Verwesung
An Lina
Die Quelle starrt, vom Arm der Zeit gebunden,
Kein muntrer West umschwärmt sie mehr;
Um Berg und Fels, vom Nebel kalt umwunden,
Wankt blätterlos der Schlehdorn her.
Verheerend braust der Nord durch nackte Fluren,
Der Rabe krächzt im öden Hain,
Das Blatt im Sturme drückt der Erde Spuren
Der mächtigen Verwesung ein.
Bald stirbt der Baum, einst unsrer Kindheit Zeuge,
Er ward in unsrem Lenze grün,
Sein Sommer schwül, der Herbst bleicht seine Zweige,
Ein Wintertag zernichtet ihn.
Nie kehrt der Frühling unsrer Tage wieder;
Neigt uns der Herbst dem Grabe zu.
Die Blüte schwebt in's Land der Stille nieder,
Die Blume welkt und stirbt — wie du.
Der Sturm umweht die Gräber deiner Schwestern,
Die Erde deckt die Kinder, die sie trug,
Sie deckt den Freund, ach! dessen Herz noch gestern
So warm an deinem Herzen schlug.
О weine nicht! der Dulder ehrt sein Leiden,
Auf welken Blumen lächelt er.
Du sahst den Freund in's Land der Stille scheiden,
Und keine Träne weckt ihn mehr.
Vielleicht, daß wir uns jenseits wiederfinden;
In Gräber trägt die Hoffnung Licht.
Das Grab verweht, des Frühlings Blumen schwinden,
Der Hoffnung Blüten sterben nicht.
Epistel an meinen Koch
Du, den im Kreise meiner Laren
Der Opferflamme Strahl erhellt,
Wohltätig, wie die Unsichtbaren,
Um die der Wolke Schleier fällt;
Der, wenn am Hügel Eos weint,
Hier mit der heimatlichen Ente
Gewürze, die ein Weltteil trennte,
Und selbst den Kampf der Elemente,
Zum Opfer seiner Kunst vereint;
Heut, wo im Kreise froher Gäste,
Ein Eberkopf aus Blumen lacht,
Der heitre Frohsinn, gleich dem Weste,
Durch dich an Flora's Brust erwacht,
Heut werde dir in Tunkins Neste
Das Gold, das Xeres Kelter preßte,
Als Opfer deiner Kunst gebracht.
Der Gott, dem auf der Alpe Spitzen
Der ärmste Hirt sein Opfer bringt,
Der mit dem Sturm im Fischer ringt,
Und mit dem Tod geweihten Blitzen
Im Jäger zu der Adler Sitzen
Und in des Bären Höhle dringt;
Für den hier jede Kunst ersann,
Die Krieger in die Schlacht sich wagen,
Dem Kraft und Kühnheit unterlagen,
Der Herr des Lebens, sein Tyrann,
Des Menschen Schicksal ist — sein Magen.
Er floh, vom Hunger fortgezogen,
Der Höhle Nacht, des Wilden Haus;
Der Hunger schnitzte seinen Bogen,
Und warf dann in die blauen Wogen
Erfinderisch die Angel aus,
Belauschte, wenn der Pfeil entflog,
Der Schwerkraft ewige Gesetze,
Und raubte kühn der Biene Schätze,
Die sie von Flora's Lippen sog.
Bald schloß, den Eber aufzujagen,
Die Schwäche an die Kraft sich an,
Und in der Wilden Brust begann
Ein Herz voll Mitgefühl zu schlagen;
Die Glut, die durch die Pulse rann,
Verknüpfte sie, und so entspann
Sich Amors Band in ihrem — Magen.
Eilt, die ihr für die Weisheit lebt,
Die Weltgeschichte nachzuschlagen,
Wie oft dort ein verdorbner Magen
Des Schicksals dunkle Faden webt.
Krieg senkt der Waage goldne Schale,
Des Volkes Wogen sind empört —
Ihr Helden staunt, ihr Weisen hört! —
Weil Amors Glück, nach einem Mahle,
Des Mächtigen Verdauung stört.
Der Staaten Fall, des Kriegers Narben,
Sind oft an diesen Punkt gereiht,
Die Flamme frißt des Schnitters Garben,
Das Heiligtum wird frech entweiht,
Und hunderttausend Helden starben
An dieser Unverdaulichkeit.
О wohl dem, der die Freude, weise
Bei Mäßigkeit und Scherz, genießt,
Und dem der Bach des Lebens leise
In seiner Freunde heitrem Kreise,
Der froh verdaut und lacht, entfließt.
Kein Gram und keine Sorge haschen
Beim frohen Mahl die schnelle Zeit;
Wild flattert um die vollen Flaschen,
Dem Finken gleich, die Fröhlichkeit.
Der Raum, den unsre Schüsseln kränzen,
Den Zwingherrntyrannei verschont,
Beschreibt der Freiheit sichre Grenzen,
Die nur im Reich des Magens wohnt.
