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Quelle:
Gedichte
Julius von der Traun
Band 1
Wien 1871
Verlag von Faesy & Frick
Hat eine Zither gehangen
An der Tür' unbeacht,
Der Wind ist gegangen
Durch die Saiten bei Nacht.
Eichendorff
Süßer denn alles ist Liebe, und über Lieb' ist auf Erden
Nichts —
Aus dem Griechischen der Nossis.
Eindruck
Es wogte durch die Säle
Der anmutvolle Tanz
Da schwebtest du vorüber —
Wir gaben dir den Kranz.
Manch' Stolz're flog den Reigen
In jener frohen Nacht,
Sie hätten sich alle neigen
Sollen vor deiner Pracht.
Es war auf grüner Heide,
Die Luft von Lerchen laut,
Mit stiller Freude haben
Wir wieder dich geschaut.
Die Sonne war in blauen
Gebirgen längst zur Ruh',
Wir sprachen von holden Frauen —
Der Himmel war rein wie du.
Es trug von dürren Weiden
Der Wind das letzte Blatt,
Da mußten wir verlassen
Die du bewohnst, die Stadt.
Wie schwer ist uns geworden
Beim Wandern jeder Schritt!
Wir trugen nach Süden und Norden
Im Herzen dein Bildnis mit.
Du bist mir lieb
Du bist mir lieb! Wie jene stille Stunde —
Der Frühling streifte kaum den Gartenrand —
In der ein Wort, gehaucht von deinem Munde,
Bis über's Grab mein Herz an deines band,
Bist du mir lieb!
Du bist mir lieb, wie meiner Seelen Hoffen,
Daß Gott zum Lichte seine Völker lenkt;
So wie mein Glaube, daß in's Herz getroffen
Die alte Nacht schon ihre Flügel senkt,
Bist du mir lieb!
Du bist mir lieb, wie stiller Glanz der Sterne
Der niedergrüßt in ahnungsvoller Pracht;
Wie meiner Lebenstage heit're Ferne,
Aus der noch manches reiche Glück mir lacht,
Bist du mir lieb!
Du bist mir lieb, wie meines Liedes Tönen,
Wie meines Namens gern vernomm'ner Klang,
Wie die verborg'ne Träne, die aus schönen
Jungfrauenaugen lockte mein Gesang,
Bist du mir lieb!
Du bist mir lieb, wie jene Hand voll Erde,
Die bald in Frieden hält mein Herz bedeckt;
So wie er selber, der mir sprach mein "Werde!"
Der mich zu Grabe ruft und wieder weckt,
Bist du mir lieb!
An meinem 23. Geburtstage
als ich erwachend mein Zimmer mit Herbstblumen geschmückt fand.
Liebchen! heimlich auszuschmücken
Mein Gemach warst du bedacht,
Wie ein Vogel unter Blumen
Bin ich staunend aufgewacht.
Meine Schwingen übergossen
Blumenduft und Morgentau,
Unter hellen Liedern flog ich
Durch die morgenstille Au.
Flog ich, bis in deinem Schlosse
Deine Liebe mich empfing
Und in ihre Zauber hüllte,
Bis die Sonne niederging.
Nun ich wieder heimgeflogen,
Grüßt mich deiner Blumen Schein,
Und nach diesem kurzen Liede
Schlaf' ich wie ein Vogel ein.
Mahnung
Im reichen sonnenhellen Herbst
Ein schöner stiller Morgen —
Wir sind so froh, als hätten wir
Kein Scheiden zu besorgen.
Da fliegt ein gelbes Blatt vorbei
Vom Winde hingetrieben,
Ach! eine trübe Mahnung ist's
Für unser junges Lieben!
Die welken Zweige winken mir
Und weisen in die Ferne,
Es senken sich, wie tränenvoll,
Betaute Blumensterne.
Es kommt der Nebel über's Feld
Mit leisem Schritt gegangen,
Und hat in's freudenvolle Tal
Die Aussicht uns verhangen.
Die Wandervögel ziehen fort
Und alles mahnt an's Ende —
Wir reichen, wie zum Lebewohl,
Uns tiefbewegt die Hände.
