Ungeliebt
1.
Der Schneewind durch die Gassen weht,
Großmütterlein zur Kirche geht
Im schweren Seidenkleide.
Großmütterlein geht still erfreut,
Sie zählet achtzig Jahre heut' —
Ich bin so jung und leide!
Der, den sie liebte, um sie warb,
Sie wurde sein, und bis er starb,
Sie hat ihn treu besessen.
Ob er auch ruht in Grabesnacht,
Das Glück, das einst so hold gelacht,
Sie kann es nicht vergessen.
Wie wird es einmal mir ergeh'n,
Wenn Winde rauschen, Flocken weh'n
Wie heut' nach langen Jahren!
Mein Glück verflog sich in die Welt,
Ich darf nicht sagen, was mich quält,
Hab' niemals Freud' erfahren.
Werd' ich ein altes Mütterlein
In seid'nen Kleidern und allein
Zur stillen Kirche wallen?
Großmutter betet Freud' und Dank,
Ich knie schweigend in der Bank,
In bösen Traum verfallen.
2.
Großmutter in der Dämmerung
Spricht oft mit mir vom Sterben:
"Im Tode nur kann meinen Mann
Ich wieder mir erwerben.
So möge bald der letzte Schlaf
Mein Auge überschleiern,
Daß wir den neuen Liebesbund
In ew'gen Gärten feiern.
Und öffnet sich das gold'ne Tor,
Mein Auge darf nur blinken,
Er eilt durch aller Engel Reih'n,
An meine Brust zu sinken!"
Großmütterlein mit ihrer Red'
Wird mir das Herz noch brechen,
O! dürft' ich Ärmste doch, wie sie,
Vom Wiedersehen sprechen.
Der Stolze, den mein Herz begehrt,
Er blieb und bleibt mir ferne —
Es ziehen über uns dahin
So hoch die schönsten Sterne!
Nicht wird er, wenn durch's Himmelstor
Ich trete nach mir blicken:
Dann muß ich weinend mich voll Scham,
In einen Winkel drücken.
Ex
Ponto
Ödes Schweigen, Mißbehagen
Ist mein Teil geworden jetzt,
Seit man mich in diese fremden
Lebenskreise hat versetzt.
Guldenwert, Beamtenwürde,
Sinnenlust, gemeiner Tand!
Grausam aufgedrungne Heimat,
Fremde Sterne, leeres Land!
Östreich, deine klaren Quellen,
Stolzen Berge, lautes Tal,
Deine lebensfrohen Menschen
Grüßt mein Herz vieltausendmal!
Grüßt auf altergrautem Kirchhof
Jenes steinbedeckte Grab —
Ach, wann steig' auf holdem Heimweg
Seine Stufen ich hinab!?
Begräbnis
An einem Tag von Schnee und Sturm verdorben,
In meinen Armen ist sie mir gestorben.
Stumm saß ich bei der Leiche, bei der blaßen,
Im öden Haus, von aller Welt verlassen.
Das Auge tränenlos ihr zugewendet,
Der Schmerz als Leichenbitter war entsendet.
Der Dunkle hat sein Amt erfüllt auf's Beste,
Noch spät am Tage kamen viele Gäste.
Verzweiflung, Jammer, hoffnungsloses Beten —
Wie sie zum Sarge teurer Toten treten,
Was in der letzten Scheidestund' uns peinigt:
Erinnerung, Vorwurf — hatten sich vereinigt.
Mit starkem Finger winkte das Verhängnis,
Und es begann der Lieblichen Begängnis.
Nachwallten ihrer Leiche, sie zu ehren,
In Strömen meiner Sehnsucht bitt're Zähren;
Die schönen Hoffnungen verklung'ner Stunden,
Wie Blumen hielten sie den Sarg umwunden.
Der Sturmwind heulte jammernde Gesänge,
Und meinen Namen hört' ich im Gedränge:
Doch meine Augen suchten noch vergebens
Auf ihrem Antlitz eine Spur des Lebens.