Noch wird, vom Steueramt vergessen,
Des Waldes Beere ungemessen
Und ohne Taxen abgepflückt;
Des Winzers Lied, des Weingotts Pressen,
Hat noch kein Zensor unterdrückt;
Das Auge der Regierung blickt
Nicht lauernd in die Nacht der Küche,
Wo in des Koches Faust die Psyche
Die Wunder aller Himmelsstriche
Noch zwanglos in die Flammen drückt.
Hier sammeln Kinder jeder Zone
Sich ohne Vorurteil und Haß.
Des Ganges und des Rheins Pomone
Blüht in der schwellenden Melone,
Und aus der dunkeln Blätterkrone
Im königlichen Ananas.
Der Tafelrunde heitre Glieder
Hat schnell des Zufalls Hand gereiht,
Der Stände Scheidewand sinkt nieder,
Den Sorgen lacht die Hoffnung wieder,
Der Schwermut die Geselligkeit.
Dir, der hier, zu des Feuers Qualen
Verdammt, der Kunst sein Leben weiht,
Und in des Gottes Opferschalen
Die Blüten des Genusses streut;
Dir reichen hier im Heiligtume
Der Küche, dem Genuß geweiht,
Die Horen mit des Lebens Blume
Den Lorbeer der Unsterblichkeit.
Wie glücklich, wer, wie du, den Tagen
Die Wolkenstirn' entschleiern kann!
Du knüpfst an jeden beßren Magen
Ein neues heitres Leben an.
Der Sorge finstre Falten schwinden,
Ein Lächeln wird dem Gram entpreßt,
Und deine braunen Hände binden
Dem Ehrgeiz selbst die Flügel fest.
Nie bleicht der Hunger deine Haare,
Durch Flammen und Gewürze fließt
Die heitre Quelle deiner Jahre,
Die sich geläutert in die Bahre,
Den Kahn im Meer der Zukunft, gießt.
Und weh dem Gott, der dich erhöhte,
Wenn er, wie du, unsterblich ist,
Und dort dein Geist am dunkeln Lethe
Die Wunder deiner Kunst vergißt!
Denn forschend hängen wir, als Psyche,
Noch dort an deinen Blicken fest,
Wenn dich der Genius der Küche
Den ersten Nektar kosten läßt.
Lied
Der Westwind weht' im Blumental
Um blühende Syringen,
Als wir der Sonne heißem Strahl,
Der sich in Busch und Laube stahl,
Entgingen.
Vom Felsen schäumte wild der Bach,
Sie folgt' der Flut, ich folgte nach.
Wie brausend hier der Bach entflieht,
Und Wog' und Klippe glänzen!
Laß uns den Frühling, der uns blüht,
Und gleich der Schwalbe weiter zieht,
Bekränzen.
Und leise drückt' ich ihre Hand,
Die Blumen sucht' und Kränze wand.
Sieh hin, sieh her! am Blätterdach
Fliegt Schmetterling und Biene,
Der Käfer summt dem Käfer nach —
Wenn Amor hier am Felsenbach
Erschiene!
Sie zog die Hand, sie zog den Blick
Errötend und beschämt zurück.
Nein, sprach sie, kalt wie Luna's Glanz
Will ich hier Blumen streuen.
Ihr Horen, euren Wechseltanz
Soll nie der Liebe Dornenkranz
Entweihen.
Sie flocht den Kranz und hüpft' und sang,
Als sich mein Arm um ihren schlang.
Der Abend streute Tau und Mohn,
Der Bach rollt' in der Ferne,
Im Haine schwieg der Sänger Ton,
Und durch den Äther blickten schon
Die Sterne.
Ich blickte lächelnd hin und her,
Sie sah mich an und sang nicht mehr.
Wir sind allein, die Nacht ist hell,
Ach wenn es Amor wüßte!
Ihr Busen wogte, wie der Quell,
Und Luna sah es, als ich schnell
Sie küßte.
Wer das nicht weiß, und das nicht wagt,
Dem hat kein Mädchen Ja gesagt.
Lob des Stadtlebens
An Jacobi
Du sprichst zu mir: "Im Veilchentale,
Beschattet vom Platanenhain,
Leert Wehmut ihre Opferschale
Da sollst du mir willkommen sein.
Du fühlst den West auf weichen Rasen
Am Busen der Natur entstehn." —
Dein Zephyr mag sich heiser blasen,
Mir blüht der Mai hier doppelt schön.
Am Arm der Lust, im Stadtgewühle
Verträum' ich meinen kurzen Mai;
Mir hüpfen, wie der Kindheit Spiele,
Die Horen leicht und schnell vorbei.
Glaub' mir, des Laubdachs dunkle Stille
Ist nur dem stillen Gram geweiht,
Und deine Daphnen und Myrtille
Verschwanden mit der goldnen Zeit.
Du siehst den Bergstrom sich ergießen,
Wie die Najade Felsen küßt;
Ich sehe klares Wasser fließen,
Und fühle, daß es Wasser ist.
Du fühlst des Zephyrs Blumenleben,
Wie er der Rose Busen schwellt,
Der Schmetterlinge buntes Schweben
Malt flatternd eine Feenwelt.
Da, wo der Fächer Kühle fächelt,
Vergißt man Blume, Bach und West,
Ein schlauer Blick, der Liebe lächelt,
Hält unsre Schmetterlinge fest.