Nur zu Gaste
Siehst du die arme Hütte, die dort einsam
Das braune Dach erhebt aus grünem Grunde?
Mich könnte dort im tiefen Wald gemeinsam
Mit dir — beglücken jede Lebensstunde.
Mag wechseln auch im Lauf der raschen Tage
Schnee, Blütenpracht uns Frucht; uns beiden bliebe,
Ob Lenz, ob Winter seine Zelte schlage,
Unwandelbar im engen Haus die Liebe.
Wär' Glück bei Liebe! — dir ein Schloß, das mächtig
Mit blanken Kuppeln ragt aus alten Bäumen;
Wo zwischen Forsten, wildbelebt und prächtig,
Kaskaden durch die stillen Gärten schäumen;
Ein stolzes Schloß, in dessen Marmorhallen
Du königlich auf gold'nem Throne prangest,
Durch dessen Pforten schon die Freuden wallen,
Eh' du im sanften Herzen sie verlangtest.
Zu deinem Lobe tönten meine Lieder
Bei vollem Klange gold'ner Harfensaiten —
Inzwischen rauschte von den Türmen nieder
In's Festgebrause gold'nes Abendläuten.
Doch ach! was soll der Traum vom Prachtpalaste,
Von Bleiben mir! Ich wäre zu beneiden
All' überall mit dir! Doch nur zu Gaste
Bin ich bei dir und morgen — muß ich scheiden!
Ob auch der Pfeil am Boden liegt
In deine Gartengänge fliegen
Die welken Blätter aus dem Wald —
Das ist der Herbst! ich scheide bald,
Doch soll der Schmerz mich nicht besiegen.
Mir hat der Hirsch im tiefen Walde
Des Lebens rechte Kunst gezeigt,
Der nie sein Haupt in Sorge neigt,
Noch trübe schleicht auf stiller Halde.
Nicht träumt sein Herz von Fang und Netzen,
Er wechselt frei von Hag zu Hag!
Es graut noch früh genug der Tag,
Wo ihn zu Tod die Hunde hetzen.
Stolz naht er durch's Gehölz gezogen
Bis an des Waldes lichten Rand,
Kaum tritt er aus der grünen Wand,
Kommt schon die Kugel hergeflogen.
— Und mag auch mein Verderben lauern
An dieser frohen Stunde Saum,
Nicht störe mir den süßen Traum,
Die kurze Lust ein feiges Trauern.
In Liebeswonne ganz verloren,
An deine Brust mein Haupt sich schmiegt,
Ob auch der Pfeil am Boden liegt,
Bestimmt das Herz mir zu durchbohren.
Daheim in der Stadt
Die dumpfe Stadt hält mich gefangen,
Ade, du ländlich stille Flur,
Von deinem unschuldvollen Prangen
In diesen Mauern keine Spur!
Kaum, daß der Wind, das Land durchwehend,
Vom Baume riß im raschem Flug
Ein Blatt, verwelkend und vergehend,
Und über's Tor herüber trug.
Dort fliegt es hin im Nachtgefunkel
Des Mondes, der im Brunnen glänzt,
Und mahnt mich an das Waldesdunkel,
Das meiner Liebsten Schloß begrenzt.
Mein Wald! du hast uns oft gespendet
Ein grünes Obdach, liedervoll;
Jetzt hast du mir dies Blatt gesendet,
Das wie ein Bote reden soll.
Mein Wald! ich kenne deine Klage
Und was dich traf, es traf auch mich:
Verdorrt, verwelkt und stumm, so trage
Wie du den Herbst im Herzen ich.
Ich bin ja selbst von deinen Bäumen
Geschieden wie dies welke Blatt,
Das jetzt zu diesen fremden Räumen
Ein böser Wind getragen hat.
Waldhornruf
Die Jagd ist aus, das Wild hat sich verkrochen
Der Wald ist ohne Ruf und Widerhall.
Noch einmal sei die Stille unterbrochen
Von meines Jägerhornes frischem Schall.