— Auf schwarzen Schwingen haben sie die Klagen
In sternenloser Nacht zu Grab getragen.
Am Kirchhofe
Im Dämmerscheine klirren
Die Kreuze hell und blank,
Die Schriften sind verloschen,
Und Grab an Grab versank.
Die Blumen aber blühen
Noch lustig d'rüber fort,
Es flüstert in den Weiden,
Als wär's ein leises Wort:
Ein Wort von Lieb' und Treue,
Von Wollust und Verrat,
Vom Lohn der bösen Werke,
Vom Fluch der guten Tat.
Hier braust mein Herz von Stürmen,
Schließ' ich das Auge zu:
O du gepries'ner Friedhof,
Steht's so um deine Ruh'?!
Kirchhofbild
Es regen sich die grünen Gräberwogen,
Am Gitter flüstert der verwelkte Kranz
Das böse Wort: Ihr alle seid belogen!
Vom Monde fließt ein trügerischer Glanz.
Im Zug des Nachtwind's scheinen dort zu ringen
Die keusche Lilie, der Tulpen Pracht,
Erzürnte Stimmen aus der Tiefe dringen —
Der alte Streit ist wieder aufgewacht!
Aus Weidenzweigen lauscht die weiße Rose,
So wie das Antlitz der betrognen Braut,
Das schweigend auftaucht aus dem Grabesschoße,
Noch einmal den entrissnen Lenz beschaut.
Wie Flammen leuchten rote Georginen,
Als lodre hier noch edler Seelen Schmerz;
Und in den Büschen schwankt es mondbeschienen:
Sind's Blumen oder Tote? fragt mein Herz
Dort steht ein Beinhaus in der Kirchhofsecke,
So wie der Hafen dieses Ozeans,
Wie eine blätterlose Rosenhecke,
Wie das verlassne Lager eines Schwan's.
An seiner Pforte stehen zwei Gerippe
Von Sonnenschein und Himmelstau gebleicht,
Dies hält die Sanduhr, jenem hat die Hippe
Des Totengräbers armer Witz gereicht
Dornröschenhecken, Moos und Epheuranken
Verhüllen halb des stillen Hauses Wand,
Das Manngerippe hält — wie in Gedanken —
Ein duftend Rosensträußchen in der Hand.
Des Windes Hauch spielt mit dem Weibgerippe,
Wie nach den Blumen hebt es seinen Arm,
Und von dem Munde ohne Zier und Lippe
Erinnerung weht an alten Liebesharm:
"Wohl steh' ich jetzt, Geliebter, dir zur Seite,
Reich' dir die Hand zu süßem Minnespiel;
Die lebend uns getrennt, sie schweigen heute,
Dort ist ihr Grab — sie sprachen einst so viel!
Die teure Stadt seh' ich im Tale prangen,
Im Mondenlicht die Türme silberklar:
Ich und mein Liebster sind in Gram vergangen —
Sonst ist noch alles, wie es damals war!"
Da neigt zu ihrem weißen Knochenmunde
Das Manngerippe sich — wie voller Schmerz,
Wie einst in stiller Frühlingsabendstunde,
Wenn er mit Küssen tröstete ihr Herz.
Durch Beider bleiche schimmernde Gebeine
Nachtwinde laut wie wilde Seufzer zieh'n,
Und rauschen durch die hellen Leichensteine
Und über ihrer Eltern Gräber hin!
In der Mondnacht
Es ruht auf monderhellten Korneswogen
Der kleine Kirchhof, wie ein banges Schiff
Vor Anker liegt, die Segel eingezogen,
Bei falscher Nacht vermeidend Bank und Riff.
Wo kommst du her mein Schifflein, das im Dunkeln,
So scheint es fast, nicht seine Wege kennt?
Es fehlt am Maste der Laterne Funkeln!
Wo deine Flagge, die dein Land mir nennt?