Hier stürmt im wogenden Getümmel
Der Geist sich groß, der Wunsch sich matt.
Die Phantasie malt keinen Himmel,
Der hier nicht seinen Tempel hat.
Schön ist es, wenn die Abendröte
Ihr Rosenlicht auf Quellen streut,
Und sanftgestimmt des Hirten Flöte
Der Schwermut ihre Töne weiht;
Doch schöner, wenn, von Furcht geleitet,
Der leise Ton um Liebe wirbt,
Und von der Unschuld Rot begleitet
Ein Seufzer auf der Lippe stirbt,
Wenn bei des Tanzes Harmonien
Ein Wunsch die Wangen röter malt,
Die aufgestürmten Sinne glühen,
Und jedes Lächeln Liebe strahlt.
Auch Dörferinnen gab Cythere
Ein Lächeln, das auf Rosen ruht;
Doch bei der Einfalt fühlst du Leere,
Wenn auch das Lächeln Wunder tut.
Gefühl der Knechtschaft in den Blicken,
Schleicht liefgebückt der Schäfer hin,
Und schlaue Freude auszudrücken
Fehlt Geist und Witz der Schäferin.
Hier sprudelt Witz aus hundert Quellen,
Und schwärmt den Geist der Freude wach,
Hier ahmt die Kunst auf Maskenbällen
Das Ideal der Gleichheit nach.
Wie muß der Sinne Spiel ermatten,
Wenn Ceres Gold der Sichel reift,
Und rauhe Herbstluft Laub und Schatten
Von schwermutsdüstern Hainen streift!
Hier bindet Kunst die Sinne fester,
Wo sich mit ihr Natur vermählt,
Und Harmonie, der Gottheit Schwester,
Den Marmor wie den Ton beseelt.
Wie dich verlaßner Liebe Flehen
Hier bei Thalias Opfern rührt,
Wenn sich dein Geist auf Naxos Höhen
Bei Ariadnens Schmerz verliert!
Und dann, allmächtig hingezogen,
Der Phantasien Flügelschritt
Auf des Gefühls empörten Wogen
Der Vorzeit Dunkelheit betritt!
Der hohe Genius des Schönen
Bleibt hier des Künstlers Formen treu,
Er schwebt bei Nachtigallentönen
Die Hütten ungefühlt vorbei.
Er wandelt still und ungesehen
Im Wogenschlag der Ähren hin,
Und spielt mit leisem, linden Wehen
Am Halmenhut der Schnitterin.
Allein der Sinn, der, unbereitet
Durch Kunstgefühl, am Staube klebt,
Fühlt nicht den Gott, der ihn begleitet,
Und segnend ihm vorüber schwebt.
Dein Auge, das am Gold der Garben
Den Bienenfleiß des Schnitters fühlt,
Vermißt das Wechselspiel der Farben,
Das um des Maies Lächeln spielt.
Und weh ihm, wenn bestreut mit Flocken
Der Sturm aus Aeols Grotte fliegt,
Und nur der Rabe unerschrocken
Sich einsam auf der Tanne wiegt.
Sieh! dann verscheucht in unsern Sälen
Ein Feuermeer die Winternacht,
Dann fühlst du deine Philomelen
In Mozarts Zaubern neu erwacht.
Hier bildet Kunst das Lied der Hirten,
Sanft wie der Quell durch Blumen rauscht
Und leise murmelnd zwischen Myrten
Die Nymphen und den Fan belauscht.
Bald stürmt in feurigen Akkorden
Der aufgeregte wilde Sinn,
Und den Gedanken, kaum geworden,
Reißt schnell des Wohlklangs Welle hin.
Gefühle, die sich hier entfalten,
Durchglühen rasch des Blutes Lauf;
In jeder Seele blühn Gestalten
Des Üppigen und Schönen auf.
Zu einem weiten Sonnenmeere
Verschwimmt der Lichter Feuerstrahl,
Und, wie der Zephyr auf der Ähre,
Durchrauscht der Tanz den Spiegelsaal.
Des Stoffes weiche Wellen schweben
Wie Nebel um die Tänzerin,
Und jeder Sinn verglüht in Leben,
Und strömt in deinen Blicken hin.
Hier hat, allmächtig im Erschaffen,
Die Kunst auf Lippen Glut gehaucht,
Wo Amor seine Zauberwaffen
Ins Bildermeer der Sprache taugt.
Dort kämpft ein Flor mit Sturm und Wogen
Der halb bedeckt und halb verrät,
Und deinen Geist, im Sturm verflogen,
In wilden Taumelkreisen dreht. —
Soll ich der Schönheit Zauber malen,
Der unerreichbar vor mir schwebt,
Und nur in kühnen Idealen
Und Raphaels Madonnen lebt?
Nein! sammle selbst, im Zauberkreise
Des Wechsels, Glut und Farben ein;
Hier lehre dich die Freude weise
Und glücklich, wie den Tejer, sein.