Da flieht er hin, wie Hirsche vor dem Bellen
Der Meute brechen in das Land hinaus;
Hinschwebend über Wiesen, über Wellen
Sucht er der Vielgeliebten fernes Haus.
In ihrem Garten sinkt sinkt er wie ein banges
Gewild, das kraftlos niederbricht im Hain
Und stirbt. — Vom Tode dieses schönen Klanges
Wird bis zu Tränen sie ergriffen sein.
Leere Stunden
Bei des Tages Helle tragen
Stolze Ströme reiche Frachten,
Nutzen fördernd und Behagen —
Fröhlich ist es zu betrachten;
Kommt die Nacht herangezogen,
Suchen Schiff und Kahn die Bucht,
Nutzlos fließen leere Wogen
Durch das Land in stummer Flucht.
So verrinnet auch mein Leben —
Kann vor deinem Blick es gleiten,
Rastlos ist es im Bestreben
Holdes dir heranzuleiten.
Ist dein Anblick mir genommen,
Flieht es ohne Glück und Ruh' —
Leere Stunden geh'n und kommen —
Ach! ich weiß es nicht wozu?
Winterabend
Von den schneebedeckten Zügen
Des Gebirges fliegt der Rabe —
Daß mich seine Schwingen trügen!
Auf der Linde, traurig ragend
Deinem Hause gegenüber,
Sänk ich nieder flügelschlagend.
Ohne Kopf und Hals zu regen,
Schaut' ich durch die hellen Scheiben
Dein holdseliges Bewegen.
In der Nacht, wenn meinen Blicken
Du entschwunden leise schlummerst,
Würd' ich an dein Fenster picken.
Weißt du, daß den fernen Erben
Kunde bringt der Totenvogel,
Wenn ihr Vater liegt im Sterben?
Nicht geringer sollst du achten
Dieses Picken, denn vor Sehnsucht
Will mein armes Herz verschmachten.
Im Sattel
Ich reite still im flachen Lande,
Doch pocht es laut in meiner Brust,
Mich fesseln ohne Freud' und Lust
An diesem Strich verpaßte Bande.
Und obendrein ist's Herbst! — die fahle
Verlass'ne Landschaft um mich her!
O wie vermißt mein Herz so schwer
Das heit're Glück in deinem Tale.
Die Bäche winden hier wie Schlangen
Sich trüb und träge durch das Rohr;
Seit deinem Anblick ich verlor,
Sind so die Stunden mir vergangen.
Bei dir die Zeit auf Flügeln schwindet,
Wie jenes Waldhorns ferner Klang,
Der in die blaue Luft sich schwang,
Und den kein Sterblicher mehr findet.
Winternacht
Auf's Lager, das ich teilte mit dem Leide,
Fällt nur dein keuscher Glanz, o Winternacht!
Entsende du aus deinem Strahlenkleide
Des schönsten Traumes ewig junge Pracht!
O laß mich träumen einen Sommerabend,
Gefild und Fluß von Düften überhaucht,
Ein frisches Ross, auf dem ich lustig trabend
Der Stadt mich nahe, die aus Gärten taucht.
Den Glockenring an wohlbekannter Pforte,
Der Glocke wohlbekannten vollen Klang,
Und leichte Mädchenschritte, leise Worte
Von Innen durch den hochgewölbten Gang.
Der Schlüssel dreht sich in dem alten Schlosse,
In seinen Angeln knarrt das schwere Tor,
Und aus dem Dunkel tritt die edle, große
Gestalt der Vielgeliebten licht hervor.
— Die Fragen und die lauten Herzensschläge
Weil ich so unverhofft gekommen bin!
Die Antwort, die ich auf die Lippen lege
Der überraschten Herzenskönigin!
Ich führe sie, durchzuckt von leisem Schauer
Folgt sie mir still durch Hof und Gartenraum;
Dort flüstert an des Städtchens morscher Mauer
Erinnerungsreich der alte Lindenbaum.
Es schläft die Welt, kein Späherblick ist munter
— Ein Vogellied verhallt in klarer Nacht —
Beneidend schaut ein hoher Stern herunter
In ihrer Augen unschuldsvolle Pracht.