Ich ruf' dich an — kein Laut will Antwort geben,
Das Echo nur erschallt von deiner Wand.
Bist du ein Sklavenschiff, das Menschenleben
Wie Kaufmannsware führt vom Strand zu Strand?
Bringst du, ein Schmugglerschiff, an Chinas Küste
Das süße Opium? Mir sag' es frei!
Bist du das Nachtgespenst der Wasserwüste,
Das Totenschiff? dann seg'le schnell vorbei!
Doch nein! Ich seh ein Kreuz inmitten ragen —
Wohl ein Malteserschiff aus alter Zeit,
Wie tapf're Ritter in verscholl'nen Tagen
Es ausgerüstet für den heil'gen Streit?
Wo lagert deine tapfere Gemeine
In ihren Rittermänteln, weiß wie Schnee?
Und ist sie tot, was treibst du noch alleine,
Ein leerer Wahn, vorbei auf hoher See?
Es ruht auf monderhellten Korneswogen,
Der kleine Kirchhof, wie ein banges Schiff
Vor Anker liegt, die Segel eingezogen,
Bei falscher Nacht vermeidend Bank und Riff.
Die Eisengitter auf den Gräbern klirren,
Als ob im Wind das Takelwerk erkracht;
Es blinkt der Mond, und leise Stimmen schwirren
Seltsam herüber durch die kühle Nacht:
"Ich bin kein Sklavenschiff — in meinen Räumen
Sind doch die Menschen herzlos aufgestaut;
Ich bin kein Schmugglerschiff — von süßen Träumen
Hat doch die Welt mir eine Fracht vertraut;
Kein Totenschiff — wenn auch kein Menschenleben
Mir je zu tragen aufgedrungen ward;
Ich bin kein Kriegsschiff — doch auf mich begeben
Die besten Streiter sich zur letzten Fahrt.
Ich fürchte keine Brandung, keine Riffe,
Mir ist die dunkle Nacht wie heller Tag;
Ich scheine still zu liegen, doch ich schiffe,
Auf rechter Bahn, wie's stürmen mag.
Zum Kompaß gab man in dem Wogenschwalle
Mir dieses Kreuz — ich weiß nicht, wo ich bin!
Und alle die mein Bord besteigen, alle,
Sie wissen kaum — woher, und nicht — wohin!"
Gottes Acker
Weit draußen vor dem Tore
Mitten im gold'nen Feld,
Dort liegt ein stiller Acker —
So gut er auch bestellt,
Nur kranke Blumen wachsen
Darauf und fahles Kraut:
Das wirkt der selt'ne Samen,
Mit dem er ist bebaut.
Es hebt kein Haus die Giebel
In uns'rer alten Stadt,
Das nicht in diesen Acker
Ein Korn gestreuet hat.
Sein Bestes weiß dort Mancher
Von Schollen zugedeckt,
Und träumt vom fernen Lenze,
Der's wieder auferweckt.
Wenn ich im Felde gehe
Vorbei auf grünem Rain,
Dann ruft in diese Furchen
Es zärtlich mich hinein.
Hab' auch mein Körnlein drinnen
Und kühle Erde drauf —
Du edler Freudensamen,
Wann gehst du wieder auf?
Am Allerseelentage,
Im Herbste kühl und spat,
Da komm ich mit den Andern
Zu sehen nach der Saat.
Dann wandert stumme Trauer
Wie Nebel durch die Welt,
Aus dem in dürre Furchen
Ein Tränenregen fällt.
Des Mondes kalte Strahlen
Beleben diesen Ort,
Geliebte Tote wandeln
In ihren Blumen dort.
Sie war dabei! sie wankte
Zum grauen Säulengang —
Dann rief es meinen Namen
Mit unvergess'nem Klang.
Willkommen süßes Rufen,
Dir folgt' ich immer gern.
Willkommen stiller Abend
Da untergeht mein Stern!
Wie lang' hast du geschwiegen
Du teurer Rosenmund!