Wenn einst, im Arm der Lust ermattet,
Dein Wunsch den müden Flügel dehnt,
Der Herbst dein Lächeln überschattet,
Und sich dein Blick nach Ruhe sehnt;
Dann streue durch Platanengänge
Erinnerung ihr Dämmerlicht,
Und selbst der Wehmut Blick verdränge
Das Schattenbild der Freude nicht.
Frühlingslied
Laut summen um der Laube Dach
Hier Schmetterling und Bienen,
Am Hügel plaudern Quell und Bach,
Der Käfer schwärmt dem Käfer nach,
Des Haines Arme grünen.
Auf, eilt der Freude helle Spur
Am Hügel zu entdecken,
Entflieht der Stadt, sie lächelt nur
Wo laue Winde auf der Flur
Die blaue Veilchen wecken.
Auf Moos, im Hain, am Quell, im Mai,
Von Flora's Arm umwunden,
Ein Herz, das wünscht und hofft dabei,
Auf weichem Rasen, zwei und zwei,
Hat mancher sie gefunden.
Vielleicht
Du süßer Trost, du freundliches V i e l l e i c h t,
Das, wenn der Zukunft Tore sich entriegeln,
Schnell, wie die Zeit, auf leichten Flügeln
Dem Forschenden entschlüpft, kein Suchender erreicht!
Wie schnell enteilt des Lenzes Blumenhügeln
Der Jugend Bild, von Qual und Gram gebleicht,
Die immer sich im Strom des Lebens spiegeln.
Der heitre Wahn entflieht, das trübe Alter schleicht
Uns die Geheimnisse der Zukunft zu entsiegeln,
Und was ist ihr Geheimnis? — ein V i e l l e i c h t.
Der Zufall, dieser Gott, der auch in unsern Tagen
Durch Unverdaulichkeit des Staatsministers Magen,
Des Fürsten Schlaf verdirbt, den Staat tyrannisiert,
Das Herz der Günstlingin durch junge Pagen rührt,
Nerone auf den Thron, Luculle zu Gelagen,
Huß auf den Scheiterhaufen führt,
Und so — man mag dagegen sagen
Was man schon längst gesagt — die beste Welt regiert,
Was gibt er uns für alle seine Tücken,
Durch die er Heilige selbst in der Zelle neckt?
Das Alter hinkt an seinen Krücken
Der Hoffnung nach, die uns das Grab versteckt;
Und wenn die Dämmerung die kalten Berge bleicht,
So rauscht der Vorhang auf, und wir erblicken
Auf dieser Welt ein Grab, und jenseits — ein V i e l l e i c h
t.
Der Metaphysik reinste Schlüsse,
Des Alchimisten Gold, die Grenzen dieser Welt,
Der Glaube, der das Reich der Finsternisse
Hell, wie der Feuerwurm die Mitternacht, erhellt,
Das Ätherland, zu dem die Seligen entschweben,
Wo man am Quell des Lichts die Wahrheit erst erkennt,
Der süße Trost von einem beßren Leben,
Wo keine Zeit die Liebenden mehr trennt,
Der Seraph, wie das schwarze, böse Wesen,
Das, älter als die Welt, durch seine Flammen keucht,
Den besten Mann verführt, die frömmste Frau erweicht —
Wer kann des Lebens dunkle Rätsel lösen?
Trost, Schlüsse, Ewigkeit, was sind sie? — ein V i e l l e i c h
t.
Des Helden Mut, der auf dem Feld der Ehre
Im Wahn schon Cäsars Lorbeern bricht,
Das Glück, das hier dem Schiffer auf dem Meere
Ein unentdecktes Land verspricht,
Des Armen Trost, das Märchen der Altäre,
Was sind sie? ein V i e l l e i c h t. Sie schreckt das
Schicksal nicht,
Fest steht die Hoffnung und die Pflicht
Im Leichenfeld der Schlacht, im Sturmwind auf dem Meere,
Der sich v i e l l e i c h t an ihren Gräbern bricht.
Was kann der Fürst dem müden Haupte geben,
In seinen Stürmen weiß gebleicht?
Den Lorbeerkranz, ein schimmerndes V i e l l e i c h t
Im Buch des Nachruhms fortzuleben,
Und dann ein Hospital, in das der Mangel schleicht.
Du süßes Wort, du freundliches V i e l l e i c h t,
Das in der Berge Schoß die Habsucht leitet,
Den Fluten trotzt, die blasse Furcht verscheucht,
Wenn sich um sie das dunkle Grab bereitet!
Wohin dein Trost den Leidenden begleitet,
Da flieht das Leben schnell, da wird die Bürde leicht.
Und о! wie stürmisch sich des Busens Wellen wiegen,
Wenn sich das Herz durch dich verrät.
Laßt diesen Augenblick, der wie ein Hauch verweht,
So zögernd als ihr könnt, zu seinen Brüdern fliegen,
Erwartung heißt das Glück, um das der Weise fleht.
Dies quälende V i e l l e i c h t, dies Glück das man entbehrt,
Ist, wenn sie euch erhört, verschwunden,
Und nach den ersten zwanzig Stunden
Weit mehr als die Gewißheit wert.
