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Sechster Kranz

Totenlieder
 

Begräbnis
Zwei Blumen
Vision
Ahnung
Angedenken
Milderung
Totengräberlied
Das schmerzliche Lied
Geheimnis
Gottesacker
Todesmorgen

 

Begräbnis

Der Leichenträger schwarze Schar
Zieht trauernd aus dem Haus,
Sie trägt ein Mädchen auf der Bahr'
In's stille Grab hinaus.

Mit schweren Herzen, trüb und bleich,
Geh'n viele nach dem Sarg,
Man sieht's in ihren Mienen gleich,
Daß er ihr Liebstes barg.

Da hält der Zug — es sinket leis'
Der Sarg in's Grab hinein,
Und mancher wirft nach frommer Weis'
Ein Stücklein Erde d'rein.

Ich aber stand voll Schmerz am Grab,
Hob keine Scholle auf;
Ich weinte auf den Sarg hinab,
Warf meine Tränen d'rauf.

Zwei Blumen

Seht, wie dort die Trauerweide
Aus dem Totenhügel steigt,
Im begrünten Hoffnungskleide
Weint sie, über's Grab geneigt.

Welke Blüten drehen Kreise
Durch des Waldes Laubgeheg',
Rauher Herbstwind streut sie leise
Auf den öden Friedhofsweg.

Und ich steh' an ihrem Grabe,
Und ich blicke schmerzbeseelt
Hin nach der verlor'nen Habe —
Und so trüb scheint mir die Welt!

Dort, wo ihre Augen schlafen,
Blüh'n zwei Blumen wundermild
Alle Qualen, die mich trafen,
Kehren wieder — ungestillt.

Wenn ich auf die Blumen schaue,
Winken sie mir trauten Gruß,
Lacht mir so ihr Aug', das blaue,
Daß ich bitter weinen muß!

Vision

Oft, wenn ich alleine bin,
Denk' ich mich zum Hügel hin,
Wo sie unter Blumen ruht,
Sie, der ich, die mir so gut.

Und ich sehe schmerzlich d'rauf.
Da hebt sich der Hügel auf,
Und sie steigt und steigt empor,
Blühend, glühend wie zuvor.

Und auf ihrer Wangen Blüh'n
Flammend meine Küsse glüh'n,
Meiner Blicke Freudenquell
Strömet reich und sonnenhell:

Und ich seh' es, wie sie weint,
Wie sie gar so traurig scheint,
Und ich hör' es, wie sie spricht,
Aber lächeln will sie nicht.

Mädchen! Ist's denn gar so schwer?
Deine Brust so freudenleer?
Die du so viel Tränen weinst,
Nimmer lächelnd mir erscheinst?

Da verklärt sich mild und licht
Ihr gebleichtes Angesicht,
Keine Träne mehr entrann,
Und sie lacht mich himmlisch an.

Seit ich so die Tote sah,
Ist dies Bild mir immer nah':
Lichtumflossen klar und rein,
Ist sie nun als Engel mein.

Ahnung

Wir waren uns so gut im Leben,
Wir hatten uns so innig lieb,
Was wir besaßen, ward gegeben,
So daß es doch uns Beiden blieb.

Das ist nun aus! Die Grabeserde
Umschließt sie dunkel, feucht und kühl,
Und wie ich liebend mich gebärde,
Was frommt mir's ohne Mitgefühl?

Einst waren wir gar traut beisammen,
Ich hielt sie glühend bei der Hand,
Der Himmel stand in hellen Flammen,
Vor uns lag schönes, grünes Land.

Da hab' ich glühend sie umfangen,
Da hab' ich sie so heiß geküßt,
Als wenn ich einst von ihren Wangen,
Auf ewig — ewig scheiden müßt!

Angedenken

Das Kissen, auf dem sie sterbend
Ihr schönes Auge bewegt,
Hab' ich zum Angedenken
Mir an das Fenster gelegt.

Da seh' ich vom hohen Fenster
Hinein in der Menschen Lust,
Fest an das Kissen gedrücket
Die qualerfüllte Brust.

Und nimmer ist es stille
Das Herz mit lautem Schlag,
Als wollt' es der Stelle zürnen,
Auf der sie im Tode lag.

Als wollte es jubelnd umfangen,
Von süßer Liebe bewegt,
Das Kissen, auf das sie im Tode
Ihr schönes Haupt gelegt.

Milderung

Wohl traf er mich tief der Schmerz!
Ihres Leibes welkend Blühen,
Ihrer Augen letztes Glühen
Brannte mir in's Bruderherz.

Und ich habe heiß geweint!
Hab' gefühlt den Schmerz des Lebens,
Glaubte, hoffte — doch vergebens!
Immer Trän' auf Trän' erscheint.

