Belvedere in Wien
1885
So soll jetzt auch d e i n schönster Zauber fallen!
Nicht länger sollen mehr in deinen Hallen
Der Kunst erhabne Gestalten wohnen,
In ihrer Pracht die alten Meister thronen.
Nicht soll man dich mit Andacht mehr betreten
Und still zu deinen Heiligtümern beten,
Um dann in deines Gartens grünen Räumen
Dem seligen Entzücken nachzuträumen.
Nun immerhin! Für solche Schätze passen
Museen besser in belebten Gassen,
Da kann man im Vorübergeh'n sie genießen —
Und braucht dazu nicht erst sich zu entschließen.
Und so wird man auch nach und nach vergessen,
Was einst die Kaiserstadt an dir besessen;
Denn neuer Dinge Lauf sich einzufügen,
Ist ja der Menschen innigstes Vergnügen.
Wohl wird in deinem zierlichen Gehege
Auch ferner Liebe finden ihre Wege,
Noch wird im Schlaf auf deinen Ruhebänken
Verschämte Armut Mittags sich versenken;
Noch werden, jagend nach des Frohsinns Zielen,
Auf deinem weißen Kies die Kinder spielen —
Doch mehr und mehr wird dich die Zeit gefährden
Und immer stiller wird es in dir werden. . . . . .
Mir aber, sieh, wird nimmermehr entschwinden
Aus treuer Brust das tiefe Nachempfinden,
Wie ich durchwandelt dich, im Knabenherzen
Die frühen Keime schon der künft'gen Schmerzen;
Wie ich als Jüngling oft der Sehnsucht Trauer
In dir empfand und erste Liebesschauer —
Und dann als Mann, voll unbelohnten Strebens,
Dich aufgesucht im harten Kampf des Lebens.
Wie ich so oft in einsam stiller Wonne
Betrachtend stand vor Raffael's Madonne,
Vor Ruysdael's Landschaft — und im Blumenzimmer,
Wenn es verklärte gold'ner Sonnenschimmer.
D'rum hab' ich heute dir — und auch für Jene,
Die deiner denken mit verhalt'ner Träne
Und gerne weilen bei Erinnerungen,
Mit leiser Wehmut dieses Lied gesungen.
Nänie
auf
den Tod der Reichsfürstin Elisabeth zu Salm-Reifferscheidt
geb. Prinzessin von und zu Liechtenstein.
Vertraut ist mir der Tod. Wie Viele starben,
Die ich geliebt im Leben! Viele auch,
Die ich verehrt, bewundert. Wie ein Friedhof
Mit dunklen Kränzen liegt es vor mir da,
Nun sich mein eig'nes Sein dem Ende nähert.
Und dennoch: Allzuviele sind es nicht,
Um die ich heute noch voll Trauer weine,
Nicht Allzuviele, deren Bild nicht mehr
Und mehr in der Erinnerung verblaßte —
Nicht Allzuviele, die, gedenk' ich ihrer,
Den Wunsch mir wecken: lebten sie noch jetzt!
Nur Wen'ge sind es, können es nur sein.
Und doch, wie seltsam! Ob sie still und bleich
In ihren Gräbern ruh'n: sie sind nicht tot.
Ich seh' sie wandeln um mich her, vernehme,
Den Klang der Stimmen, fühle so wie einst
Den ganzen, vollen Zauber ihres Wesens —
Und, ewig fern, sind sie mir immer nah'.
Auch du — vor Allen du, erhab'ne Fürstin!
Dreimal schon hat der Frühling sich erneut,
Seit plötzlich dich der Tod hinweggerafft,
Tückisch dein vielbewundert Sein vernichtend.
Wie unermeßlich war es! Was an Kraft,
An Tiefe, Leidenschaft und Lebensdrang
Ein Herz besitzen kann — das deine barg es!
Voll mächtiger Impulse warst du. Flammend
In Lieb und Haß. Nach höchstem Glück verlangend,
Vermochtest du das schwerste Leid zu tragen.
Dabei wie gütig! Jeden fremden Schmerz
Verstandest du, bereit stets, ihn zu lindern.
So kam's, daß Alle, die dir je genaht,
Empor zu deiner Frauengröße blickten,
Wie man nach oben blickt. . . . .
Was du der Kunst gewesen, weiß der Dichter,
Der dir das Beste seines Schaffens dankt,
Ein Heim dir dankt und seiner Muse Freiheit.
Das Schöne war für dich nicht eine Zierde,
Nicht Würze bloß des Lebens, nein: wie einst
Die Medicäer, liebtest du die Kunst
In deiner starken Art als höh'res Dasein,
Zu dem du deiner Tage Lauf erhobst,
Dem Vorurteile fern, den freien Blick
Ringshin der Menschheit zugewendet. . . . .
Nun schlummerst du, der Welt entrückt, fernab
In stiller Gruft zu Sloup und schlägst nicht mehr
Die großen, dunkelklaren Augen auf.
Verwaist ist Alles, was an dir gehangen.