Du, flüchtig wie die Zeit, und mild wie das Erbarmen,
Flieh' immer vor mir hin, und halte niemals still,
Wenn dich die Wirklichkeit mit ihren rauhen Armen
Am Tor der Zukunft haschen will,
Dem Schmetterlinge gleich, der flatternd wie der West
Sich auf den Rosen wiegt, den Rosen sich entwindet,
Zu allen Blumen fliegt, den Sehenden verschwindet,
Und sich von keinem haschen läßt.
Und schließt die Zeit einst meine Augenlieder,
Hat ihre Hand das dunkle Haar gebleicht,
So falle sanft der finstre Vorhang nieder,
Und glücklich find' ich mich v i e l l e i c h t
In einer beßren Welt, in Chloens Armen wieder.
Wiegenlied
Schlummre sanft! des Lebens Morgenröte,
Des Genusses Augenblick ist dein;
In des Morgenschlummers stille Lethe
Taucht die Kindheit ihre Sorgen ein.
Schlummre sanft! noch ist dein Lächeln heiter,
In der Kindheit Blumenkreis beschränkt,
Wo der Engel: Unschuld, dein Begleiter,
Deiner Kindheit leise Tritte lenkt.
Schlummre sanft! der Täuschung Blütenträume
Finden in der Wirklichkeit ihr Grab,
Deiner Hoffnung aufgeblühte Keime
Streift der rauhe Sturm des Zufalls ab.
Schlummre sanft! wenn diese Blüten schwinden,
Unter Dornen scheiden Traum und Wahn,
Dunkle, stürmeschwangre Wolken künden
Unsres Lebens schwülen Mittag an.
Rosen welken, die am Morgen glühten,
Und des Unmuts trübe Quelle rauscht,
Wo die Schlange Mißgunst unter Blüten
Und der Gram auf Samt und Purpur lauscht.
Aber, Kind, dann lächle dem Geschicke,
Dein Bewußtsein bleibe rein, wie du,
Und dein ruhesuchend Auge drücke
Einst die Hand geprüfter Liebe zu.
Rundgesang
Ihr Freunde, die ein fröhliches Mahl
Im frohen Kreise verbindet,
Der Zukunft weiht den ersten Pokal,
Bis Ihr des Busens Freuden und Qual
An weichen Busen ergründet.
Chor
Der Weg der Zukunft ist dunkel und schmal,
Damit der Gram ihn nicht findet.
Nein, Bruder nein, es lebe der Gram
Aus schönen Augen empfangen.
Ihm folgt der Tiger wie Tauben zahm,
Es blüht die zarte Rose der Scham
Durch ihn auf Stirnen und Wangen.
Chor
Und wem die Zeit diese Rose benahm,
Dem ist sein Himmel entgangen.
Dem Glück gehören die Tränen auch.
Der Wünsche leises Entstehen,
Wenn von der Lippe hier Wort und Hauch
An Wangen, rot wie Rosen am Strauch,
Warm, wie der Sommerwind, wehen.
Chor
Das war schon bei unsern Vätern Gebrauch.
Und alter Brauch muß bestehen.
Wie oft verrät ein schüchterner Blick,
Was uns die Lippen nicht sagen;
Der Zweifel entflieht und kehrt zurück,
Um uns den Glauben an Herz und Glück
In Worte überzutragen.
Chor
Und spricht auch nicht ganz verständlich der Blick,
Der Übersetzer muß wagen.
Ein Auge, aus dem die Seele spricht,
Das zarte Nebel benetzen,
Ein Arm, der um den andern sich flicht,
Und Lipp' an Lippe — mehr braucht es nicht,
Um glücklich zu übersetzen.
Chor
Wer dann die Blume der Liebe nicht bricht,
Kann keine Blume verletzen.
Dann ist das Ziel des Herzens erreicht,
Die langen Nächte vergehen,
Die Knospen schwellen, die Rose bleicht,
Und was dann folgt, das läßt sich so leicht
In allen Sprachen verstehen.
Chor
Nur dürft Ihr, damit das Glück nicht entschleicht,
Mit offnen Augen nicht sehen.
Grabschrift
Hier liegt mein treuer, redlicher Gefährte,
Sein müdes Auge deckt der Sand,
Das mich die Kunst zu dulden lehrte,
Wenn mir der Hoffnung Schattenbild verschwand;
Er, den so mancher Fürst in seine Arme drückte,
Dem manche Fürstin nickte, und der doch
Nie vor den Großen kroch,
Der ruhig auf den Günstling blickte,
Von Hof und Tafel floh, und sich
An meinen Herd, in meine Hütte schlich.
Zufrieden, wenn mein kleines Mahl ihn nährte,
Blieb er mir treu; kaum einen Augenblick
Riß ihn die Liebe hin. Er fand bei mir sein Glück,
In meinem Arm die Welt, zu der er wiederkehrte.
Er ist nicht mehr! Was soll das Lob dem Toten?
Doch hätte man ihm Rang und Gold,
Und Fürstengunst und Fürstensold,
Ja eine Welt für mich geboten,
Und alles, was der Denker noch erspäht,
Und was der Mensch hier schätzt, und Fürst und Bettler lieben,
Ich bin gewiß, er hätte es verschmäht,
Er wäre mir, der Gute, treu geblieben.