Aber nun ist's Auge hell!
Als sie ward zu Grab' getragen,
War es Herbst — in trüben Tagen
Kam der Schmerz nicht von der Stell'!

Nun — da Alles frühlingsgrün,
Und die Blumen duftend blühen,
Und die Sonnenstrahlen glühen,
Geh' ich oft zum Grabe hin.

Und der Himmel lacht so rein;
Und die Blumen auf dem Grabe
Sagen mir — wie gut sie's habe,
Kann ich da noch traurig sein? —

Totengräberlied

Nur herein, du schwarzer Wagen —
Nur herein in's Totenfeld!
Will den Hund schon weiter jagen,
Wenn er mir entgegenbellt.

Es ist ja nicht gar so schaurig
In der stillen Totenruh' —
Nicht so düster! nicht so traurig!
Denkt: im Grabe ist die Ruh'.

Fragt nur mich — ich kann es sagen,
Weiß es, was das Leben ist,
Eh' ihr nicht im Totenwagen,
Nimmer ihr der Ruh' genießt!

Wenn ihr dann im Grabe lieget,
Äuglein fest — auf ewig zu,
Dann ist jede Qual versieget,
Ew'ge Stille, ew'ge Ruh'.

Hab' schon manche Nacht gelauschet
An der off'nen Totentruh',
Nicht ein einzig Wörtlein rauschet,
Denn im Grabe ist die Ruh'.

Manchmal wohl da flackerts nieder
Und hinauf am Grabesort,
Irrlichtsflämmchen, Unkenlieder —
Und der Spuk ist wieder fort.

Wohl die Sterne flammend kreisen
Über all' die Gräber hin,
Und es träumen viel die Weisen
Von des Grabes dunklem Sinn;

Doch wird einst mein Stündlein schlagen,
Schließ ich froh die Augen zu,
Ohne Murren — ohne Klagen,
Denn im Grabe ist die Ruh'.

Das schmerzliche Lied

Wenn entzückte Nachtigallen
Singend um die Rosen flattern,
Da erklingt so gern mein Lied.
Von des Sanges Glut entzündet,
Der den grünen Hain durchflammet,
Glüht mein innerstes Gemüt.

In der Glocken heilig Tönen
Will es auch so gern sich mengen
Und ich sing' beim Glockenschall.
Und des Glöckleins süße Klänge
Kosen froh mit meinen Liedern —
Zieh'n wie Bräute durch das Tal.

Doch wenn heiße Tränen fallen
Auf die Gräber teurer Toten,
Bin ich stumm — da sing' ich nie.
Nur der leise Fall der Tränen
Auf die harten Marmorplatten
Klingt als Schmerzensmelodie!

Geheimnis

Ausgeglühet hat die Flamme,
Ausgeschlagen hat das Herz,
An des Grabes Kreuzesstamme
Weinet aus sich unser Schmerz.

Totenstille — trübes Schweigen,
Und die Lüfte wehen kaum,
Gar die Blumen alle neigen
Ihre Kronen wie im Traum.

Grabesrose! ewig stumme,
Öffne liebend mir den Mund,
Deinem Sänger, süße Blume,
Gibst du sonst ja Alles kund!

Friedhof — spricht die Grabesrose —
Ewig wohl sein Schweigen hält,
Denn es ruht  in seinem Schoße
Das Geheimnis dieser Welt.

Gottesacker

Ewige Stille —
Ewiges Schweigen
Weht um der Leiche
Modernden Sarg;
Ob sie auch einst ein
Glühendes Leben,
Ob sie ein Herz voll
Liebe auch barg.

Schauriges Saatfeld!
Wann wird die Rose
Ewigen Lebens
Dir wohl entblüh'n?
Wann wird im Keime,
Den du empfangen,
Leben erglüh'n?

Ewige Ruhe —
Ewiges Schweigen
Schließet die Grüfte
Schauerlich ein;
Kaum das der Würmer
Nagen ertönet,
Oder im Falle
Modernd Gebein.

Ja! es bedarf der
Lieb' eines Gottes,
Sollen die Keime
Alle ersteh'n;
Wenn nicht das Saatfeld
Ohne zu blühen,
Ohne zu reifen,
Einst soll vergeh'n!

Todesmorgen

Wenn einst der Morgen lichtumweht
Auf meinem Grabe aufersteht,
Dann möchte ich die Blumen seh'n,
Wie sie dem Glanz entgegenweh'n.

Dann möcht' ich seh'n die Rosenglut,
In deren Schutz der Sänger ruht,
In deren Duft das Sängerherz
Noch freudig woget himmelwärts.

Denn all' die reiche Liederschar,
Die noch in meinem Herzen war,
An Sonnenpracht — an Morgenluft,
Verhaucht das Grab als Rosenduft!