Jetzt hat das Wort geklungen —
Bald schlägt mir auch die Stund'.
Es grünt ein stiller Acker
D'rauf keine Ähren steh'n,
Doch wird der Herr der Welten
Dort selber ernten geh'n.
Dann sammelt er den Weisen,
Und gibt die Spreu dem Wind,
Und einet die Geschied'nen,
Die treu geblieben sind.
Auf dem Balle
Wohin ich meinen Fuß gewendet habe,
Ein jeder Schritt führt näher meinem Grabe.
Ob Unglück nahte, leuchtete Glückes Schein,
Du weinst, du lachst dich in die Gruft hinein.
Hier wogt der Tanz. Reichtum und Schönheit glänzen,
Unheimlich flüstert's mir aus allen Kränzen:
Was auch verwelkt, verwest — es kehrt zurück,
Nur nicht der Mensch, nur nicht des Menschen Glück.
Die Welle flieht, die Welle regnet nieder,
Als Welle, Wolke, beide kehren wieder,
Und beide grüßen wieder Licht und Tag,
Was einst mein totes Herz nicht mehr vermag.
Fest hält den Staub der Kreislauf aller Dinge,
Des Menschen Seele nur fällt aus dem Ringe;
O daß sie Allem, Allem bieten muß,
Unwiderruflich einen letzten Gruß!
— Die frischen Blumen, Kind, in deinem Haare,
Sie liegen jetzt, wie du einst auf der Bahre:
Du ahn'st es freilich nicht, daß unter'm Tanz
Verwesungsdüfte sprühn aus deinem Kranz.
Ewig schön
Längst vergangen unterdessen,
Was mir Kunst und Leben bot;
Du allein bliebst unvergessen,
Meiner Seele Morgenrot!
Unvergessen, unverblichen,
— Wangenrosen, Augenblau —
Unverdunkelt, unverglichen,
Unvergleichlich schöne Frau!
Weltlauf
Von blauen Wasserwüsten
Der Schiffer blickt zurück;
"Ich segle fernen Küsten
Entgegen fernem Glück!
Dich Südens Länderbogen
Drückt Überflusses Last;
Beschenke mich gewogen,
Verlangend kommt gezogen
Ein nordisch kühner Gast."
Doch während kecke Lippe
Des Schiffers also spricht,
Auf südlich ferner Klippe
Ein stolzes Fahrzeug bricht.
Bald naht er unbeklommen
Dem Zahn desselben Riff's:
Dem nächsten Schiffer kommen
Entgegen schon geschwommen
Die Trümmer seines Schiff's.
"Ich will nicht länger träumend
Hier folgen meinem Pflug,
Die beste Zeit versäumend.
Die Werbetrommel schlug
Man gestern auf den Straßen,
Wer predigt schön're Pflicht?"
Dem Kriegsgott überlassen
Will ich das Glück erfassen!"
Der junge Landmann spricht.
Er sprichts mit kecker Lippe
Und ackert aus der Spur
Ein Schwert und ein Gerippe!
Des Helden arme Spur,
Der stolz und siegvermessen
Durchbrach der Feinde Reih'n:
Hier liegt er nun vergessen,
Von Staub und Wurm zerfressen,
Ein namenlos Gebein!
Ein jeder will da walten
Nach seinem eignen Plan,
Das Schicksal geht im alten
Geleise seine Bahn.
Ach, unser Leben leitet
Ein starrer Herrscherblick;
Ein jeder glaubt bereitet
Ein neues sich und schreitet
Nur durch ein alt Geschick!
So wird dem Menschentroße
Das kurze Leben schwer,
Sie rennen wie die Rosse
Der Heide hin und her.
Der Klügste weiß zu fangen
Die Starken, schnallt sie an
Des Wagens Deichselstangen —
Dann fördert sein Verlangen
Das brausende Gespann.