Wie, rufst du hier erstaunt, an keinem Marmorsteine
Machst du der Welt des Edlen Namen kund?
Ach dieser Freund, den ich beweine,
War Mustapha — mein Hund.
Der Kirchhof
In der Erde, wo die Blumen keimen,
Baut der Mensch das letzte, dunkle Haus.
Harmlos, wie einst unter ihren Bäumen,
Ruhen dort die müden Pilger aus.
Stolze Sklaven, die der Tod befreite,
Müde Augen, weinend und verweint,
Und die Herzen, die der Haß entzweite,
Hat die kalte Erde hier vereint.
Freundlich spielt der West mit weichen Flügeln
Um der Schläfer stillen Aufenthalt.
In den Särgen, unter diesen Hügeln
Ist der leise Ton des Grams verhallt.
Und die Myrte mit den dunklen Zweigen
Flüstert um die stillen Gräber her.
Aber auch der Freunde Stimmen schweigen,
Und das Herz voll Liebe schlägt nicht mehr.
Wird die Zeit den Staub nicht mehr bekleiden,
Der als Herz in unsrem Busen schlug?
Senkt die Zeit des Lebens Gram und Freuden
Mit der Hülle in den Aschenkrug?
Mächtig hat Er, der im Dunklen waltet,
Reiz und Schrecken in die Zeit gewebt,
Und die Rose, die sein Hauch entfaltet,
Blüht am Ätna, der das Tal begräbt.
An der Alpen nebelgrauer Spitze
Bindet Er die rauhen Winde fest,
Und die Wolke sammelt ihre Blitze,
Und der Adler baut auf ihr sein Nest.
Freundlich weckt Er Blumen auf zum Leben,
Flora schmückt des Frühlings Wiederkehr.
Aber die Entblätterten erheben
Nie ihr Haupt im zweiten Lenze mehr.
Welche Schlüsse, Forscher, darfst du wagen?
In den Gräbern stirbt der Sonne Licht,
Und die Freunde hören deine Fragen,
Und die kalte Lippe redet nicht.
Wird der Geist, geläuterter und stärker,
Der Bewohner einer beßren Welt,
Wenn die Hülle, seiner Schwingen Kerker,
Hilflos, wie der Blume Staub, zerfällt?
Oder war, was Zeit und Gram uns rauben,
Nur das Lächeln eines Traumgesichts? —
Frage deine Hoffnung, deinen Glauben;
Die Vernunft, dein Führer, sagt dir nichts.
Im Grünen
Das Veilchen entblühte, der Frühling begann,
Der Schmetterling flog, wo der Nebel zerrann,
Im Blütenhain summten die Bienen;
Doch ungefühlt blühte der Frühling um mich,
Ich fühlte nur Liebe, ich dachte nur dich,
Und klagte mein Leiden im Grünen.
Und schwül ward der Sommer, matt rollte der Bach,
Es wölbte sich dunkler des Apfelbaums Dach,
Als Heimat dem Hänfling zu dienen,
Da glühte dein Lächeln, da strahlte dein Blick
Dem Glücklichen Liebe um Liebe zurück,
Und gab ihm den Himmel im Grünen.
Bald streifte der Herbstwind den Apfelbaum kahl,
Das Veilchen verblühte im neblichten Tal,
Vom Abendstern traulich beschienen;
Da rief dich auf immer das Schicksal von mir,
Still saß ich am Abend der Trennung bei dir,
Und Tränen versiegten im Grünen.
Oft blühte das Veilchen, oft rollte der Bach,
Oft wölbte sich wieder des Apfelbaums Dach,
Als Heimat der Liebe zu dienen;
Dann wandl' ich so düster im Schattengang hin,
Und wo ich dann wandle, und wo ich dann bin,
Begegnet mir Schwermut im Grünen.
Willst du mit?
Willst du, wo ich wohne, sehn?
Laß uns hier im Tale gehn.
Geißblatt, Moos und Epheu grünen
Über uns in Burgruinen,
Und dem Geist der Vorzeit nah
Steht mein kleines Hüttchen da.
In dem Stübchen still und klein
Kehrt die Freude willig ein;
Bohnen ringeln sich, und weben
Schatten an den Fensterstäben,
Und der Hänfling knüpft sein Nest
An des Geißblatts Ranken fest.
Trautes Liebchen! ich und du
Bringen dort den Abend zu.
Durch die Kühle, durch die Stille
Rinnt der Quell und zirpt die Grille;
Zarter Nebel hüllt den Hain
Und die grauen Felsen ein.
Und im blauen Wolkenmeer
Wallt der stille Mond daher,
In der Ulme grünen Hallen
Nisten junge Nachtigallen,
Und am alten Felsenturm
Steigt und glüht der Feuerwurm.
Leiser treibt des Lebens Flut,
Wenn um uns die Gegend ruht,
Wie des Friedens stille Lethe
In der Kindheit Morgenröte
Über junge Blumen glitt, —
Trautes Liebchen! willst du mit?
Trinklied
Der Mensch muß lieben, lachen, trinken,
Um seines Lebens froh zu sein.
