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II.
Liebe 2/2

 

Gewohnheit
Schon dreißig Jahre bin ich alt!
Ein Rosenblatt
Was in deiner Seele spinnt . . ?
Sie liebt dich von Herzen!
Rosen pflanzt man nicht auf Herzen
Heb dich weg und küß mich nicht!
In alten grauen Tagen
Weib
Die Schrift im Sande
Huldigung
Bei mir stimmt's einzig nicht
Seelisch Liebe
Schon fleißig, lieber Goldschmied?
Wenn du gehst von mir
Halbverklungene Heldenkunde
Des Landmanns Saat
O sei mir gegrüßet, du . .
Gedenken
O Herrgott, wieviel an Liebe!

 

Gewohnheit


Der Hüttenrauch*, das Küssen auch,
Das sind zwei schlimme Dinge.
Wer's einmal tut genießen auch,
Der kann es nicht mehr missen auch,
Selbst wenn er am gewissen Brauch
Zuletzt zugrunde ginge.

*Arsenik

Schon dreißig Jahre bin ich alt!

Schon dreißig Jahre bin ich alt,
Und noch allein geblieben.
Und seh' die Knaben mannigfalt
Wohl ihre Schätzlein lieben.

Ich seh', wie sie sich froh einand
Die Hochzeitskränze winden;
Ich wandre durch das weite Land
Und kann meinen Schatz nicht finden.

Ich such' ihn, wo bei Herdesglanz
Die holden Mägdlein blühen,
Ich such' ihn, wo bei Kirmestanz
Die Dirnen alle glühen.

Ich seh' die Jahre rascher ziehn
Und fühl' die Jugend schwinden,
Und suche ihn und rufe ihn,
Und kann meinen Schatz nicht finden

Und sie, die mir bestimmt muß sein
Für meine Lebensfahrten,
Wird irgendwo allein, allein
Mit Bangen auf mich warten.

Der Alte hier, die Alte dort
Wird einsam einst begraben,
Zwei, die sich treu und heiß geliebt
Und nie gesehen haben.

Ein Rosenblatt

Das das Rosenblatt bedeutet,
Das in sich zusammenkauernd
Vor dem Hauch des Mundes schauernd
Auf der Hand mir liegt gebreitet?

Kann ich nicht dem toten, süßen
Rosenblatt mit Sehnsuchtsbeben
Noch einmal ein junges Leben
Minnend in die Adern gießen?

Oh, vor meinem heißen Kusse
Wird es nimmer frischen können,
Wird es, ach, nur still verbrennen,
Asche, Asche sein zum Schlusse.

****

Rosenblatt, warum alleine
Kommst du mir von i h r geflogen,
Ach, daß du nicht mitgezogen
Sie, die Holde, die ich meine!

Jene Süße, von den Musen
Ahnend mir so lang verheißen.
Nächtig, wenn die Sterne gleißen,
Möcht ich ruh'n an ihrem Busen.

Möcht' ins helle Aug' ihr sehen,
Ihr ins tiefe Herz mich graben,
Möcht' in heißer Glut mich laben,
Und in Liebeslust vergehen.

****

Soll ich warten, bis die Tage
Wachsen und die Nächte schwinden,
Die so lockend, Lieb' zu finden?
Rosenblatt, flieg hin und frage.

Soll ich warten auf die Tage,
Wo zur Form wird, was heut Kuß ist,
Und zur Pflicht, was heut Genuß ist?
Rosenblatt, flieg hin und frage.

Denk an deine Maientage,
Rosenblatt, du kennst das Leben;
Kennst der Liebe Pein und Beben.
Nun, so flieg zu ihr und frage.

Was in deiner Seele spinnt . . . ?

Wie nah, mein schönes, süßes Kind,
Ist mir dein holdes Angesicht,
Ich trinke deinen Atemhauch
Und deines Auges lächelnd Licht;
Doch was in deiner Stirne sinnt
Und was in deiner Seele spinnt,
Ich weiß es nicht.

Ich weiß den von Jahrtausenden
Emporgebauten Erdengrund,
Ich kenne das mit Sternenwelten
Reich geschmückte Himmelsrund;
Doch was in deiner Stirne sinnt
Und was in deiner Seele spinnt,
Ist mir nicht kund.

Entzückt von deiner Zunge Klang,
Und doch in tiefster Einsamkeit,
Mein Lippenpaar an deins gepreßt,
Und dennoch mir unendlich weit
Ist, was in deiner Stirne sinnt
Und was in deiner Seele spinnt,
Für alle Zeit.