In böser Zeit
Der Sturm ist los, das Meer ist toll zur Stunde,
Vom Ufer stürzen Gärten in die Flut,
Und Städte rollen nach; mit blut'gem Munde
Zermalmt das Heut', was gestern höchstes Gut.
Es suchen Schiffe mit gebroch'nen Masten
Ein grünes Land, das längst die See verschlang;
Sie bringen selt'ne Kunden, reiche Lasten,
Nach denen niemand fragt in diesem Drang.
Wo wird mein Hafen sein? Wirft die Welle
Mich totgeweiht in's Sturmgebraus zurück?
Begrüßt mein junges Herz auf alter Stelle
Noch einmal alte Liebe? neues Glück?
Mut!
Bist vorbei auf schnellem Rade,
Wie das Blatt im Windesstoß,
Zeit, in der des Liedes Gnade
Täglich auf mich niederfloß.
Meine Laute schweigt und trüber
Winterwind bewegt sie kaum;
Dunkle Tage zieh'n vorüber
Ohne Sehnsucht, ohne Traum.
Ist es denn schon tief im Winter?
"Mitten ist's im Februar,
Schnee bedeckt die Welt dahinter
Sproßt ein neues Blütenjahr.
Unter starrer Flockenfülle
Bebt der weiche Rosenkeim,
Über dunkler Nebelhülle
Fliegt der Wandervogel heim.
Unter Sturm und Regentagen
Rückt der Frühling still heran —
Mut! kein Mensch kann heute sagen,
Was er morgen schaffen kann!"
Unverzagt
Als uns, trotz allen Teufeln,
Doch unser Tag getagt,
Da saßest ihr in Zweifeln,
Habt keinen Schlag gewagt.
Ich hab' nach allen Zweifeln
Und Teufeln nichts gefragt,
Ich schlug mich unverzagt.
Als ihr bei euren Frauen
Im tiefen Schlafe lagt,
War ich in grünen Auen
Gezogen auf die Jagd.
Da saß am kühlen Bronnen
Das Glück, die süße Magd;
Die hab' ich mir gewonnen,
Ein Jäger unverzagt.
Nicht wird in Freuden wohnen
Geschmückt mit werten Kronen,
Wer an den Nägeln nagt:
Die Rose führt den Stachel
Und wenn ihr wollt die Rachel,
So dient auch unverzagt.
Als Alles schlief
Müde Abendwinde fegen
Durch die Stadt vom braunen Hügel,
An dem Teich die Mühlenflügel
Träge knarrend kaum sich regen.
An die Dämme rauschen leiser
Dunkle Fluten, ausgesungen
Hat der Vogel, satt geschwungen
Hat der Baum die grünen Reiser.
Ja die Sterne selbst, verdroßen,
Ihre Augenlider senken;
Alle Fenster, alle Schenken
Sind verlaßen, sind geschloßen.
In die Wolken tief versunken
Ruht der Mond, die Nebelwogen
Über Aug' und Ohr gezogen,
Traumbefangen, schlafestrunken.
Was ist wach? Ein Posthornklingen,
Sehnsuchtsrufen ohne Hilfe,
Und Irrlichter, die im Schilfe
Zwecklos hin und wieder springen.
Mögen sie's nach Jahren lesen:
Erd' und Himmel bleiern schliefen
Einen Schlummer, einen tiefen,
Ich bin schläfrig nie gewesen.
Irrwischtäuschung, Sehnsuchtsrufen
Trübten oft mein heit'res Leben;
Doch ich stieg mit klarem Streben
Immer aufwärts meine Stufen.
Nachruhm
Unser trübes Schicksal liest verwundert
Spät einmal ein fröhliches Jahrhundert.
Was wir hoffen, werden wir erlangen,
Denen kämpfend wir vorangegangen.
Unser'n Händen drücken blut'ge Schwielen
Schwertergriffe — ihre werden spielen.
Freiheit wird auf grünem Land genoßen,
Über das sich unser Blut ergoßen.
