.

Leise, liebe Frühlingsluft!
Vöglein, seid mir still!
Denn mein Lieb im Rosenduft
Selig schlummern will.

Ruhet aus auf grünem Blatt,
Lüftchen, von dem Flug, —
Wenn mein Lieb geschlummert hat,
Könnt ihr wehn genug!

Stellet euer Singen ein
Vöglein auf dem Baum,
Stört die Allerliebste mein
Nicht in ihrem Traum!

Nur ein Hauch des Duftes zieh'
Um ihr Angesicht;
Nur ein Zweig umflüstre sie
Wie ein still Gedicht!

Nur mein Blick umschweb' ihr Haupt,
Schützend wie ein Geist,
Der ihr nicht den Schlummer raubt,
Der sie treu umkreist!

Dem sie, wenn ihr Aug erwacht,
Wie in Seligkeit,
Liebevoll entgegenlacht
Wohl in aller Zeit!

                96.

Was ist mein Herz von Liedern
Der Liebe doch so voll, —
Ich weiß nicht, was es werden,
Und wo es enden soll!

Ich möchte sie versingen
In einem vollen Klang,
Und möcht doch wieder klingen
In ewigem Gesang!

Ich möchte sie umfassen
In einem einz'gen Laut,
Und ihn ertönen lassen,
Bis er dir tief vertraut!

Bis er mit süßem Beben
Dir tief ins Leben zieht, —
Doch sich — in diesem Streben
Erklinget Lied auf Lied!

                   97.

Du meinst, es sei genug gesungen?
Es soll nun ruhn des Liedes Klang? —
Eh' nicht die Knospe ganz gesprungen,
Entschwindet nicht des Blühens Drang!

Eh nicht die Rose ganz erschlossen,
Verliert sich nicht ihr Drang zum Licht;
Eh' nicht die Lerche ausgegossen
Des Herzens Glück, eh schweigt sie nicht!

Ein jedes Blatt muß licht entfalten
Die Rose in des Blühens Lust,
Ein jeder Ton muß sich gestalten
Zum Klange in der Lerche Brust!

Und keinen Laut kann sie verhehlen,
Wenn sie zum Gott der Liebe spricht,
Und sollte nur ein Blatt noch fehlen,
So ist's die volle Rose nicht!

               98.

Mein Herz ist ein Röslein
Mit hundert Blättern,
Drauf flimmert die Liebe
Mit glühenden Lettern.

Die Zeichen aber,
Die kann nur lesen
Dein Auge der Liebe
Geliebtes Wesen!

                99.

O wäre all mein Lieben,
Von dem mein Lied erzählt,
Für jedes Herz geschrieben,
Gesungen für die Welt!

O wäre jeder Gedanke,
Der meinem Lied entklingt,
Eine grüne, blühende Ranke,
Die alle Herzen umschlingt!

O wäre in meinem Liede
Verstanden jedes Wort, —
Dann ging durch die Welt der Friede,
Und aller Haß wär fort!

                   100.

Die Lerchen steigen, die Wiesen blühn,
Die Frühlingsdüfte wehen,
Des Liebchens Wangen wie Rosen glühn,
Und ich möchte vor Lieb vergehen!

Es möchte das Herz in Himmelslust —
Eine Lerche — singend zerschmettern,
Oder als Rose an Liebchens Brust
Im Frühlingssturm sich entblättern!


                                            nach oben