Denn das, worauf ich wollte baun,
Hat mich getäuscht, die Träne dein. —
Es müßte denn dein Herzblut, traun,
Der opferfrohe Bote sein,
Daß Lieb' mir deine Seele spinnt
Und Treu mir deine Stirne sinnt,
Dann bin ich dein.
 
Sie liebt dich von Herzen!

Einst tat ich im Wald spazieren gehn,
Da sah ich im Wald ein Maßlieb stehn.
O Herzlieb, du bist mein Entzücken!
Doch Maßliebchen, die kann man pflücken.
Ich tat's und fragt' es inniglich:
Verrat's, mein Schätzel, liebt es mich?
Da log es mir frech ins Angesicht:
Dein feines Schätzel, das liebt dich nicht.
Ich grub mit dem Messer ein tiefes Grab
Und warf das böse Blümlein hinab,
Und wälzte daranf einen schweren Stein,
Sollst ewig und ewig vergessen sein.

Dann tat ich sinnend weitergehn
Und sah ein Schlüsselblümlein stehn.
O Mädel, Du bist mein Entzücken!
Und Blumen, die kann man zerpflücken.
Ich tat's und fragte inniglich:
Verrat's, meine Traute, liebt sie mich?
Die Blume in Sterbensschmerzen:
Sie liebt dich, sie liebt dich von Herzen! —
Ich grub mit der Hand ein Beetlein auf,
Und tat die zerrissene Blume darauf.

Doch als sie lag auf der Totenbahr,
Da ward sie lebendig, erhob sich gar,
Das eine Blättchen, es jauchzte aufs neu:
Sie liebt dich von Herzen, sie liebt dich treu! —
Dann wuchsen der Blume in Kranzesflor
Die Blätter all von neuem hervor,
Schneeblendend weiß, die Spitzen rot,
Wie Unschuld und Liebesmärtyrertod.
Und jegliches blinkte mir traulich zu:
Sie liebt dich von Herzen! O Glücklicher, du! —
Nun kam ein Sturm und knickte die Bäume,
Und Blitze durchzuckten die himmlischen Räume;
Die Blume wiegte ihr Haupt und rief mich:
Sie liebt dich von Herzen! Sie liebt dich, sie liebt dich! —
Dann nahte der Winter und senkte im Schnee
Auf alle Gefilde ein eisiges Weh.
Doch sieh', die Blume hold und weiß,
Sie blühte hervor aus Schnee und Eis,
Und nickte mir zu in Ernsten und Scherzen:
Sie liebt dich von Herzen! Sie liebt dich von Herzen! —

Und als von neuem der Frühling kam,
Da führte zum Wald mich ein tödlicher Gram,
Ein tödlicher Gram, eine höllische Pein,
O selig, glückselig, gestorben zu sein! —
Auf grünendem Beete die Blume stand,
In üppiger Blüte mir zugewandt,
Und winkte und flüsterte süß und innig:
Sie liebt dich von Herzen! Sie liebt dich unsinnig! —

Ich hob meinen Fuß und trat sie tot,
Die gleißnerisch Blume, so weiß und rot.
Und ging noch tiefer in den Wald hinein,
Und suchte das Grab mit dem schweren Stein,
Und habe geweint und habe geklagt:
Du hast es gesagt! Du hast es gesagt!

Rosen pflanzt man nicht auf Herzen

Ach, du klagst, das deine Schöne
Nicht dein Herz auf Rosen bette,
Sondern statt mit Blumenkette
Es mit spitzen Dornen kröne.

Nur Geduld, einst wird es kosen
Deinen Strauß bei Grabeskerzen,
Rosen pflanzt man nicht auf Herzen,
Nur auf E r d e pflanzt man Rosen.

Heb dich weg und küß mich nicht!

Heb' dich weg und küß mich nicht!
Du nicht, ich bitte dich,
Ein Kuß von dir — o, küß mich nicht!
Ein Kuß, er wär' mein Tod.
Kleine Schelmin, lächle nicht!
Du nicht; — blick mich nicht an!
Das traute du, o nenn es nicht!
Sprich nichts, kein Wort zu mir!
O laß mich gehn, berühr mich nicht!
Ich weiß, mein Kind, du liebst mich nicht.
Und ist nicht auch die Seele mein,
Den Leib allein, den mag ich nicht.