Uns're Taten in entrückten Fernen,
Wird die Jugend in den Schulen lernen.
Selbst die Philologen wird bewegen,
Unser Leid, wenn sie uns kalt zerlegen.
Mitten doch im wüsten Kampfgewühle
Blüh'n des Herzens sanfteste Gefühle.
Und ihr Widerhall, auf Liedeswogen
In die Zukunft kommt er hingezogen.
Frauen, die uns liebevoll begegnen,
Werden künftige Geschlechter segnen;
Ihr Gedächtnis wird im Volke leben,
Sowie Elfenmärchen uns umschweben.
Dichtermacht
Versunken tief in schreckenvolle Träume
Ruht König Saul, doch David's Harfenklang
Ergießt sich in der Seele Sturmesdrang,
Wie mildes Öl auf wilde Wogenschäume.
Des bunten Gartens totenstille Räume
Belebt des jungen Dichters Weihgesang,
Die Liebe wandelt durch den Blumengang,
Der Frohsinn flattert durch Gebüsch und Bäume.
Da knirscht der König, seine Lippen beben:
"Ha! sie gehorchen diesem blonden Kind,
Die meinem Rufe niemals sich ergeben;
Sie nahen — Lieb' und Freude pfeilgeschwind.
Das muß ein alter König noch erleben,
Daß Dichter stärker als sein Szepter sind!"
Rotes Tuch
Ein lustig Liedlein singen wir
Vom Herrn zu Helfenstein,
Der kühlte seinen Malvasier
In gold'nem Neckarwein;
Er war des deutschen Reichs ein Graf,
Sein Reichtum war nicht klein.
Er ritt nach Ulm mit seinem Troß,
Er rief den Schmied: "Beschlag'
Mit gutem Silber so mein Roß,
Daß den Beschlag ich mag
Verlieren leicht! Der Bürger hab'
Auch einen guten Tag."
Er war auch Herr zu Gundelfing,
Freiherr zu Messkirch auch,
Wenn sein Geld zur Neige ging,
Tat er nach altem Brauch:
Er legt sich an die Straße, wo
Der Kaufmann zieht, der Gauch.
Es kam ein Zug von Nürnberg her,
Dabei manch' guter Knecht;
Die wagen rollten still und schwer,
Die Ladung war nicht schlecht:
Samt, Seiden und venedisch Tuch —
Das taugt den Ulmern recht.
Sie fuhren fröhlich durch das Land,
Da stürzt ein böser Bolz
Den vordern Roßknecht in den Sand —
Sie brechen aus dem Holz:
Voran mein Graf zu Helfenstein,
Wie blinkt sein Schwert so stolz!
Der Kampf ist kurz — wer kann, der lauf!
Der Graf zu Helfenstein
Bricht selber eine Truhe auf:
"Bei Gott, das Tuch ist fein!
Das schöne Tuch, das rote Tuch!
Es kann nichts Schön'res sein!"
Die Beute führt zum Grafenschloß
Das reisige Gesind.
Voran der Graf auf hohem Roß,
Es flattert in dem Wind
Das rote Tuch, er trägt es selbst,
Ihn freut es wie ein Kind!
— Am Straßensaum im Erlenbusch
Der Kaufherr, todeswund,
Sieht droben weh'n sein rotes Tuch
Und spricht mit bleichem Mund:
"Das rote Tuch — tragt euch's nach Haus!
Es kommt noch eine Stund'.
Die wandelt Freuden euch in Leid,
Die tilgt die Schuld im Buch,
Die zieht euch aus das Eisenkleid
Und kleidet euch in Tuch;
Dann nehmen wir die Elle mit,
Und kommen auf Besuch.
Dann kommen wir, der ganze Troß
Die Rechnung in der Hand,
Dann stürzt in Trümmer manches Schloß.
Das uns zum Trutze stand:
Nehmt rotes Tuch so viel ihr wollt,
Ihr zahlt es noch dem Land!"
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