Nehmt, wo die Rosen freundlich winken,
Der Tochter Kuß, des Vaters Wein.
Von allen, die der Tod erdrückte,
Ist keiner wieder aufgewacht.
Kommt Lebende, genießt Beglückte,
Stoßt an und trinkt und küßt und lacht.
Die Liebe lockt, wie junge Blüten,
Des Frühlings warmer Hauch hervor,
Schnell wächst sie, wenn die Vögel brüten,
Genährt von Zeit und Wahn, empor.
Des Busens Stürme wehen linder,
Sie baut sich zwischen sie ihr Haus,
Und brütet ihre frohen Kinder,
Die Hoffnung und die Freude aus.
Der Mensch zerfiel mit seinem Gotte,
Zerstörte sein Elysium,
Da kam die freche Sünderrotte,
Den Fliegen gleich, im Wasser um.
Die wilde Flut verschlang das Leben,
Und nur ein Mann von beßrer Art,
Der erste Pflanzer grüner Reben,
Ward, sie zu pflanzen, aufbewahrt.
Und seine freien Kinder haschen
Die Freude, die dem Zwang entrann,
Sie blickt uns schlau aus vollen Flaschen
Mit hundert hellen Augen an.
Und auf der Flasche Grund erwachen
Der Scherz, der Witz, der leichte Sinn,
Und aus dem Becher fliegt das Lachen
Erschütternd auf die Lippen hin.
Aus vollen Keltern strömt die Lethe,
Die Zeit beflügelt ihren Lauf,
Und eine neue Morgenröte
Geht auf des Alters Wangen auf.
Eilt, schlürft des Lebens trübe Neige,
Bekränzt mit jungen Rosen, ein,
Der leere Keller soll ein Zeuge
Der Weisheit unsres Lebens sein.
Die Klage des armen
Fischers
Des Abends Nebelhülle
Umschleiert Schilf und Wellen,
Im Abendwinde schwellen
Die Segel auf der See.
Was stört oft Nacht und Stille?
Was tut dem Herzen weh?
Ein L, ein I, ein E, ein В, ein E.
Der Sturmwind war entflogen,
Da stand, gleich schönen Träumen,
Ein Mädchen zwischen Bäumen,
Umwogt von Gras und Klee.
Was hebt die Brust wie Wogen?
Was tut bald wohl bald weh?
Ein L, ein I, ein E, ein В, ein E.
Der Locken goldner Regen
Umfloß der Wangen Blüte,
Auf ihrer Stirne glühte
Das Morgenrot im Schnee.
Was tut in heißen Schlägen
Dem Herzen wohl und weh?
Ein L, ein I, ein E, ein B, ein E.
Ich hing an ihren Blicken
Wie Bienen an den Blüten,
Und ihre Augen glühten
Gleich Sternen in der See.
Was gibt uns dies Entzücken
Und tut uns doch so weh?
Ein L, ein I, ein E, ein В, ein E.
Da sah ich fremde Lippen,
Die fest auf ihren ruhten,
Wild schlug ich in die Fluten
Und rudert' in die See.
Was sucht' ich zwischen Klippen?
Was tat so brennend weh?
Ein L, ein I, ein E, ein B, ein E.
Wo dunkle Tiefen gähnen
Sich über mir zu schließen,
Da wird mir wohl, da fließen
Die Tränen in die See.
Was gibt dem Auge Tränen?
Was tut dem Herzen weh?
Ein L, ein I, ein E, ein В, ein E.
Dithyrambe
Gedichtform
Das mächtige Schicksal umschleiert den Hain
Mit des Laubes flüsternder Welle,
Gab Göttern den Nektar, dem Menschen den Wein,
Dem Fische den Fluß und die Quelle.
Von Ranken umschlungen, von Blättern umhüllt,
Liegt heimlich die Traube verborgen,
Und ihren geöffneten Adern entquillt
Die freundliche Lethe der Sorgen.
Und froh drückt der Mensch an den Menschen das Herz,
Und sieht, mit den glänzenden Schwingen,
Die neckende Hoffnung, den spielenden Scherz,
Dem schäumenden Becher entspringen.
Und stürmischer eilt er, die rollende Glut
In Adern und Augen und Wangen,
Den flüchtigen Witz in den Wellen der Flut
Mit glühenden Lippen zu fangen.
Doch niemals begehrt, was nur Göttern bekannt,
Die Lippen der Sterblichen missen!
Nie hat noch ein Frevler des Donnerers Hand
Den Blitz und den Nektar entrissen.
Und ehret im Weine, und heiligt im Lied
Der ewigen Ordnung Gesetze,
Daß schöpfend kein Frevler das stille Gebiet
Der friedlichen Fische verletze.
Das Leben
Aus Felsen sprudelt die Quelle,
Wie des Jünglings Wunsch, in die Welt,
Und Rosen kränzen die Stelle,
Die der Täuschung Zauber erhellt.
Das Leben gleicht einer Welle,
Die wechselnd bald steigt und bald fällt.
Bald streut der Tag seine Helle
Auf die dunkeln Bilder der Welt,
Durch Blumen murmelt die Quelle,
Vom Regen des Frühlings geschwellt.