In alten grauen Tagen

In alten grauen Tagen,
Da hat sich's zugetragen,
Da tat ein Knab' das Maidlein schaun,
Das Maidlein tat dem Knaben traun,
In alten grauen Tagen.

Der Knab' tat nit lang bitten,
Nahm's Mädl um die Mitten
Und hub mit ihr ein Tänzlein an,
Der Atem tat ihr stille stahn
In alten grauen Tagen.

Und als er satt am Tanzen,
Da nahm er seinen Ranzen,
Und ließ die Maid zu zwein — allein. —
Das Märchen soll geschehen sein
In alten grauen Tagen.

Weib

Schicksal im langen Haar,
Herrin, mir graut vor dir!
Reiß von der Heimat mich,
Raube die Freunde mir.
Brich meinen Tatenmut,
Höhne, verrate mich,
Schände die Ehre mir,
Hass' und verkaufe mich.
Foltere die Seele mir,
Hetz in die häßlichsten
Laster des Lebens mich,
Stürz in die ewigen
Peinen der Hölle mich:
Anbeten! Anbeten!
Anbeten muß ich dich,
Wonniger, göttlicher
Dämon ich liebe dich!

Die Schrift im Sande

Als man dem Herrn
Die Sünderin verklagt,
Da hat er bloß gesagt:
Wer selber sich weiß rein,
Der werfe seinen Stein!
Dann schrieb er etwas in den Sand . . .
Sie gingen hin und guckten was da stand.
— — — — — — — — — — — — — — —
Verstanden hat's wohl jeder,
Der's geschaut.
Doch keiner hat sich's
Zu sagen getraut.
— — — — — — — — — — — — — — —
Mit erbarmendem Lieben
Hat er es auf Sand geschrieben,
Wo es der Wind verweht.

Huldigung

Die Frauen,
Sie bauen
An unserm Vertrauen,
Im Spinnen
Und Sinnen
Am schneeweißen Linnen,
Die Süßen,
Wir müssen
Sie ehren und küssen.
Die Feinen
Und Reinen
Sind es, die wir meinen.

Bei mir stimmt's einzig nicht

" Bei mir stimmt's einzig nicht, was steht geschrieben,
Daß Lieb' und Leidenschaft sich einig wissen.
Die ich genoß, war mir zu schlecht, zu lieben,
Und die ich liebt, zu w e r t, sie zu genießen."

Seelisch Liebe

Ich lieb' an einem Weib
Nicht bloß den feinen Leib,
Noch mehr die reine Seele.
Ist ihre Seel' nicht mein,
Auf ihren Leib allein
Verzicht' ich leicht und schnelle.
Als ich um sie gefreit
War's für die Ewigkeit
Und nicht für kurze Blüte;
Die wahre Liebe keusch
Plangt nicht so sehr nach Fleisch,
Vielmehr nach Herz und Güte.

Wer für Gestalt nur Sinn,
Für den sind bald dahin
Des süßen Glückes Triebe.
Doch auf der Jahre Höhn
Wird erst die S e e l e schön
In Ahnung e w i g e r  L i e b e.

Schon fleißig, lieber Goldschmied?

Schon fleißig, lieber Goldschmied? Guten Morgen!
Ein bißchen, Herr Nachbar, guten Morgen!
— Klopf, klopf!
Was wird denn geschmiedet so laut?
Ich schmiede ein Ringlein meiner Braut.
Das Ringlein wird glänzend und klar,
Ich führe sie bald zum Altar,
— Klopf, klopf, klopf!

Noch fleißig, lieber Goldschmied, guten Abend!
Ich bin nicht mehr Goldschmied, guten Abend!
— Klopf, klopf!
Was wird denn geschmiedet so laut?
Ich schmiede ein Kreuzlein meiner Braut,
Ein eisernes Kreuzlein fürs Grab,
Wir senken sie morgen hinab.
Klopf, klopf, klopf!

Wenn du gehst von mir

Wenn du gehst, wenn du gehst von mir, mein Lieb,
So ist es aus mit mir,
Ich wandre dir nach durch die halbe Welt,
Und such' und ruf' nach dir.
Ich frage den Jäger im grünen Wald,
Den Schäfer auf blumiger Au:
Hast du nicht gesehn eine schöne Maid
Mit hellen Äuglein blau?