Da mahnt mein Ross an's Scheiden, schweren Hufes
Trifft es die Flur mit ungeduld'gen Schlag.
Erschreckt erwach' ich — o des argen Rufes! —
Die Stube leer und draußen Wintertag!
Diese Stimme
Wenn ich den schweren Hirsch im Walde jage,
Wenn Morgenlüfte flüstern im Gezweig,
Dann wähnt mein Herz, die ferne Liebste frage:
Denkst du auch mein auf deinem grünen Steig?
Ruh' ich auf heit'rer Höh' im Strahlenlichte
Des rosenroten Sonnenniedergangs —
Aus Allem, was ich schaue, denke, dichte,
Tönt eine Stimme mir bekannten Klangs
Wiegt mich der See, so klingt sie aus der Tiefe,
In's Tal herab, vom Felsenhorne mir,
Geh' ich durch Städte, ist mir's fast als riefe
Aus jedem Fenster mich ein Klang zu ihr.
Sie liebt mich, liebt und kann es nicht verschweigen!
Wenn einst auf meiner Gruft im Kirchhofraum
Der Nachtwind spielt mit Trauerweidenzweigen,
Hör' ich dieselbe Stimme noch im Traum.
Nah und fern zusammen sein
Unter diesen Buchenkronen
Wo zu Nacht die Rehe wohnen,
Sink' ich einsam in das Moos.
Schwankend Gras im Abendwinde —
Doch mein Ohr erkennt geschwinde
Deinen Schritt. O schönes Los!
Selbst geschieden, ohne Wanken
Nah und fern beisammen sein,
Alle Räume und Gedanken
Du erfüllst sie mir allein!
Bitte
Ich bat mit erhobenen Händen
Den schlimmen Winter um Trost,
Er konnte mein Leiden nicht wenden,
Ist kalt vorüber getost.
Jetzt schmettern in jubelnden Chören
Die Nachtigallen! — Herbei!
Du wirst mein Bitten erhören,
O Mai, du lieblicher Mai!
Du konntest auf sonnigem Hügel
Erwecken der Rose Pracht,
Du konntest mit duftendem Flügel
Verscheuchen des Winters Macht.
Du konntest die Bahn mir bereiten
Vom Schnee dem feindlichen frei,
Du wirst zur Geliebten mich leiten
O Mai, o lieblicher Mai!
Doch sende, bevor ich schaue,
Die süße Botin voraus,
Entsende durch Lüfte, durch blaue,
Die Nachtigall vor ihr Haus.
Die trugen willkommnere Töne
Erwünschtere Kunde herbei:
"Bald naht deinem Herzen, du Schöne,
Sein Mai, sein lieblichster Mai!"
Am Ziele
Jetzt ist alles überwunden,
Was sich zwischen uns gestellt,
Und der Hafen ist gefunden
Vor den Stürmen dieser Welt.
Ruhig, ruhig sind die Wogen
Und das Ufer gastlich nah,
Alles, dem wir nachgezogen,
Ist in holder Nähe da.
Heit'ren Himmel, sanften, leisen
Wogengang und guten Wind
Wünschen Allen, die noch reisen,
Zweie, die im Hafen sind.
Ritornelle
Gedichtform
Blüte der Linde!
Von einem Garten eil' ich zu dem andern
Und späh' durch's Gittertor bis ich dich finde.
Blüten der Levkojen!
Du rufst zu dir mich heim, aus jeder Ferne,
So wie der Lenz die Knaben nach Savoyen.
Blüte der Reben!
Von deinen Rosenlippen Küsse trinkend
Hab' ich mich früh berauscht für's ganze Leben.
Blüte des Kornes!
Ich suche jetzt mein Herz auf Stoppelfeldern,
Mein in dem gold'nen Ährenmeer verlor'nes.
Blüte der Akazien!
Seh ich dich ruhen unter diesen Zweigen,
Dann glaub' ich die Dreieinigkeit der Grazien.
Blüte der Mandel!
So unbefleckt, wie diese Blütenblätter,
Ist von der Kindheit bis zu mir dein Wandel.
Blüten der Lilie!