Hell blinkt der Spiegel der Welle,
Vom Auge des Morgens erhellt.
Am Ufer schwärmt die Libelle,
Zum Schmetterling flatternd gesellt;
Die Biene baut ihre Zelle
In der Zweige schattigtem Zelt,
Und leise fließt Well' in Welle,
Vom Hauche des Zephyrs geschwellt.
Bald tobt die Flut, die mit Schnelle
Den rollenden Wolken entfällt,
Der Sturmwind braust um die Quelle,
Von zuckenden Blitzen erhellt,
Und brausend hebt sich die Welle,
Die dumpf an der Klippe zerschellt.
So zwischen Dunkel und Helle
Ward launig das Leben gestellt,
Am Hügel murmelt die Quelle,
Die Leben und Gräber enthält,
Und Blumen umringen die Welle,
Die brausend im Sturme zerfällt.
Die Dichtkunst
Entflohner Zauber schöner Zeiten,
Der, ach! zu früh für mich entschwand
Und an der Lyra goldne Saiten
Den Kummer und die Freude band.
Die Zeit entreißt dem Flammenbade
Des Geistes süße Trunkenheit,
Die, gleich der taumelnden Mänade,
Hier auf des Dasein's finstre Pfade
Den Nektar des Genusses streut.
Entflohen sind die goldnen Tage,
Den Musen und dem Wahn geweiht,
Wo selbst des Busens leiser Klage
Die Dichtkunst ihre Zauber leiht;
Kalt trennt der Überlegung Waage
Der Freude Schein und Wirklichkeit.
Als rein und heiter, wie die Quelle,
Den Menschen noch das Leben fand,
Da hob des Busens heiße Welle
Ein Sehnen, das er nicht verstand.
Am Hügel sang ihm Philomele,
Laut braust um ihn der Wasserfall,
Sein Ohr umrauschten Ton und Schall,
Und klopfend lag in seiner Seele
Der fremden Töne Widerhall.
Er fühlte, daß ein zweites Leben
Zu seinem inn'ren Leben sprach,
Und stärker schlug der Pulse Beben
Dem Puls des fremden Leben nach.
Aus seinem Busen sprach das Sehnen,
Das klagend mit der Träne rang,
Und aus der Quelle seiner Tränen
Entstieg dem Leben der Gesang.
Und als das ungewisse Leben
Geschützt, in seinem Werte stieg,
Als in der Nacht gepflanzter Reben
Der Sorge banges Flüstern schwieg,
Als jeder Kunst vereintes Streben
Der Göttlichen den Thirsusstab,
Dem Leben Reiz, dem Steine Leben,
Den Saiten eine Stimme gab,
Da schlang der Dichtkunst zarte Hülle
Sich blühend um des Hirten Lied
Und um das Alter der Idylle,
Die freundlich unter Stürmen schied.
Der finstre Kampf verhallter Schlachten,
Der Woge Stimmen im Orkan,
Der Wolke Zug, der Sonne Bahn,
Die durch des Äthers Wellen lachten,
Der Schöpfung Bild und Ton erwachten
In Findar und in Ossian.
Das Lied umflog den Kranz der Sterne,
Wo sanft der Ahndung Reich begann,
Das Leben sprach die blaue Ferne
Durch sie mit leisen Tönen an,
Es wand sich aus der Gräber Kuhle,
Erbrach der Zukunft finstres Tor,
Und in dem Sturme der Gefühle
Stieg, Adlern gleich, das Lied empor.
Ich hörte des Gesanges Wogen,
Aus denen Schmerz und Liebe sprach,
Und meiner Sehnsucht Blicke flogen
Dem kühnen Schwung des Liedes nach.
Mir rief der Geist entflohner Zeiten,
Des grauen Alters Riesensohn,
Und stürmisch griff ich in die Saiten,
Doch weich und leise klang ihr Ton.
Mein Lied floß heiter, wie die Quelle,
Wo farbig, wie der Schmetterling,
Im Silberspiegel seiner Welle
Das bunte Bild des Lebens hing.
Das Bild, das seine Wellen trugen,
Sank, stieg, wie hier des Menschen Herz,
Und wie in seinen Pulsen schlugen
Im Liede wechselnd Lust und Schmerz.
So floß es durch das Land der Träume,
Um das der Lenz die Blüten bog,
Wenn durch des Himmels weite Räume
Der Adler des Gesanges flog.
Allein der Träume Zauber enden,
Der Sturm erwacht, die Quelle starrt,
Die Zeit berührt mit kalten Händen
Das trübe Bild der Gegenwart.
Die Wahrheit zieht der Dichtkunst Grenze,
Des Lebens heitrer Traum entflieht,
Und freundlich scheid' ich von dem Lenze,
Der ewig im Gesang entblüht,
Und lächle, wenn vom Wahn betrogen,
Vom Bild der Wirklichkeit umringt,
Wo immer brausend Wog' an Wogen
Die Hoffnung und das Glück verschlingt,
Mir, Tönen gleich, der Welt entflogen,
Ein Lied das goldne Alter singt.
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