Ich frage den Vogel im Tannenhag,
Den Fisch im Meeresgrund:
Hast du nicht gesehn eine schöne Maid
Mit rosenrotem Mund?
Ich frage den Gräber am Kirchhoftor,
Den Priester am hohen Altar:
Hast du nicht getraut eine schöne Braut
Mit krausem, güld'nem Haar?

Und weiß ich dich schlafen im tiefen See,
Dann jauchz' ich mit hellem Mut,
Und tauche, mein Lieb, zu dir hinab
In die weiche kühlende Flut.
Und weiß ich dich eines Andern Braut
Mit runden Wängelein rot,
Dann leg' ich mich auf die Erden hin
Und weine, und weine mich tot.

Und wenn ich an Lieb' gestorben bin,
So graben sie ein tiefes Grab,
Und legen ein Kreuz mir auf die Brust.
Und senken mich still hinab.
So hast du dich, Kind, von mir gewend't,
Und ich bin blieben dein.
Gott mit dir, Gott mit dir, du hartes Lieb!
Ich leb' und sterb' allein.

Halbverklungene Heldenkunde

Halbverklungene Heldenkunde
Weiß zu sagen von dem Paare,
Das nach grausen Hunnenschlachten
Auf dem Roß, dem kampfesmüden,
Vor den grimmen Türken fliehet.

Unterwegen rast der Flüchtling
Ob des Vaterlandes Jammer.
Angstvoll hütet er sein Weib noch
Vor der wilden Gier der Feinde.
Sieh, da stürzt das treue Rößlein.

"O verdammt!" so ruft der Reiter,
"Daß sie höhnend mich ermorden,
Ist beim Himmel nicht das Schlimmste,
Doch in ihre Hände fallend
Du, mein Weib, du Heißgeliebte . . . "

"Das wird nimmermehr geschehen,
Ich bin dein und will's verbleiben!"
So das Weib, die Brust entblößend.
"Zieh den Dolch und rette, Liebster,
Freudig mich vor den Barbaren."

Nächtige Brände fester Burgen
Glühn am schwerbewölkten Himmel.
Schnaubend nahn die wüsten Horden,
Sehn zwei purpurrote Brünnlein
Springen auf der dürren Heide.

Des Landmanns Saat

Der Landmann säet das Weizenkorn.
"O Maid, ich bin dir gut!"
Er mäht das reife Weizenkorn
Und küßt sie bis aufs Blut.
Der Stein zermalmt das Weizenkorn,
Die Maid liegt auf der Bahr'.
Als Hostie thront das Weizenkorn,
Auf heiligem Altar.
Wie steigst du hoch, mein Weizenkorn!
Und wer und wo blieb ich!
O Brot, der ewigen Liebe Born,
Erbarme dich!

O sei mir gegrüßet, du grünender Baum!

O sei mir gegrüßet, du grünender Baum,
Wo ich mein Liebchen sah,
Die Myrt' in den Locken, auf blumigem Saum,
So nah! So nah! So nah!

Wie küßte ich heiß ihren rosigen Mund!
Am Baum ein Vöglein sang.
O Wonne des Herzens, glückselige Stund!
Wie lang, wie lang — wie lang!

Sie fällten den Baum und sie bauten den Sarg,
Im Mai, im holden Mai.
Sie schlossen den Schrein, der mein Himmelreich barg.
Vorbei, vorbei, vorbei!

Gedenken

Aller Sonnenschein auf Erden
Ist ein traurig Ding,
Wenn nicht schwebt der Einzigen Schatten
Auf dem Wiesenring.

Könnt' ich einmal noch vernehmen
Ihrer Stimme Klang,
Wollt' ich gerne stumm und taub sein
Auf mein Leben lang.

Alle Rosendüfte, welche
Da den Mai durchziehn,
Gäbe ich für einen Hauch
Ihres Mundes hin.

Alles, was ich noch genieße,
Was ich bin und hab',
Ist nicht wert des blassen Staubs
Auf ihrem Grab.

O Herrgott, wieviel an Liebe!

Es sinken vom Baum die Blätter,
Der Sommer ist vorbei.
Mein Mund ist noch rot und will küssen
Wie einst im Mai.

Es fallen vom Haupt die Locken,
Mich schrecket der Eule Schrei,
Ich flüchte bange zum Mädel,
Wie einst im Mai.

O Herrgott, wie viel von Liebe,
Und ach wie wenig Zeit!
Die Lieb' ist nicht auszuschöpfen
In Ewigkeit.