Zu fassen glaubt' ich eine solche Blume,
Und hielt in meiner deine Hand, Cäcilie!
Blüten der Reseden!
Wie dieser Wohlgeruch den ganzen Garten,
Durchduftet stille Liebe deine Reden.
Blüten der Kastanien!
So weiße schlanke Glieder wie die deinen,
Trug noch kein Damenpferd in ganz Hispanien.
Blüten der Hagebutten!
Du wirst mein Herz mit Dornen nie verwunden,
Denn keine Falschheit ist dir zuzumuten.
Blüte der Kirsche!
Ich möchte küssen dich vor allen Leuten,
Doch wehrt's der Sitte Zaum, den ich zerknirsche.
Scheideabend
Das Glück hat rasche Flügel!
Sie winkte mit der Hand,
Und hinter jenem Hügel
Ihr Reisewagen stand.
So riß im Abendtaue
Das Band, das uns vereint;
Es haben Feld und Aue
Bei unserm Schmerz geweint.
Es waren alle Tannen
Und alle Ähren naß.
Und von den Zweigen rannen
Die Tropfen in das Gras.
Die weißen Schwäne hoben
Sich aus dem grünen See,
Und tausend Tränen stoben
Von ihres Fittig's Schnee.
Postlied
Nicht Paganini's Zaubervioline,
Nicht Thalberg's Flügel und nicht Lewy's Horn,
Nicht Romberg's Cello, nicht der Sonntag Stimme,
Der unvergess'ne Liederborn;
Sie sind es nicht, die ewig widertönen
In meinem Herzen, kaum mehr denk' ich d'ran;
Mir hat's in einem fernem Alpenstädtchen
Bei stiller Nacht das Posthorn angetan.
Im alten Posthaus hielt mein Reisewagen,
Aus Träumen weckte mich der gold'ne Klang,
Ich hob das Aug', zu Ende war mein Reisen,
Ich blieb bei ihr — die ganze Jugend lang.
In holder Eintracht flossen uns're Tage,
Wie Töne schwebend in vereinter Pracht,
Und leise wob in uns're Harmonien
Das Posthorn seinen Klang bei Tag und Nacht.
Wenn es verhallend schied zog die Geliebte
Ich an mein Herz und hielt sie fest und bang,
Bis jener Morgen kam, an dem ich selber
Hab' folgen müssen seinem Scheideklang.
— Mir ist die Welt, ich bin ihr gram geworden,
Nicht schätzt sie meinen, ich nicht ihren Brauch;
Sie hieß des Posthorn's gold'ne Brust verstummen,
Läßt reisen mich umzischt von Dampf und Rauch.
Nur selten noch auf weltvergess'ne Straßen
Drängt Posthornklang sich zitternd an mein Ohr —
Dann hör' ich fern die gold'nen Wogen rauschen
In denen ich mein Jugendglück verlor.
Vollmondschein
1.
Der Mond geht schweigend durch die stille Welt,
Ein Vogel wiegt sich träumend in der Helle,
So wie mein Herz, das diese Scholle hält
Und wandern möchte zu der fernsten Stelle.
Des Baches Wogen silbersprühend wallen
Dem schilfbewachs'nen Rand des Weihers zu.
Vom Walde drüben leise Stimmen schallen
Zu mir herüber — Kind! o wär'st es du!
2.
Du flohst von mir, wie der Novembersturm
Das letzte Blatt entreißt dem Rebgelände —
Der Mond geht schweigend über Dach und Turm,
Mein Haus ist leer — mein Herz, wir sind am Ende!
Sei still! — Im Walde drüben schweigt es wieder,
Des Windes Hauch allein noch stört die Ruh,
Der seufzend geht im Korne auf und nieder —
Wo in der Ferne, Kind, wo wandelst du?!
Lieblichste Erinnerung
Wir hielten uns liebend umfangen,
Verborgen im schweigenden Hain,
Wir sprachen von Liebe, es sangen
Die Vöglein von Liebe darein.
In meinem glühenden Kusse
Erstarb dein flüsterndes Wort,
Es trugen die Wellen im Flusse
Das süße Geheimnis fort.