Verweist dein Lieblingssitz, das traute Schloß,
Dem Dorfe nah, von Wipfeln rings umschattet.
Verödet sind die lauschigen Gemächer,
Drin du gewaltet. Ausgestorben ist
Der breite Prachtraum, den nach deinem Sinn
Die edelsten der Bildner einst geschmückt.
Es rauscht nicht auf mehr die Musik der Meister —
Sie ist verstummt, so wie der Reim des Dichters,
Des Denkers Wort. Verhallt, traumgleich verweht
Der bunte Mummenschanz, der Zauberreigen,
Den hier so oft Schönheit und Jugend schlangen.
Verödet auch der Park. Bedeckt die Pfade
Mit herbstlich fahlem Laub, und nur die Aster,
Der Schwermut sanftgefärbte Blume, blüht.
Verlassen . . . . . . . . . .
Jüngere Geschlechter mögen
Im Glanz des Lenzes einst sich hier ergehn
Doch keines wird mehr D e i n e s g l e i c h e n sehn!
Einem Zeitgenossen
1884
Voll klang und reich dein Lied schon, als das meine
Zu ersten Flügeln schüchtern sich geregt,
Schon leuchtete der Ruhm mit hellem Scheine
Auf deiner Stirn, da Dunkel mich umhegt —
Und dennoch schien es mir, daß zum Vereine
Ein knüpfend Band sich still um uns gelegt,
Ein Band um uns, die wir, getrennt durch Fernen,
Aufblickten Beide zu denselben Sternen.
Mir war, als sollte jetzt und jetzt die Stunde
Sich nahen, wenn auch unvermerkt und leis,
Die uns bestimmt im tiefsten Herzensgrunde,
Gemeinsam zu erringen höchsten Preis,
Auf daß wir einst, umschlungen treu zum Bunde
(Lach' immerhin, wer lachen will im Kreis!)
Dem Vaterlande würden, was vor Jahren
In hehrem Einklang größ're Dichter waren.
Die Stunde, sie schien da. Du warst indessen
Stets mächt'ger vom Erfolge angeglüht;
Was du vollbracht, dir selbst schien's unermessen,
Du fühltest dich von Götterkraft durchsprüht.
Doch E i n e s hattest du, berauscht, vergessen:
Daß echter Ruhm nur aus dem Herzen blüht —
Daher auch, als man uns zusammenführte,
Nur flüchtig deine Hand an meine rührte.
Du blicktest kühl, weil ich nicht auf den Knieen
So wie die And'ren in Bewundrung lag,
Und weil ich ernst des Mangels dich geziehen,
Den ich erkannt an dir am ersten Tag —
Und weil du fühltest: was dir nicht verliehen,
Das poch' in meiner Brust mit wärmstem Schlag.
Für deinen Stolz jedoch gab's kein "Egänzen",
Du zogst es vor, als E i n z i g e r zu glänzen.
Ich ging. Verletzt nicht, aber tief betroffen
Lebt' ich nun wieder meiner Weise nach;
Da jetzt gescheitert war mein liebstes Hoffen,
Lernt' ich verzichten still und allgemach.
Den Nerv der Zeit, ich hab' ihn nicht getroffen,
Kein Beifall hielt das Dichterfeuer wach,
Und einsam, mühevoll — gar oft vergebens
Rang nach dem Kranz ich in dem Kampf des Lebens.
Du aber lerntest gleichfalls Undank kennen,
Da deinen Wert die Welt doch nie erkannt,
Obgleich sie — stets unmäßig im Benennen —
Nur mit olymp'schen Namen dich genannt.
Sie sah zuletzt auch and're Lichter brennen —
Und manchem Irrlicht ist sie nachgerannt;
Sie ließ dabei — wie muß't es dich erbittern —
Allmählich deinen Lorbeer sich entflittern.
Schon stehst du jetzt, absterbend in der Krone,
Gleich einer blitzgetroff'nen Eiche da;
Verzehrt vom Ehrgeiz und gekränkt vom Hohne,
Siehst du dich fast dem nied'ren Holze nah.
So gleichen wir uns jetzt in uns'rem Lohne —
Ein warnend Beispiel ist's, was uns geschah:
Verkümmert i c h in meinem ersten Schusse —
Und d u entlaubt, durchhöhlt — gefällt zum Schlusse.
Mein Los
Das aber war's, daß ich mein ganzes Leben
In tiefster Seele einsam mußte schreiten,
Haltlos durchirren ungemess'ne Weiten,
Wo And'ren Stab und Richtung ward gegeben.
Ich mußte Felsen wälzen, Berge heben,
Bei jedem Schritte fand ich Widerstreiten,
Und wollt' ich in Erschöpfung niedergleiten,
Ließ lautes Hohngelächter mich erbeben.
Und also kam's, daß ich nur schwer errungen,
Was mancher Gaukler, bloß auf Augenwinke,
Mit dreisten Füßen lächelnd sich ersprungen.
Und kommen wird's, daß ich, bevor ich trinke
Aus jenem Quell, der mir von fern erklungen,
Am Ziele noch verschmachtend niedersinke.
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