Zerrissen sind jene Bande,
Vorüber die schöne Zeit,
Du zogest in ferne Lande,
Mit all' deiner Lieblichkeit.
Doch rauscht noch immer durch Klippen
Zu meinen Füßen der Fluß,
Noch bebt auf seligen Lippen
Dein letzter feuriger Kuß.
Der Herbst beginnt seine Runde,
Die Blätter fallen im Hain,
Schon brechen Jäger und Hunde
Mit schallenden Hörnern herein.
Da lächelt aus welkenden Zweigen
Die Sonne herab in's Revier,
Als wollt' sie die Stelle mir zeigen,
Wo du einst geblüht neben mir.
Auf dem Anstand
Auf der Höh' am Waldessaume
Ist mein Stand. In schwanken Ginster
Rieselt welkes Laub vom Baume,
Tief im Holze wird es finster.
Hunde jagen näher trabend,
Hastig greif' ich nach dem Hahne.
Während über mir der Abend
Still entrollt die Purpurfahne.
Jagten sie auf falscher Fährte?
Stiller wird's im Walde, stiller —
Kalter Wind, durch frostversehrte
Büsche pfeift er schrill und schriller.
Keine weit're Hoffnung hegend
Wend' ich ab das Haupt verdrossen —
Mir zu Füßen liegt die Gegend
Ganz von Purpur übergossen.
Vor den feuchtgeword'nen Blicken
Wogt und weht ein roter Schleier,
Altersschwache Erlen nicken
An dem rosenfarb'nen Weiher;
Alpen, Wiesen, Tannengruppen,
Purpur bis zum Felsenhorne,
Angehauchte Waldeskuppen,
Hinter ihnen — die Verlorne!
Blut des Reh's, aus tiefer Wunde
Heut' verströmt in heißen Bächen,
Weh! nun muß in sanfter Stunde
Diese Purpurflut dich rächen.
Still verfolgt sie, still und quälend,
Allzusicher ihren Lauf,
Fällt in's Herz und weckt das Elend,
Reißt die alten Wunden auf!
Wer fragt darnach!
Das Dampfschiff trug mich brausend auf dem halben,
Dem ersten Teil des Weg's durch Donauwellen,
Die zweite Hälfte zogen mut'ge Falben
Mich unter Posthornklängen, unter hellen.
Es ging zu ihr! Ein Sprung — und es erdröhnten
Der Treppe Stufen unter meinen Tritten;
Wir hatten uns und süße Namen tönten,
Wir küßten uns und — hatten nichts gelitten.
So flohen schöne Tage. Unterdessen
Reift Traub' und Apfel, auf die Alpenzacken
Fällt frischer Schnee, das seligste Vergessen
Stört welker Blätter Fall — und wir erschraken!
Steh' stille Sonne! Grünt noch fort ihr Blätter!
Was rennt ihr bösen Tage doch so eilig?
Zurück, du wonnereiches Erntewetter!
Umsonst, der Zeit ist Menschenglück nicht heilig.
"Wie kann ich tragen ohne dich die harten
Einsamen Tage?!" sprach sie auf den Stufen.
Ich riß mich los — die Falben unten scharrten,
Das Posthorn rief ein unbarmherzig's Rufen.
Nun ist's gescheh'n! Verglommen sind die Gluten,
Die Flocken fallen friedlich auf mein Dach;
Zwei treue Herzen kummervoll verbluten,
Wenn's wieder Frühling ist — wer fragt darnach?!
Verloren
Noch einen Kuß,
Einen Hauch, ein Wort —
Deine Hand — ich muß
In die Welt, in die Nacht fort!
Einsam!
Mein Rappe schäumt,
Mein Auge brennt,
Meine Seele träumt —
Welchen Jammer dies Wort nennt,
Einsam!
An dem grünen Ennsgestade
Weltverloren steht ihr Haus,
Über mondbeglänzte Pfade
Blickt sie nach dem Liebsten aus,
Einsam!
Ach! so viele, viele Jahre
Lebt sie dort in Sehnsuchtpein,
Zeit, auf deiner Totenbahre
Schlummert ihre Jugend ein!
Einsam!
Posthornklang
Das Posthorn spannt die Flügel
Des Klanges freudig aus,
Es schmettert von dem Hügel
Vorüber meinem Haus.
Vorüber in blauen Lüften
Die weißen Straßen entlang,
Es weckt in fernen Klüften
Des Echos gold'nen Klang.
O nimm mich mit im Fluge,
Du Sänger meiner Qual,
Nimm mit auf deinem Zuge
Mich in das ferne Tal!
Dein Klingen soll mich tragen
Zu jener alten Stadt,
Wo mich in Jugendtagen
Mein Lieb' erwartet hat.
Dort ziehe von der Brücke
Zu ihrem Haus der Schall,
Wie von dem alten Glücke
Der letzte Widerhall.
Veste Tal
Ein kleines verfallenes Schloß in Niederösterreich
Spätherbst ist es, trübe Wolkenschichten
Niederhängen auf das kalte Land;
Einsam reit' ich zwischen dunklen Fichten.
Dürftig flackert nur des Meilers Brand.
Endlich aber lichten rings die dichten
Bäume sich und an des Waldes Rand,
Grüßt in später Abenddämmerstunde
Mich ein Schloß aus dem verlass'nen Grunde.
Dieser Nadelwälder arme Schollen,
Von des Falken wildem Schrei durchgellt,
Hast du friedlich einst bewohnen wollen,
Abgewendet der verworr'nen Welt.
Leuchtend hätte diesen schattenvollen
Einsamkeiten sich dein Reiz vermählt —
Doch des Schicksals wechselvolles Walten,
Hieß dein Leben anders sich gestalten.
Jetzt zerfallen trostlos diese Mauern
Von vergess'nen Händen aufgebaut!
Diese wüsten Räume sie betrauern
Die verlor'ne, nie gekannte Braut.
In den Gängen hör' ich nur mit Schauern
Widerhallen meiner Schritte Laut;
Deinen Namen, den ich lass' erschallen,
Hauchend seufzend wieder — leere Hallen.
Längst verstummt die Uhr auf hohem Turme,
Die dir niemals frohe Stunden schlug,
Drüber hastet im Novembersturme
Sich der Wolken regnerischer Flug.
Von der Zeit zernagt und von dem Wurme,
Schwankt die Brücke, die dich niemals trug;
Fahles Moos bedeckt die morschen Dächer
Hohes Gras die Schwellen der Gemächer.
Hier vernehm' ich toter Steine Klagen,
Weil du brachest, was dein Mund versprach;
In den Türmen, die geborsten ragen,
Seufzt der Wind ein vorwurfsvolles Ach!
Ich allein, ich muß es schweigend tragen,
Daß ein And'rer meine Rose brach! —
Beide Sporen geb' ich meinem Rosse
Und wir fliegen aus dem wüsten Schlosse.
Abendläuten
Abendglocken wiederbringen,
Was das Herz verloren hat,
Rühren sie die gold'nen Schwingen
Über dieser guten Stadt.
Abseits von des Markts Getose
Ragt mein altes Vaterhaus,
Meines Jugenlebens Rose
Blühte drinnen duftig aus.
Meine Brüder, meine Schwestern
Fanden Bleiben hier und Glück,
In den angebornen Nestern
Blieb doch mancher Freund zurück.
Um die Brunnen, um die Türme
Webt noch die Erinnerung,
Trotz der Gräber, trotz der Stürme
Spät'rer Tage ewig jung.
So wie klare Wellen fließen
Meine Tage ab und zu,
Und in weiche Arme schließen
Reichtum mich und stolze Ruh'.
Doch — wenn Abendglocken tönen,
Springt mein stilles Herz empor;
Wandern will es zu der schönen
Freundin, die es früh verlor.
Meine Schwestern, meine Brüder,
Bleibt mir hold ihr Freunde all',
Aufgewacht bin ich ein müder
Schläfer bei der Glocke Schall.
Alle sichern Freundeskreise,
Alle Gaben des Geschick's,
Nehmt sie hin für eine Reise
Zu dem Glanze ihres Blick's!
Vorbei
Das Posthorn schmettert seine Weisen,
In's Städtchen rollt mein Reisewagen;
Am Tore blühen noch die Linden —
Ach könnt ich sie noch wieder finden,
Wie in verblühten Maientagen!
Vom stillen Leichenhof herüber
Die Trauerweiden schläfrig nicken.
Die Sonne, auf's Gebirg' gesunken,
Schaut durch die Zweige schlafestrunken
Auf mich herab mit trüben Blicken.
Des Zöllners Haar ist weiß geworden —
Gar manches Jahr verfloß indessen,
Seit ich mit ihr im Abendschimmer
Vorüber ging — er grüßt mich nimmer,
Hat meine Züge längst vergessen.
Es ist so leer, so seltsam stille,
In diesem einst so lauten Gassen;
Nur fremde Leute seh' ich gehen,
Wohin auch meine Augen spähen —
Es will kein Freund sich sehen lassen.
Dort ist hier Haus! Wo ist sie selber?
Sonst ist am Fenster sie gesessen,
So schrieb sie, von Erinnerungen
Und Abendglocken sanft umklungen —
Hat sie den süßen Brauch vergessen?
Es ist vorbei! — Mitleidig grüßet
Ihr Stern aus ferner Himmelsbläue;
Er mahnt, nach hellen Freudentagen,
Den dunklen Abend still zu tragen,
Wenn schlafen gingen Lieb' und Treue.
Die Wolken ziehen rosig glühend
Ihr über's Grab und sanfter Friede
Entfaltet leise sein Gefieder;
Im Herzen sterben mir die Lieder
Und ich bin müde — sterbensmüde !
Nachhall
1.
Ich stand in jungen Sommertagen
Am Gartentor, hinüberschauend,
Wo Mädchen in dem Fenster lagen —
Des Herzens stillem Traum vertrauend.
Vorbei das Schmachten, Sehnen, Bangen!
Der Mädchen Spuren auf den Feldern
Und in den schattenreichen Wäldern
Verfolg' ich nimmer voll Verlangen.
Wozu? Ich würde nur vermissen
Von schöner Hand gewund'ne Kränze —
Die arge Zeit hat rauh zerrissen
Die süßen Bande früher Lenze.
Nie wird mir Jene mehr begegnen.
Die zum Gesange mich bewogen;
Der Scheidenden sind nachgezogen
Die letzten Lieder, sie zu segnen!
2.
Die Schwalben ziehen wieder fort,
Ich bleibe wieder hier —
Wohl weiß ich einen schönern Ort,
Doch wär' ich auch noch einmal dort,
Nicht wär' ich mehr bei ihr!
Für Freiheit zog ich in den Strauß,
Man warf mich aus dem Land!
In ihrem stillen Vaterhaus
Spricht niemand meinen Namen aus,
Es fiel in fremde Hand.
Im Kirchhof unter'm Bogengang
Muß sie jetzt einsam ruh'n.
Ich höre noch den Glockenklang —
Die Glocke hielt, mein Herz zersprang —
So traurig tönt es nun!
St. Ulrich
Oberösterreich
Aus Tannengrün und rosigen Abendwolken
Ein Kirchlein grüßt in's herbstlichbunte Tal;
Die Glocke tönt vom alten Turme wieder,
Ihr Klang verhallt im letzten Abendstrahl.
Auf weichem Flügel weithinzitternder Lüfte
Schwebt er beseelt in's stille Land hinaus,
Da tritt umwallt von geisterhaftem Schauern
Ein leises Singen in mein leeres Haus.
Weltfremde Weisen, keine Worte sind es,
So holde Töne birgt nicht Menschenbrust:
Es ruft — ich weiß es nicht wohin — zur Ruhe,
Es fordert mich — ich weiß nicht wer — zur Lust.
Wer nennt in Lüften weinend meinen Namen? —
Hinsterbend haucht es einen kalten Kuß
Auf meine Stirn' — O, lebe wohl auf ewig!
Du sendest, Jugendliebe, diesen Gruß!